15 | Wandlungen

Zeit fürs nächste Update, Freunde :D

„Du hast nicht zu viel versprochen. Es hat wirklich super geschmeckt", sagte Maxim, als sie später an diesem Abend wieder bei Leticia ankamen. Er genoss die unbeschwerte Zeit mit ihr sehr. Es gefiel ihm, dass sie sich einerseits gut unterhalten und andererseits miteinander herumalbern konnten. Gerade deshalb wollte er nicht, dass der Abend bereits endete und war neugierig darauf, ob sie ihn vielleicht noch zu sich nach Hause einlud, nicht, weil er sie flachlegen wollte, auch, wenn er ganz sicher nicht abgeneigt war. Aber in erster Linie wollte er einfach mehr Zeit mit ihr verbringen, herausfinden, was sie zu verbergen hatte und wohin das zwischen ihnen möglicherweise noch führte. Er fühlte sich derart wohl in ihrer Gegenwart, dass er es unbedingt wissen wollte.

„Habe ich ja gesagt. Das Essen dort ist einfach der Hammer", schwärmte sie, als sie vor der Haustür stehenblieben. Etwas unschlüssig trat sie von einem Fuß auf den anderen und musterte ihn nachdenklich. Es war offensichtlich, dass sie ebenfalls mit sich haderte. Eine unangenehme Stille entstand. Er schenkte ihr ein offenes Lächeln.

„Sag es einfach..."

Sie schaute ihn aus großen Augen perplex an.

„Was?"

„Dass du willst, dass ich noch mit hochkomme."

Sie schürzte die Lippen.

„Ich wollte nicht, dass es blöd rüberkommt..."

„Tut es nicht", versicherte er. Immerhin wollte er genauso noch Zeit mit ihr verbringen. Also machte er eine einladende Handbewegung zur Haustür und ließ ihr den Vortritt.

„Bist du gar nicht müde?", hakte sie nach, während sie in der Tasche nach ihrem Schlüsselbund kramte.

„Nein. Bin ein Nachtmensch. Meistens."

„Deshalb bist du morgens auch so unausstehlich", kommentierte sie trocken und schloss die Haustür auf. Er lachte.

„Könnte schon sein."

Als sie kurz darauf den Flur ihrer Wohnung betraten und sie sich die Chucks von den Füßen streifte, schaute er sich neugierig im hellen Flur um. Es interessierte ihn, wie Leticia wohnte. Viel sah er auf den ersten Blick allerdings nicht. Die Wände waren in dezentem Eierschalen-Weiß gestrichen und hier und dort mit ein paar orangefarbenen Akzenten durchsetzt, die ein warmes Ambiente schufen. Als sie ihre Jacke aufgehängt hatte, schlüpfte sie in ein Paar Hausschuhe und tapste über den schicken Parkettboden vor ihm her ins Wohnzimmer, wo sie das Licht anschaltete.

Er musste zugeben, dass ihr Geschmack ihm gefiel. Die Erdtöne der Wand harmonierten perfekt mit denen der Wohnlandschaft. Gegenüber der Couch stand ein kleines TV-Rack mit einem Fernseher, auf zwei Hängeregalen standen einige Bilder. Während Leticia kurz verschwand, um etwas zu trinken zu holen, schaute er sie sich neugierig an. Dabei blieb sein Blick an einem Foto hängen, das Leticia mit einer blonden Frau und einem dunkelhaarigen Mann zeigte. Sie saßen an einem reichlich gedeckten Tisch und strahlten um die Wette in die Kamera. Die gleichen Gesichtszüge offenbarten sofort, dass es sich dabei um ihre Eltern handelte. Das gute Aussehen hatte Leticia eindeutig ihrer Mutter zu verdanken. Er fuhr zu ihr herum, als sie mit Gläsern und Flaschen bewaffnet ins Wohnzimmer zurückkehrte. Lächelnd deutete er auf das Bild, das er gerade noch betrachtet hatte.

„Bei euch wird traditionell viel gegessen, oder?", grinste er, während sie sich gemeinsam auf die Wohnzimmercouch fallenließen. Leticia schmunzelte.

„Wir sind Spanier. Essen gehört also mit zu den Dingen, die wir mit Leidenschaft am besten können", erklärte sie, schenkte ihm etwas zu trinken ein und stellte die Gläser und Flaschen auf dem Wohnzimmertisch ab.

„Sie sehen sehr nett aus", sagte er, nippte an seiner Cola und sank entspannt in die weichen Polster der Couch. Leticia tat es ihm gleich, wenn auch mit etwas Abstand.

„Sind sie auch", erzählte sie mit leuchtenden Augen.

„Ihr habt also ein gutes Verhältnis zueinander", schlussfolgerte er. Sie nickte.

„Ja. Und ich weiß gar nicht, wie ich es überstehe, dass sie demnächst nach auswandern."

Er runzelte die Stirn.

„Sie wollen weg aus Deutschland?"

„Ja. Sie wollen zurück nach Spanien. Erst neulich haben sie sich dort Immobilien angeschaut", erzählte sie. Ihm entging nicht, wie sie dabei resigniert die Schultern sinken ließ.

„Es ist ihnen also ernst", kommentierte er. Sie lächelte, doch es wirkte ein wenig erzwungen.

„Sehr. Mein Vater hat immer gesagt, dass er zurückgeht, sobald er in Rente gegangen ist. Also war es nur eine Frage der Zeit, bis er sein Vorhaben in die Tat umsetzt..."

„Du klingst nicht begeistert", stellte er fest. Leticia hob abwehrend die Hände.

„Doch. Ich freue mich sehr für sie, dass sie sich diesen Traum erfüllen. Aber sie waren immer für mich da und es ist einfach ein seltsames Gefühl, in absehbarer Zeit so ganz auf mich gestellt zu sein. Noch kann ich sie jederzeit anrufen, wenn ich sie brauche, oder hinfahren, wenn sie ein Problem haben. Aber dann werden so viele Kilometer zwischen uns liegen und diese Vorstellung bereitet mir ein wenig Bauchschmerzen", gestand sie und strich sich nachdenklich eine Haarsträhne hinters Ohr. Er nickte.

„Kann ich verstehen. Würde mir mit meinen Eltern genauso gehen..."

Leticia lächelte bedächtig.

„Also hast du auch ein gutes Verhältnis zu ihnen?", hakte sie nach und sah ihm aufmerksam ins Gesicht. Ihre Augen funkelten neugierig. Maxim nickte.

„Ja. Aber es war immer schwierig..."

Sie runzelte die Stirn.

„Wieso?", wollte sie wissen, zog die Beine an und machte es sich ein wenig mehr in den weichen Polstern gemütlich.

„Ich hab früher viel Scheiße gebaut", gestand er.

„Zum Beispiel?"

Er winkte ab.

„Das gehört hier nicht her, denke ich."

„Wieso nicht?", bohrte sie hartnäckig weiter.

„Weil ich heute nicht mehr stolz drauf bin."

„Oh, klingt interessant", lächelte sie.

„Ich habe mit meinen Jungs auf der Straße rumgehangen und durch illegale Sachen mein Geld gemacht", offenbarte er. Sie zog die Augenbrauen zusammen.

„Was für Sachen?", hakte sie nach.

„Leute abgezogen, Drogen vertickt, Autos aufgebrochen..."

„Und warum hast du dir keinen richtigen Job gesucht?"

Richtig arbeiten zu gehen ist für mich damals nicht in Frage gekommen. Ich hätte niemals Burger verkauft. Die Versuchung, schnelles Geld zu machen, war immer größer. Sobald sich eine Gelegenheit geboten hat, haben wir zugeschlagen. So war das eben...", erzählte er.

„Klingt übel", sagte sie. Es war offensichtlich, dass sie nicht begeistert davon war, aber die Vergangenheit konnte er eben nicht ändern. Sie war ein Teil von ihm und würde es immer bleiben.

„Warum hast du dann damit aufgehört?", hakte sie nach.

„Ein Freund von mir war in Haft und konnte an Weihnachten seine Tochter nicht sehen. Das hat mich berührt."

Betroffenheit schlich sich in Leticias Blick.

„Also hast du das deshalb alles hinter dir gelassen? Weil du so nicht enden wolltest?"

Er nickte, knetete seine Hände und sah ihr unschlüssig ins Gesicht. Einen Moment haderte er mit sich, war nicht sicher, ob er ihr derart tiefgehende Details aus seinem Leben offenbaren sollte, doch sie hatte ihm auch von ihren Eltern erzählt und er hatte den Eindruck, ihr vertrauen zu können.

„Weißt du, das einzig Beständige in meinem Leben war mein Vater. Aus polizeilicher Sicht hätte ich mich von ihm fernhalten sollen, aber er war immer für mich da. Ich wollte einfach nicht in eine ähnliche Situation kommen, in der ich mich meinen Kindern nicht nähern darf oder kann...", erklärte er.

„Du durftest deinen Vater nicht sehen?", hakte sie nach, legte den Kopf schief und musterte ihn aufmerksam aus ihren großen, funkelnden Augen.

„Eine Zeit lang gab es mal ein Kontaktverbot", erzählte er.

„Warum? Was hat er getan?", wollte sie wissen.

„Er war in den ‚Alt-Berliner-Kreisen' involviert, aber es waren immer nur Verdachtsmomente, die sind nie belegt worden. Also ist es viel mehr ein Mythos. Und es war gut, dass wir trotzdem Kontakt hatten, denn das war wichtig für mich, auch, wenn ich mich selbst immer wieder in Schwierigkeiten gebracht habe. Dank seiner Erziehung bin ich trotzdem immer auf dem richtigen Weg geblieben. Er war immer da, wenn ich Probleme hatte oder welche gemacht habe."

Es fühlte sich überraschend gut an, Leticia davon zu erzählen, ganz gleich, was sie vielleicht von seiner Geschichte halten mochte. Er war stolz auf das Verhältnis, das er zu seinem Vater pflegte und darauf, der Mann zu sein, der er mit seiner Unterstützung geworden war.

„Hat er dir auch dabei geholfen, dein altes Leben hinter dir zu lassen?"

Er nickte.

„Er hat mich darin bestärkt. Aber so leicht, wie es sich anhört, war es nicht. Ich musste weg aus Deutschland, um aus dem Teufelskreis rauszukommen und nicht mehr greifbar für meine alten Leute zu sein. Also bin ich abgehauen und habe in England und Frankreich auf Baustellen gearbeitet. Anderthalb Jahre war ich unterwegs, um meinen Kopf freizukriegen. Wer weiß, wo ich jetzt wäre, hätte ich das nicht durchgezogen."

„Und jetzt hast du gar keinen Kontakt mehr zu deinem alten Leben?", hakte sie neugierig nach und schaute ihm erwartungsvoll ins Gesicht.

„Ich will ehrlich zu dir sein, Leticia. Mein Leben ist bis heute ein Tanz auf Messers Schneide. Ich kann in der Unterwelt unterwegs sein, solang ich nichts mit Leuten zu tun habe, die Verbrechen begehen, mit denen ich mich selbst nicht identifizieren kann. Frauenhandel, Kinderhandel, Drogen – das sind alles Sachen, die kein Mann tun sollte. Wenn aber jetzt einer einen Tunnel gräbt, um eine Bank auszuräumen, dann stehe ich daneben und applaudiere."

Sie ließ seine Worte einen Moment auf sich wirken. Er runzelte skeptisch die Stirn.

„War das jetzt zu ehrlich für dich?"

„Ich finde es gut, dass du so offen damit umgehst... Es klang nur so, als hättest du nach wie vor einen Freundeskreis, der dich in Schwierigkeiten bringen kann."

Er sah ihr ernst ins Gesicht.

„Nein. Denn sie wissen, dass ich damit nichts mehr zu tun haben will und akzeptieren das. Ich bin heute ein anderer und verdiene mein Geld auf eine andere Weise."

Er war selbst überrascht über seine Offenheit, denn er sprach nur selten über diese Zeit in seinem Leben; erst recht nicht mit Menschen, die er kaum kannte.

„Okay", sagte sie, bevor ein Moment der Stille entstand. Er nutzte die Gelegenheit, sie einfach nur anzuschauen, sich den Schwung ihrer dichten Wimpern, ihre leicht geröteten Wangen und ihre schönen Lippen einzuprägen.

Vermutlich lag es an seiner emotionalen Verletzlichkeit durch die Geschichte über ihn und seinen Vater, doch er fühlte sich unglaublich zu ihr hingezogen. Nur eine halbe Armlänge trennte sie voneinander. Es war, als würde er sie mit seinen funkelnden Augen hypnotisieren. Als er der Versuchung nachgab und seine Hand an ihre Wange legte, wich sie nicht zurück. „Alles in Ordnung?" 

Ich weiß schon, das Ende nervt wieder krasser als Fußpilz, aber trotzdem möchte ich gern wissen, was ihr von dem Kapitel haltet. Könnt ihr Maxims Geschichte verstehen? Glaubt ihr, dass er sich tatsächlich geändert hat oder hängt er immer noch in irgendwelchen dubiosen Dingen drin? Und was glaubt ihr, wie er reagiert, wenn er erfährt, dass er eine Tochter hat?

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