Schwur


Ich beschloss John zu wecken, er musste mir bei der Suche nach ihr helfen, vier Augen sahen außerdem mehr als zwei, wir würden mehr von London absuchen können wenn wir uns beide auf den Weg machten. Aus der Tür tretend überlegte ich, ob ich Mycroft anrufen sollte, es würde demütigend sein, zugeben zu müssen das ich Rebecca verloren hatte, durch meine eigene Nachlässigkeit aber das war ich gewillt wegzustecken wenn er sie nur finden würde.

Die Überwachung der Baker Street war doch eine Art Hobby von meinem großen Bruder, gut möglich dass er bereits wusste dass sie weg war, wo sie war. Eine Wut stieg in mir auf, sollte ich rausbekommen das er beobachtet hatte was auch immer passiert war und zum ersten Mal in seinem Leben seine große Nase raus gehalten hatte.......

Meine Gedanken wurden unterbrochen als ich vor Johns Tür ankam, diese war offen und im Türrahmen saß meine Rebecca. Sie saß mit dem Rücken zu mir, den Kopf gegen das Holz gelegt, sie schien weggenickt zu sein fiel mir auf als ich mich hinter sie Hockte. Ich strich ihr eine Strähne des braunen Haares aus dem Gesicht, ein stilles Dankesgebet an die Mächte an die ich nicht glaubte sendend. Sie war sicher, sie war noch da.

„Rebecca" flüsterte ich leise nahe ihres Ohres, kein Grund John ebenfalls zu wecken, ich wollte keine Gespräch führen über was auch immer diese Szene zu bedeuteten hatte sondern wieder ins Bett, Rebecca an meiner Seite, dort könnte sie mir erklären was sie, wie ein Wachhund vor, besser gesagt in Johns Tür sitzend machte.

Blaue Augen von denen ich Angst gehabt hatte sie nie wieder zu sehen blickten mich an, erst nach einigen Sekunden schien sie zu erkennen wo sie war. Ich signalisierte ihr leise zu sein und hob sie an. Wann hatte ich sie davor das letzte Mal in ins Bett getragen? Ich hatte beinah vergessen wie gut es sich anfühlte. Seufzend presste sie sich an mich, ihre Arme um meinen Nacken legend.

„Ich hatte einen Alptraum" begann sie leise zu erklären als ich sie, in unser Bett, gelegt hatte, sie drehte sich auf ihre Seite ich spiegelte ihre Position und wir sahen uns an.

„Der Tote vom Tatort" wagte ich zu vermuten, dies war das einzige was Sinn ergab, sie hatte gemeint der Mann sähe unserem Arzt ähnlich, wahrscheinlich tat er das sogar, ich hatte mich darauf nicht konzentriert. Sein Aussehen bot keinen Hinweis auf den Mörder. Wie unterschiedlich wir die Dinge doch wahrnahmen.

„Ja" nicke sie, „ich habe geträumt das er dort lag" tränen sammelten sich in ihren Augen. „Ich musste einfach nachsehen dass es ihm gut geht, dass ich nicht noch jemanden verloren habe."

Ich zog sie an mich heran, sofort versteckte sie ihr Gesicht im Stoff meines Shirts. Sie weinte nun, der Gedanke jemanden zu verlieren der einem viel Bedeutete war schrecklich, dies war eine Emotion die sogar ich kannte, das hatte diese Nacht nochmals bewiesen.

John zu verlieren wäre...... es war nicht denkbar, ich hatte es beinahe schon einmal erlebt, mehrmals sogar, hatte ihn aber immer retten können. Wäre ich der Typ für Alpträume hätte ich wahrscheinlich ebenfalls welche von diesen Erlebnissen bekommen.

„Ich habe Angst Sherlock" gestand sie in die Dunkelheit, in die wärmende Nähe zwischen uns hinein. „Ich kann das nicht noch einmal durchstehen."

Ihre Hände klammerten sich an mich, ich drückte sie wenn möglich noch näher an mich. Sie hatte Recht, das war der schreckliche Teil dieser Aussage, sie würde es nicht noch einmal durchstehen. Alle Fakten zeigten deutlich das der nächste Verlust, sollte er zeitnah eintreten, ihr letzter war.

„Ich weiß" bestätigte ich, sie verkrampfte in meinen Armen, deshalb sprach ich schnell weiter „deshalb werde ich nicht zulassen dass euch etwas passiert. Weder John, noch Mrs. Hudson"

„Und ganz besonders nicht dir Rebecca."

Eine Hand in ihrem Haar vergrabend, ihren zitternden Atemzügen lauschend fasste ich einen Entschluss, einen Schwur *Ich würde tun was auch immer nötig war, was es auch kostete um sie in Sicherheit zu wissen.*


*


(07.04.2021 – London, England)

Wir hatten einen Rhythmus gefunden. Alles lief gut, Sherlock nahm mich mit an Tatorte, John begleitete uns wann immer er konnte. Wir empfingen private Klienten. Es war so erfrischend zu sehen wie Sherlock auch banale Fälle löste, ganz zu schweigen wie witzig es war. In seinen Deduktionen nahm er wirklich kein Blatt vor den Mund, seine brutale Ehrlichkeit, kombiniert mit den fassungslosen Gesichtern der Betroffenen war zu Gut, ich sollte nicht lachen aber ich konnte zumeist nicht anders.

Mrs Hudson brachte mir das Kochen und Backen bei, wann immer sie Zeit und Muße hatte, es war so schön wieder eine warme herzliche Frau in meinem Leben zu haben. Sie war geduldig, wofür ich unglaublich dankbar war, ich hatte wenig natürliche Begabung für diese Dinge. Wir sprachen dabei fast ununterbrochen, über alles Mögliche, niemals sah ich auch nur den Hauch eines verurteilenden Blickes.

Das Training mit der neuen Gruppe war nicht so schlecht wie mit der alten, aber ich hasste es immer noch. Ich hoffte im Sommer aussteigen zu können, ganz am Anfang hatten wir mal darüber gesprochen nicht mehr als einen Zyklus mitzumachen.

Der Kuss war noch immer in meinen Gedanken, seit dem Tag im Labor hatten wir uns nie wieder so geküsst aber ich fühlte keine Traurigkeit oder andere verletzte Gefühle deswegen, wir waren uns ja dennoch nahe, wir gingen lediglich in unserem eigenen Tempo. Sherlock schien es ebenso zu sehen, nichts anderes konnte ich in seinem Blick lesen wenn wir uns ansahen. Es würde wieder passieren, wenn der Zeitpunkt stimmte, dessen waren wir uns klar. Bis dahin genoss ich einfach was wir hatten.

Ich hatte natürlich auch schlechte Tage gehabt, keine Heilung kam ohne Schmerz. Der Marker den Sherlock mir gegeben hatte, war zum Einsatz gekommen und ich hatte vermeiden können mich zu verletzen. Da ich fast ausschließlich lange Sachen trug fiel es kaum auf das ich rote Linien auf dem Arm hatte. Sollte ich, das aber ausschließlich zu Hause, doch mal meine Arme zeigen und es waren Linien darauf sagte keiner meiner Mitbewohner etwas dazu.

Zu einem Zeitpunkt, nach einem ziemlich schlimmen Flashback hatte ich mir fast ein Dutzend Linien verpasst, Zähne zusammen beißend und mich selbst verfluchend. Sherlock musste mich im Bad weinen gehört haben, oder wie auch immer er gewusst hatte was los war, jedenfalls hatte er in der Nacht meinen Ärmel zurückgeschlagen und jede einzelne Markierung geküsst.

Der Blick den er mir danach geschenkt hatte war so voller Hingabe gewesen, ich hätte ihn sofort geküsst hatte ich nicht so sehr weinen müssen. Auch darüber sprachen wir nicht.

„Ginger Nuts, das sind Sherlocks Lieblingskekse" erklärte mir Mrs Hudson als ich sie gefragt hatte was wir heute machen wollten, wir hatten das Haus und damit auch die Küche ganz für uns alleine. Ich strahlte, eine neue Information über den Mann den ich liebte, vielleicht sollte ich meinen eigenen Gedächtnispalast bauen, gut bei meinen Verhältnissen eher eine Gedächnishütte.

Ich würde nur die guten Sachen einbauen, deshalb auch nur ein kleiner Ort aber mit Platz für mehr. Dieses Rezept musste auch rein, sollte ich es hinbekommen es erfolgreich nach zu backen.

„Bevor wir anfangen" strahlte Sherlocks herzliche Vermieterin mich an „ich habe etwas für dich"

Sie holte einen Stoffbeutel hervor und gab ihn mir, mit einem erstaunten Lächeln sah ich hinein. „Eine Freundin von mir hat die Sachen ihrer Tochter aussortiert, sie wollte die ganzen Kleider spenden aber ich konnte ein paar der guten Sachen für dich retten."

Ich war sprachlos, immer wenn ich dachte dass ich nicht noch liebevoller behandelt werden konnte. „Danke Mrs Hudson, das ist so lieb von ihnen. Ich weiß gar nicht..." ich schluckte ein paar Freudentränen herunter. Es war schön ein paar neue Sachen zu haben, auch wenn ich mit wenig zufrieden war aber die Tatsache das sie an mich Gedacht hatte, ganz ohne Anstoß einfach nur so aus der Güte ihres Herzens heraus, berührte mich.

„Ach nicht der Rede wert, ich weiß doch eine junge Frau möchte sich auch mal herausputzen." Es waren wirklich schöne Kleider, ich hoffte sie würden passen. „Und keine Angst, ich hab dir noch ein paar dünne Baumwoll- und Mesh Bodys zum drunter ziehen gekauft. Ich weiß ja das du deine Arme lieber bedeckt magst."

Ich konnte nicht anders, ich umarmte sie, die war wahrhaft ein Engel. Sie hatte mir nicht nur Sachen mitgebracht in denen ich mich schön fühlen sollte, nein sie hatte zudem noch darauf geachtet mir eine Möglichkeit zu geben diese zu tragen ohne einen Teil von mir zu zeigen den ich verstecken wollte. Sie versuchte nicht einmal mich zu überzeugen das ich die Narben nicht verstecken sollte, das ich auch mit ihnen schön war oder andere Lügen. Es war schön dass es respektiert wurde wie ich meinen Körper sah. An anderen Menschen würde ich diese Narben wahrscheinlich auch nicht schlimm oder als abwertend empfinden aber ich kannte ihren Ursprung, ihre Bedeutung, dies war nichts was ich der Welt zu zeigen bereit war.

„Gern geschehen. Lass uns backen" und das taten wir, es war ein fröhliches Unterfangen, wir lachten als ich mir Mehl ins Haar schmierte, wir fluchten als der Henkel des Maßbechers abbrach, wir sprachen über die Nachbarn als die Kekse endlich im Ofen waren und wir die Küche aufräumten.

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