68 | Solang es nötig ist
Friends, wir nähern uns langsam dem Ende. Ich bin ein wenig traurig.
Maxim sank in die weichen Polster auf dem Rücksitz des Taxis und schloss kurz seine Augen. Noch immer war es ein wenig surreal für ihn, dass er wirklich hier war. Nachdem er Leticia am Flughafen verpasst hatte, hatte er eine ganze Weile hin und her überlegt.
Er hatte einfach nicht glauben wollen, dass Leticia nur wegen eines dummen Streits mit ihm mit Noemi zu ihren Eltern fliehen würde, ohne mit ihm all das aus der Welt zu räumen, was nach ihrem Streit noch zwischen ihnen gestanden hatte. Je länger er darüber nachgedacht hatte, desto bewusster wurde ihm, dass irgendetwas passiert sein musste; irgendetwas, dass sie ihm sicherlich hatte sagen wollen, als sie ihn angerufen und er sie weggedrückt hatte.
Kurzerhand hatte er sich dazu entschieden, nach seiner Sprachnachricht ein weiteres Mal an diesem Tag über seinen Schatten zu springen und seinen männlichen Stolz hintenanzustellen. Wenn wirklich irgendetwas passiert war, würde er alles andere beiseiteschieben und sich um seine Familie kümmern. Dieser Zusammenhalt, auch in schlechteren Zeiten, machte schließlich eine Familie aus.
Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte er alle Folgetermine der nächsten Tage verschoben. Der Vertrieb hatte die fertigen Songs bekommen und die Fotos für die anstehende Promophase, die er auch aus dem Ausland steuern konnte, hatte er bereits vor Wochen ausgewählt. Zur Not konnte er anstehende Interview-Termine auch ins Ausland verlagern und den Umstand sogar noch für sich nutzen, dass er ein paar Tage in der Sonne verbrachte. Er würde es einfach so aussehen lassen, als gönne er sich eine kleine Auszeit; einfach, weil er es konnte. Doch dazu kam es ja vielleicht gar nicht.
Seine Angewohnheit, seine Sporttasche regelmäßig nach dem Training im Auto zu vergessen, war ihm heute ausnahmsweise entgegengekommen. Kurzerhand hatte er seinen Wagen aus der Kurzparkzone in ein völlig überteuertes Parkhaus umgestellt, seine Sporttasche mit ein paar Wechselklamotten aus dem Kofferraum geholt und den nächsten Flug nach Barcelona gebucht.
Während der Wartezeit hatte er seinen WhatsApp-Verlauf mit Leticia durchsucht. Sie hatte ihm irgendwann einmal einen Link zu der Immobilie geschickt, die ihre Eltern gekauft hatten. Er wusste nicht, ob er sich zu weit aus dem Fenster lehnte, ihr einfach so nachzureisen, ohne mit ihr darüber vorher zu sprechen. Schließlich waren sie trotz allem im Streit auseinander gegangen. Doch er war überzeugt, dass er das Richtige tat.
Kurz vor dem Abflug nach Barcelona hatte er eine Whatsapp-Nachricht von Leticia erhalten, indem sie ihm schrieb, dass ihr Vater im Krankenhaus lag. Die Gewissheit hatte gemischte Gefühle in ihm ausgelöst; einerseits war er erleichtert gewesen, weil er mit seiner Vermutung richtiggelegen hatte, andererseits bedrückte ihn diese Erkenntnis. Leticias Vater hatte schon genug mitgemacht. Diese Information hatte ihn jedoch nur darin bestätigt, gerade das Richtige zu tun. Doch anstatt Leticia darüber zu informieren, dass er gleich ebenfalls in ein Flugzeug nach Barcelona steigen würde, hatte er sich lediglich knapp nach ihrem Vater erkundigt, bevor er schließlich das Flugzeug betreten und sein iPhone ausgeschaltet hatte.
Inzwischen saß er endlich im Taxi und ließ sich zu Leticias Elternhaus bringen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es erreichten. Leticia hatte ihm inzwischen wieder geschrieben, dass es nicht wirklich etwas Neues gab. Maxim gefiel es, dass sie seine Anteilnahme zu schätzen wusste und ihn trotzdem auf dem Laufenden hielt. Er antwortete ihr nicht mehr, schloss stattdessen seine Augen und versuchte sich kurz zu entspannen. Die vergangenen Tage hatten ihm nervlich einiges abverlangt. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er einfach alt wurde.
Maxim bezahlte den Fahrer, stieg aus dem Taxi und lief mit seiner kleinen Sporttasche in der Hand auf die große Eingangstür zu. Ein kleiner Wagen stand in der geräumigen Einfahrt. Er schaute kurz auf seine Uhr, bevor er die Klingel herunterdrückte. Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis sich die Tür öffnete und Leticias Mutter vor ihm stand.
Kurz musterte sie ihn überrascht, bevor sie schließlich mild lächelte. „Hola.", sagte Maxim ein wenig unbeholfen und lächelte schief. „Komm doch bitte rein.", sagte Leticias Mutter und machte einen Schritt nach hinten. „Leticia hat mir gar nicht gesagt, dass du auch noch kommst. Das finde ich wirklich ganz toll von dir.", sagte sie, als Maxim sich an ihr vorbei in den hellen Flur schob und sie die Tür hinter ihm schloss. „Das liegt daran, dass sie das selbst nicht weiß."
Leticias Mutter musterte ihn kurz irritiert. „Es war eher eine spontane Entscheidung.", ergänzte er, stellte die Tasche im Eingangsbereich ab und folgte ihr durch den Flur. Dabei schaute er sich kurz interessiert um. Auch hier hingen überall Bilder der Familie an den Wänden.
„Wie geht es Ihrem Mann?", erkundigte er sich interessiert. Sie blieb vor einer Tür stehen und lächelte mild. „Er braucht sehr viel Ruhe. Das war wirklich nicht schön. Aber die Ärzte kümmern sich um ihn und er bekommt eine gute Versorgung." Maxim nickte. „Gibt es denn schon eine Diagnose?" Sie schüttelte den Kopf. „Bis jetzt wissen sie nur, dass es ein Kreislaufzusammenbruch war. Ob es mit seinem Herzen zusammenhängt, müssen sie erst noch prüfen. Es kann sein, dass es schwächer wird und zu wenig Blut in den Kreislauf pumpt."
Sie schwieg kurz, dann drückte sie plötzlich seine Hand. „Es ist wirklich schön, dass du hier bist.", sagte sie noch einmal, dann deutete sie mit einem Kopfnicken auf die angelehnte Tür. „Sie ist glaube ich in der Küche." Maxim lächelte. „Danke.", sagte er.
Als er die Küchentür aufstieß, fuhr Leticia zu ihm herum. Ihre Augen funkelten überrascht, während sich ihre Lippen leicht öffneten. Sie trug einen roséfarbenen Strickpullover mit V-Ausschnitt, der ihre Figur leicht umspielte, und eine weiße Skinny Jeans mit Knieschnitten. Ihre Haare hatte sie einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden, aus dem sich ein paar Strähnen gelöst hatten, die ihr ins Gesicht fielen.
„Was-", setzte sie zu fragen an, während er die Distanz zwischen ihnen überbrückte, seine Hände an ihre leicht geröteten Wangen legte und sie mit einem entschiedenen Kuss unterbrach. Dieser Kuss war für ihn so viel mehr als nur eine Begrüßung; er war seine Bestätigung dafür, dass ihre gesamte Auseinandersetzung und all das, was sie sich in ihrer Wut auf den anderen an den Kopf geworfen hatten, einfach nicht mehr wichtig waren. Alles, was zählte war, dass sie zusammenhielten.
Seine Lippen brannten, als er seine Lippen fest auf die von Leticia presste. Sie wich nicht zurück, legte stattdessen ihre Hände an seine Handgelenke, schloss ihre Augen und seufzte wohlig in diesen Versöhnungskuss hinein. Als Maxim sich von ihr löste, strich er ihr eine dieser verlorenen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie verlor sich einen Moment lang dabei in seinen Augen.
„Alles okay?", fragte er leise und erwiderte ihren tiefen Blick. Leticia nickte zaghaft.
„Ich wollte nicht einfach so verschwinden, ohne, dass wir uns ausgesprochen haben, aber-"
„Das ist gerade alles nicht wichtig. Wir reden noch mal in Ruhe über alles, wenn es deinem Vater besser geht.", unterbrach er sie.
„Du hättest mir allerdings schon schreiben sollen, dass ihm etwas passiert ist, als ich dich weggedrückt habe."
Leticia senkte betreten ihren Blick. „Ich habe dir eine WhatsApp-Nachricht geschickt, aber leider erst nach der Landung gesehen, dass sie nicht durchgegangen ist. Danach habe ich sie sofort noch mal geschickt.", sagte sie reumütig. Maxim grinste. „Da saß ich schon längst am Gate und habe auf meinen Flug gewartet."
Leticia schüttelte ungläubig den Kopf und lächelte. „Du wusstest doch nicht einmal, was los ist." Maxim strich durch ihre Haare. „Ich war mir sicher, dass etwas passiert sein muss. Du hast immerhin völlig überstürzt den nächsten Flug nach Barcelona ohne Rückflug gebucht."
„Woher wusstest du das?", fragte sie und musterte ihn erwartungsvoll. Er lächelte. „Ich habe zufällig deine Bestätigungsmail mit den Bordkarten in deinem Postfach gefunden." Leticia schmunzelte. „Zufällig gefunden.", wiederholte sie. Er hob abwehrend die Hände. „Es war wirklich so. Ich saß am Mac und da poppte plötzlich eine neue Mail auf. Ich habe wirklich nicht daran gedacht, dass du dein Postfach auch auf meinem Mac eingerichtet hast und draufgeklickt."
Leticia schmunzelte. „Eigentlich müsste ich dir jetzt in den Arsch treten, weil du meine E-Mails gelesen hast, aber ich bin einfach nur glücklich, dass du gerade hier bist." Maxim schmunzelte ebenfalls, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang. Er schob seine Arme um ihre Taille und zog sie zu sich heran. „Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet.", sagte sie leise. Maxim glaubte, Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen. „Wenn du mich brauchst, bin ich da. Du kannst dich immer auf mich verlassen, selbst, wenn ich dich ein paar Minuten vorher noch umbringen wollte.", versicherte er ihr. „Wie lang bleibst du?", fragte sie vorsichtig. „Solang es nötig ist."
Hach, ob er süß ist?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top