Mycroft und Lockie


(12.04.1997 – Hampshire, England)

Mycroft Holmes kannte seinen Bruder, er wusste ihn besser einzuschätzen als jeder andere Mensch auf der Welt, das lag zum einen daran das er ein Genie war und zum anderen weil er der einzige war der ihm tatsächlich zuhörte und versuchte zu verstehen was in dem kleinen Lockenkopf vor sich ging.

In Folge dessen wusste er immer wann es Zeit wurde ihn von der Gesellschaft anderer zu entfernen, ihn abzulenken oder ihm schlichtweg eine Denkaufgabe zu geben um seinen rasenden Verstand zu beschäftigen, mit erstaunlich hoher Genauigkeit wusste er wann es Zeit war für sanfte Gesten und eine Umarmung fern von neugierigen Augen.

Er kannte die Anzeichen welche sich zeigten sollte es Notwendig werden ein ernstes Wort über die geeigneten Vorsichtsmaßnahmen für bestimmte Experimente zu sprechen oder auch die minimalen Gesten welchen einem nächtlichen Besuch nach einem Alptraum vorausgingen.

Allein war sein Fluch das er zu wenig Zeit hatte immer richtig hinzusehen, die Vorbereitungen für seine höhere Ausbildung nach seiner Schulzeit nahmen einen großen Teil seiner kostbaren Zeit in Anspruch, oft fand er sich in einem brutalen Spagat zwischen den Dingen die von ihm erwartet wurden und jenen die er sich selbst auferlegt hatte.

Also kam es zu seiner Überraschung als sein Bruder ihn aufsuchte und sprach kaum das die Tür hinter ihm zugefallen war. Er freute sich immer ihn zu sehen auch wenn das auf seinem müden Gesicht vermutlich kaum zu erkennen war, die Woche hatte ihm bislang einiges Abverlangt, seine Lehrer waren gnadenlos und seine eigenen Ansprüche waren kaum gelassener.

Schon an der Art wie Lockie ihn ansah und des hastigen Intervalls seiner Atemzüge wusste der Ältere dass dies kein gutes Gespräch werden würde, er wusste auch das sein Aufsatz nunmehr nicht vollendet werden würde, aber was ihm ebenfalls klar war, war die Tatsache das ihn das nicht kümmerte, denn Sherlock sicher und ruhig zu wissen war seine oberste Priorität.

Dabei spielte es keine Rolle wie oft er versagte, das bedeutete nur das er sich mehr bemühen und das nächste Mal weitere Längen gehen würde. Niemals würde er aufgeben, besonders nun da seine Eltern die Geduld mit ihrem, wie sie ihn nannten, Problemkind zu verlieren schienen.

„Ich brauche deine Hilfe Mycie" hauchte er und stürmte beinah in seine Arme, als wäre dies der sicherste Ort im Haus, wenn es nach ihm ging, war es das auch. So unauffällig wie möglich sah der Ältere seinen Bruder an, er suchte nach Verletzungen oder einem anderen Hinweis welcher diesen dann doch ungewöhnlichen Ausbruch erklären könnte, doch er fand nichts.

Er hörte nur die aufgeregten Stimmen seiner Eltern und ihm wurde klar das Zeit nunmehr ein entscheidender Faktor war, deshalb sparte er sich wie immer alle unnötigen Fragen und kam zum Punkt.

„Sag mir was passiert ist und was du brauchst" es war ihr üblicher Deal, Sherlocks Ehrlichkeit für seine Verschwiegenheit und Unterstützung.

„Vater hat bemerkt das sein teurer Whiskey nichts weiter ist als verdünnter Apfelsaft ist." Dieser Aussage konnte er einiges Entnehmen, zum einen wusste er welche Flasche gemeint war, sie stand im Wohnzimmer in der antiken Bar, sie war wahnsinnig kostspielig gewesen, sie enthielt oder zumindest hatte einen unglaublich alten Alkohol enthalten, einen welchen ihr Vater für einen besonderen Anlass hatte aufbewahren wollen.

Das Sherlock von dem neuen Inhalt wusste zeigte das er ihn eingefüllt hatte, wenn er raten müsste warum war dem Jüngeren wohl seine Neugier zum Verhängnis geworden und er hatte ein Experiment mit dem Whiskey durchführen wollen, das tat er gerne mit allen möglichen Dingen im Haus.

Wahrscheinlichstes Szenario war das er die Flasche hatte fallen lassen, der Inhalt war demnach ausgetreten und er hatte wohl geglaubt er käme mit dem nachfüllen einer ähnlichen Flüssigkeit davon weil sein Vater niemals wirklich vorhatte ihn zu öffnen.

Wäre er eher einbezogen worden hätte er seinem kleinen Bruder geholfen einen anderen Whiskey einzufüllen um anschließend die Wachsschicht um den Flaschenhals mit etwas Hitze wieder zu verschließen.

Doch seine schulisch bedingte Eingebundenheit musste dies verhindert haben, innerlich trat er sich, erneut hatte er versagt, wie hatte es ihm nicht auffallen können?

Die Stimmen wurden lauter, er verschloss gepeinigt die Augen, er wusste warum sein kleiner Bruder aussah als würde er vom Ostwind gejagt. Bei dem Gedanken was seine Eltern angedroht hatten sollte Sherlock erneut über die strenge schlagen drückte er eben jenen noch ein Stück an sich.

Die letzten Wochen waren schwer für Sherlock gewesen, nicht nur Rotbarts Tod hatte ihm schwer zugesetzt, auch das Gespött der anderen Kinder hatte zugenommen, es gab wohl einen neuen Jungen in der Klasse welcher es sich zur Aufgabe gemacht hatte seinem kleinen Genie das Leben zur Hölle zu machen, leider so geschickt das weder Eltern noch Lehrer etwas mitbekamen.

Oh die Dinge die Mycroft tun wollte.... Er hatte sich darauf beschränkt dem Jungen auf dem Heimweg einen Besuch abzustatten, ebenfalls geschickt aber weniger subtil hatte er ihm klar gemacht das schreckliche Dinge geschehen konnten mit jenen die nicht genau auf ihre Umgebung achteten, das hatte geholfen aber dennoch war der Schaden angerichtet.

Etwas war passiert mit seinem kleinen Bruder, eben jener schien nicht mehr einstecken zu wollen was ihm entgegen geworfen wurde, er begann sich zu wehren, mal mehr oder weniger elegant. Wenn es gut lief setzte er seine Fähigkeit zur Deduktion gegen diese kleinen Monster ein aber an schlechten Tagen teilte er mehr als Worte aus, wenn er nicht dazu überging den Unterricht aus Langeweile oder Spott zu sabotieren, unnötig zu sagen das er auch bei den Lehrern nicht beliebt war.

Es konnte sich nicht gut anfühlen wenn man dachte das niemand einen verstand und alle gegen einen waren, besonders als ihre Eltern statt Trost und Verständnis nur Strenge und Worte der Enttäuschung für ihn hatten.

Er hatte versuchte diese Lücke zu füllen aber mit der Schule und dem verbundenen Praktikum war ihm kaum Zeit geblieben, er hatte einige Dinge ausgebügelt bevor sie eine größere Welle schlagen konnten aber anscheinend was dies nicht genug gewesen.

Ihr Vater hatte nach einer langen und unglaublich unnötigen Rede, welche nicht einmal auf Sherlock oder seine Seite der Dinge einging, beschlossen das, wenn er noch einmal eine solche Schande für den Namen Holmes wurde, er ihn auf eine Militärschule schicken würde.

Bereits damals war Mycroft kurz davor gewesen seinen kleinen Bruder zu nehmen und ihn von diesen Menschen zu entfernen, etwas war in ihm zerbrochen als er seine Eltern so leichtfertig davon sprechen hörte sich Sherlocks zu entledigen, so als wäre er nicht das beste was die Familie Holmes je hervorgebracht hatte.

Sahen sie nicht was für ein potential er hatte? Dass sie ihn brechen würden sollten sie ihn weiter dazu zwingen sich wie eine Enttäuschung zu fühlen? Das er mehr brauchte als ihren Wunsch nach normalen Kindern?

Nein, dies durfte nicht passieren, er küsste seine schwarzen Locken bevor er flüsterte:

„Alles wird gut Lockie, ich bekomme das hin, du musst nur mitspielen. Egal was passiert, du hältst dich an mich. Du weißt doch, es bringt nichts wenn sie es nicht beweisen können oder ein Geständnis vorliegt."

Er spürte ein Nicken an seiner Brust und er wusste das es unschön werden würde doch er war zuversichtlich das er es hinbekommen würde.

„Jungs wir wollen mit euch sprechen" rief ihr Vater die Treppen hinauf, sein Ton zeigte eine Wut welche keiner der Beiden so kannte, sie war versteckt und doch tropfte sie aus jeder Silbe.

Die großen blauen Augen seines Bruders sahen voller Angst zu ihm hinauf, er wollte ihn nehmen und niemals wieder loslassen, er wollte alles tun nur damit er niemals wieder so unsicher zu ihm aufsah.

Er strich mit einem falschen Lächeln der Zuversicht über seinen Kopf, die Locken weich unter seinen Fingern, nur über seine Leiche würden sie sie ihm nehmen. Eine Militärschule war kein Ort für ein Kind wie Sherlock, er war nicht schlecht, er war nicht grundlos aggressiv oder bis zur Unkenntlichkeit verzogen.

„Kein Wort des Schuldeingeständnis, egal was passiert" schärfte er ihm nochmals ein.

Die Treppen hinunter zu gehen hatte sich noch nie so final angefühlt, so als Gäbe es kein Zurück, als würde ihr gewohntes Leben nun Enden.

Er sollte diesen Herbst zu Universität gehen aber wie könnte er dies, wissend wie seine Eltern mit seinem Bruder umgehen würden wenn er nicht funktionierte wie sie dies wollten. Es musste einen anderen Weg geben, alles was er tun musste war ihn zu finden.

Im Dunkel der Nacht hatte er sogar die waghalsige Idee gehabt seinen Bruder zu nehmen und zu flüchten sollte schlimm zu schlimmer kommen, er hatte es verworfen, wissend das sie nicht weit kommen würde, das dann ihrer Beide Ruf in der Familie dahin wäre aber ein Teil von ihm wusste das er es tun würde sollte es die Situation erfordern.

Sherlock hatte selten eine solche Angst in seinem eigenen Elternhaus gehabt, doch seine Eltern waren mit den Jahren ungeduldiger und verbohrter mit ihm geworden. Ihre Reaktionen waren nun nicht mehr milde Genervtheit sondern fassungsloser Unglaube das er tatsächlich ihr Sohn war, er wusste er war eine Enttäuschung für jeden (bis auf Mycie, eben jener war immer auf seiner Seite).

Doch er wusste auch nicht wie er anders sein konnte, alles schien ihm so fremd und wäre es nicht für die geduldige Ausbildung durch seinen Bruder würde er sich überhaupt nicht in dieser Welt zurecht finden. Alles war so unlogisch, emotionsgetrieben und zumeist unnötig.

Er hatte versucht sich anzupassen, ruhig zu sein wenn er nicht mehr wusste wohin mit seinem Geist aber Niemand gönnte ihm in diesen Momenten seine Ruhe, er hatte es satt gehabt ein untätiges Opfer zu sein also hatte er zum Gegenschlag ausgeholt, es hatte sich besser angefühlt, doch die Konsequenzen waren ebenso unschön wie es seine Situation immer zu sein schien.

Warum hatte es nicht Sommer bleiben können, wenn es nur Myc und ihn gab war alles in Ordnung, er hatte Frieden, er wurde gemocht, gar geliebt und es gab keinen Grund die falschen Dinge zu tun oder zu sagen.

Stattdessen lag die Drohung in der Luft das er auch den letzten Halt in der Welt verlieren würde, wie könnte er sein ohne seinen großen Bruder an seiner Seite? Er hatte versucht ohne ihn zu existieren, hatte ihn weniger belasten wollen als er seine eigenen Probleme löste aber er schien sich immer neue zu schaffen.

Es war nur ein Versehen gewesen, vor Wochen hatte er sich gefragt ob es einen Unterschied in der Reaktion von Alkohol zu verschiedenen Chemikalien gab, von da an hatte seine Neugier die Oberhand gewonnen und er hatte Proben von jedem Getränk im Haus genommen, er wollte die Flasche nicht fallen lassen, das war nur passiert weil er den Halt auf dem Stuhl verloren hatte welchen er benutzt hatte um an den erhöhten Platz in dem Regal zu kommen.

Seine Reaktionen darauf waren ihm damals logisch vorgekommen aber nun sah er das er hätte gleich zu Mycie hätte gehen sollen, jener wusste immer was zu tun war und sein einziger Trost war nun das eben jener auch jetzt einen Plan zu haben schien.

Ihr Vater stand wie ein böses Omen vor der Couch auf der sie Platz nehmen sollten, es war eine Einschüchterungstaktik, er würde vor ihnen stehen und sie mussten nicht nur zu ihm aufsehen, sie sollten sich dabei auch klein fühlen, zumindest hatte es Myc ihm so erklärt, er beantwortete ihm immer all seine Fragen.

Dem kleinsten Holmes war es als schlage sein Herz bis in seinen Hals hinauf, er wollte wirklich nicht auf diese Schule, die Flyer, welche er in Mummys Nähkasten gefunden hatte, ließen nichts Gutes über den dort herrschenden Umgangston erahnen, ganz zu schweigen von der dominanten Dummheit welche ihn umgeben würde.

Er musste sich nun konzentrieren und durfte keine Fehler machen, auf dem Tisch stand die Flasche, er bemühte sich sie nicht anzusehen. Seine Finger ballten sich so unauffällig wie möglich zu Fäusten.

Mycroft neben ihm schien, zumindest äußerlich, vollkommen gelassen zu sein, was gäbe er nur für diese Gabe seines Bruders, er war ein wirklich guter Schauspieler.

„Ich will eine Erklärung hierfür" der Ton seines Vaters war gefährlich und der ältere Holmes Bruder erkannte diese potentielle Fangfrage, weshalb er schnell antwortete:

„Eine Erklärung für was?" wenn er es nicht besser wüsste würde Sherlock glauben das Mycie tatsächlich keine Ahnung hatte was vor sich ging, auch wenn ihr Vater weiterhin skeptisch aussah, was eher an seiner Erfahrung mit seinen Söhnen als an den Künsten seines Erstgeborenen lag.

„Das weiß einer von euch ganz genau" das sagte er aber Mycroft wusste zwei Dinge ganz genau, zum einen das sie es Beide wussten und das sein Gegenüber sich bereits einen Schuldigen gesucht, gefunden und verurteilt hatte. Das wurde klar in der Art wie sich dessen Blick in den seines kleinen Bruders bohrte, besser gesagt auf dessen Locken, weigerte sich dieser doch ihn anzusehen.

Ein Zeichen der Schuld, also war es an ihm die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.

„Was ist passiert? Egal was es ist, ich bin mir sicher es gibt eine gute Erklärung dafür." Wie schön es doch wäre wenn er dies tatsächlich glauben könnte.

„Irgendjemand" wieder sah er nur Sherlock an „hat meinen besten Whisky nicht nur geöffnet sondern auch mit Saft aufgefüllt, eben jener riecht nun so wie eine tote Katze im Sommer"

Mycroft spürte beinah körperlich wie ein klugscheißerisches Kommentar seinen kleinen Bruder verlassen wollte, wenn er raten müsste etwas darüber das schimmelnder Saft nicht wie ein verwesendes Säugetier roch oder darüber das es immer noch besser war als der brennende Gestank von starkem Alkohol. Dieses Kind wäre eines Tages noch sein Ende. Weshalb er erneut in die Konversation sprang.

„Du kannst nicht wissen wer es war, nicht nur wir haben Zugang zu diesem Haus." Sie hatten auch eine Putzfrau, einen Gärtner und jemanden der ab und an die groben Reparaturarbeiten verrichtete, ganz zu schweigen von dem Besuch der andauernd ein und aus zu gehen schien.

„Wir sind sehr enttäuscht von dir" brach aus seinem Vater heraus was er wohl die ganze Zeit hatte loswerden wollen, er schien taub zu sein für Mycrofts Argument, hilfesuchend sah jener zu seiner Mutter aber diese hielt ihr Taschentuch in ihrer Faust und mied seinen Blick. Währenddessen schrumpfte Sherlock in sich zusammen.

„Diese Flasche war älter als du oder ich, wie konntest du nur erneut so arrogant sein zu glauben das du mit deinen böswilligen Taten davonkommen würdest. Ich habe genug von dir und deinem respektlosen Verhalten, ein Holmes sollte es besser wissen als die Regeln zu missachten und sinnlosen Experimenten nachzugehen. Wir hatten mehr von dir erwartet."

„Vater" sagte Mycroft mit kaum unterdrückter Wut, seine Augen wurden groß bei dieser Flut an Vorwürfen, die seinem kleinen Bruder entgegen geworfen wurden. Doch erneut wurde er einfach übergangen.

„Du enttäuschst uns ein ums andere Mal und ich glaube zu erkennen das genau auch dein Ziel ist. Macht es dir etwa Spaß mich und deine Mutter an unsere Grenzen zu treiben? Erst benimmst du dich in diesem Haus wie ein Wildfang ohne eine einzige Sorge in der Welt aber nun trägst du dies auch nach außen. Du bist eine Schande für deinen angeblichen Intellekt und den Namen Holmes."

Dann geschah etwas das Mycroft noch nie gesehen hatte und das er so auch nie wieder sehen würde, sein Vater machte sich daran auf Sherlock zuzutreten um ihm eine Ohrfeige zu geben, noch bevor er recht wusste was er tat stellte er sich dazwischen und fing die Hand ab.

„Genug" stellte er fest und dies war das erste Mal in seinem Leben das der wahre Eismann in Erscheinung trat, seine groben Züge waren über Monate gereift und geprobt worden aber nun zeigte er sich in einem kalten Blick und einem emotionslosen Gesicht in dem nur seine Augen von dem Sturm in seinem Inneren sprachen.

Doch Eis traf auf Feuer, die Wut seines Vaters brannte hell. Wenn es um weniger ging wäre der Ältere vielleicht zurück gewichen aber so hielt er stand.

„Halt dich da raus Mycroft" zischte eben jener, ihre Mutter keuchte über diese Szene aber sie wurde von Beiden ausgeblendet.

„Nein"

„Wie bitte?" da war eine scharfe Kante in diesen beiden Worten versteckt. Noch Jahre später würde er diese neun Buchstaben in seinem Kopf hören wann immer sein Vater so tat als wäre all dies nie passiert.

„Du hast kein Recht so mit ihm zu sprechen." Sie hatten kein Recht sich seine Eltern zu nennen wenn dies die Art war mit der sie gedachten mit ihm umzugehen.

„Du hattest schon immer eine zu große Schwäche für ihn aber nun kannst du ihn nicht mehr vor den Konsequenzen seiner Taten bewahren"

Mycroft erkannte das gutes Zureden und logisches Argumentieren nunmehr nichts mehr bringen würden also tat er das einzige was ihm übrig blieb.

„Das muss ich auch nicht" er Gestand „weil ich es war."

Für einen Moment herrschte vollkommene Stille, selbst das übertriebene Schmierentheater seiner Mutter war verstummt.

„Wieso solltest du das tun?" Er glaubte ihm nicht, das war klar, die Vorgehensweise und das Vergehen an sich passten nicht zu ihm also musste er es als etwas tarnen das alle jungen Menschen angeblich taten.

„Ich habe die Flasche mit zu Harry genommen und wir haben sie getrunken. Er hatte um Fünfzig Pfund gewettet das ich mich nicht trauen würde. Julie hat es gehört und da ich wollte ihr beweisen das ich kein Feigling bin."

Er kümmerte sich nicht im Geringsten darum was man von ihm dachte solange man ihn respektierte aber diese Lüge war insoweit am glaubhaftesten das Beide Harry als auch Julie dumm genug waren solche Sachen von Mitschülern zu fordern, des Weiteren überschlugen seine Mitschüler sich in ihren Bemühungen dieses Mädchen zu beeindrucken, er selbst hatte nie ganz verstanden warum.

Sein Vater schien einen Moment zu wanken in seiner Überzeugung das Sherlock schuldig war, es war nur ein Bruchteil einer Sekunde bevor der selbe harte Ausdruck erneut in seine Augen trat aber es würde genügen um eine Verurteilung zu verhindert, im Zweifel, und sei er auch noch so klein, für den Angeklagten.

Seine Mutter unterdessen sah beinah froh über diese angebliche Wendung aus, wahrscheinlich weil sie nun hoffte er würde sich endlich für Mädchen interessieren. Gott wie überflüssig.

Sherlock sah nun mit großen Augen zu ihm auf, er erkannte unvergossene Tränen in eben jenen und sein Entschluss festigte sich. Egal was seine Eltern ihm entgegen werfen würden, er würde es nicht nur ertragen, nein, er würde es als eine Auszeichnung ansehen, denn diesmal würde er nicht versagen.

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht" sagte sein Vater doch bevor Mycroft insistieren konnte schaltete sich seine Mutter ein.

„Es ist normal für Jungen in seinem Alter solche Sachen zu machen um Mädchen zu beeindrucken, Siger"

Beinah verlor Mycroft die Geduld mit dieser Frau, ihn verteidigte sie aber über Sherlock durfte ihr Mann hinweg fegen wie ein Hurrikan? Doch was er erwiderte schlug all diese Gefühle aus seinem Bewusstsein.

„Unsere Kinder sind aber nicht normal"

Keiner der Beiden Holmes Jungen hatte geglaubt das diese Worte sie verletzen würden und doch taten sie es, vielleicht weil er es sagte als sei das etwas schlechtes, vielleicht weil sie es immer gewusst hatten aber sich trotz ihrer eigenen Worte doch wünschten dazuzugehören oder, was am wahrscheinlichsten war, es war wie ein Messer ins Herz gerammt zu bekommen weil es ihr Vater war der es sagte.

Was kümmerte sie die Meinung von Goldfischen, jene waren nur neidisch auf ihren Intellekt, ihren Status oder ihren alten Namen. Doch das war ihr Vater, der Mann der sie lieben sollte unabhängig von ihren Stärken und Schwächen, der sie beschützen sollte, doch er wollte nur gut dastehen vor wem auch immer, den Nachbarn, seinen Kollegen, der Familie oder ganz England.

Sherlock schlug sich seine Hände vor die Ohren, es war ein vergeblicher Versuch die bereits gehörten Worte auszusperren, der Fluch ihrer Gabe war es niemals etwas zu vergessen, besonders wenn es so fest mit Emotionen verbunden war, Fakten konnte man Löschen aber diese Erinnerung würde ihm bleiben.

Für immer würde er nun hören können was sein Vater über ihn dachte und allein dieser Gedanke entfachte ein neues Feuer in Mycroft, er versuchte alles damit sein kleiner Bruder zumindest zu Hause, bei ihm, Frieden fand aber nun war auch dies dahin, ab nun würde er sich auch unter diesem Dach wie ein geächteter Aussätziger fühlen.

„Sherlock warte in meinem Zimmer auf mich" sein Blick bohrte sich in den seines Vaters.

„Er geht nirgendwo hin" eine unangenehme Spannung lag im Raum im Nachklang dieser Worte aber keiner der Beiden wich zurück.

„Du hast ein Problem mit mir, ich habe diese Falsche geleert, ich trage die Konsequenzen. Sherlock kann gehen." Da war er erneut, der Eismann, vielleicht lag es ja an ihm das sein Vater es auf sich beruhen und Sherlock ziehen ließ, er würde es nie erfahren aber es kümmerte ihn auch nicht, was wichtig war, war das Lockie nicht noch weitere gifte Worte hören musste.

Unsicher aber die Tränen unterdrückend machte sich der jüngste Holmes daran nach oben zu gehen, das hatte er nicht gewollt, nun sahen sie auch Mycroft als eine Enttäuschung an, dabei machte eben jener doch nie etwas falsch, alles was man ihm vorwerfen konnte war die Tatsache das er ihm immer aus der Klemme half. Es war selbstsüchtig gewesen ihn in seine Schandtat einzubeziehen.

Erst als er die sich entfernenden Schritte seines Bruders nicht mehr hören konnte entspannte sich zumindest ein Teil von dem älteren Holmes Bruder. Mit Lockie aus der Schusslinie konnte er gewiss mehr erreichen.

„Warum tust du das?"

„Tue was?"

„Die Schuld für ihn übernehmen, seine Fehler vertuschen."

„Ich weiß nicht wovon du sprichst, du wolltest ein Geständnis und du hast eins, wo liegt das Problem."

Aus den Augenwinkeln konnte er sehen wie sich die Hände seines Vaters zu Fäusten ballten, sie zitterten leicht, so als hielte er sich zurück zuzuschlagen. Das war kein übliches Verhalten für ihn aber Mycroft wäre es dennoch lieber wenn er das Opfer dieses Ausbruchs würde als Sherlock, also wich er nicht zurück, wenn es das brauchte um die Situation zu entschärfen würde er sein Gesicht gern zur Verfügung stellen.

„Das Problem ist das ich einen Sohn außer Kontrolle habe der seinen Bruder so um den Finger gewickelt hat das jener kaum noch richtig von falsch unterscheiden kann"

„Also ist es richtig einem Neunjährigen zu sagen er sei eine Enttäuschung, eine Schande und abnormal?" Er wusste das er dabei war den Bogen zu überspannen aber er würde dieser Heuchelei nicht kommentarlos zuhören.

„Du weißt das wir diese Dinge nur sagen um ihm zu zeigen das wir mehr von ihm erwarten, weil wir wissen zu was er in der Lage ist."

„Was wisst ihr von Sherlock?"

Der Unglaube über diese Anmaßung seiner Eltern war echt, wann hatten sie sich je für Sherlock und seine potenziellen Fähigkeiten interessiert, seit sie wussten das er nicht formbar war hatten sie ihn doch praktisch beiseitegestellt.

„Vorsicht Junger Mann, wir sind eure Eltern. Vergiss das nicht."

„Wie könnte ich, das ist doch der einzige Grund warum ihr nicht schon vor langer Zeit aufgegeben habt." Nicht dass sie es wirklich versuchten. Keiner der Beiden wäre in der Lage ihm zu sagen was Sherlocks liebstes Hobby war, von was er Träumte oder was er werden wollte.

„Das ist nicht wahr, wir lieben euch."

„Tut ihr das?"

Ein Keuchen entkam Mommy, nur schwer unterdrückte Mycroft ein Augenrollen, wie konnten sie ihm verübeln wenn er bezweifelte das diese Menschen sich wahrhaft um sie Sorgten, sie tatsächlich schätzten.

„Ja, ob ihr uns liebt ist wohl eher die Frage"

„Natürlich"

Erst nach einem Herzschlag wurde ihm klar dass er keine Ahnung hatte ob er Log oder die Wahrheit sprach. Diese Tatsache war beinah so erschreckend wie der Rest dieser unnötigen Konfrontation.

„Nicht so sehr wie ihn" Sein Vater deutete auf die Treppen die Sherlock nach oben gegangen war, dagegen konnte er nicht argumentieren. Also tat er es auch nicht.

„Verdammt Mycroft" fuhr Siger erneut hoch, seine Haltung sprach von seiner schwindenden Geduld als er auf das eigentliche Problem zurückkam. „Er wusste was passieren würde und nun muss er damit leben."

„Nein, du kannst ihn nicht bestrafen wenn ich dir sage das ich es war" so waren die Regeln in diesem Haus, doch er wurde langsam unsicher über die wahren Absichten seiner Eltern deshalb fügte er als Erinnerung an die Tatsachen an: „Und du nicht das Gegenteil beweisen kannst."

„Früher oder später gibt er uns einen anderen Grund" Wie sorglos er ihm diese Worte entgegen warf erzeugte ein Schaudern auf dem Rücken des älteren Holmes Bruders.

„Das klingt als wartet ihr nur auf einen Vorwand ihn wegschicken zu können." Das sollte ihn wahrlich nicht schockieren aber das tat es. Es war als würde er plötzlich in einen eisigen See gestoßen.

„Diese Schule ist kein Ort für ihn, er wäre dort allein unter Fremden die keine Ahnung haben wie Besonders er ist, was er braucht und warum er tut was er tut." Argumentierte er und bemerkte wie er entgegen seinen Vorsatzes emotional wurde.

„Du musst aufhören ihn als so besonders zu sehen, er braucht keine Sonderbehandlung sondern einen Realitätscheck."

„Ich sagte ich war es also bin ich derjenige denn ihr bestrafen solltet, nicht Sherlock." In ihm wuchs echte Verzweiflung, was könnte er sagen, was könnte er tun um ihre Meinung zu ändern?

„Das würde wenn ich glaubte das du es tatsächlich gewesen bist."

Vielleicht gab es nichts mehr das er sagen konnte... zumindest nicht in diesem Moment, er brauchte Zeit zum Nachdenken.

„Dann gibt es wohl nichts mehr zu besprechen" stellte er geschlagen fest, seine Gefühle erneut in sich zurückdrängend.

„Du wirst ihn nicht immer beschützen können" spuckte ihm sein Vater entgegen als er sich zum Gehen wandte. „Du tust ihm nichts Gutes in dem du ihn daran gewöhnst das du seine Fehler ausbügelst und ihn immerzu vor den Konsequenzen seiner Taten bewahrst."

„Du irrst dich Vater" sagte er, sein Rücken den Beiden zugewannt bevor er sich erneut herumdrehte „ich werde da sein."

„Wie wenn du im Herbst nach London zur Universität gehst"

Plötzlich war es ihm klar, diese Provokation zeigte ihm mit einem Schlag auf was er zu tun hatte und ein Gewicht der Ungewissheit schien von ihm abzufallen.

„Indem ich nicht gehe"

Seine Eltern sahen geschockt wie noch nie zuvor im Leben aus, ihre Münder standen praktisch offen und ein geringerer Mann hätte bei diesem Anblick vermutlich gelacht, doch er persönlich fand nichts amüsantes an dieser Situation.

„Es gibt auch hier eine Universität, welche mich mit Sicherheit annehmen wird, so kann ich mich um Sherlock kümmern, kann sicherstellen das er keine Fehler macht die ihm seine Kindheit kosten könnten oder den doch so geschätzten Namen Holmes in Verruf bringen."

„Bist du des Wahnsinns, deine Noten sind überragend und die Universitäten überschlagen sich damit du bei ihnen studierst, die Welt steht dir offen und du würdest das alles wegwerfen um hier den Babysitter für deinen Bruder zu spielen?"

Wie konnte diese Tatsache die Beiden immer noch überraschen, ein Zeugnis ihrer Gleichgültigkeit. Er beugte sich ein kleines Stück nach vorne, niemals den Blickkontakt unterbrechend.

„Ohne zu zögern, es ist was ich von Anfang an hätte Planen sollen, doch ich war zu verblendet, doch nun erkenne ich das das der einzige Weg ist"

Die perfekte Lösung, er würde studieren, konnte seine Fächer und Lehrzeiten um die Bedürfnisse seinen Bruders planen, für jenen da sein und ein wachsames Auge über ihn haben. Sie beide wären so glücklicher.

„Du bist nicht sein Vater"

„Nein denn wenn ich es wäre, wäre nichts von all dem Passiert" er sprach von den Ereignissen der letzten Monate. Zwar war er nur sieben Jahre älter aber oft fühlte er sich als sei Sherlock seine Aufgabe, seine Verantwortung.

„Du glaubst also du könnest ihn besser großziehen" spottete Siger Holmes mit einem herzlosen Lachen, die dunkeln Ringe unter seinen Augen traten hervor.

„Nein das glaube ich nicht" sagte er nur um auf den selbstgefälligen Ausdruck seines Vaters hin zu sagen „das weiß ich, die letzten neun Jahre habe ich nichts anderes getan."

Er war da gewesen wann immer Lockie ihn gebraucht hatte, seine Tränen waren von ihm getrocknet, seine Hausaufgaben von ihm kontrolliert, Gute Nacht Geschichten von ihm erfunden und Anerkennung von ihm vergeben, worden. Bereitwillig hatten seine Eltern ihre Pflichten an ihn abgetreten ohne auch nur ein Wort des Dankes, nicht das er das wollte aber es war Wert diesen Fakt zu vermerken. Nur damit sie nun an seiner Erziehung Kritik üben konnten.

Nein, denn ohne ihre oberflächliche, unsinnige, überflüssige und zumeist unsensible Einmischung in das Leben seines Bruders wäre er weiter darin aus eben jenem sein Bestes herauszuholen. Er wollte ebenfalls das er erfolgreich wurde aber nicht auf kosten seiner geistigen und intellektuellen Gesundheit.

Sein Vater sah nunmehr weit mehr als wütend aus, er schien rasend, doch dann trat etwas gefährliches in seine Augen, so als hätte Mycroft einen Fehler gemacht und erst später sollte eben jener erkennen das er sein Blatt verraten hatte. Er selbst hatte seinen Eltern seine einzige Schwachstelle offenbart, wie leichtsinnig.


Sich zu kümmern bringt keinen Vorteil


Alle Herzen werden gebrochen


Liebe ist ein chemischer Defekt den man auf der Verliererseite findet


„Nein" beschloss Siger Holmes, nunmehr wissend was er zu tun hatte um seinen Sohn zum Erfolg zu führen „ich sage dir was geschehen wird, wenn ich auch nur ahne das du eine solche Dummheit tatsächlich planst schicke ich ihn noch heute Abend fort"

„Das würdest du nicht wagen" das Gesicht des Jüngeren fiel, der Eismann war eine ferne Erinnerung als ein unglaubliche Angst sein jugendliches Herz umschloss.

„Doch sollte ich glauben das mein Erstgeborener sein Leben und den Namen Holmes mit Füßen treten will würde ich das"

„Siger" fuhr Mutter schwach auf, sie würde sich fügen. Zum einen weil das eine gute Ehefrau in ihren Augen tat aber wichtiger auch sie wollte Mycroft an der Spitze sehen.

„Folgendes wird geschehen" fuhr ihr Mann unbeirrt fort „du gehst nach London, du machst uns stolz" er legte eine Hand in den Nacken seines Sohnes, eine Geste der Wiedergutmachung so als wäre er nicht vollkommen neben der Spur. „Und ich verspreche dir wir schicken Sherlock nicht fort, egal was er tut oder sagt"

Das Lächeln seines Vaters und die plötzliche Nähe lösten eine ungewohnte Übelkeit in Mycroft aus. Er hatte keine Macht in dieser Situation, es gab nichts was er tun konnte, eine solche Schwäche war ungewohnt für ihn.

„Verstanden" sagte er also, den Blick nach unten gesenkt, sein Herz brach als er nicken musste, wenn dies der Weg war....

Dann würde er ihn gehen, alles um Sherlock sicher zu wissen, auch wenn es ihn alles kostete was ihm je wichtig gewesen war.....

Die Liebe seines Bruders und dessen Gesellschaft in einer Welt die sie Beide nicht verstand.

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