68

Aidan

Am späten Nachmittag stießen Addie und Lorcan zu uns. Finley kam auch dazu, ich wusste nur nicht, wie genau das passiert war, oder was genau sie hier zu suchen hatte. Ich hatte Chase einen fragenden Blick zugeworfen, aber er hatte mich ignoriert. Die zwei verbrachten meiner Meinung nach viel zu viel Zeit miteinander. Selbst als Beverly so krank geworden war, hatten die beiden aneinandergeklebt wie bissfeste Spaghetti an der Wand.

Als wir schließlich alle zusammensaßen schloss Beverly die Türe und erzählte in Ruhe noch einmal alles, was bei Cillian und Odilia passiert war. Die Geschichte, die Odilia und Cillian ihr erzählt hatten. Sie berichtete von der Sache mit Gara und fragte Lorcan und Finley, ob sie wirklich alle versucht hatten, Teegan, den Sohn der beiden, umzubringen. Sie bestätigten es, aber ich glaubte, dass sie selbst nicht so ganz mit dem Plan einverstanden gewesen waren und selbst an der Version interessiert waren, die Cillian und Odilia Beverly erzählt hatten. Denn sie hingen förmlich an ihren Lippen, als sie davon sprach, wie sich die beiden kennengelernt hatten. Als wir letztendlich wieder bei Brikeena landeten, war es draußen bereits dunkel.

„Hat sie mit dir geredet?", fragte sie Lorcan, der rittlings auf einem Stuhl saß und die Arme über der Lehne verschränkt hatte, aber er schüttelte bedauernd den Kopf.

„Sie hat mich nicht einmal angesehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie..." Er stieß den Atem aus. „Ich weiß nicht, es passt einfach nicht zusammen."

„Ich habe ein paar Sprüche in dem Buch gefunden, das Odilia damals praktisch auswendig gelernt hat. Zauber, die jemanden in den freien Willen eines Menschen eingreifen lassen. Könnten die beiden nicht genau das mit Brikeena gemacht haben, als sie sie gefangen gehalten haben?"

Finley schüttelte sofort den Kopf. „Ausgeschlossen. Das wäre aufgefallen. Leute, die unter einem solch starken Bann stehen, verhalten sich nicht mehr wie Menschen. Sie sind wie Maschinen. Sie führen Befehle aus."

„Früher haben Zauberer und Hexen solche Sprüche verwendet, wenn sie ihre Drecksarbeit nicht selbst erledigen wollten", ergänzte Lorcan. „Aber diese Magie anzuwenden ist als illegal eingestuft worden, als Acacia das Oberhaupt im Consilium geworden ist. So wie ein Duzend anderer Zaubersprüche."

„Nur aus reiner Neugierde...", begann Addie und wickelte sich eine Locke um den Zeigefinger. „Würde so ein Zauber nicht auch auf Odilia und Cillian wirken?"

Finley schüttelte den Kopf. „Hexen und Zauberer können diese Art von Magie im Normalfall blockieren. Es funktioniert fast nur bei Menschen, die können sich nicht wehren."

„Können wir eigentlich überhaupt etwas gegen die beiden ausrichten?", fragte Chase und zog die Augenbrauen zusammen. „Denn während wir so darüber reden, habe ich das Gefühl, gegen unbesiegbare Mutanten zu kämpfen."

„Jeder hat seine Schwachstelle", erwiderte Lorcan. „Odilia zu töten wäre leicht. Das Problem ist Cillian. Nicht sie."

„Wenn es so leicht ist, warum habt ihr Odilia dann noch nicht getötet?", fragte Trish provokant.

„Weil wir nicht wissen, wo sie ist", entgegnete Finley widerwillig. „Sie versteckt sich seit Jahren. Ab und an taucht sie irgendwo auf und stellt Unfug an, aber sie ist meist wieder verschwunden, bevor wir überhaupt davon erfahren."

„Iona hatte Kontakt zu Odilia", sagte Beverly und die Blicke aller klebten sofort auf ihr.

„Wie bitte?", fragte ich und sie erzählte, dass Odilia sie als Friedensangebot hergeben wollte, Iona sie jedoch lediglich als Waffe gegen Cillian benutzen wollte.

„Das reicht", meinte Chase entschieden. „Ich brauche Scotch."

„Du bleibst sitzen", erwiderte Finley und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel. Sofort warf ich Beverly einen bedeutungsstarken Blick zu und sie hob die Augenbrauen in meine Richtung. „Wir brauchen deine letzten paar Gehirnzellen noch. Wage es bloß nicht, die auch noch zu ertränken." Sie wandte ihren Blick wieder dem Rest von uns zu, nahm ihre Hand aber nicht von seinem Bein, was Chase unübersehbar peinlich war und Beverly Anlass gab, ihm einen gespielt verwunderten Blick zuzuwerfen, nur um sich kurz darauf das Kichern unterdrücken zu müssen. Er grinste Beverly nicht einmal an. Er machte Finley auch nicht mit einem dämlichen Spruch auf ihre Hand auf seinem Bein aufmerksam, oder legte seinen Arm um ihre Schultern, um sie zu provozieren.

„Was machen wir jetzt?" Finley warf ihrem Bruder einen alarmierten Blick zu. „Unsere Mutter ist die Einzige ist, die momentan die Dinge halbwegs zusammenhalten kann. Acacia wird realistisch gesehen nicht mehr allzu lange leben, der Fluch frisst sie auf. Und so sehr ich Corona auch liebe, aber sie kann nicht..." Sie seufzte. „Was läuft da?"

Lorcan zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Unsere Mutter steckt doch niemals in der Sache mit drinnen, oder?" Darauf sagte niemand etwas. Ausgeschlossen hatte ich das noch nicht, aber das wollte ich nicht unbedingt laut aussprechen, solange die beiden dabei waren.

„Okay, wie sieht der Plan aus?", fragte Trish irgendwann in die Stille hinein, zog die Beine an, legte ihr Kinn auf die Knie und blinzelte uns vom Boden aus an.

Ich seufzte tief. „Ich schätze, der neue Plan ist nach wie vor der alte Plan. Uns nicht von Cillian umbringen lassen. Wir bewegen uns im Kreis. Wir wissen zwar, wer der Verräter ist, aber es hilft uns nicht weiter."

„Vielleicht erzählt Brikeena uns etwas", meinte Beverly hoffnungsvoll.

„Das glaubst du doch selbst nicht", erwiderte Chase trocken.

„Nun ja, was wir tun können ist..." Ich sah zu Addie und Trish. „Ihr habt nach wie vor eure Aufgaben und Beverly auch."

Beverly nickte. „Ich werde versuchen, meinen Zauberstatus von miserabel auf annehmbar zu stufen. Vielleicht helfen mir Theodorics Notizen dabei. Chase kann weiter nach Literatur über Phönixe graben. Vielleicht kann Gina dir dabei helfen."

„Wer ist Gina?", fragte Trish sofort neugierig und Finley warf ihm einen interessierten Seitenblick zu.

„Eine Jägerin", erklärte Chase. „Wir haben mal an einem Fall gearbeitet." Er ließ Beverly nicht mehr aus den Augen. „Aber sie ist die letzte, die ich bei dieser Sache dabei haben wollen würde."

„Wieso?", hakte ich irritiert nach, aber er zuckte nur mit den Schultern.

„Wie auch immer", lenkte Beverly das Thema schnell um. „Aidan kann versuchen, weiter an seinen Fähigkeiten zu arbeiten. Manchmal sind Halbdämonen Hexen und Zauberern überlegen. Und ansonsten..." Sie senkte den Blick. „Wir müssen versuchen, Corona die Sache mit der Hinrichtung auszureden."

„Zu spät", erwiderte Finley und Trish sah sie entgeistert an, sagte aber nichts.

„Was meinst du damit?", fragten Addie und ich gleichzeitig.

„Corona hat schon mit Acacia gesprochen", erklärte Lorcan mitgenommen. „Sie will sich absichern und sich die Erlaubnis aus dem Consilium einholen."

„Acacia ist das Oberhaupt, sie muss diese Anfrage doch nicht weiterleiten", meinte Beverly verwirrt.

„Doch. Das muss sie", erwiderte Finley. „Und das Consilium wird es herzlich wenig interessieren, wer Brikeena ist. Hochverrat ist und bleibt Hochverrat. Cillian ist Staatsfeind Nummer eins, wer auf seiner Seite steht, wird auf die Abschussliste gesetzt." Als ihr schweifender Blick meinen traf, war es, als durchschnitt etwas die Fasern in meinem Herz. „Sie werden sie zum Tode verurteilen."

„Kann Acacia da nichts machen?", drängte Chase.

„Ihre Stimme hat Einfluss, aber sie zählt nicht mehr, als die der anderen Mitglieder im Consilium." Lorcan seufzte tief.

„Verdammt, das sieht nicht gut aus", murmelte ich kopfschüttelnd. „Wir brauchen Brikeena", stellte Beverly klar. „Sie ist vielleicht die Einzige, die uns wirklich weiterhelfen kann."

„Erklär das mal Corona", erwiderte Finley und stand auf. „Ich werde versuchen mit ihr zu reden. Vielleicht können wir sie dazu bringen, die ganze Sache noch ein wenig aufzuschieben."

„Ich komm mit", Lorcan stand ebenfalls auf. „Innis sollte auch schon hier sein. Und wir sollten Canna mitnehmen. Corona hört auf Canna."

„Gute Idee." Finley nickte und war bereits aus dem Zimmer verschwunden, ohne ein weiteres Wort zu sagen oder uns anzusehen.

Lorcan lächelte noch einmal verkrampft in die Runde, bevor er seiner Schwester folgte.

„Könnt ihr euch das vorstellen?", fragte Addie dann. „Dass eure Schwester euch so dermaßen hintergangen hat und dafür hingerichtet werden soll?"

Nachdenklich starrte ich auf die geschlossene Türe und schüttelte den Kopf. Selbst wenn Addie jemanden umgebracht hätte -was sie getan hatte- würde ich nie und nimmer untätig dabei zusehen, wie man sie hinrichten würde. War das falsch? War das unethisch?

„Kannst du dir vorstellen, dass wir wirklich in dieser Scheiße festhängen?", gab Chase zurück und grinste schief.

„Anstatt ständig darauf rumzureiten, wie weit wir noch vom Ziel entfernt sind, wie wäre es damit, einmal aufzuzählen, was wir schon erreicht haben?", schlug Trish vor. „Wir wissen, wer Odilia und Cillian wirklich sind. Wir wissen ein bisschen was über ihre Geschichte."

„Wir wissen jetzt, wer uns die ganze Zeit beschattet hat", fügte ich hinzu.

„Ich hab zaubern gelernt. Zählt das?" Beverly sah uns unsicher an.

„Na und ob!", rief Trish und richtete sich auf. „Leute, wir sind schon so weit gekommen, da schaffen wir den Rest auch noch!"

Es schien einfach, als würde sich hinter jedem Gipfel, den wir erreichten ein weitaus höherer Berg verstecken, den wir erklimmen mussten. Wir konnten zwar nach unten schauen und sehen, wie weit wir gekommen waren, aber die lang ersehnte Spitze des Berges versteckte sich hinter Wolken und anderen Gebirgen, die uns in die Irre leiten wollten.

„Es ist ja nicht so, als hätten wir nichts gegen die beiden in der Hand", begann Chase. „Ich wette eine tolle Informationsquelle sitzt irgendwo in diesem Schloss hinter Gittern." Dann zog er die Augenbrauen zusammen auf meine Schwester. „Mir fällt da was ein, was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte."

Addie streckte ihren Rücken durch und legte die Hände um ihren Bauch. „Was denn?"

„Fühlt es sich nicht unfassbar seltsam an, dass sich da ein Mensch in dir bewegt?" Er deutete auf ihren Bauch. „Ich meine, ein anderer Mensch als Trev?" Ich lachte und Trish schmunzelte, während Addie ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte.

„Den musstest du einfach loswerden, was?"

Er zuckte bescheiden mit den Schultern. „Der ist mir erst vor drei Stunden eingefallen. Besser spät als nie." Sein Blick fiel auf Beverly, die mit abwesend vor sich hinstarrte. „Sei nicht so trübselig, Bevy. Das bringt auch nichts. Lach ein bisschen."

Jetzt sah sie auf. „Ich soll lachen, während jemand, den ich als Freundin empfunden habe, ein paar Meter unter mir in einer Zelle sitzt und darauf wartet, getötet zu werden?"

„Im Augenblick können wir nichts tun", erwiderte Chase. „Du kannst morgen mit ihr reden. Es ist schon spät."

„Ja", murmelte Beverly und obwohl sie daraufhin schwieg, sah ich ihr an, dass sie etwas bedrückte.

„Bev", meinte ich und fing ihren Blick auf.

Sie seufzte. „Es ist nur... Ich habe ehrlich gesagt eher Angst davor, dass wir es gar nicht bis zu ihrer Hinrichtung schaffen."

Wir alle sahen Beverly an, als hätte sie den Verstand verloren.

„Was soll das denn heißen?", fragte Addie schließlich. „Eben hast du doch noch gesagt, du willst ihren Tod verhindern. Jetzt hast du Angst, dass es keine Hinrichtung geben wird?"

„Naja, Brikeena hat es doch selbst gesagt", erwiderte sie mit verschwörerischer Stimme.

„Was hat sie gesagt?", fragte Chase.

„Dass Odilia und Cillian nach ihr suchen werden, wenn sie sich nicht meldet." Sie leckte sich über die Lippen. „Ich frage mich einfach nur, ob es klug war, Brikeena als Verräterin zu entlarven. Denn... Ich habe Angst davor, wie weit Cillian und Odilia gehen werden, um Brikeena hier rauszuholen, wenn sie etwas weiß, was wir nicht wissen sollen."

Langsam begriff ich, was Beverly solche Sorgen bereitete. Sie hatte keine Angst davor, was mit Brikeena passieren würde. Sie hatte Angst davor, was mit uns passieren würde, würden Odilia und Cillian hier auftauchen, um Brikeena zurückzuholen. Was sie tun würden, würden wir uns ihnen in den Weg stellen.

Ihr starrer Blick traf meinen. „Und Brikeena weiß bestimmt etwas."

~~ ~~

Die nächsten Tage waren ein Wettlauf gegen die Zeit. Corona wollte Brikeena eine Woche geben. Eine Woche, um ihre Hinrichtung vorzubereiten. Alles Flehen und Betteln von Lorcan, Finley und Beverly war nutzlos gewesen. Das Consilium hatte es abgesegnet, obwohl Acacia ihr Möglichstes getan hatte, um die Mitglieder umzustimmen. Sie war die mächtigste Person der Hexengesellschaft und in diesem Fall völlig machtlos.

Jeden Tag war Beverly seither zu Brikeena in den unheimlichen Kerker nach unten gegangen und hatte versucht, mit ihr zu reden, aber Brikeena hatte sie nicht einmal angesehen. Sie hatte auf der Steinbank gesessen und aus dem kleinen Kellerfenster gestarrt. Lorcan hatte versucht, mit ihr zu reden. Trish hatte versucht, mit ihr zu reden. Finley und Iona hatten es versucht, aber seit sie Brikeena weggesperrt hatten, hatte sie kein Wort gesagt.

Eigentlich ein kluger Schachzug. Jemand, der nichts sagte, konnte auch nicht lügen.

Den Rest der Zeit hatte Beverly damit verbracht, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wann Odilia und Cillian davon erfahren würden, dass wir wussten, dass Brikeena uns hintergangen hatte. Was ihr nächster Schachzug sein würde. Beverly glaubte nicht, dass Odilia ihre Schwester sterben lassen würde.

„Wieso nicht?"

„Weil sie nicht durch und durch böse ist", hatte sie geantwortet. „Brikeena war zehn Jahre lang dort. Wir wissen nicht, wie lange sie schon eine Verbündete der beiden ist, aber... sie haben sie nicht getötet. Dafür muss es einen Grund geben. Und Brikeena hat nie schlecht über Odilia gesprochen. Ich glaube, die beiden sind einander zu wichtig." Sie hatte mich aus sorgenvollen Augen angesehen. „Und wenn das Consilium Brikeena's Hinrichtung erlaubt, wird es nicht lange dauern, bis die Sache bei Odilia landet. Und dann wird sie hier auftauchen. Die Frage ist nur, ob sie es unauffällig und subtil macht, oder das ganze Schloss in die Luft sprengt."

Sie ging außerdem fest davon aus, dass Brikeena etwas wusste und genau aus diesem Grund kein einziges Mal den Mund aufgemacht hatte. Wer wusste schon, was Odilia und Cillian mit ihr anstellen würde, wenn sie sie verraten würde? Ausmalen wollte ich es mir nicht. Wenn Odilia ein Geheimnis schützen wollte, in das Brikeena eingeweiht war, dann würde sie unter Garantie hier auftauchen, bevor Brikeena etwas verraten konnte.

Sprich: Vor der Hinrichtung.

So sehr Beverly sich am Anfang auch dagegen gewehrt hatte Teil dieses Sache zu sein: Sie war es. Und ich glaubte, dass etwas in ihr sich gar nicht mehr raushalten wollte. Sie stand weder so recht auf der einen noch auf der anderen Seite. Aber hier hatte sie keine andere Wahl, als so zu tun, einen Plan zu erarbeiten, der Cillian umbringen würde, aber das tat sie überwiegend, weil Corona sonst Hackfleisch aus uns gemacht hätte. Ob Beverly auch so ambitioniert zu lernen versucht hätte, wenn wir uns vor allem hätten verstecken können, wagte ich zu bezweifeln. Sie hatte auch noch nicht begonnen, in Theodoric's Notizbüchern zu lesen. Corona hatte jedoch kein Wort darüber verloren, denn war viel zu sehr mit der Hinrichtungsfeier beschäftigt. Es war keine wirkliche Feier, aber es kam mir so vor.

„Irgendetwas. Sag mir irgendetwas, mit dem ich arbeiten kann", flehte Beverly und seufzte tief, als Brikeena sich nicht einmal bewegte. Es war das erste Mal, dass ich auch hier unten war.

„Corona wird dich in zwei Tagen hinrichten. In zwei Tagen, Brikeena. Wenn du mir also keinen guten Grund lieferst, die Sache aufzuschieben oder ganz aufzulösen, dann..." Beverly war verzweifelt. Obwohl Brikeena nicht in unserem Team spielte, wollte Beverly nicht, dass man sie töten würde. Seit Tagen suchte sie also nach einem Grund, um Corona die Sache auszureden. Da das Consilium nun auch davon wusste, war es zwar etwas schwierig die Sache wieder zu stoppen, aber wir wollten es versuchen. Vielleicht auch Trish zuliebe, die in den letzten Tagen kaum gegessen hatte und ungewöhnlich still gewesen war.

Beverly rieb sich die Stirn. „Ich will dich nicht sterben lassen, Brikeena. Das möchte ich nicht. Aber ich kann absolut nichts tun. Corona hat alle Fäden in der Hand. Ich kann nur dann etwas tun, wenn du mir etwas erzählst, das du weißt... Etwas, das uns helfen könnte. Dann kann ich zu Acacia gehen und sie kann versuchen, die Mitglieder des Consiliums umzustimmen. Wenn du uns hilfst, dann kommst du vielleicht lebend aus dieser Sache raus."

Brikeena's Lippe blutete. Irgendjemand war wohl verdammt wütend auf sie gewesen und hatte ihr in der Nacht einen Besuch abgestattet.

Beverly warf mir einen verzweifelten Blick zu und ließ mutlos die Schultern hängen. Ein Teil von mir war sich sicher, dass Beverly deshalb so versessen darauf war, Brikeena aus dieser Zelle zu holen, weil sie ganz genau wusste, wie es sich anfühlte, eingesperrt zu sein. Und diese Tatsache machte mich so wahnsinnig, dass ich mir einredete, Beverly war nur wegen Heimvorteile hier unten.

Ich stand nur wenige Meter von den beiden entfernt gegen die Steinmauer gelehnt.

„Du hast Angst vor den beiden, oder?", fragte Beverly dann leise. „Vor Cillian und Odilia." Keine Reaktion. Brikeena blinzelte nicht einmal. Sie starrte nur zwischen dem vergitterten Fenster, durch das bereits Grashalme wuchsen, hinaus auf das Meer. „Wenn du mir hilfst, dann kann ich dich beschützen."

Plötzlich lächelte Brikeena. Aber es war ein bitteres Lächeln und sie drehte auch nicht den Kopf, als sie flüsterte: „Du kannst dich doch nicht einmal selbst beschützen."

Es war das aller erste Mal, dass Brikeena etwas gesagt hatte und sie hatte uns vielleicht mehr verraten, als sie dachte, denn als wir wieder nach oben gingen, sagte Beverly: „Sie hat Angst vor den beiden. Vielleicht ist sie bis zu einem gewissen Grad auch loyal, aber sie hat Angst."

„Wovor? Dass sie ihr etwas tun?" Wir bogen in den Hauptgang ein. Beverly schüttelte zaghaft den Kopf. Eine aufgewühlte Frauenstimme hallte durch den Flur.

„Ich weiß es nicht... Vielleicht." Beverly's aufmerksamer Blick blieb plötzlich in der Ferne hängen, von wo aus die Geräusche kamen, und sie zog die Augenbrauen zusammen. Ich folgte ihrem Blick. Ich konnte zwei Männer sehen, die ein Mädchen in ihrer Mitte hatten und in unsere Richtung zu ziehen schienen.

„Lasst mich los! Ich habe nichts getan! Was soll das?!", rief das Mädchen verzweifelt.

„Misoa?", murmelte Beverly ungläubig und marschierte schnellen Schrittes auf die drei zu.

„Lasst mich los! Ich will mit Corona reden, sofort. Beverly!", rief das Mädchen erleichtert aus und versuchte abermals sich aus dem Griff der beiden Männer zu winden. Ich holte zu ihnen auf und die Männer blieben stehen, als Beverly zum Stehen kam und ihnen den Weg versperrte.

„Was soll das?"

„Anordnung der Königin", antwortete der Kleinere der beiden.

„Was für eine Anordnung? Welche Königin? Steckt Corona dahinter?"

„Wohinter, Beverly, wovon redest du?", winselte Misoa. Ihr stand die Angst so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass ich kurz davor war, den Wachen eine reinzudonnern, damit sie sie losließen.

„Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum", versprach Beverly.

„Was passiert mit mir?"

„Gar nichts, sie... Sie werden dich nach unten bringen, nichts Schlimmes."

„Nach unten? Wo nach unten? Beverly, was passiert hier?" Die Männer drängten Beverly und mich auf die Seite und zogen Misoa weiter. „Beverly!"

„Es ist nur ein Missverständnis mach dir keine Sorgen, ich hol dich da raus, versprochen!", rief sie ihr verzweifelt nach.

Ich trat neben Beverly. Wir konnten nichts anderes tun, als dabei zuzusehen, wie Misoa nach unten in die Kerker geschleift wurde.

„Was machen wir jetzt?", fragte ich und biss die Zähne zusammen.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung."

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