67 | Ein Traum?
Ich weiß, hier ging es schon länger nicht weiter. Das liegt aber nur an der Adventszeit und daran, dass ich ja auch parallel den Kalender hochlade. Wollte euch mit dem Lesen nicht überfordern, weil beim Kalender ja jeden Tag ein Kapitel kommt :D Hier gehts aber jetzt endlich auch weiter. Viel Spaß.
Leticia wippte nervös mit ihren Füßen, als der Flieger die Landeposition erreichte. Sie fuhr sich mit ihren zitternden Fingern ungeduldig durch die Haare. Passend zu ihrer Stimmung war der Flug nach Barcelona sehr turbulent verlaufen und sie hatte kurzzeitig mit einer aufsteigenden Panikattacke gekämpft. Im Moment war das einfach alles zu viel; erst dieser blöde Streit mit Maxim und dann auch noch der Anruf ihrer Mutter...!
Leticia versuchte sich zu beruhigen. Noemi, die neben ihr im Sitz saß und aus dem Fenster schaute, hatte ihre Unruhe zum Glück noch nicht bemerkt. Sie hatte zum Glück nichts von ihrer Diskussion mit Maxim mitbekommen. Heute Morgen, als Leticia sie in die Schule gefahren hatte, war sie noch ziemlich streng mit ihr gewesen und hatte versucht ihr zu zeigen, dass sie wirklich nicht einverstanden mit ihrem Verhalten war. Doch der Anruf ihrer Mutter hatte einfach alles verändert.
Augenblicklich war Leticia ihre Wut auf Noemi und Maxim total unwichtig vorgekommen. Sie hatte zwar noch einmal versucht, Maxim zu erreichen, es dann jedoch aufgegeben. Sie hatte keine Zeit gehabt, großartig über weitere Schritte nachzudenken. Sie hatte den nächstbesten Flug nach Spanien gebucht und das Nötigste zusammengepackt, bevor sie schließlich Noemi von der Schule abgeholt hatte und mit ihr zum Flughafen gefahren war.
Natürlich hatte Noemi Fragen gestellt, doch Leticia hatte so gut es ging vermieden, mit ihr über den wahren Grund ihrer übereilten Reise zu sprechen.
Die ersten Passagiere erhoben sich ungeduldig aus ihren Sitzen. Leticia hatte nicht einmal ein Auge für den blauen Himmel und den strahlenden Sonnenschein, als sie kurz darauf hinter Noemi aus dem kleinen Flugzeug an die frische Luft trat.
„Glaubst du, Oma ist schon da?" Noemis vorfreudige Stimme riss Leticia aus ihren wirren Gedanken. Sie versuchte zu lächeln. „Bestimmt.", antwortete sie, während sie mit Noemi auf den kleinen Transferbus zulief. Rechts und links zog sie ihre zwei Handgepäck-Trolleys hinter sich her. Diese zwei Trolleys und ihre große Handtasche waren die einzigen Gepäckstücke, die sie mitgenommen hatte.
„Ich freue mich, sie zu sehen.", stellte Noemi fest, als sie in den Transferbus stiegen und sich einen freien Platz suchten. Leticia lächelte. „Ich freue mich auch.", sagte Leticia und verdrängte all die schlechten Erinnerungen an das letzte Telefonat mit ihrer Mutter. Jetzt waren alle Passagiere zugestiegen. Der Bus setzte sich in Bewegung und Leticia verwickelte Noemi in ein oberflächliches Gespräch.
Immer wieder kehrten ihre Gedanken dabei zu Maxim zurück, wenn sie in Noemis Gesicht schaute. Sie hatte einfach so unglaublich viel von ihm und jetzt, wo sie so viel Zeit mit ihm verbracht hatten und er ein richtiger Bestandteil ihres Lebens geworden war, fiel ihr das mehr und mehr auf. Erst, als sie bereits den Transferbus verlassen hatten und auf den Ausgang zuliefen, bemerkte Leticia, dass sie ihr Handy noch gar nicht wieder eingeschaltet hatte.
Sofort kramte sie ihr iPhone aus der großen Handtasche und schaltete es wieder ein. Sie empfing direkt ein paar Nachrichten, darunter auch eine WhatsApp Nachricht von Maxim. Ihr Herz schlug ihr augenblicklich bis zum Hals, als sie sich in ihren Nachrichtenverlauf mit ihm klickte. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Nachricht, die sie ihm kurz vor ihrem Abflug geschickt hatte, nicht gesendet worden war. Leticia blieb kurz stehen, schloss ihre Augen und atmete tief durch. Verdammte Technik! Als sie ihre Augen wieder öffnete, fiel ihr Blick auf die Worte, die Maxim bisher nicht erreicht hatten.
„Habe dich nicht erreicht. Mein Vater ist im Krankenhaus. Ich muss nach Barca."
Automatisch klickte ihr Daumen die Sprachnachricht an, die er ihr geschickt hatte und sie hielt sich schnell das iPhone ans Ohr.
„Hey Baby... So sollte das alles nicht laufen. Ich glaube, wir wissen beide, dass wir in unserer Wut Dinge gesagt haben, die nicht cool waren. Aber es ist noch so vieles ungesagt und ich will das alles nicht so stehenlassen. Wir müssen miteinander reden. Also steig bitte nicht in diese Maschine."
Leticia schluckte. Woher wusste er, dass sie einen Flug nach Barcelona gebucht hatte? Ihr Blick wanderte zurück zu ihrer Nachricht an ihn, doch sie war noch immer nicht versendet worden. Sie hörte sich seine Nachricht noch ein weiteres Mal an. Dabei wurde ihr Herz schwer und zog sich schmerzhaft zusammen. Auch, wenn er sich nicht wirklich entschuldigte, klangen seine Worte reumütig und das berührte sie. Er schien sein Verhalten und seine Worte reflektiert zu haben und sich bewusst geworden zu sein, dass auch er sich nicht gerade vorbildlich verhalten hatte.
„Mama, wo bleibst du denn?!" Noemis Stimme ließ sie aufschauen. Sie stand ein paar Meter von Leticia entfernt und musterte sie erwartungsvoll. „Ich komme.", sagte Leticia und setzte sich wieder in Bewegung in Richtung Ausgang. Dabei versuchte sie, ihre bisher ungesendete Nachricht an Maxim zu verschicken, damit er zumindest wusste, was los war.
„Oma!" Leticia schaute auf. Ohne es zu merken, hatte sie den Ausgang des Gates erreicht und lief geradewegs auf ihre Mutter zu, die gerade bereits Noemi in ihre Arme schloss. Als Noemi sich von ihr löste, schaute ihre Mutter der Kleinen kurz ins Gesicht und warf Leticia dann einen fragenden Blick zu. Leticia seufzte lautlos. Auch ihrer Mutter waren die Schrammen nicht verborgen geblieben.
„Sie hatte Ärger mit einem Mädchen in ihrer Klasse.", erklärte Leticia und schloss ihre Mutter kurz in ihre Arme. „Wo ist Opa?", fragte Noemi und schaute sich suchend um, als sie bemerkte, dass jemand fehlte. „Opa konnte nicht mitkommen.", antwortete Leticias Mutter. Leticia musterte sie aufmerksam. „Wie geht es ihm?"
Ihre Mutter wurde ernst. Augenblicklich schlug Leticia ihr Herz bis zum Hals und eine Welle der Panik überkam sie. „Er hat es überstanden.", sagte ihre Mutter, doch es klang nicht wirklich überzeugend. „Was hat er überstanden, Oma?", fragte Noemi neugierig. Leticia seufzte schwer. Sie wusste einfach nicht, wie sie vor Noemi die Wahrheit bestmöglich beschönigen sollte, so, dass sie sich keine Sorgen machte. „Opa liegt im Krankenhaus, Maus. Er hatte einen kleinen Schwächeanfall, weil er zu wenig getrunken hat."
Ihre Mutter warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Leticia zuckte hilflos mit den Schultern. Auf die Schnelle war ihr keine bessere Ausrede eingefallen.
„Können wir zu ihm?", fragte Leticia, als sie sich in Bewegung in Richtung Ausgang setzten. „Ja, aber wahrscheinlich nicht lange.", sagte ihre Mutter und Leticia folgte ihr gemeinsam mit Noemi zum Auto. Leticia machte es beinah wahnsinnig, dass sie sich in Anwesenheit ihrer Tochter nicht offen mit ihrer Mutter über den Gesundheitszustand ihres Vaters unterhalten konnte. Als Maxim sie ins Krankenhaus begleitet hatte, war alles so viel einfacher gewesen. Maxim... Leticia seufzte lautlos, als sie auf den Beifahrersitz fiel und zog erneut ihr iPhone heraus, um sich zu vergewissern, dass ihm dieses Mal die Nachricht auch wirklich zugestellt worden war.
„Was ist mit ihm?"
Es waren nur vier Worte, doch sie reichten aus, um Leticia die Tränen in die Augen zu treiben. Sie schloss kurz ihre Augen, bevor sie Maxim antwortete.
„Er ist heute Morgen zusammengebrochen. Mehr weiß ich noch nicht. Melde mich später."
Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass Maxim trotz ihrer Auseinandersetzung hinter ihr stand. Noch viel mehr als seine Worte wünschte sie sich ihn jetzt an ihre Seite. Sie wusste, dass er in der Lage war, die Ruhe zu bewahren und rational zu denken, wenn sie den Verstand verlor und sich von ihren Gefühlen leiten ließ. Maxim hatte sich in einer ähnlichen Situation schon einmal bewiesen. Kurz fragte sie sich, ob er sie ohne zu zögern begleitet hätte.
Nur wenig später erreichten sie das große Krankenhaus. Leticia versuchte nach außen stark zu sein, doch innerlich war sie ein richtiges Nervenbündel. Noemi hüpfte als erstes aus dem Auto und so nutzte sie ihre Chance, ihre Mutter einmal mehr nach ihrem Vater zu fragen.
„Er hatte einen Kreislaufzusammenbruch. Sie untersuchen noch, ob es eine Folge seines Herzfehlers oder der Medikamente ist, oder ob eine andere Ursache dahintersteckt. Er braucht jedenfalls jetzt sehr viel Ruhe, sagen die Ärzte."
Als Leticia zwei Stunden später die kleine Finca ihrer Eltern betrat, atmete sie erleichtert auf. Ihr Vater hatte geschlafen, als sie gekommen waren, doch er lebte noch und dem behandelnden Arzt nach standen die Chancen gut, dass das auch so blieb. Bisher sprachen alle Anzeichen dafür, dass ihr Vater einfach nur seine Medikamente nicht regelmäßig eingenommen hatte.
„Möchtet ihr noch etwas essen?" Leticia musterte ihre Mutter kurz unschlüssig. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie seit ihrem Frühstück mit Noemi noch nichts gegessen hatte. Also nickte sie zögernd. „Gern. Aber ich koche." Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Doch!", protestierte Leticia und folgte ihr in die Küche, während Noemi im Wohnzimmer verschwand. Eine ganze Weile diskutierte Leticia mit ihrer Mutter, doch dann gab sie schließlich nach.
Während ihre Mutter das Abendessen zubereitete, gesellte Leticia sich zu Noemi ins Wohnzimmer. Jetzt, wo sie endlich mal einen Moment Ruhe an diesem nervenaufreibenden Tag fand, wollte sie Maxim endlich ein Update geben. Sie wusste zwar nicht wirklich viel mehr, doch sie fand, dass sie ihn auf dem Laufenden halten musste. Schließlich erkundigte er sich nach ihrem Vater und machte sich sicherlich auch seine Gedanken in Deutschland.
Erst, als sie kurz darauf mit ihrer Mutter und Noemi am Esstisch saß, begann sie sich ein wenig zu entspannen. Sie genoss das leckere Essen ihrer Mutter und die Gesellschaft ihrer Lieblingsmenschen. Sie versuchten, sich über alltägliche Dinge zu unterhalten. Noemi erzählte ihrer Oma von ihren ersten Wochen in der Schule und diese hörte ihr aufmerksam dabei zu. Als sie mit Essen fertig waren, erzählte Noemi noch immer von der Schule. Erst ein Klingeln an der Haustür stoppte sie einen kleinen Moment. Als ihre Mutter kurz verschwand, begann Leticia damit, den Esstisch abzuräumen.
Sie hörte die dumpfe, fröhliche Stimme ihrer Mutter aus dem Flur, doch sie verstand nichts. Sie räumte das Geschirr in den Geschirrspüler und ließ Wasser in die dreckigen Töpfe ein. Als sie jetzt eine dunkle Stimme hörte, hielt sie in ihrer Bewegung inne. Sie runzelte skeptisch die Stirn. Noch während sie darüber nachdachte, ob das überhaupt möglich war, fuhr sie herum und schaute geradewegs in seine blauen Augen. In ihnen spiegelte sich Reue, aber auch Erleichterung. Noch immer trug er denselben Jogginganzug wie heute Morgen.
Leticias Gedanken überschlugen sich. Was machte er hier? Wie war er hierher gekommen? Woher wusste er überhaupt, wo ihre Eltern wohnten? Träumte sie vielleicht? Sie biss sich auf die Zunge. Es tat höllisch weh.
„Was-", entfuhr es ihr überrascht, doch Maxim machte einfach nur schweigend ein paar Schritte auf sie zu, umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und zog sie zu sich heran, bevor er seine Lippen fest auf ihre presste.
Ja, ich weiß, war jetzt nicht soooo unvorhersehbar, dass da was passiert ist, aber cute irgendwie, dass er da einfach so auftaucht, oder?
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