44

Aidan

Alle Vorkehrungen, die wir in den letzten Wochen zu treffen versucht hatten waren mit einem Mal zerschlagen.

Alle Ängste und Sorgen, die jeder von uns gehabt hatte, waren plötzlich präsenter als je zuvor.

Die Gedanken daran, Cillian oder Odilia irgendwann im Laufe dieser ganzen Sache zu begegnen, war nun realer denn je. Sie waren wie eine unsichtbare Bedrohung, die näher und näher kam.

Seit einer guten halben Stunde tigerte Beverly in unserem Zimmer auf und ab. Ihr Gesicht war so steinern wie eine Maske und ich hatte absolut keine Ahnung, was in ihr vorging.

„Bev?", fragte Trish irgendwann und warf mir einen besorgten Blick zu, aber Beverly trabte nur weiterhin auf und ab, als hätte sie Trish gar nicht gehört. Vielleicht hatte sie das wirklich nicht.

„Bevy. Hör auf, auf und ab zu gehen. Du läufst noch Mulden in den Boden. Wie wäre es, wenn du-"

„Ihr müsst gehen", unterbrach sie Chase. Sie blieb stehen, kaute an ihrem Daumennagel herum und starrte wie hypnotisiert auf einen Punkt auf dem Boden.

Trish sah irritiert in die Runde.

„Okay, wir... wir lassen dich einen Moment alleine und kommen später wieder", schlug ich vor.

„Nein, ich meine: Ihr müsst gehen." Sie löste ihren festgefahrenen Blick und sah Trish, Chase und schließlich mich an. „Geht zurück nach Kalifornien. Das war's. Ich will nicht..." Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann euch nicht mehr hier haben. Es geht einfach nicht."

Auf diese Worte folgte Stille. Keiner von uns wusste, wie er reagieren sollte.

Ich am aller wenigsten.

Beverly ging zum Fenster und kehrte uns den Rücken zu, als erwarte sie, dass wir einfach so den Raum verließen oder uns in Luft auflösten.

„Wir... lassen euch mal lieber allein", flüsterte Brikeena, half Acacia auf die Beine und beide verdrückten sich diskret aus dem Zimmer. Sobald sie die Türe hinter sich geschlossen hatten, war Trish die Erste, die etwas sagte.

„Okay, schon klar, du durchlebst gerade wieder eine alle-werden-wegen-mir-sterben-Phase. Das geht vorbei. Aber wir gehen nirgendwo hin."

„Ich will das nicht verantworten", antwortete Beverly ruhig und gleichzeitig unendlich traurig. „Zuerst hätte Corona dich beinahe umgebracht, um mich zu erpressen. Dann werde ich in einem Labyrinth abgestochen und gehe um ein Haar drauf, weshalb Acacia vermutlich bald sterben wird. Und jetzt hat irgendjemand einen Hexenbeutel zusammengebaut und hier versteckt. Ein Hexenbeutel, der so konzipiert war, dass er sogar einen Halbdämon umgebracht hätte. Und Addie's Vision steht noch immer an." Beverly schüttelte den Kopf. „Was kommt als nächstes?"

„Gut, du hast recht, momentan läuft gerade alles ein bisschen aus dem Ruder, aber gerade deshalb brauchst du uns!" Trish verschränkte bestimmt die Arme vor der Brust. „Wir können niemandem hier trauen und genau aus dem Grund ist es so wichtig, dass wir zusammen bleiben, verstehst du das nicht?"

„Ich bin umgeben von Hexen und Zauberern, die sich besser in solchen Situationen zu helfen wissen als ihr!"

„Beverly!", warnte Chase, der natürlich sofort begriffen hatte, wie nahe Trish diese Worte gingen.

„Was?!" Wütend fuhr sie zu uns herum. Ihre Augen waren glasig. „Es stimmt doch! Was könnt ihr hier schon ausrichten? Ein alkoholabhängiger Jäger, ein emotional labiles Mädchen mit einem Schoßhündchen-Dämon und ein Halbdämon, der es nicht schafft, auf seine Kräfte zuzugreifen!" Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass diese Worte nicht wehgetan hatten, aber das taten sie. Aufgebracht fuchtelte sie mit den Händen herum. „Seht ihr das denn nicht? Jeder hier kann sich verteidigen, jeder hier weiß, was in Gefahrensituationen zu tun ist. Jeder hier hat magische Fähigkeiten." Sie schüttelte den Kopf. „Ihr gehört nicht in diese Welt, ihr passt hier nicht rein!" Als sie Trish's enttäuschten und Chase' fassungslosen Blick sah, ließ sie die Schultern hängen und murmelte: „Ihr passt nicht in meine Welt."

Schockiert darüber, dass ihr diese Dinge so leicht über die Lippen gekommen waren, stand ich auf. Alles drehte sich, aber ich fand, dass ich ernstzunehmender war, wenn ich nicht in eine dicke Wolldecke eingewickelt auf der Couch kauerte.

„Wenn du so über uns denkst", begann ich und wartete, bis sie mich ansah. „Wenn du wirklich so über uns denkst, warum wolltest du dann, dass wir mitkommen?"

„Whoa!" Sie zeigte warnend mit dem Finger auf mich. „Verdrehen wir jetzt mal nicht die Fakten! Ihr wolltet mit mir mitkommen. Nicht anders herum."

„Schön, aber ohne uns wärst du schon mindestens zehn Mal draufgegangen", warf Chase sauer ein. „Mindestens! Wer hat dich denn aus dem Labyrinth gezerrt, als du am verbluten warst?"

„Und wenn schon!", schrie sie so plötzlich, dass ich zusammenzuckte und Trish einen Schritt zurück machte. „Ich wollte euch von Anfang an nicht hier haben! Ich wollte euch nie bei dieser Sache dabei haben, das habt ihr einfach über meinen Kopf hinweg entschieden. Aber jetzt entscheide ich! Und ich will, dass ihr verdammt nochmal verschwindet, zurück nach Fresno geht und mich in Ruhe lasst! Ein für alle Mal!"

Im ersten Moment hatte ich keine Ahnung, was ich darauf sagen sollte. Ich war total überrumpelt von dieser anderen, hasserfüllten Beverly, die ich so gar nicht kannte.

„So kannst du nicht mit uns umgehen!", rief ich dann und sie fuhr sich angestrengt durch die Haare. „Wir sind deine Freunde, wir waren immer für dich da, du kannst uns nicht einfach so abschieben!"

„Ihr seid hier, weil ihr meine Freunde seid?", stellte sie mit hochgezogenen Augenbrauen fest. „Gut, dann... will ich nicht mehr mit euch befreundet sein! Aus und Ende. Wir sind nicht mehr befreundet. Und jetzt haut ab!"

Trish und Chase bewegten sich einige Sekunden lang nicht, aber dann verließ Trish ohne ein weiteres Wort den Raum.

„Fahr zur Hölle", knurrte Chase noch, bevor er ihr folgte.

Beverly sah den beiden einen Augenblick lang nach, bevor sie sich an mich wandte.

„Hast du das Laufen verlernt?", fragte sie kalt.

Ich hatte eigentlich immer gedacht, dass man Freundschaften nicht einfach wie eine hübsche Schleife durchschneiden konnte. Aber sie hatte es geschafft.

„Wir sind mehr als Freunde", erwiderte ich herausfordernd und ihr Blick traf meinen. Ich hatte sie noch nie so kalt erlebt und war mir nicht sicher, wie ernst es ihr war. Wie sehr sie uns loswerden wollte.

In diesem Augenblick erkannte ich nur Wut in ihren Augen und es war viel schmerzhafter, als die Magie des Hexenbeutels.

„Ich hoffe, dir ist klar, was auch immer du jetzt tust oder sagst, kannst du nicht zurück nehmen." Ich biss die Zähne zusammen. „Wenn du mich jetzt verlässt, dann komme ich nicht wieder. Ich habe es satt einem Mädchen hinterher zu jagen, das gar nicht gefangen werden will."

Sie sah weg und gab mir keine Chance, den Ausdruck in ihren Augen zu deuten.

„Es ist aus", sagte sie schließlich bestimmt und ich glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. „Du kannst getrost zurück nach Fresno gehen. Es ist vorbei. Und jetzt tu dir selbst einen Gefallen und verschwinde."

~~ ~~

Das Erste, was ich getan hatte, als ich aus dem Zimmer gestürmt war und die Türe hinter mir zugeschlagen hatte, war, meine Faust gegen die Wand zu schlagen.

Wand hatte gewonnen.

In Fresno hätten die dünnen Wände vielleicht nachgegeben, aber hier waren sie aus massivem Stein.

Jetzt saß ich in Trish's Zimmer zusammen mit Chase und Acacia, die sich meine Hand ansah.

„Glückwunsch. Sie ist gebrochen", sagte sie. Ich biss die Zähne zusammen während sie meine Finger zu strecken versuchte. Was für ein Scheißtag. „Aber der Bruch und die Abschürfungen auf den Knöcheln werden in ein paar Tagen verheilt sein. Ein Vorteil, wenn man Dämonenblut im Körper hat." Sie lächelte. „Du solltest die Hand so wenig wie möglich belasten und nicht bewegen." Sie drückte vorsichtig in meine Handfläche und den Handrücken und ein scheußliches Geräusch drückte die gebrochenen Knochen wieder in die richtige Position.

„Fuck!", schrie ich heraus und hielt die Luft an. Ob es die Wut, der Schmerz oder beides war, wusste ich nicht so genau.

Entschuldigend lächelte sie mich an. „Wir wollen doch nicht, dass die Knochen falsch zusammen wachsen."

„Bist du mal Ärztin oder so gewesen?", fragte Trish, während sie ihren Koffer packte.

Acacia lächelte und ließ meine Hand behutsam los. „Sowas Ähnliches. Ich habe nie den Beruf in der Menschenwelt erlernt, so wie Arlen. Aber ich kenne mich ein wenig aus." Sie setzte sich auf. „Und Beverly hat euch wirklich rausgeworfen?" Trish nickte.

„Ich kann nicht glauben, dass die Mistratte so mit uns gesprochen hat", knurrte Chase, der mit verschränkten Armen wieder in einer Ecke herumlungerte. „Wir haben ihr das Leben gerettet. Mehr als einmal und sie schmeißt uns raus, als wären wir nur ein paar Brocken Scheiße!"

„Chase", sagte Trish ruhig, aber ich konnte Chase nur recht geben. „Sie hat es bestimmt nicht so gemeint."

Ich drehte mich zu ihr. „Was meinst du?"

„Naja, sie hat bei vielen Dingen gelogen", begann Trish und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. „Ich denke nicht, dass sie wirklich möchte, dass wir verschwinden."

„Wenn du dir da so sicher bist, warum packst du dann deine Sachen?", murrte Chase.

„Beverly will euch nur beschützen", warf Acacia ein, bevor Trish antworten konnte. Mühselig stand sie auf. Sie sah wirklich nicht gut aus. Vermutlich erlitt sie auch irre Schmerzen, aber sie ließ es sich nicht anmerken. „Sie kann sich nicht um ihre Aufgabe hier kümmern und gleichzeitig euch beschützen."

„Uns muss keiner beschützen!", knurrte Chase. „Das ist total lächerlich. Wir wussten, dass das hier kein Zuckerschlecken werden würde. Wir brauchen keinen Babysitter."

Wenn ich nicht vor einigen Stunden beinahe gestorben wäre, hätte ich ihm vielleicht recht gegeben. Doch wenn ich ganz ehrlich war, und tief in mich hineinhorchte, wollte ich weg von hier. Ich wollte zurück nach Fresno, zu meiner Schwester und Trev. Ich wollte dabei sein, wenn meine Neffen zur Welt kommen würden, und Addie in diesem wichtigen Abschnitt ihres Lebens begleiten und bei ihr sein. Ich wollte zurück in die Geborgenheit der Blase, in der ich wohlbehütet aufgewachsen war. Ich wollte wieder an die Uni und abends auf der Couch sitzen, mit den anderen ein Bier trinken und Fernsehen.

Mit Beverly.

Nur ging das nicht, das musste mir auch niemand erklären.

Das Leben ohne sie in Fresno war nicht prickelnd, aber das Leben, das ich hier mit ihr gehabt hätte, war noch viel grauenhafter.

Mein Blick glitt zu den Blutflecken auf dem Teppich. Meinem Blut.

„Naja, sie hat gerade mit mir Schluss gemacht", erklärte ich. Chase sah mich ungläubig an, aber Trish sah kein Bisschen schockiert aus. „Ich für meinen Teil werde nicht hier herum sitzen und darauf warten, dass sie es sich anders überlegt."

Trish trat hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern. „Du wärst fast gestorben", sagte sie leise. „Beverly hat nur Angst, dass wir vor die Fronten geraten. Sie hat Angst, dich zu verlieren."

Das mochte ja möglich sein, aber ich ließ mich nicht von ihr herumschubsen. Dafür hatte ich schon zu viel durchgemacht.

„Es wird immer darauf hinauslaufen, dass jemand versuchen wird, euch zu schaden, um an Beverly heranzukommen", meinte Acacia noch und musterte jeden von uns besorgt. „Ihr solltet wirklich gehen. Es ist besser, vertraut mir. Die kleinen Anschläge, die ihr erlebt habt, werden noch viel schlimmer. Das wollt ihr nicht miterleben."

Natürlich wollte keiner von uns hier in Mitten dieses Krieges sein. Wer hätte das gewollt? Aber Beverly war mitten drin und sie war unsere Freundin. Es war nicht fair, von uns zu verlangen, und rauszuhalten und zu hoffen, dass wir sie eines Tages in einem Stück zurückbekommen würden.

„Ihr wollt wirklich gehen und sie alleine lassen?", fragte ich meine Freunde.

„Natürlich nicht!", stritt Trish empört ab.

„Ich schon", warf Chase ein und Trish brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen.

„Keiner von uns will sie alleine lassen. Aber... Aidan, ich denke, wenn wir hier sind, sind wir ihre Schwachstelle. Du kennst sie doch, sie hat keine Angst davor, bei dieser Sache drauf zu gehen. Sie hat nur Angst, dass uns etwas passiert."

„Aber ich habe Angst, dass sie stirbt!", rief ich und sprang auf. „Ich habe Angst! Ich will sie nicht ständig verlieren." Unmöglich würde ich in Fresno auch nur eine ruhige Minute haben, mit dem Wissen, dass Beverly hier festsaß und vielleicht gerade ausgeweidet wurde. Oder irgendetwas gegen ihren Willen passierte. Der Gedanke daran, sie in dieser riesengroßen Welt zu verlieren und nicht beschützen zu können, war unerträglich und raubte mir mit einem Mal die Luft zum Atmen. Wer wusste schon, wie lange der Krieg zwischen Cillian und den Hexen andauern würde? Monate? Jahre? Jahrzehnte?

„Hey", wisperte Trish besorgt. „Hey, ganz ruhig. Es wird alles gut." Sie nahm mich in die Arme und ich spürte die Tränen, wie sie heiß über meine Wange liefen.

Für einen Augenblick wünschte ich, Beverly nie begegnet zu sein. Eine Menge Schmerz wäre mir erspart geblieben.

Doch dann erinnerte ich mich an meine Gabe und strich diesen Wunsch sofort aus meinem Gedächtnis.

Und um genau zu sein, bereute ich auch gar nicht, Beverly kennen gelernt zu haben. Ich bereute nur, wie sich die Dinge entwickelt hatten, aber daran trug keiner von uns Schuld.

Ich wünschte mir nichts mehr, als dass Beverly und ich unbeschadet aus diesem Krieg herauskommen würden.

Koste es, was es wolle.

~~ ~~

„Ihr verschwindet?", hatte Brikeena bestürzt gefragt, als wir sie gebeten hatten, uns irgendwie zum nächstbesten Flughafen zu teleportieren. „Das könnt ihr mir nicht antun, hier ist es viel lustiger, seit ihr angekommen seid."

Doch nach reichlichen Diskussionen hatten wir beschlossen, Irland zu verlassen. Auch wenn es uns nicht leicht fiel.

Gut, Chase fiel es vielleicht leicht, weil er sauer auf Beverly war, aber ich war mir sicher, dass er in einer Woche spätestens seinen Hass vergessen und unruhig werden würde.

Beverly war nicht in unserem Zimmer gewesen, als ich meine Sache packen wollte. Das war vielleicht auch gut so, ich wollte nicht wissen, was für schreckliche Dinge ich ihr an den Kopf geworfen hätte, wenn sie da gewesen wäre.

Nun standen wir mit Brikeena und unseren Koffern am Eingangstor. Es fühlte sich seltsam an, dass hier alles für uns enden sollte. Dass alles, was wir in den letzten Wochen hier erlebt hatten, irgendwie um sonst gewesen sein sollte.

„Wirklich schade", seufzte Brikeena. „Gerade jetzt, da sie anfängt, das Zaubern zu lernen-"

„Was?", fragte Trish schockiert und Chase und ich tauschten überraschte Blicke aus.

„Hat sie es euch nicht erzählt? Laut Misoa hat sie sich gar nicht so ungeschickt angestellt. Ein bisschen unkontrolliert, aber für das aller erste Mal hat sie sich wacker geschlagen." Obwohl ich es nicht wollte, überschwemmte mich eine Welle Stolz. Ich wusste doch, dass sie es hinbekommen würde! Nur wünschte ich, wir hätten diesen Erfolg gebührend feiern können.

„Oh mein Gott!" Trish strahlte über das ganze Gesicht.

Chase nickte jedoch nur angespannt. „Ich schätze, die Ratte hat es nicht für nötig gehalten, uns das zu erzählen."

„Vielleicht war sie zu abgelenkt von Aidan's Blut in meinem Zimmer?", gab Trish zurück und zog provokant die Augenbrauen hoch.

Brikeena schmunzelte. „Gott, du wirst mir fehlen, Gingermädchen."

Trish lächelte schief. „Ich... Wir werden dich sicher auch vermissen. Aber... vielleicht kannst du uns ja mal besuchen? Wenn dir Corona zu sehr auf die Nerven geht."

Brikeena lachte. „Darauf komme ich zurück. Wo wohnst du, Gingermädchen?"

„Gute Frage." Trish lachte auf. „Ich schätze... Bakersfield. Palm Street 14."

Chase warf Trish einen verachtenden Blick zu. „Du willst in ihrem Haus wohnen?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Sie hat einen Flügel. Und ich hab dort mein eigenes Zimmer. Alles violett. Ich mag es."

„Ich werde dich finden", zwinkerte Brikeena.

Eine recht unangenehme Stille breitete sich aus, in der Trish Brikeena schüchtern anlächelte, Brikeena Trish vielsagend angrinste und Chase und ich wie zwei Kartoffeln danebenstanden und uns einfach nur unwohl fühlten.

Schnell deutete ich hinter mich und Chase. „Wir haben noch was zu erledigen... Da drüben." Ich zog Chase mit mir und ließ Brikeena und Trish einen Moment für sich. Wahrscheinlich kann ich gar nicht zum Ausdruck bringen, wie gerne ich wieder gelauscht hätte, aber erstens wäre es ethisch absolut nicht vertretbar gewesen, und zweitens hatte ich noch immer keine Ahnung, wie ich mein supercooles Supergehör einschalten konnte.

Aber die beiden so nahe beieinander stehen und miteinander flüstern zu sehen, reichte aus, um mich für einen Augenblick glücklich zu stimmen. Brikeena strich über Trish's Finger und nach kurzem Zögern griff Trish endlich nach ihrer Hand.

Neben mir seufzte Chase tief. „Na, endlich!" Ich sah zu ihm und er hatte zufrieden die Augen geschlossen.

„Du hast die Sache zwischen den beiden nicht unbedingt unterstützt, mit deiner Sex-mit-Brikeena-Aktion."

„Erspar mir das. Ich hab mir heute Morgen schon eine Predigt von deiner Freundin anhören dürfen." Er betrachtete mich. „Ex-Freundin, wie es aussieht."

„Okay!", rief Brikeena und kam zu uns, bevor ich Chase eine bissige Antwort geben konnte. Trish trottete ihr halb traurig, halb glücklich hinterher. „Ich kann euch ein Portal zum Flughafen in Dublin schaffen. Ich kenne mich dort ziemlich gut aus, wenn sie nicht das ganze Gebäude umgebaut haben, kann ich euch in den Keller nach unten schicken, damit... naja, es ist wohl selbstredend, warum ich nicht bei den Check-In Schaltern aus dem Portal stolpern solltet."

„Und wer garantiert uns, dass im Keller niemand ist?", hakte ich besorgt nach. Sie zuckte mit den Schultern.

„Keiner."

„Und wenn wir erwischt werden?"

„Improvisiert einfach", grinste sie frech. „Seid ihr sicher, dass ich euch nicht nach Fresno bringen soll?"

Chase schnaufte. „Und durch fünf verschiedene Portale schicken? Nein, danke. Da erzähle ich lieber einem Wachmann, der uns erwischt, dass er wohl an Halluzinationen leidet, bleche für den Flug, warte Stunden am Flughafen und sitze dann ewig in einer engen Blechbüchse."

„Schon verstanden." Sie lächelte mich und Chase an. „Passt auf euch auf."

„Du auch auf dich", nickte ich und wollte noch hinzufügen, dass sie auf Beverly Acht geben sollte, aber diese Worte blieben mir in der Kehle stecken. Sie schien es mir trotzdem anzusehen.

„Mach dir keine Sorgen. Ich pass auf sie auf." Sie drückte meinen Arm.

„Danke", nickte ich. „Für alles."

Sie trat einen Schritt zurück, ihre Augen leuchteten wieder so animalisch-golden auf, während sie die Worte murmelte, die ich nicht verstehen konnte und ein violettes, hauchdünnes Portal größer und größer wurde.

~~ ~~

Im einen Moment noch in einem Schloss auf einer Insel, im nächsten Augenblick in einem düsteren, nach Plastik und Elektronik riechendem, grauen Flur.

Es war niemand hier, also würden Chase' Lügenkünste nicht zum Einsatz kommen müssen.

Ich kam als erster aus dem Portal, dann folgte Chase und schließlich Trish. Mir machten die Reisen mit einem Ataria nicht mehr so viel aus, aber die beiden nahmen sie immer noch mit.

„Schon komisch, oder?", fragte Trish in die Stille hinein, nachdem das Portal verschwunden war und stützte die Hände auf die Knie. „Einfach so nach Hause zu gehen."

Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie richtete sich mühselig wieder auf, während sie sich eine Hand gegen den Magen drückte. „Du wirst Brikeena wieder sehen. Da bin ich sicher."

„Und Beverly?" Sie sah mich besorgt an und warf Chase über meine Schulter hinweg denselben Blick zu. „Werden wir Beverly je wieder sehen?"

Ich nahm meine Hand von ihrer Schulter. Sie nickte, als hätte ich etwas Plausibles von mir gegeben und als hätte sie keine andere Antwort erwartet.

Dann legte sie unvermittelt ihren Koffer auf den Boden und öffnete ihn.

„Was machst du da?", hakte Chase nach.

Trish kramte ein wenig zwischen ihren Sachen. Dann zog sie die blonde Perücke hervor, hielt sie hoch und sah Chase an.

„Na, was wohl? Wir fliegen zurück in die Staaten, wo ich immer noch als vermisst gemeldet bin. Zuhause bin ich nicht das Gingermädchen." 

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