42 | Eingeständnisse
Ihr Lieben, hier ist es, das neue Kapitel. Viel Spaß ❤️
Noch immer versuchte Maxim, seine Gedanken zu ordnen, während Leticia ihn wütend anschaute. Er konnte es ihr nicht verübeln, schließlich hatte er ihr noch vor ein paar Wochen deutlich gesagt, dass er keine gemeinsame Zukunft für ihre Beziehung sah und zu allem Überfluss mit einer anderen Frau geschlafen.
Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er sich damit lediglich selbst beweisen wollen, dass er über Leticia hinweg war. Aber er war es nicht. Er hatte seine Gefühle für sie nur verdrängt und mit der Fähigkeit vergraben, etwas für sie empfinden zu können. Aber als sie plötzlich vor seiner Tür gestanden und ihn fast in flagranti erwischt hatte, war etwas passiert, womit er nicht gerechnet hatte. Sie hatte diese Blockade gelöst.
Zu sehen, wie tief er sie damit verletzt hatte, führte ihm nicht nur vor Augen, wie stark ihre Gefühle für ihn waren. Es zeigte ihm auch, dass Leticia ihm mehr bedeutete, als er sich in den letzten Wochen eingestanden hatte. Es hatte ihn tief in seinem Innersten getroffen, dass er ihren Zusammenbruch mit seinem Verhalten überhaupt erst ausgelöst hatte. Dabei war sie die erste Frau in seinem Leben, die ihn wirklich verstand und seine Werte teilte. Sie stellte ihre Familie über alles und setzte ihre Prioritäten so, wie er es tun würde.
Das hatte sie erst heute wieder bewiesen, indem sie sich einfach freigenommen und die Arbeit hintenangestellt hatte, damit er seinen Geburtstag mit Noemi verbringen konnte. Er war sich sicher, sie würde auch mitten in der Nacht aufstehen und ohne zu fragen ans Ende der Welt fahren, um ihn aus Schwierigkeiten herauszuholen – einfach, weil sie vollkommen hinter der Familie stand. Die Sorge vor der ungewissen Zukunft musste schlimm für sie sein; erst recht in dem Glauben, er würde sie ebenfalls in der Situation alleinlassen. Dabei konnte er sich durchaus vorstellen, sein restliches Leben mit ihr zu verbringen – und hatte sie dennoch aus falschem Stolz von sich weggetrieben.
Als sie weinend in seinen Armen zusammengebrochen war, hatte er realisiert, wie viel er eigentlich in ihr kaputtgemacht hatte und schämte sich wahnsinnig dafür. Dabei hatte er sie so tief in sein Leben gelassen wie keine vor ihr – und genau dorthin wollte er sie auch wieder zurückhaben.
Inzwischen wusste er, dass er durch Leticia und Noemi die Chance auf eine richtige Familie bekam und sie durch seine eigene Dummheit mit Füßen getreten hatte. Wahrscheinlich verdiente er ihre Liebe nicht.
Schwer atmend strich er sich durchs Haar und suchte nach den richtigen Worten, doch er fand sie nicht. Er war einfach zu aufgewühlt.
„Ich glaube, ich fahre jetzt besser."
Maxim musterte Leticia überrascht aus großen Augen.
„Was? Wohin?", platzte es aus ihm heraus. Sie seufzte.
„Ich habe versucht, es auszublenden, aber ich kann hier nicht bleiben. Als ich vorhin spazieren gegangen bin, um den Kopf freizukriegen, habe ich mir ein Zimmer für die Nacht gebucht."
Er fuhr sich kopfschüttelnd mit der flachen Hand übers Gesicht. Es ärgerte ihn, dass sie ein weiteres Mal verschwinden wollte, doch diesmal war er nicht wütend auf sie, sondern auf sich selbst. Immerhin war nur sein jämmerlicher Versuch, sich selbst zu beweisen, dass er über sie hinweg war, schuld an der beschissenen Situation, in der sie sich gerade befanden.
„Du musst nicht in meinem Bett schlafen", erwiderte er hilflos, nicht bereit, sie schon wieder gehen zu lassen. Schließlich war er sich gerade erst bewusst geworden, was überhaupt in ihm vorging. Leticia schüttelte entschieden den Kopf.
„Es geht wirklich nicht, okay? Jede Faser meines Körpers wehrt sich gerade dagegen, hierzubleiben, und vielleicht tut es mir auch ganz gut, wenn ich mir nochmal eine Nacht Gedanken machen kann."
„Ich glaube, es wäre besser, du würdest bleiben und mit mir sprechen", hielt er dagegen. Sie runzelte misstrauisch die Stirn.
„Nimm es mir nicht übel, aber du bist der Letzte, mit dem ich gerade reden will."
Er seufzte leise.
„Lass mich für dich da sein", sagte er, doch sie schüttelte abermals den Kopf.
„Ich komme morgen früh wieder, um Noemi abzuholen. Bevor ich fahre, bringe ich dir ihre Tasche aus dem Auto, damit sie sich vernünftig die Zähne putzen und etwas Frisches anziehen kann", erwiderte sie entschieden. Als er erkannte, dass es keinen Sinn machte, weiter mit Leticia zu diskutieren, nickte er.
„Okay", lenkte er ein, in der Hoffnung, dass sie morgen noch einmal in Ruhe über alles sprechen konnten. Anschließend begleitete er sie widerwillig nach draußen. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie kurz darauf in ihren Wagen stieg und aus der Einfahrt rollte, während er mit Noemis Tasche in der Hand zurückblieb und ihr nachsah.
Als die Rücklichter in der Dunkelheit verschwunden waren, kehrte er ins Haus zurück und drückte leise die Tür hinter sich ins Schloss. So leise er konnte ging er die Treppe hinauf, um nach Noemi zu sehen. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie nach wie vor selig schlummernd in ihrem Bett liegen sah.
Seine Gedanken kreisten weiter um Leticia, als er sich ins Badezimmer schlich, um sich die Zähne zu putzen, um danach erschöpft ins Bett zu fallen. Dennoch war an Schlaf vorerst nicht zu denken.
Er wusste nicht, wie lang er wachgelegen und darüber nachgegrübelt hatte, wie er Leticia zurückgewinnen konnte, als er am nächsten Morgen müde die Augen aufschlug. Die ersten Sonnenstrahlen fielen bereits durch die zugezogenen Vorhänge und er blinzelte benommen.
„Wo ist Mama?"
Maxim schreckte auf. Erst jetzt bemerkte er Noemi, die an seinem Bett stand und ihn neugierig musterte. Sie trug noch immer sein T-Shirt und ihre Haare standen völlig durcheinander von ihrem Kopf ab. Wie lang stand sie schon da?
„Morgen...", murmelte er in sein weiches Kopfkissen und seufzte schwer.
„Du hast gesagt, sie ist wieder da, wenn ich aufwache."
Maxim drehte sich auf den Rücken und zog Noemi zu sich heran.
„Sie braucht noch ein Bisschen, so lange soll ich auf dich aufpassen", antwortete er verschlafen. Noemi zog misstrauisch die Augenbrauen hoch.
„Ist sie immer noch traurig?"
„Kuschelst du eigentlich gerne?", probierte er, sie von ihren Fragen über Leticia abzulenken, in der Hoffnung, dass es funktionierte. Als er Noemi zu sich in sein warmes Bett zog, quietschte sie auf. Ihr Lachen erwärmte sein Herz und steckte ihn an. Nach einer kurzen Rangelei lag Noemi schließlich halb über seinem Bauch, halb über seiner Brust. Maxim drückte sie zufrieden an sich und streichelte ihren Kopf. Noch nie hatte er mit einem kleinen Mädchen so vertraut dagelegen, doch ihren Herzschlag so nah an seinem zu spüren, war ein unbeschreibliches Gefühl. Er genoss diesen Augenblick und versuchte, ihn so lange wie möglich festzuhalten.
Doch Noemi hatte Hunger, also quälte sie ihn kurz darauf doch aus dem Bett. Widerwillig schlüpfte er in irgendeine dunkle Jogginghose und ein Tanktop, dann gingen sie nach unten. In der Küche setzte er Noemi auf der Anrichte ab, dann öffnete er den Kühlschrank und suchte nach einem passablen Frühstück. „Was isst du denn immer zuhause?", wollte er wissen, schob die Tür wieder zu und warf Noemi einen fragenden Blick zu.
„Da ist Mama!", platzte es statt einer Antwort aus ihr heraus und noch ehe er reagieren konnte, war Noemi von der Arbeitsplatte gerutscht und stürmte zur Haustür. Erst jetzt bemerkte auch Maxim den Wagen in der Einfahrt vor dem Küchenfenster.
Er atmete tief durch, als Leticia aus dem Auto stieg. Sie trug einen beigefarbenen Strickpullover mit diagonalem Saumabschluss und eine graue Jeans im Used-Look, dazu eine cognacfarbene Kurzlederjacke und mörderisch hohe, schwarze Stiefeletten. Es war offensichtlich, dass sie ihm heute zeigte, was er verloren hatte.
„Hallo, Mama!", hörte er Noemi fröhlich aus dem Flur trällern, die scheinbar bereits die Haustür aufgerissen hatte.
„Hey, mein Schatz", begrüßte Leticia ihre Tochter, als sie die Türschwelle erreichte. Als er aus der Küche in den Flur linste, sah er, wie sie in die Knie ging und Noemi in die Arme schloss; ein Bild, das sein Herz erwärmte und ihm gleichzeitig schmerzhaft vor Augen führte, wie sehr er sich nach einer heileren Welt sehnte. Als Leticia ihn im Türrahmen stehen sah, schenkte sie ihm ein schiefes Lächeln.
„Guten Morgen", sagte sie, während sie sich von Noemi löste. Sein Blick fiel auf ihre vergoldeten Blattdesign-Ohrringe. Ob sie das tolle Outfit möglicherweise ursprünglich für einen gemeinsamen Abend mit ihm eingepackt hatte? Es wirkte beinah so. Einmal mehr ärgerte er sich über sich selbst.
„Habt ihr schon gefrühstückt?", hakte Leticia nach, während sie ein paar Schritte auf ihn zumachte. Maxim schüttelte den Kopf.
„Nein, ich wollte uns gerade etwas machen. Willst du auch?"
Leticia schüttelte den Kopf.
„Danke, aber ich habe schon im Hotel gegessen", offenbarte sie knapp. Er nickte.
„Gut, dann mache ich eine Kleinigkeit für Noemi. Sie wollte mir gerade erzählen, was sie sonst so morgens isst. Ist doch so, oder?", fragte er und wandte sich wieder Noemi zu, um sich irgendwie aus der unangenehmen Situation wieder heraus zu manövrieren.
Während er gemeinsam mit Noemi frühstückte, lag eine seltsame Stimmung in der Luft. Maxim musste unbedingt mit Leticia sprechen, bevor sie nach Hamburg zurückfuhr. Doch sie ging ihm permanent aus dem Weg und beschäftigte sich konsequent nur mit Noemi, die bemüht war, sich bestmöglich vor der nahenden Abreise zu drücken. Als Leticia etwas später schließlich ihre Tasche zum Auto brachte, verschwand sie noch einmal nach oben, angeblich, um irgendetwas in ihrem Zimmer zu holen, das sie vergessen hatte. Maxim entschied, den kurzen, ungestörten Moment zu nutzen und folgte Leticia nach draußen. Sie war gerade dabei, den Kofferraumdeckel ihres Wagens zu schließen, als er an sie herantrat.
„Können wir reden?", fragte er leise. Als sie zu ihm herumfuhr, biss er sich auf die Zunge. Sie sah heute unglaublich anziehend aus, was vermutlich daran lag, dass ihm bewusstgeworden war, wie sehr er mit ihr zusammen sein wollte. Leticia setzte ein gequältes Lächeln auf.
„Ich habe es gestern Abend wirklich versucht, aber ich muss das alles erstmal verdauen...", erwiderte sie betreten. Ihre Antwort traf ihn tief in seinem Herzen, denn er erkannte einmal mehr, wie viel er eigentlich kaputtgemacht hatte. Ohne zu zögern setzte er alles auf eine Karte und nahm ihre Hand. Sie zu berühren, fühlte sich gut an.
„Ich will dich zurück, Leticia", sagte er fest entschlossen, doch zog sie ihre Hand weg.
„Du hast mich nie wirklich gehabt."
Puh, noch jemand, dem gerade das Herz gebrochen ist?
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