77

Beverly

Es war kein Märchenschloss für Königinnen und Könige mehr, sondern ein Geisterschloss. Obwohl wir auf dem Weg nach unten niemandem über den Weg liefen, spürte die Bedrohung, die in der Luft hing, während wir von Flur zu Flur schlichen, um jede Ecke lugten und uns achtsam weiterbewegten.

Der lange Flur im untersten Stock, der den Eingang zu den Verließen beherbergte war definitiv der beängstigendste, weil wir uns auf dem Weg zu Corona's Statue in Richtung Thronsaal bewegen mussten.

Wir schlichen in den Schatten nahe an den Wänden entlang bis zu dem Corona-Duplikat und ich murmelte den Zauber. Als sich die Statue geräuschvoll zur Seite bewegte, kniff ich die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass uns niemand hören konnte. Schnell suchte ich nach dem unsichtbaren Türgriff und öffnete den Eingang. Chase trat nach mir ein und die Statue schob sich wieder vor.

„Oh Gott, sie kommen", hörte ich Misoa weinen, als wir die Treppen nach unten schlichen.

„Shhh!", machte Brikeena. Ich trat aus den Schatten und Misoa atmete auf.

„Beverly! Oh mein Gott, ein Glück!"

Die beiden waren alleine hier unten. „Wo sind die Wachen?"

„Die sind vor ungefähr vier Stunden abgehauen", erklärte Misoa. „Sie haben Schiss gekriegt und uns hier sitzen lassen, ich dachte, du wärst Odilia, oder Cillian, oder-"

„Schon gut", unterbrach ich sie sanft. „Jetzt sind wir ja da." Brikeena sah zwar in meine Richtung, doch sie sagte nichts. Bestimmt war sie diejenige gewesen, die Misoa erklärt hatte, dass Odilia sie hier raus katapultieren würde. „Hört zu, wir müssen euch, hier raus bringen."

„Ja, bitte!", rief Misoa. „Hol mich hier endlich raus."

Trotzdem ging ich zuerst zu Brikeena's Zelle, hielt mich an den Stäben fest und drückte mein Gesicht zwischen ihnen hindurch.

„Du hast mir geholfen", begann ich und blickte in ihre düsteren Augen. „Sie ist es, hab ich recht?" Ich nickte zu Misoa. „Du hast Angst, dass Odilia ihr etwas antut, nachdem sie schon deinen Mann umgebracht haben."

Ich konnte die Furcht in Brikeena's Augen glitzern sehen, aber sie sagte noch immer nichts. Schnell machte ich einen Schritt von den Gittertüren weg und betrachtete die Zellen. „Keine Sorge, wir holen euch beide hier raus, und dann verschwinden wir."

Misoa nickte und obwohl Brikeena noch immer schwieg, konnte ich ihr ansehen, dass sie nur aus diesem Irrenhaus verschwinden und ihre Enkelin in Sicherheit bringen wollte. Wenn ich sie richtig einschätzte, dann hatte sie keinerlei Interesse daran, mit Odilia mitzugehen.

„Schlüssel gibt es nicht, oder?", fragte ich hoffnungsvoll, doch Misoa schüttelte den Kopf. Ich stieß den Atem aus.

„Na, schön. Dann eben auf die altmodische Art." Obwohl ich viel zu unruhig und gehetzt war, um mich zu konzentrieren, blieb mir keine Wahl und ich stellte mir mit geschlossenen Augen vor, wie sich die Gitterstäbe der Zellen auseinanderbogen. Die metallenen, kratzenden Geräusche verrieten mir, dass es klappte.

Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich, dass meine Arbeit ein bisschen verkrüppelt war, aber das passte schon. Brikeena und Misoa kletterten beide aus den Zellen und Chase hielt paranoider Weise sein Messer bereit.

„Können wir durch den Ataria in den Katakomben verschwinden?", fragte ich Brikeena und sah aus dem kleinen Zellenfenstern nach draußen. Es regnete nicht mehr und der Himmel wurde heller.

„Können wir, aber der Eingang zu den Katakomben ist auf der ganz anderen Seite des Schlosses", meinte Brikeena.

„Wir müssen es versuchen."

„Was ist mit Addie?", fragte Chase dazwischen. „Und Aidan und Trish und Finley?"

„Wenn wir Brikeena erst hier weggebracht haben, werden sie uns folgen."

„Wer sagt ihnen denn, dass Brikeena nicht mehr hier ist?"

Ich blinzelte ihn an.

Hoppla.

Chase sah aus, als wollte er mich erwürgen. „Du hast das nicht einmal durchdacht?!"

„Ich hab dir gesagt, du sollst nicht mitkommen!", gab ich zurück und fühlte mich ziemlich dumm, einen so offensichtlichen Punkt außer Acht gelassen zu haben. „Ist nicht meine Schuld, dass meine Pläne so löchrig wie mottenzerfressene Putzlappen sind."

„Jetzt darf ich mir also überlegen, wie-"

„Shhh!", machte Brikeena, hob die Hände und lauschte skeptisch.

Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich das Kratzen der Statue hörte.

„Oh mein Gott", winselte Misoa und drückte sich an Brikeena. Ich stellte mich instinktiv vor die beiden und Chase schirmte mich ab.

Jeder Muskel meines Körpers spannte sich an, als ich die Schritte hinunterpoltern hören konnte.

Ich fragte mich, wie weit Brikeena vielleicht gleich aus Angst gehen würde, um Odilia zu beweisen, dass sie nach wie vor auf ihrer Seite stand, sollte sie die Treppen herunter kommen.

„Cash!", rief Misoa aus, als der Rotschopf um die Ecke lugte, schubste mich und Chase zur Seite und fiel ihm um den Hals. Ich bemerkte Brikeena's irritierten Blick, aber sie sagte nichts. Erst, als Cash Misoa einen stürmischen Kuss auf die Lippen drückte, machte sie sich bemerkbar.

„Ihr wisst schon, dass ihr technisch gesehen verwandt seid, oder?"

„Halt die Klappe, ich weiß von Mom, dass du deinen Cousin gevögelt hast", erwiderte Cash unbeeindruckt und hob die Augenbrauen. „Ersten Grades."

Sie nickte großzügig. „Mhm, und ich bin sicher, Ivera hat dir auch alles über ihre eigenen Schandflecken erzählt."

„Cash, wie bist du hier runter gekommen?", fragte ich dazwischen. „Woher wusstest du, wo der Eingang ist? Und warum kannst du noch zaubern? Kein anderer scheint das zu können außer mir."

Er legte einen Arm um Misoa's Taille. „Ich bin dir eventuell mal gefolgt, als du hier runter gegangen bist, und hab mir den Spruch gemerkt", gab er zurück. „Vielleicht."

Ich verdrehte die Augen, aber gleichzeitig fand ich es süß, dass Misoa ihm so wichtig war.

„Und warum kannst du noch zaubern? Bis jetzt dachte ich nämlich, dass ich eine Art magische Superkraft habe, die-"

„Hör auf, so viel von dir zu denken", grinste er. „Du hast keine Superkraft. Du magst wohl einfach keinen Rotwein, wenn du noch zaubern kannst."

Ungläubig starrte ich ihn an. „Lass mich raten: Baldrian und Wurmfarn?"

„Vermutlich." Das würde bedeuten, dass noch jemand hier auf Cillian's Seite stand. Jemand, der den Wein manipuliert hatte, damit wir für Odilia ein leichteres Ziel waren.

„Du hast keinen getrunken?"

„Meine Mom hat mich nicht gelassen. Sie sagt, ich bin zu jung für Alkohol."

Brikeena schnaubte. „Na klar."

„Warst du auch im Thronsaal?", fragte ich und jegliche Belustigung verschwand aus seinem Gesicht, als er nickte.

„Acacia ist tot."

„Was?!", entfuhr es jedem von uns und mein Herz stolperte so kräftig, das ich mir nicht sicher war, ob es wieder auf die Beine kommen würde.

„Odilia hat Arthur vor die Wahl gestellt. Aber Acacia hatte es geplant." Er zog die Augenbrauen zusammen. „Denke ich. Dein Freund ist in dem Moment abgehauen, als alle abgelenkt waren."

„Aidan ist weggelaufen?" Mein Herz stolperte gleich noch einmal. Ich atmete auf und spürte, wie auch Chase sich deutlich entspannte. Diese Achterbahn der Gefühle war zu viel. Nach der heutigen Nacht brauchte ich Urlaub. Dringend.

„Jetzt ist oben ist der Teufel los", fuhr Cash fort. „Ich wollte Misoa hier raus holen, bevor jemand verrät, wo der Eingang ist."

„Was heißt oben ist der Teufel los?", hakte Chase nach. „Vor fünf Minuten war noch alles ruhig."

„Odilia hat Corona gedroht, Canna zu verletzen, weil sie weiß, wie nahe sich die zwei stehen. Da ich noch zaubern kann, habe ich meiner Mom, Lorcan und Corona durch Blickkontakt zu verstehen gegeben, dass ich etwas vorhatte. Sie wussten wahrscheinlich nicht was, aber ich hab einfach ein paar Fenster zerspringen lassen. Alle sind erschrocken, aber haben sich losgerissen, sind aus dem Saal gestürmt, um sich Waffen zu holen und jetzt..."

„Sind sie überall im Schloss verteilt", seufzte ich und bekam schon wieder Kopfschmerzen. „Sprich, wir kommen niemals ungesehen hier raus."

„Wir müssen es versuchen", erwiderte Brikeena und sah zu Misoa. „Ich bring dich hier raus, versprochen." Misoa nickte wenig überzeugt.

„Wir bringen euch beide hier raus", erwiderte ich und schmiedete in Windeseile einen neuen Plan, den ich hoffentlich nicht bereuen würde. „Dich hat niemand gesehen, als du hier herunter gekommen bist?", fragte ich an Cash gewandt und er schüttelte den Kopf. „Ich bin sofort rausgelaufen, die anderen sind noch im Thronsaal geblieben und haben versucht, sich zu befreien."

„Warum hast du nicht früher gezaubert?", fragte Brikeena und fixierte Cash. „Dann würde Acacia noch leben, meinst du nicht auch?"

„Brikeena, hör auf damit!", rief Misoa geschockt aus. Cash senkte schuldbewusst den Blick. „Das ist doch nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür."

Ich nickte. „Wir bringen euch erst hier raus. Aber wir machen es getrennt. Sonst fallen wir in dem Trubel zu sehr auf. Wir müssen auf die andere Seite des Schlosses, stimmt's?", hakte ich noch einmal nach und Brikeena nickte. „Gut, dann gehen Chase und du zusammen und ich bringe Misoa und Cash hinüber."

Brikeena sah mich lange studierend an. „Du hast nicht vor mitzukommen, wenn wir dort sind, oder?"

Verdammt. Sie hatte mich in den letzten Wochen und Monaten zu gut kennen gelernt. Die Blicke der anderen ruhten schwer auf mir.

„Ich kann nicht." Ich sah Chase an. „Addie, Trish und Aidan sind noch immer hier. Ich gehe nicht, solange sie hier sind. Aber du solltest mitgehen."

„Ob ich das tun werde, wird sich zeigen", erwiderte er und ich ahnte, dass er auch dieses Mal nicht ohne mich und die anderen verschwinden würde.

Ich sah in die Runde. „Bereit für das Gemetzel des Jahrhunderts?"

~~ ~~

Nein. Das war keiner von uns gewesen.

Zumindest war ich nicht auf das Ausmaß des Chaos' vorbereitet gewesen, das uns erwartete, als wir aus dem Treppenaufgang traten.

Es war laut, so laut, das ich hätte schreien müssen, um mich zu verständigen. Dabei war ich mir gar nicht sicher, was so laut war. Die Schreie? Das Knistern der Flammen? Das Klirren der Schwerter?

Statuen waren umgekippt, Staub wirbelte durch die Luft, umgekippte Kerzenständer brannten die Teppiche und Vorhänge ab. Ich hielt mir schnell den Ärmel gegen Mund und Nase, hustete aber trotzdem.

Mein Gehirn schaltete nicht schnell genug, also griff Misoa mich an der Hand und zerrte mich durch das Chaos. Ich sah meine Brüder und Schwestern mit Messern und Schwertern und Fäusten gegen die schwarzen Gestalten kämpfen. Und wir schlängelten uns durch alles beinahe unbemerkt hindurch. Die meisten waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Alles, woran ich denken konnte, war: Lauf! Lauf! Lauf!

Bis ich über einen Körper stolperte und Misoa's Hand aus meiner glitt. Cash zog sie weiter, ohne auf mich zu achten. Sie schrie ihm zu, er ignorierte sie.

Ich konnte mich nicht bewegen, weil ich in tote Augen blickte. Tote, starre Augen, die mich direkt ansahen. Als würden sie mich beschuldigen.

Es war Kal. Canna's Mann.

Ich wollte mich aufrappeln, weil ich wusste, dass ich den beiden folgen musste, aber ich konnte sie nirgends mehr sehen.

Plötzlich legte sich etwas Dünnes, Raues um meinen Hals und schnürte mir die Luft ab, sodass ich mit einem Mal nur noch röcheln konnte. Ich blickte nach oben, in zwei kalte, blaue Augen, mehr erkannte ich nicht. Der Gegenstand schlang sich so fest um meinen Hals, dass ich ihn gar nicht greifen konnte.

Luft, ich brauchte Luft! Ich schlug mit den Armen um mich, trat mit den Füßen aus, erwischte dabei jedoch nur Kal's leblosen Körper!

Gleich wirst du neben ihm liegen.

Doch so schnell sich die Schnur um meinen Hals gelegt hatte, so schnell verschwand sie auch wieder. Ich kippte auf den Boden, rollte mich auf den Knie und schnappte hustend nach Luft. Meine Finger glitten an meinen Hals. Ich spürte lose Hautfetzen und blutete.

Gehetzt sah auf, doch bevor ich etwas sehen konnte, spritzte ein Schwall Blut auf mich und zwang mich, die Augen einen Moment lang zu schließen.

Neben mir fiel ein Körper auf den Boden und meine Hand, die auf dem kühlen Steinboden lag, wurde von einer roten Flüssigkeit umschlossen. Als ich sie wegzog, blieb der Abdruck meiner Finger einen Augenblick lang in der Blutlache bestehen.

„Verschwinde von hier!"

Ich sah auf. Es war Arthur.

„Los, mach schon! Mach, dass du hier wegkommst."

Mühsam rappelte ich mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht, während er sich umdrehte und eine weitere vermummte Gestalt von mir fernhielt. Wieder rannte ich. Und ich konnte gar nicht anders, als daran zu denken, dass ich mich vor etwas mehr als einem Jahr in einer ähnlichen Situation befunden hatte.

Nur waren die kleinen Kämpfe zwischen Wärtern, Pflegern und Patienten nicht so brutal zugegangen.

Damals hatte Odilia mich retten wollen.

Heute wollte sie mich umbringen.

Plötzlich wurde ich zur Seite gerissen und wollte schreien, aber jemand drückte seine Hand auf meinen Mund und -es kling vielleicht komisch- aber ich konnte Aidan's Geruch wahrnehmen, bevor ich sein Gesicht in meiner schieren Angst erkennen konnte. Deshalb schlang ich meine Arme um seinen Hals, ohne sicher zu sein, dass er es war. Aber er drückte mich an sich und zog mich hinter eine Säule.

„Alles okay?", fragte er hektisch.

„Ja und bei dir?"

Er lachte auf. „Naja, ich lebe." Dann wurde er wieder ernst. „Wo ist Chase?"

„Er bringt Brikeena zu den Katakomben. Cash und Misoa sind-" Ich unterbrach mich selbst, als ich die schwarzen Rauchschwaden bemerkte, die sich auf dem Boden durch die Gänge schlängelten.

„Was ist das?", fragte ich und zog Aidan zu mir, damit er nicht mit diesen seltsamen Schwaden in Berührung kam.

„Keine Ahnung."

Ich wollte über den Rauch steigen, spürte aber plötzlich einen so heftigen Schmerz in meinem rechten Bein, dass ich aufschrie und mein Bein nachgab.

„Was ist los?" Augenblicklich stütze Aidan mich.

„Mein Bein, ich..." Meine Finger glitten zu der Stelle an meinem Unterschenkel, die brannte wie tausend Wespenstiche. Blut.

Trish war bestimmt noch bei Addie und Aidan war hier vor mir.

„Chase", keuchte ich und rappelte mich trotz der Schmerzen auf. Ich war schon mit einem aufgeschlitzten Bein durch den Wald gerannt, während ich von Chase gejagt worden war. Da würde ich das auch hinkriegen. Ich nahm Aidan an der Hand, und zog ihn eilig zurück ins Getümmel. Ich spürte die Magie, die schwer in der Luft hing und musste husten, als wir an einem der lichterloh brennenden Vorhänge vorbeirannten.

„Pass auf diesen schwarzen Nebel auf", schrie ich über meine Schulter hinweg. „Wer weiß schon, was der macht, wenn wir ihn berühren."

Auf dem breiten Gang war immer noch der Teufel los. Vielleicht noch viel schlimmer, gemessen an den toten Körpern, die überall blutend herumlagen. Ich hörte nur noch Schreie und roch nur den metallischen Geruch, sah aus dem Augenwinkel, wie immer wieder schwarze Gestalten nach mir griffen, ich ihnen aber geschickt entglitt, während ich Aidan in die Richtung zog, in die Cash und Misoa gelaufen waren.

Verdammt, warum war dieser Flur nur so endlos groß?

Weiter vorne konnte ich plötzlich Brikeena und Chase in dem Schlachtfeld ausmachen.

Chase schlug sich gut, als er versuchte, die schwarzen Gestalten von Brikeena fernzuhalten. Ich wollte unbedingt dort hin, und den beiden helfen. Wir mussten Brikeena hier rausschaffen, also legte ich noch einen Zahn zu, aber jemand packte mich am Arm, brachte mich zum Straucheln und zog mich hinter eine umgekippte Statue, bevor ich fallen konnte.

„Was machst du da? Bist du wahnsinnig?", rief Lorcan über die Geräuschkulisse von Metall auf Metall und Gebrüll hinweg. Er hatte eine tiefe Schnittwunde im Gesicht und auf seinen Händen klebte Blut. „Du solltest dich verstecken und nicht hier herumlaufen!"

Aidan hockte sich neben uns auf den Boden. Von hier aus konnte uns niemand sehen, der sich nicht explizit über die Statue beugte. Gestalten liefen vorbei und ich linste über den Steil. Der Springbrunnen im Innenhof war total zerstört. Büsche brannten. Rauch stieg in den Himmel

„Aber da sind Brikeena und Chase!", rief ich Lorcan zu.

Chase zog gerade sein Messer aus einer der schwarzen Gestalten, die daraufhin auf den Boden sank.

„Wir müssen dich hier wegbringen, komm schon!" Lorcan packte mich am Arm, aber ich riss mich los.

„Wir können Chase und Brikeena nicht einfach hier lassen!"

„Bev!" Aidan packte mich an beiden Schultern und sah mich eindringlich an. Ich sah etwas in seinen Augen, das mir das Herz zerfetzte. Ich wusste nur nicht, was es war. „Wir müssen hier weg."

„Nein." Stur sah ich wieder über den Steinklotz vor mir. Brikeena versuchte sich aus dem Griff einer anderen schwarz vermummten Gestalten zu kämpfen, als Chase sie wieder erreichte. Die Gestalt ließ Brikeena augenblicklich los und wich Chase' Angriffsschlag aus.

Dadurch bemerkten wir beide Odilia zu spät, sonst hätte ich ihm zugerufen.

Sie hatte ihr Messer an seinem Hals, bevor irgendjemand ihn warnen konnte. Sofort wurde Brikeena wieder von den schwarzen Gestalten übermannt. Sie versuchte sich loszureißen und zu Chase zu gelangen. Vergeblich.

Ich merkte erst, dass ich aufspringen wollte, als Lorcan mich nach unten drückte. Odilia sah sich über Chase' Schulter hinweg suchend um.

Sie suchte nach mir.

„Komm raus, komm raus, kleine Maus!", schrie sie plötzlich und begann zu lachen. „Es wird Zeit zu spielen!"

Chase versuchte, sie wegzudrücken, aber ich ging davon aus, dass er sich wegen eines Zaubers, den sie auf ihn wirkte, nicht allzu sehr bewegen konnte. Aidan grub seine Finger in meinen Oberschenkel.

„Genieße deinen letzten Atemzug, Beverly!", rief Odilia, holte aus und stieß Chase das Messer in den Bauch. Lorcan schnappte nach Luft und Aidan drehte mich zu sich. Reflexartig griff ich an meinen Unterleib und atmete auf.

Doch es tat nicht weh. Mein Shirt wurde auch nicht nass oder warm.

Ich sah nach unten.

Ich blutete nicht.

Oh Gott.

Ich sah wieder auf. Das Messer steckte bis zum Griff in Chase Bauch.

Ich blute nicht.

Mir verschlug es den Atem und ich tastete noch einmal panisch meinen Bauch ab. Ich musste bluten, ich musste bluten! Verdammt!

Ich blute nicht.

Ich sah wieder in Chase' Richtung. Alles verschwamm bereits vor meine Augen. Odilia zog das Messer aus seinem Körper und betrachtete verwirrt und frustriert die dunkelrote Klinge, während Chase auf die Knie sank.

„Nein!", hörte ich mich selbst brüllen, bevor ich über die Steinstatue kletterte und in den schwarzen Nebel fiel, der mich zu verschlingen versuchte. Es brannte wie Feuer und ich schrie schmerzvoll auf, während ich mich zu Chase zu kämpfen versuchte.

Doch im selben Moment wurde ich wieder an beiden Armen gepackt und nach hinten gezerrt.

„Nein!", schrie ich aus Leibeskräften und strampelte und trat, wie eine Wahnsinnige, selbst als Odilia auf mich zukam wollte ich nur zu Chase. Ich sah, wie er nach ihr angelte, sie am Bein erwischte, und zum Stolpern brachte. Sie fiel zu Boden.

„Schafft sie hier raus!", brüllte er über alle anderen Geräusche hinweg, eine Hand gegen die Stelle gepresst, an der das Blut nur so hervorquoll. Eine zweite Person griff nach mir.

Odilia rappelte sich auf und sah mir direkt in die Augen, obwohl sie so weit weg war. Ich sah ihr Lächeln. Ich sah den wahnsinnigen Ausdruck auf ihrem Gesicht, bevor sie hinter Chase trat, seinen Kopf nach hinten zog und seine Kehle durchtrennte.

Plötzlich schien alles wie in Zeitlupe voran zu gehen. Ich sah Chase leblosen Körper auf den Boden kippen. Ich hörte Odilia lachen. Ich sah wie zwei Männer Brikeena wegzerrten. Sie weinte und wollte sich zu Chase kämpfen.

Ich sah, wie sich jemand auf Odilia stürzte.

Die Dinge verschwammen vor meinen Augen.

Meine Nase brannte von dem Rauch, der in der Luft hing.

Meine Ohren füllten sich mit einem ohrenbetäubenden Surren.

Ich konnte weder Aidan's Worte hören, noch Lorcans, als sie mich aus dem Schlachtfeld zogen.

Und das ist es, dachte ich. Das ist das einzig wahre Schach matt.

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