Heilende Worte
Einen weiteren Moment grinste ich meinen besten Freund noch an, es tat so gut John zu sehen. In einem Punkt hatte Moriarty recht, ich hatte ein Herz, der Schmerz den ich durchlitt war Beweis dafür. Doch wichtiger, was ich immer wieder vergaß, es war nicht nur schmerz den dies brachte, sondern auch die Freude eines Lachens oder die Wärme einer Umarmung.
Es gab noch Menschen die mein Leben interessierte, die gewillt waren auf mich zu warten, die mich auffangen wollten wenn ich sie nur ließe. Dies wurde mir wieder einmal klar als John sagte „Mrs Hudson lässt dich grüßen und mitteilen das wenn du nicht bald entlassen wirst das sie dich eigenhändig ausbricht."
Martha war wie eine Mutter für mich, verständnisvoll und akzeptierend wo meine eigene nur ihren Ruf und den Namen der Familie im Kopf hatte. Beschämt stellte ich fest das ich ihnen beiden kein guter Sohn gewesen war. Und zumindest im Weltbild meiner Vermieterin war ich dies einmal gewesen. Auch über diese Dinge dachte ich in der Stille meiner besseren Zelle nach.
„Eine interessante Vorstellung das muss ich zugeben." Ich hatte keinen Zweifel daran das sie es tun würde, diese Frau hatte ein Kartell geführt und das waren noch die harmloseren Ereignisse ihrer Vergangenheit.
„Sie hat Recht weißt du?" fragte John, seine Augen verrieten wie aufgewühlt er war, seine Finger zuckten als wöllte er nur zu gern nach mir greifen, sich vergewissern das er mir wirklich gegenüber saß. Ich konnte es ihm nachfühlen. „Es wird Zeit das du nach Hause kommst."
Nach Hause, wenn es doch so einfach wäre. „Sherlock" unterbrach John meine sich aufbauen wollenden Gedanken, er kannte mich so gut das er mir wohl angesehen hatte was in mir vorging. Wie weit ich meine Schilde doch herunterfuhr für diese wenigen besonderen Menschen in meinem Leben.
„Ich bitte dich, sprich mit den Ärzten. Du glaubst nicht daran das sie dir helfen können aber selbst wenn nicht. Hör ihnen einfach zu und sage ihnen was sie hören wollen. Alles besser als schweigend die nächsten Jahre in diesem Zimmer zu verbringen."
Das er mich nicht darum bat ehrlich zu sein zeigte mir das auch er das Vertrauen in diese Einrichtung verloren hatte, dennoch hoffte er das ich wenigstens etwas mitnehmen würde aus dieser Erfahrung. Ich war immer noch nicht überzeugt das ich nicht auch mit meiner Methode voran kommen würde als er das sagte was all meinen Wiederstand sterben ließ.
„Bitte, ich brauche dich wieder in unserer 221B, du hast ja keine Ahnung wie Still es ist ohne....." euch, wollte er sagen aber unterbrach sich da er wohl nicht gekommen war um alte-neue-nie verheilte Wunden aufzureißen.
„In Ordnung." Erstaunt schnellte sein Blick zu mir, seine Augenbrauen hochgezogen und ein fassungsloses Lächeln auf seinem Gesicht. Er setzte dazu an noch etwas Fragen zu wollen, etwas in die Richtung: Wirklich? Warum die schnelle Zustimmung? Kann ich dir trauen?
Doch am Ende überlegte er es sich besser, wohl zufrieden mit dem was er erreicht hatte. „Danke" war demnach das nächste was in der monotonen Stille meines Zimmers zu hören war.
„Du hast mein Leben gerettet" sagte ich daraufhin, es kam mir plötzlich wichtig vor „mehr als einmal". Ich dachte daran zurück was ich einst zu Rebecca gesagt hatte. Das wenn ich zuließe das sie auf die Straße zurückkehrt, in ein Leben am Rande des Todes, das mein Opfer, der Sprung in die Themse, umsonst gewesen wäre. Nun war es so das John für mich mehr als einmal, bildlich gesprochen, gesprungen war, ich hatte nie daran gedacht dies zu Würdigen.
„Das mindeste das ich also tun kann ist es zu Leben, das Schulde ich dir." Ich sah ihn an, alle Schilde vergessend. Er sollte sehen das ich es ernst meinte, keine Hintergedanken oder Pläne, nur ein Mann am Ende seiner Leine, der sich wieder nach oben ziehen wollte.
John sah ein wenig überfordert mit so viel Offenheit aus, zumindest seinem wechselnden Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, das tat er immer wenn er nicht recht wusste wie es weiter gehen sollte, nun waren wir auf gleichem Boden, denn das wusste ich beim besten Willen auch nicht.
*
„Ich denke nicht das die zwei Mal auf den selben Trick reinfallen werden" sagte ich traurig als mir klar wurde das wir uns langsam voneinander verabschieden mussten. Natürlich sah mich Sherlock an und ich wusste das ihm dieser Gedanke schon früher als mir gekommen war.
Es schmerzte mich ihn erneut für unbestimmte Zeit zurück zu lassen, doch was konnte ich tun? Mit Mycroft zu sprechen würde jetzt noch weniger bringen als zuvor, den eines war klar, der Eismann würde einen Blick auf mich werfen und wissen was ich getan hatte, wenn er es nicht längst herausgefunden hatte, gut das ich keine Angst vor ihm hatte.
„Ich werde tun was ich muss um hier raus zu kommen." Versprach mein bester Freund der meinen inneren Kampf zu spüren schien. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, meine Finger einen Moment unsicher über seinen Schweben lassend bis ich sie schließlich doch kurz drückte.
„Danke Sherlock" sagte ich und meinte so vieles. Danke das du mir vergeben kannst das ich zugelassen habe das du in dieser Einrichtung landest, Danke das du dich nicht aufgegeben hast, Danke das du zu uns zurückkommen möchtest, Danke das du versuchst dich zu bessern.
Er schien es alles zu hören, zumindest waren seine Augen aufrichtig, voller Emotionen, das hatte Rebecca immer in ihm gesehen, wenn andere nur das sahen was er ihnen zeigte.
Mit hängenden Schultern trat ich aus dem Zimmer, hoffend das ich ihn das nächste Mal, wenn ich herkam mitnehmen konnte.
*
(05.09.2015 – Brentwood, England)
„Wie ich hörte hatten sie interessanten Besuch" begann meine sogenannte Therapeutin unsere Sitzung. Sie hatte überrascht ihre Augenbrauen in die Höhe gezogen als ich tatsächlich zur vereinbarten Zeit in dem Sprechzimmer erschienen war. Sonst ignorierte ich diese Termine ja auch, doch nun hatte ich John versprochen zumindest eine Art Lippenbekenntnis abzulegen, also würde ich gerade so viel tun um aus diesem Kasten entlassen zu werden.
Ich lehnte mich noch ein wenig mehr in den Sessel zurück, eines musste man dieser besseren Irrenanstalt lassen, die Inneneinrichtung war ausgezeichnet. Es erstaunte mich nicht das sie von meinem Besucher gehört hatte, immerhin hatte es eine Anweisung ihrerseits gegeben das niemand zu mir durfte. Also war es nur logisch das eine in ihrer Abwesenheit gemachte Ausnahme an sie herangetragen wurde.
Das beunruhigte mich nicht, immerhin gab es nichts was sie jetzt noch dagegen tun konnte, John und ich hatten beide gewusst das dieses Treffen einmalig gewesen war und wir höchstwahrscheinlich erst wieder am Tag meiner Entlassung miteinander sprechen konnten.
„Ich hatte immer angenommen das D.I. Lestrade graue Haare hat aber Daniel meinte er wäre blond gewesen." Ihr Lächeln sagte deutlich das sie keine Sekunde geglaubt hatte das Greg tatsächlich hier gewesen war, ja sein Name war Greg, das wusste ich. Meistens zumindest.
„Haarfarben kann man ändern" erwiderte ich gelangweilt bevor ich daran dachte das ich auch geglaubt hatte das eine blonde Frau meine Rebecca sein konnte, ich schob dies zur Seite und zu meiner Erleichterung sprach Dr. Mortimer weiter, das bot wenigstens etwas Ablenkung.
„Na sieh einer an" selbst als jemand der davon keine Ahnung hatte wusste ich das dieser Gesichtsausdruck unprofessionell war „er spricht".
Sie strich etwas auf ihrem Klemmbrett durch, das sollte wohl bedeutungsschwer wirken, doch ich war ein Genie, ich wusste das nichts auf diesem Blatt Papier stand. Sie zeichnete ihre Gespräche mit einem Tonbandgerät auf und notierte im Anschluss beim zweiten Anhören alles auf ihrem Computer.
„Ich werde nicht fragen ob John bei ihnen war oder was sie besprochen haben. Das sie nun mit mir sprechen reicht mir aus. Ich werde ihrem Bruder nichts davon sagen." Das sollte wohl mein Vertrauen gewinnen, zu schlecht das es mehr brauchte bis ich jemanden vertraute, besonders wenn dieser jemand von meinem Bruder bezahlt wurde.
„Außerdem hat ihr Bruder mir Gestern eine E-Mail geschrieben. Ihnen ist es nunmehr erlaubt Besuch zu empfangen."
Es war selten das mich etwas überraschte, diese Tatsache schaffte dies. Warum sollte mein Bruder seine Meinung ändern, er war beinah so stur wie ich. Wenn ich mich verbissen hatte gab es wenige Dinge die mich abhalten konnten zu tun was ich als nötig befand um zu erreichen was ich wollte. Vielleicht... nein ich unterbrach diesen Gedanken, das durfte mir nicht erneut passieren. Er hatte seine Meinung geändert, es bevorteilte mich also würde ich es hinnehmen, wie ein Goldfisch würde ich nicht darüber nachdenken, so der Plan.
„Aber das wussten sie nicht und doch waren sie gewillt mit mir zu sprechen." Stellte sie nach einigen Momenten fest, ein Gespräch aufrecht halten wollend. „Was hat sich geändert?"
Ich würde den Teufel tun ihr von meinem Gespräch mit John zu erzählen aber da ich ein Versprechen gegeben hatte „Ich möchte nach Hause" begann ich mit der Wahrheit „also was ist nötig damit sie mich gehen lassen?"
Sie sah wenig schockiert aus, sie war zum einen auf meine Art vorbereitet worden und meine Versuche Schlüsselkarten zu stehlen waren auch nicht unbemerkt geblieben, besonders da sie immer erfolglos gewesen waren, verdammter Mycroft und dessen wissen über mich.
„Wir sollten über Rebecca sprechen" beschloss sie nachdem sie kurz überlegt hatte, das war kein gutes Zeichen.
„Gibt es eine Möglichkeit dies nicht zu tun?" versuchte ich zu verhandeln, es war so viel falsch mit mir, zumindest wenn man den Meinungen all meiner Lehrer, Mitstudenten, ehemaligen Kollegen und den meisten Menschen den ich je begegnet war glauben durfte, da musste doch auch ein anderes Thema ausreichend sein.
„Ich fürchte nicht" ihre Maske aus vorgetäuschtem Mitleid war grauenhaft, selbst ich konnte das besser und ich hatte so etwas noch nie gefühlt. Na wer Lügt nun, sagte eine Stimme die verdächtig nach Gedächtnispalast Mycroft klang, das schlimmste daran war das er recht hatte. Ich hatte Mitleid gekannt, als ich sie hatte sitzen sehen, schweißgebadet, zitternd und zerfressen von dem Verlangen sich das Gift zu spritzen das schlussendlich ihr Leben beenden sollte.
„Warum wollen sie nicht über Becky sprechen?"
„Rebecca" berichtigte ich sie noch bevor ich die Chance hatte darüber nachzudenken, zu sehr hatten mich meine vorherigen Gedanken abgelenkt. Als ich ihre Mundwinkel nach oben zucken sah wusste ich das ich auf ihre plumpe Falle hereingefallen war.
„John hat sie Becky genannt"
„John hat sie gekannt" John hatte sie geliebt, nicht wie ich es getan hatte, immer noch tat, aber dennoch, genug um sich das Recht zu verdienen ihr einen Kosenamen zu geben, genug um über sie sprechen zu dürfen.
„Ich würde sie auch gern kennen lernen aber das kann ich nur wenn sie mir von ihr erzählen." Da sie Tod war, das verstehen sie schon oder haben sie immer noch diese Wahnvorstellung, dieser Teil blieb unausgesprochen aber es war deutlich zu spüren.
„Fangen wir klein an." Bot sie weiterhin an, wohl ihren Therapiefortschritt nicht gefährden wollend. „Wie war sie so?"
Ich würde nicht umhin kommen wenigstens ein paar Fragen zu beantworten und da diese relativ harmlos war beschloss ich die ersten Sachen zu nennen die mir in den Sinn kamen „Rebecca war perfekt." Sagte ich, weil ich so dachte aber zu meinem Horror hörte ich mich weitersprechen „Und ich sage das nicht nur weil ich sie geliebt habe. Sie hätte alles Recht der Welt gehabt, sauer, unzufrieden oder gefühlskalt zu sein, dennoch war sie gut, freundlich und herzlich. Sie war so stark und doch...". Meine Stimme brach ab, eine Art Notaus, mein Hirn zog den Stecker für meinen vorschnellen Mund.
„Und doch hat sie sich umgebracht" es klang zeitgleich wie eine Frage und eine Aussage der Ärztin. Sie begann weiter zu sprechen über die Auswirkungen von Selbstmorden für den überlebenden Partner und die Gefühle die sich zwangsläufig aufbauten. Ich unterbrach sie nicht, zufrieden das sie keine Fragen stellen konnte wenn sie einen so langweilig vorhersehbaren Monolog hielt. Nicht das ich mit meiner vollen geistigen Leistungsfähigkeit zuhörte, das war wahrhaft nicht nötig.
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