Kapitel 19
Bis Montag war es noch lange hin. Deshalb setzten die Freundinnen sich am Samstag morgen - direkt nach einem köstlichen Frühstück - in die Bibliothek. In die abgelegenste Ecke die sie finden konnten, um ungestört ihre Pläne zu schmieden.
Sie wären ja liebend gerne nach draußen gegangen, jedoch hatte es in der Nacht weiterhin geschneit, sodass der Schnee knöcheltief lag. Das war zu tief für die Freundinnen, um sich nach draußen zu begeben.
Die Beiden hatten es sich im Schneidersitz auf dem Boden gemütlich gemacht, umgeben vom schummrigen Licht der Kerzen und hunderten von Büchern.
„Also, was erzählen wir den drei? Die Wahrheit, wie es wirklich ist, oder erfinden wir eine Geschichte?", eröffnete Econa die Überlegungsrunde.
„Das ist hier die große Frage. Wenn wir ihnen die Wahrheit erzählen, dann können sie uns wiederum auch etwas erzählen. Vorausgesetzt, wir können ihnen vertrauen. Aber da sie ja theoretisch für das gute kämpfen, denke ich, dass sie uns jetzt nicht an den Pranger stellen und auslachen. Wenn wir ihnen eine Geschichte auftischen wiederum, könnten wir sie abschütteln und so höchstwahrscheinlich unsere Chance verspielen, wieder zurück in unsere Welt zu kommen", unterbreite Thalia ihrer besten Freundin ihre Überlegungen.
„Da überwiegen die Argumente für die Wahrheit. Aber nach der Draco-Geschichte bin ich total verunsichert. Wer weiß, was er jetzt damit anfängt und mit wem er darüber redet. Andererseits, was bringt es ihm, darüber ein Wort zu verlieren? Aber deshalb frage ich mich ja noch immer, weshalb er das wissen wollte. Beziehungsweise wieso unsere Doppelgänger überhaupt mit ihm geredet haben", überlegte Econa weiter.
„Eine weitere gute Frage. Ich würde sagen, wir reden ein bisschen mit dem Trio und erzählen ihnen, dass wir aus einer Parallelwelt kommen und die Körper mit den Zwillingen getauscht haben. Dann fragen wir sie im Gegenzug, was sie uns darüber erzählen können", schlug Thalia vor.
Ihre Freundin nickte zustimmend. „Außerdem müssen wir nochmal mit Draco reden. Zusammen. Ich will wissen, was unsere Doppelgängerinnen mit ihn zu tun hatten".
Somit war es beschlossen. Die beiden Freundinnen würden mit Harry, Ron und Hermine reden, ihnen die Wahrheit erzählen - zumindest das Wichtigste von der Wahrheit - und im Austausch dafür ein paar Informationen verlangen. Und wenn das getan war, würden sie sich Draco Malfoy vorknöpften.
„Was ist eigentlich mit diesen zwei Ravenclaws und den beiden Slytherins? Die vier müssen doch auch noch was wissen", erinnerte sich Econa an die vier mysteriösen Freunde, von denen nur eine namentlich in dem Notizbuch erwähnt wurde.
„Hm, keine Ahnung. Um die kümmern wir uns dann auch noch. Wir sollten uns echt mal ne Liste schreiben, was wir alles noch machen müssen", bemerkte Thalia kopfschüttelnd.
Sie hatten wirklich viel vor. Na gut, es klang jetzt nicht viel, aber auf beide Treffen musste man sich seelisch vorbereiten und sich schonmal die Gesprächsthemen zurechtlegen.
Da das Notizbuch nun erkundet war und auch sonst nichts zu tun war, unternahmen die Freundinnen eine Wanderung durch das Schloss, wobei sie dabei ihren Lageplan ergänzten. Es folgten zwei Klos, drei Abstellkammern und zwei verlassene Korridore.
Nach dieser weiteren Erkundungstour ging es zurück in den Keller, zum Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs. Der Raum war gut gefüllt und eigentlich wollten sich die Freundinnen in ihren Schlafsaal verkriechen, da sie sich aber ein bisschen umhören wollten, blieben sie im Gemeinschaftsraum und quetschten sich in einen der Sessel. Am Ende saß Econa auf Thalias Schoß.
Die Hufflepuffs redeten über belangloses Zeug. Das neuste aus dem Unterricht oder tratsch wurde erörtert, Briefe von Familienangehörigen wurden vorgelesen, man unterhielt sich über Gott und die Welt.
Dillon ließ sich nirgends blicken. Auch am gestrigen Tag war er den Freundinnen kaum begegnet. „Ich glaub wir haben ihn vergrault", bemerkte Econa.
„Wen?".
„Dillon".
„Oh, da hast du wohl recht. Hat sich schon lange nicht gezeigt". Thalia sah sich im Gemeinschaftsraum um.
„Er tut mir immer noch leid".
„Wieso?".
„Naja, wir haben es ihm schon schwer gemacht, weil wir ihn von Anfang an nicht leiden konnten, dabei haben wir ihm nichtmal eine Chance geben", erklärte Econa.
Thalia zog ein nachdenkliches Gesicht. „Da hast du schon recht. Vielleicht sollten wir uns mit ihm auch noch zusammensetzen", überlegte Thalia.
„Wir sollten ihm eine Chance geben, schließlich wollte er nur helfen".
So ergab sich ein weiterer Punkt auf der Liste der Beiden.
Beim Abendessen setzten die Freundinnen ihre Vornahme in die Tat um. Zumindest machten sie einen Anfang, indem sie sich unweit des schwarzhaarigen Hufflepuffs niederließen. Das brachte ihnen ein, dass Dillon immer wieder zu ihnen rüber schielte, während sie aßen. Es war schon etwas unangenehm, aber da sie Dillon eine Chance geben wollten, ließen sie es über sich ergehen.
Nachdem das Abendessen beendet war, blieben die Freundinnen noch in der großen Halle sitzen. Sie überlegten, ob sie gleich zurück zu ihrem Haus gehen sollten, oder ob sie eine weitere Wanderung durch das Schloss unternahmen. Sie entschieden sich für zweiteres.
Gerade als sie die große Halle verließen, rief jemand ihre Namen - Dillon. „Thalia, Econa, wartet". Der Hufflepuff stellte sich ihnen in den Weg.
Thalia war kurz davor, ihn anzugiften, er solle aus dem Weg gehen, hielt sich aber zurück. „Was ist?", fragte sie stattdessen ruhig.
„Ich habe gesehen, wie ihr mit Hermine, Harry und Ron geredet habt".
„Ist das etwa ein verbrechen?".
„Nein, das ist es nicht. Was habt ihr ihnen erzählt?".
„Nichts".
„Gut".
„Wieso?", wollte Econa den Grund für Dillons auftreten erfahren.
„Die Informationen über den Zauber sind in den falschen Händen sehr gefährlich", sagte der schwarzhaarige Hufflepuff.
„Und wessen Hände sind die falschen?", hakte Thalia nach.
„Alle. Man weiß nie, wem man trauen kann".
„Aber dir können wir das", bemerkte Econa sarkastisch.
„Ja".
„Und wieso? Du könntest genauso gut für den Freund, wie den Feind arbeiten", warf Thalia ihm vor. In ihrer Aussage schwang keine Anklage mit, nur reine Logik. Sie wollte sich nicht streiten, nur ein normales Gespräch führen.
„Ihr wisst doch garnicht, wer der Feind ist". Jetzt wurde Dillons Tonfall abfällig.
Langsam lief das Gespräch darauf hinaus, das Econa ihre guten Vorsätze über Bord warf. „Und woher willst du das wissen?".
„Ihr seid nicht von hier, das sagt schon alles".
„Oh du kleingläubiger, du hast ja keine Ahnung. Kein wunder, das dich die Zwillinge so behandelt haben, wie sie es getan haben. Nur weil wir vielleicht nicht von hier sind, heißt das noch lange nicht, dass wir...".
„Sei still, hier kann uns jeder belauschen", schnitt Dillon Econa das Wort ab. Um die drei herum blieben nämlich so langsam die Schüler stehen und beobachteten sie neugierig.
„Mir doch egal, sollen es alle hören. Wenn es sein muss, schreie ich es in die Welt hinaus. Wir sind vielleicht blond, aber nicht blöd", gab auch Thalia ihren Senf dazu. Sie wollte Dillon wirklich eine Chance geben, war vollkommen bereit dazu, aber so, wie er sich gerade benahm, konnte sie es einfach nicht. Und wenn ihre Vorsätze noch so gut waren, das ging ihr zu weit.
„Da gebe ich dir vollkommen recht. Wir wissen eine ganze Menge, auch wenn es nicht so aussieht. Bei uns zu Hause ist man nicht minderbemittelte", pflichtete Econa ihrer besten Freundin bei.
Die Schülertraube um die drei herum wurde größer. Anscheinend wollte keiner den Streit verpassen.
Thalia sah, wie Draco Malfoy entschlossenen Schrittes auf sie zukam, die Schüler machten ihm ohne Widerworte platz, doch als er nur noch ein paar Schritte entfernt war, blieb er stehen. Seine Schoßhündchen Crabbe und Goyle waren dicht hinter ihm.
Dillon warf den drei Slytherins einen Abschätzigen Block zu. „Wir sollten dieses Gespräch an einem anderen Ort weiterführen", sagte er, drehte sich um und drängelte sich zwischen den Schülern hindurch. Kurze Zeit später war er verschwunden.
Econa wandte sich ihrer Freundin zu. „Ich hab es versucht, wirklich".
„Ich verstehe dich, Echo, ich hab es dich auch versucht", sagte Thalia, hakte sich bei Econa unter und zusammen schoben sie sich durch die Menschenmasse.
Ohne irgendeinen Plan liefen sie los, weg von allen. Sie waren kurz davor gewesen, ein richtiges Gespräch mit Dillon zu führen, etwas von ihm zu erfahren - wenn auch auf dem hässlichen Weg. Aber Dillons Worte waren verletzend gewesen, seine Vorwürfe ganz und gar nicht nett. Irgendwann bleiben sie stehen, als sie eine Steinbank erreichten, und setzten sich.
„Er hat wirklich keine Ahnung von irgendetwas, kein wunder dass er uns klein halten wollte", bemerkte Econa.
„Ja". Thalia nickte und starrte aus dem Fenster vor ihr in die Dunkelheit. „Ich hab echt grad keine Lust noch ein einziges mal mit ihm zu reden. Da wollten wir uns normal mit ihm unterhalten und schon reibt er uns seine Vorurteile unter die Nase".
„Ganz ehrlich, wir hatten auch Vorurteile als wir hier gelandet sind". Econa legte ihren Kopf auf Thalias Schulter.
Thalia legte ihrerseits ihren Kopf auf Econas. „Aber... okay, ja, du hast recht".
Und so blieben sie noch eine ganze Weile sitzen und vergaßen vollkommen, dass sie eigentlich in ihr Haus hätten zurückgehen sollen.
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