Die Beerdigung seiner Frau


(07.07.2015 – London, England)

Die meiste Zeit verbrachte Sherlock damit in seinem Zimmer zu liegen, manchmal spielte er auf seiner Geige Für Rebecca, ich hatte die Melodie beinah vermisst aber nachdem er sie beinah vier Stunden lag durchgespielt hatte wurde auch mir das zu viel und ich nahm meine Ohrenschützer zur Hand. Mrs Hudson und ich tauschten mitfühlende Blicke wann immer sie uns Tee, Gebäck oder Sandwiches brachte, nichts davon rührte Sherlock wirklich an. Meine Hauptaufgabe bestand darin dafür zu sorgen dass er wenigstens etwas zu sich nahm. Aber es war mühselig.

Er sprach kaum, schlief dem Anschein nach nie und wirkte immer abwesend. Zu sagen dass ich mich sorgte war untertrieben. Das Klingeln an der Haustür holte mich aus meinen Gedanken.


*


Unsere Vermieterin brachte unseren Gast nach oben. Es war ein circa dreißig Jähriger Mann, er hatte freundliche braune Augen und sein Anzug schien maßgeschneidert. Seine hellbraunen Haare waren zur Perfektion gestylt. Sherlock könnte mir wohl mehr über ihn sagen aber eben jener starrte unseren Gast nur an, es war ein seltener Moment das der Detektiv im Wohnzimmer war aber nachdem er den Morgenmantel aufgehoben hatte, den ich extra hatte liegen lassen, wohl wissend das die letzte die ihn getragen hatte unser Mädchen gewesen war hatte sich mein Mitbewohner in seinen Sessel fallen lassen und Löcher in die Luft gestarrt.

Wenigstens hatte er etwas an, dachte ich erleichtert, unser Gast schien jedoch wenig verstört über den mitgenommenen Anblick den wir wohl boten. „Dieser junge Mann sagt er ist hier wegen" begann unsere Vermieterin aber wurde von einer jungenhaften Stimme unterbrochen „Mein Name ist Robert Parker, ich wurde von Mr Holmes dem Älteren geschickt um mit Ihnen die Details für die Beerdigung von Miss Kingsley zu klären"

Man hätte eine Stecknadel fallen lassen können und ihr Auftreffen auf dem Boden wäre deutlich zu hören gewesen in der Stille die seiner Aussage folgte. Wut stieg in mir auf, dachte Mycroft wirklich wir würden es nicht hinbekommen unsere Becky anständig zu beerdigen? Hielt er uns für so inkompetent das er einen seiner Minions sicken musste?


*


Einzelgänger, versessen darauf Kariere zu machen, von einer alleinerziehenden Mutter in ärmlichen Verhältnissen großgezogen, zwei Katzen, eine braune, die andere weiß, harmlos aber gründlich, geradezu kompetent. Mein Bruder musste sich wirklich schuldig fühlen wenn er es auf sich nahm mir einen seiner besseren Mitarbeiter zu schicken um sicherzustellen das meine Frau die Beisetzung bekam die sie verdiente.

John schien sich über unseren neuen Gast aufregen zu wollen aber ich war mir im Klaren das ich es alleine nicht hinbekommen würde und zu scheitern war keine Option. Ich hatte genug versagt. „Setzen sie sich" sagte ich, meine Stimme hörte sich rau an so wenig hatte ich sie in letzter Zeit benutzt. Warum hatte ich auch sprechen sollen? Meine Welt war leer und grau. Nur für John hatte ich durchgehalten, bis jetzt zumindest.

Dessen Wut schien auf magische Weise zu verschwinden als er sah wie ich wachsam beobachtete wie sich Mr Parker setze und ich ihn sogar angesprochen hatte. John und Mrs Hudson setzten sich nun ebenfalls.

„Sehr freundlich" bedankte er sich mit einem Nicken, er öffnete seinen Aktenkoffer und nahm ein Tablett heraus. „Ihr Bruder hat mich angewiesen die wichtigsten Punkte mit Ihnen durchzugehen. Meine erste Frage dazu wäre: Wünschen Sie für Miss Kingsley eine Urnenbeisetzung oder eine Erdbestattung?"

Ich schloss kurz meine Augen, meine Emotionen zur Seite kämpfend. Allein der Gedanke..... die Liebe meines Lebens entweder zu verbrennen oder sie der Erde zum Verrotten zu übergeben.... Nein stopp, er brauch eine Antwort also gab ich ihm eine „Erdbestattung" es kam mir in Anbetracht ihrer Geschichte nicht richtig vor sie dem Feuer zu übergeben. Suvi war im Feuer gestorben. Das ergab keinen Sinn stellte ich fest.

John sah verwundert darüber aus wie lebendig ich auf einmal wirken musste. Ich wusste ja das ich in den letzten Tagen kein einziges Gespräch mit ihm geführt hatte aber das hier war etwas anderes als sinnlose Gedankenaustausche zu meinen Gefühlen. Hier ging es um meine Frau und ihre letzte Ruhestätte.

Brav notierte Parker was ich gesagt hatte. „In diesem Fall sollten wir den 10. Juli als Termin wählen. Keine Sorgen ich kümmere mich um die Formalitäten und die Verständigung der Gäste."

„Gäste?" fragte ich nach, der Termin war soweit in Ordnung, ich hatte Zeit, Klienten hatte es seit Tagen kaum gegeben da John mit Rebeccas Verschwinden eine entsprechende Mitteilung auf seiner Website geschaltet hatte. Wir befanden uns im –Urlaub-.

„Ja ihr Bruder hatte eine Hand voll Namen für mich aufgeschrieben die zu informieren sind. Wenn sie wollen kann ich sie ihnen zeigen?" ich winkte ab, so dringend musste ich es auch nicht wissen, ich würde mit niemandem reden, so viel war klar. John hingegen schien neugieriger und nahm die Liste welche ebenfalls aus dem Aktenkoffer gezogen wurde.

Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Überraschung als er die Namen durchlas, kein Grund zur Sorge also.

„Wünschen Sie einen offenen Sarg oder" ich unterbrach ihn, das war etwas bei dem ich keine Diskussion dulden würde. „Geschlossen" ich würde nicht zulassen dass man sie anstarrte, das würde sie nicht wollen. Obwohl der Gedanke daran dass ich nie mehr ihr Gesicht sehen würde schmerze war mir doch klar dass es keinen Unterschied mehr machte und ich mich besser fühlen würde wenn ich tat was sie sich gewünscht hätte. So wie sie hatte fortgehen wollen.... stopp, es war nicht ihre Schuld....es war meine, niemals ihre...

„Eine Anzeige über die Beerdigung wird Morgen in der Zeitung gedruckt." teilte Parker uns mit, damit hatte ich kein Problem und es war gut zu sehen dass er nicht mal gezuckt hatte über meinen kleinen Ausbruch. Mein Bruder hatte ihn gut vorbereitet. „Haben Sie Blumenwünsche" diesmal unterbrach John ihn „Ich kaufe ihr selbst ein Gesteck, danke sehr." er fühlte sich wohl übergangen.

Wieder blieb Parker professionell und freundlich. Als nächstes klärten wir was sie tragen sollte, ich stand ohne ein Wort zu sagen auf, meine feuchten Augen maskierend und ging in mein Schlafzimmer. Niemand folgte mir und ich war dankbar dafür. Obwohl ich wusste was ich suchte und wo es war nahm ich mir Zeit dabei ihre Sachen zusammen zu suchen. Ich vergrub meine Nase in dem blauen Stoff bevor ich mich davon abhalten konnte. Ihr Geruch war nur noch flüchtig wahrzunehmen. Wiederwillig riss ich mich los um die anderen Dinge zusammenzusuchen.

Zurück im Wohnzimmer übergab ich Mr. Parker Rebeccas geliebtes Kleid, ihre Ohrringe und die Schuhe von ihrem Geburtstag. Es schmerzte mich die Sachen in fremde Hände zu geben aber am Ende wären sie wieder bei ihr. Das linderte das schmerzhafte Pochen in meiner Brust etwas.

Danach sprachen wir über die Dinge die der Pfarrer sagen sollte, ich wusste nicht einmal welchen Glauben Rebecca gehabt hätte wenn sie nicht nach eigener Aussage lange aufgehört hätte an irgendeine höhere Macht zu glauben. Ich war so müde als alles Wichtige besprochen war das ich ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer ging. Für eine weitere Nacht ohne schlaf aber mit schmerzendem Herzen.


*

(10.07.2015 – London, England)


Nach der Planung der Beerdigung zog sich Sherlock wieder gänzlich in sich selbst zurück, mehr noch, nun da er hatte Dinge von ihr abgeben und einen Termin dafür hatte endgültig Abschied nehmen zu müssen. Ich hatte niemals geglaubt ihn so sehen zu müssen, es brach mir das Herz, beinah so sehr wie es ihr Tod an sich tat. Mrs Hudson und ich hatten in den vergangenen Tagen zumindest etwas Trauerarbeit geleistet, dennoch musste ich mich mühsam aufrecht halten als ich an diesem Freitag das Jackett meines schwarzen Anzugs zuknöpfte.

Ich versuchte ganz der Soldat zu sein, Aufrecht zu stehen und mich auf meine Mission zu konzentrieren aber es wollte mir nicht recht gelingen. Das Loch das ihre Abwesenheit in unseren Alltag gerissen hatte war unumgänglich und fachte den Schmerz immer wieder neu an. Wie oft ich mich erwischt hatte eine Tasse zu viel Tee zu kochen wusste ich nicht, auch Mrs Hudson schien ihre Probleme zu haben sich anzupassen, oft sah ich wie sie sich umsah, wohl suchend bis ihr einzufallen schien das es keinen Sinn machte, das sie Rebecca nicht entdecken würde, nie mehr.

Einen tiefen Atemzug nehmend trat ich aus meinem Zimmer, ging die Treppen herunter und lief anschließend mit gezwungen neutral schauendem Gesicht zu Sherlocks Zimmer. Er hatte meine Schritte wahrscheinlich kommen hören, dennoch klopfte ich bevor ich langsam die Tür öffnete.

Der Anblick der sich mir bot überraschte mich, ich hatte befürchtet ich müsste ihn gewaltsam in die Dusche zerren, ihn eigenhändig anziehen und ins Auto tragen aber nein, er stand da. Dem Anschein nach frisch geduscht, seine Locken frisiert, sein Gesicht makellos glatt rasiert. Er trug seinen besten Anzug und war von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet. Sein Gesichtsausdruck sah entschlossen aus, ich musste kurz lächeln. Rebecca, er tat das für sie, selbst jetzt noch hatte sie diese Wirkung auf ihn.

Wäre es nicht für die Blässe seiner Haut oder den dunklen Ringen unter seinen roten Augen würde ich annehmen er Gänge mit ihr auf ein Date aber durch einen grausamen Schlag des Schicksals machten wir uns lediglich bereit Abschied zu nehmen. Wir sahen einander kurz an bevor ich leise sagte „Es ist Zeit". Die einzige Antwort die ich bekam war ein kurzes Nicken bevor er ihr Foto von seiner Kommode nahm und es in die Innentasche seines Jacketts steckte.

Ohne jeden Zweifel wusste ich dass er unter seinem schwarzen Hemd ihre Kette trug. Die Sachen die ihr gehört oder einen Bezug zu ihr hatten bewahrte er beinah religiös auf. Noch immer hatten wir kein Wort über sie gesprochen, ich hatte zu viel Angst davor diesen Damm in ihm zu brechen, doch wenn ich in seine Augen sah hatte ich das Gefühl das dies schon geschehen war, dennoch was würde es in diesem Moment gutes bringen.

Nach der Beerdigung würden wir reden, ich musste ihn erreichen. Ihm klar machen das das Leben weiter gehen musste und das er sich nicht für den Rest seines Lebens in seinem Zimmer oder der 221B im allgemeinen Verstecken konnte. Doch für jetzt hatten wir erstmal einen schweren Gang vor uns.


*


Wir trugen alle schwarz als wir auf dem Bürgersteig vor der 221B auf den Wagen warteten den Mycroft uns versprochen hatte. Es war ein kühler Regentag, keiner von uns dreien sagte ein Wort, zu hören waren nur die Geräusche der Großstadt gepaart mit dem rhythmischen prasseln des Regens auf allen schutzlosen Oberflächen. Darunter auch die Regenschirme über unseren Köpfen. In Johns Händen war das Blumengesteck das er hatte in Auftrag gegeben, es war schön. Es brachte den Wunsch in mir zum Vorschein ich hätte ihr Blumen gekauft als sie noch bei mir gewesen war.

Wenn ich die Augen schloss konnte ich mir beinah bildlich vorstellen wie ihr Gesicht über ein solches Geschenk in ein strahlendes Lächeln ausgebrochen wäre.

Mrs Hudson hielt sich an meinem Arm fest, sie weinte, dabei hatte sie sich, von dem wenigen dass ich die letzten Tage mitbekommen hatte doch so gut gehalten. Hatten sie beide, als wäre da keine leere in unserem zu Hause, als wäre die Sonne nicht für immer untergangen für....uns.

Ich konnte meiner ältesten Freundin keinen Halt geben, hatte ich doch selbst keinen aber ich ließ sie gewähren als sie kurz ihr Gesicht an meinem Oberarm versteckte bevor sie sich wieder beruhigt hatte, zumindest soweit das sie nicht mehr schluchzte.


*


Mein Bruder hatte wirklich einen schönen Ruheplatz für sie gefunden, besser gesagt sein Minion hatte es getan aber ohne jeden Zweifel hatte jener sich jede Entscheidung absegnen lassen. Der Friedhof war weitläufig, stilvoll bepflanzt und ruhig gelegen. Die kleine Kapelle auf die wir zugingen und in der ihre Andacht gehalten werden sollte war klassisch und dennoch modern genug um nicht kitschig zu wirken.

Der Regen hatte nicht nachgelassen, ich nahm an er hatte sogar zugenommen, deshalb gingen alle Trauergäste schnell hinein, alle, mit Ausnahme von mir. Mein Griff um den Regenschirm war beinah schmerzhaft, den mit jedem Schritt hatte ich das Gefühl heißer Stahl bohrte sich immer tiefer in mein Herz, besonders als ich durch die geöffnete doppelflügelige Tür den Sarg aus hellem verzierten Holz sah.

Ich fühlte mich als würde ich auf meine eigene Beeidigung zusteuern. Gewissermaßen tat ich das wohl auch, hatte sie immerhin mein Herz besessen. Erst als ich Johns rufen hörte merkte ich das ich stehen geblieben war, durch den Schleier meiner eigenen Tränen sah ich zu meinem besten Freund, er stand in der Tür, auf mich wartend.


*


Jeder Schritt schien für Sherlock schwerer zu sein als der davor, es brannte schmerzhaft in meinem Inneren ihn so zu sehen. Ich ließ ihm so viel Zeit wie möglich bevor ich nach ihm rief. In der Kapellen warteten die Gäste geduldig, niemand stand auf um uns zu begrüßen, wir waren extra später aufgebrochen, wusste ich doch das Sherlock es nicht begrüßen würde sich mit mehr Menschen als nötig auseinander setzen zu müssen.

Ich lächelte und nickte kurz als ich Mr und Mrs Holmes erkannte, sowie Charlotte, ihren Ehemann alle gekleidet in Schwarz, sie sahen ebenfalls mitgenommen aus, dabei hatten sie sie nur einmal gesehen. Doch jeder der Sherlock und Rebecca jemals zusammen erlebt hatte wusste wohl was ihr Tod bedeutete und wie schmerzlich ihr Verlust war.

Auch Greg und Molly waren da, einige Klienten aus Fällen schienen sich ebenfalls eingefunden zu haben, sie saßen weiter hinten. Ich erkannte die Eheleute Goldsworth von der Hochzeit des Grauens und selbst einige von Rebeccas Junkie Sportfreunden wie sie sie genannt hatte waren gekommen, dabei hatte sie immer gesagt sie hatte niemanden dort als Freund.

Mycroft war natürlich auch da, er saß in der ersten Reihe und schien unsere Plätze frei gehalten zu haben. Ich versuchte nicht zu sehr auf den Sarg zu sehen, wissend das ich dann die Tränen nicht mehr halten könnte.


*


Die Luft in der Kapelle schien zum Schneiden dick aber das konnte auch daran liegen das es mir vorkam als könnte ich nicht mehr atmen als ich eintrat. Meine Beine trugen mich wie auf Autopilot zu meinem Platz, ich sah niemanden an. Nahm nur war das dem Anschein nach einige Menschen zusammengekommen waren um Abschied von Rebecca zu nehmen. Nicht das das mich interessierte.

Kaum hatte ich mich gesetzt begann die Musik, der Pfarrer stellte sich an sein Pult vor dem Sarg und den niedergelegten Blumen.

„Verehrte Trauergemeine, wir sind heute zusammengekommen um Abschied zu nehmen von Rebecca Jane Kingsley aber auch um ihrem Leben zu gedenken."

Jede Faser in meinem Körper schrie in Protest auf, ich zwang mich schmerzhaft ruhig zu bleiben. Ich hatte unterschätzt wie sehr es mich anwidern würde diese Worte von einem Fremden zu hören, er sprach als bedeutete es ihm etwas als hätte er sie gekannte dabei hatten das nur wenige. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, meine Fingernägel bohrten sich in meine Handflächen, ich begrüßte den scharfen Schmerz wie einen alten Freund.

Um mich von den leeren Worten abzulenken sah ich zu ihrem Sarg und den Blumen aber was ich entdeckte beruhigte mich weniger als das es einen Vulkan an Wut in mir zum Ausbruch brachte den ich so nicht kannte. Nicht mal als ich Dave hatte töten wollen hatte ich mich so rasend gefühlt. Neben Johns Gesteck und all den anderen nichtssagenden und standardisierten Blumensträußen sah ich blaue Kornblumen, ein Strauß ausschließlich bestehen aus eben jenen.

Ohne ein Wort zu sagen stand ich auf, knöpfte mein Jackett wieder zu und ging direkt darauf zu. Ich nahm das überraschte Luftholen einiger Gäste ebenso wenig wahr wie die Tatsache das der Prediger seine mit leeren Worten gefüllte Rede unterbrach als ich auf die Blumen zuging.

Ohne auf die Kraft hinter meinen Bewegungen zu achten riss ich das Bouquet aus der Mitte des kleinen Blumenmeeres. Mit donnernden Schritten ging ich den Gang zwischen den Stühlen zum Ausgang. Wütend riss ich die Türen auf, hörte kaum das knallen des Holzes an der Außenwand der Kapelle, des Weiteren nicht auf die geschockten Blicke achtend die mir folgten, das mich niemand aufhielt zeigte nur das ich etwas wirklich unerwartetes tat und niemand recht wusste wie mit mir umzugehen war.

Der Regen fiel immer noch als ich nach draußen trat aber er tat nichts um mich abzukühlen. Es war keine Karte zu dem Strauß aber ich wusste auch so von wem er war, es gab nur einen Mensch auf der Welt der ihr Estlands Nationalblumen ans Grab legen würde. Wie sehr ich ihn doch verabscheute. Geblendet vor heißer Wut ging ich den unbefestigten Weg vor der Kapelle entlang, nach circa fünfzehn Schritten blieb ich stehen.

Mit aller Kraft schleuderte ich die Blumen von mir, nahm befriedigt wahr wie sie in einiger Entfernung aufkamen und auseinanderfielen. Der Regen drückte die Blüten zusätzlich zu Boden. Mit hektischen Bewegungen sah ich mich um, er musste noch in der Nähe sein oder? Vielleicht hatte er die Blumen nicht selbst niedergelegt? Egal, er hatte hier nichts zu suchen das sollte er auch wissen, wir brauchten weder ihn noch seine verspäteten Liebes Grüße.

„SEHEN SIE ZU?" schrie ich, das Regenwasser durchnässte mich immer mehr doch das kümmerte mich genau so wenig wie die Gesichter die sich im Türrahmen der Kapelle sammelten und mich traurig, verwirrt oder auch besorgt ansahen. Alles was ich wollte war Anu Padar klar machen wie unerwünscht er hier war und „DAS IST IHRE SCHULD" meine Stimme welche seit Tagen kaum genutzt war, hallte über die Wiesen und das prasseln des Regens. Ich gestikulierte aufgeregt mit meinen Armen. Mein Puls raste und mein Körper schmerzte. „SIE HABEN SIE ZURÜCKGELASSEN"

„HABEN SIE ZUGESEHEN? HABEN SIE ZUGESEHEN WIE SIE SICH UMBRACHTE" ich sprach immer undeutlicher und kurz brachen meine Worte ab, ich stützte mich vorüber auf meine Knie, meine Emotionen sammelnd bevor ich weiter machen konnte, nunmehr mit deutlich mehr Schmerz und Tränen hinter meinen Worten.

„SIE HABEN SIE ZERSTÖRT.... BETEN SIE DAS ICH SIE NICHT SUCHEN KOMME..... VERSCHWINDEN SIE" Meine Rache an Dave wäre nichts gegen die Dinge die ich mit ihrem Großvater anstellen würde sollte ich die Gelegenheit bekommen.

„Sie haben ihr das angetan" murmelte ich nunmehr leise, mein wirrer Blick fand nichts außer gepflegten Grabstellen und geschockten Gesichtern. Meine Beine gaben unter mir nach, dieser Ausbruch schien mir alle kraft geraubt zu haben. Ich schrie als ich meine Hände zu meinem Gesicht brachte und auf dem feuchten Boden niederkniete, ohne jeden Gedanken an meine Außenwirkung oder den Zustand in den das meinen Anzug brachte. Da war so viel Schmerz in mir, es war als zerstach er mein Inneres, es fühlte sich an als würde ich langsam ausbluten. Doch es war schlimmer denn es hörte einfach nicht auf. Immer wenn ich dachte es wurde besser presste sich eine neue Welle des Leids durch meinen Verstand.

Ich weinte als der Matsch meine Hosen durchdrängte und mein Hemd feucht an meiner Haut zu kleben begann. Immer wieder schrie ich auf, meine Schultern bebten. Ich verlor alle Hoffnung und jegliches Zeitgefühlt. Erst mit ziemlicher Verspätung nahm ich war das der Regen nicht mehr auf meine Locken fiel, ich hob meinen Blick aus meinen Händen und sah aus rotgeweinten Augen zu meinem besten Freund hinauf. Er stand mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck und seinem dunklen Regenschirm über mir.


*


Im ersten Moment war ich erstaunt als Sherlock aufstand aber gleichzeitig nicht überrascht. Ich nahm naiver weise an das es ihm zu viel wurde und er schlichtweg einen Moment zum Atem brauchte als ich dann aber sah was er tat, was er an sich nahm wurde mir klar das mehr vor sich ging als das.

Gepeinigt schloss ich für einen Moment meine Augen, blaue Kornblumen. Was zur Hölle hatte sich dieser tochtermordende Bastard dabei gedacht auf einmal ein Interesse an der Enkeltochter zu haben die er zurückgelassen hatte.

Ich sah zu Mycroft, sein Gesichtsausdruck verriet wie immer nichts, ein wenig Sorge um seinen Bruder vielleicht aber das konnte Projektion von meinem Part aus sein. „Wie konnten sie das zulassen? Anu Padar hat nichts zu suchen hier und ganz besonders nicht heute" fauchte ich ihm entgegen bevor ich aufstand um zu sehen was mein bester Freund tat.


*


„Nicht jetzt" sagte John nur als er aus ebenso schmerzerfüllten Augen zu mir herunter blickte wie ich zu ihm herauf. Geschlagen sank mein Blick auf meine Hände, sie lagen flach, Handflächen nach oben auf meinen Oberschenkeln. Ich war ein gebrochener Mann der ohne Aussicht auf Besserung im Regen kniete. „Nicht gut?" murmelte ich beinah nicht hörbar. Doch anscheinend war ich lauter als gedacht, mein Mitbewohner hörte mich denn „Ein wenig ja" antwortete er mir ebenso leise.

Ich nickte, wissend das ich wieder rein musste, ich würde es mir nie verzeihen wenn ich jetzt ging. Er streckte mir eine helfende Hand entgegen, ich nahm sie und wir gingen zurück. Nahmen Abschied von dem einen das ich hatte nicht verlieren dürfen, meiner Frau.


*


Zu meiner Überraschung folgte er mir ohne Widerworte zurück zur Andacht. Ignorierte alle besorgten Blicke der anderen Gäste, was weniger Überraschend war und drängte sich dann an das Pult vor ihrem Sarg. Über eben jenen strich er kurz liebevoll mit seinen langen Fingern bevor er sich zu uns umwand.

„Gehen sie" zischte er den Pfarrer an, welcher leicht verloren dagestanden hatte. Er hatte sich geweigert eine eigene Trauerrede zu halten aber anscheinend konnte er die Worte eines Mannes der Becky nicht gekannt hatte über eben jene keinen Moment länger ertragen. Vielleicht war es besser so, dies könnte ihm helfen oder in einem Desaster enden, blieb abzuwarten. Ich würde ihn nicht aufhalten.

„Rebecca war..." begann er, für einen Moment sah es so aus als würde er wieder brechen bevor er seinen Blick auf die Gäste hob. Er setzte sich vor unseren Augen genug zusammen um weiter zu machen „Sie war stark, sie war liebevoll und so voller Leben. In ihrem Leben hat sie so viel Schmerz erlebt und doch hat sie niemals aufgegeben in ihrem Streben anderen Menschen Freude zu bringen. Zu Fremden war sie freundlich obwohl eben jene ihr oft genug wenig gutes gebracht hatten. Sie glaubte an das Gute im Menschen. Sie glaubte an das Gute in mir auch wenn ich geglaubt hatte das es das nicht gab. Sie hat es gefunden. Und ich bemitleide jeden der sie nicht gekannt hat. Die Welt ist dunkler nun da sie sie nicht mehr erhellt. Aber trotz des Schmerzes der ihr Fortgehen uns gebracht hat bin ich doch dankbar für jeden einzelnen Moment denn ich mit ihr hatte."

Seine Worte hatten wenig Struktur und dennoch berührten sie mich, allein dadurch das er sie so offen und ehrlich aussprach. Er versuchte nicht einmal zu verstecken was sie ihm bedeutet hatte, versuchte nicht logisch zu erklären warum sie bei ihm hatte bleiben sollen. Nein er zeigte offen dass er ein Liebender in Trauer war.

Er drehte sich von uns weg, legte eine Hand gegen das glatte Holz und sprach dann die Worte die endgültig alle Dämme brachen.

„Ich werde dich niemals vergessen und bis zu meinem letzten Atemzug liebe ich dich wie ich es an dem Tag tat als du mir sagtest du würdest für immer bei mir bleiben."

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