1.
Nicos Sicht.
Ca. 16 Jahre später
"Mirinda", hörte ich eine grimmige Männerstimme aus dem Flur heraus rufen. Scheiße, er ist zurück, dachte ich nur und ließ mich deprimiert auf meinem Stuhl zurück sinken. Die vier Tage Geschäftsreise waren verdammt schnell rum gegangen. Mit der Entspannung war es nun für mich vorbei, da war ich mir relativ sicher. Meine Mutter sah mich mit ihrem "Mach-bloß-kein-Scheiß-Gesicht" an, stand dann auf und ging in den Flur um Markus zu begrüßen. Ich verdrehte die Augen. Wir waren grad am Essen gewesen, doch das schien jetzt anscheinend beendet zu sein.
Gemeinsam betraten meine Mutter und mein Stiefvater das Esszimmer. Leslie hüpfte ebenfalls von ihrem Stuhl und sprang ihrem Vater in die Arme. Ich starrte nur gequält das Schnitzel auf meinem Teller an, das unsere Haushälterin Helga gemacht hatte.
Nachdem er Leslie ausgiebig begrüßt und sie wieder abgesetzt hatte, wandte er sich mir zu. "Hallo Nico", sagte er in einem undeutbarem Ton. "Hallo", nuschelte ich zurück,wandte den Blick aber nicht von meinem Teller ab. "Schau mich gefälligst an wenn ich mit dir rede" warf er mir in einem aggressivem Ton entgegen, griff mit der Hand in meinem Nacken und drehte meinem Kopf mit Gewalt zu sich. Super Nico er ist gerade mal fünf Minuten hier und schon sauer auf dich, dachte ich, während meine Mutter und Leslie unser Gespräch gebannt verfolgten.Ich brachte nur ein ziemlich genervt, "Tschuldigung" raus, doch das schien ihm zu genügen , denn er setzte ein schmieriges Lächeln auf und begann Mirinda vor seiner Geschäftsreise zu erzählen.
Er sprach mit einem leichten amerikanischen Akzent. Das lag daran, dass er in Amerika geboren war und dort auch bis er zehn oder so war gewohnt hat. Dann war er mit seinen Eltern nach Deutschland gezogen, hatte hier sein perfektes Abitur gemacht und irgendwas unglaublich tolles studiert und verdiente nun mit seinem Job ein Schweinegeld. Er lernte meine Mutter kennen als ich fünf war und sie heirateten nach kurzer Zeit und bekamen meine Halbschwester Leslie , die nun neun war und sein absolutes ein und alles. Das war wie beim Alphabet L, M, N. Am wichtigsten war Leslie, sie bekam immer was sie wollte, dann kamen Markus und Mirinda und zuletzt ich, Nico, für den sich keiner interessierte. Als uneheliches , durch eine Vergewaltigung entstandenes Kind passte ich einfach nicht in ihr perfektes Familienleben.
Man könnte sich jetzt fragen warum sie mich nie zur Adoption freigegeben haben oder so. Das liegt schlich und ergreifent daran, dass das irgendwelche Leute bei seiner Arbeit mitbekommen hätten und es dann sicher viele Fragen von wegen "Warum lässt der ach so tolle Mr Cooper seinen Sohn adoptieren?" Und nicht einmal um mich los zu werden würde er seinen beschissenen Job aufs Spiel setzten. Ich meine das Geld muss ja fließen.
Eigentlich warn wir uns bei der Sache aber ausnahmsweise mal einig. Sie wollten mich nicht haben und ich wollte nichts lieber als weg. Doch so einfach war das nicht als fauler 16 jähriger mit schlechten Noten auf einer Gesamtschule. Ich war in der 10. Klasse und musste dieses Jahr versuchen, einen halbwegs passablen Realschulabschluss hinzukriegen. Im Moment sah es für mich was das anbelangt zwar eher schlecht aus, ich nahm mir jedoch vor mir deshalb noch keine Gedanken zu machen. Das Schuljahr hatte gerade erst angefangen und die Prüfungen waren logischerweise erst am Ende.
Ich beobachte wie Markus Mirinda charmant anlächlte. Er trug noch immer seinen edlen, wahrscheinlich ziemlich teuren Anzug. Vorne links war an dem schwarzen Stoff ein kleines, weißes Schildchen mit der Aufschrift "Mr Cooper" angebracht. Ich war ziemlich froh, dass sie mir nicht auch diesen dummen amerikanischen Namen gegeben hatten, als sie damals geheiratet haben. Ich hieß weiterhin Weber wie meine Mutter früher.
Der Rest meiner Familie war inzwischen ins Wohnzimmer gegangen und ignorierte mich. Das war mir ganz recht, so konnte ich ungestört in mein Zimmer verschwinden. Während ich die Treppe hochging, hörte ich Leslie unten kichern. Sie hatte ein hässliches lachen, dass mich ziemlich aggressiv machte, wie so ziemlich alles was Leslie tat. Sie war eine zickige, hochnäsige neunjährige, die von Papa alles in den Arsch geschoben bekam und trotzdem unglaublich undankbar war. Meine Mutter und Markus vergötterten sie jedoch regelrecht, hielten sie für das Schönste, was die Erde je gesehen hatte und ignorierten den Fakt , dass sie im Inneren ein kleines Biest war. Ich ließ mich auf mein Bett fallen, steckte mir Kopfhörer in die Ohren und schaltete einfach ab.
Ich lag ungefähr eine halbe Stunde so da und dachte an gar nichts. So lange bis mein Handy klingelte. Genervt zog ich die Kopfhörer raus und warf einen Blick auf den Bildschirm, um zu sehen wer mich störte. Es war mein bester Kumpel Till. Meine Laune verbesserte sich ein bisschen und ich ging trotz anfänglichem Zögern dran.
"Hey Mann", rief er mir direkt entgegen. "Hi", sagte ich nicht gerade euphorisch, was Till auch direkt bemerkte. "Du klingt nicht gerade glücklich, ist irgendwas?", fragte er. "Ach keine Ahnung", antworte ich resigniert, "Markus ist gerade von seiner schieß Geschäftsreise zurück gekommen und er fuckt mich jetzt schon total ab."
"Dieser scheiß Mistkerl", schimpfte er und ich musste schmunzeln.
Nach einer kurzen Pause meinte Till: "Wesswegen Ich eigentlich Anrufe: Hast du vor morgen zur Schule zu gehen?" Ich überlegte kurz, doch dann antwortete ich:"Ich muss, Alter! Ich hab in letzter Zeit so oft geschwänzt, das wird langsam echt auffällig und ich hab echt keinen Bock, dass Markus das mitbekommt." "Versteh ich total", antwortete er direkt, "dann komm ich morgen auch, dann bist du mit den ganzen Spasten in unserer Klasse nicht alleine."
Ich setzte gerade zu einem danke an, da fügte er hinzu:"Dank mir später!Ich muss jetzt auflegen, bis morgen."
"Tschüss", verabschiedete ich mich und legte auf, in der Hoffnung, daß der morgige Tag einigermaßen gut verlaufen würde.
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