35
Beverly
„Ich konnte keinerlei Magie in diesem dämlichen Labyrinth spüren", meinte ich, während Brikeena mich durch das Schloss zog. Da ich sie seit Finley's Hochzeit nicht mehr gesehen hatte, hatte ich auch keine Gelegenheit gehabt, mich bei ihr über die Vorkommnisse zu beschweren.
„Das liegt vermutlich daran, dass du nicht weißt, worauf du achten musst", erklärte Brikeena. „Magiespuren lösen in jedem ein ganz besonderes Gefühl aus, nur können es normale Menschen nicht identifizieren. Die meisten Hexen lernen es automatisch, während sie aufwachsen. Wenn jemand öfters, plötzlich in bestimmten Situationen von einer auftretenden Magiespur spricht, lernt das Kind nach einiger Zeit, dieses Gefühl mit Magie zu assoziieren. Aber das war bei dir nicht der Fall."
„Ich will meine Magie auch gar nicht spüren können. Nicht, nach allem, was passiert ist."
„Das werden wir gleich ändern", lächelte Brikeena.
„Wo warst du überhaupt?" Ich betrachtete ihren honigbraunen Hautton und verglich ihn mit meinen wasserleichenblassen.
„Spanien."
„Spanien? Was wolltest du da?" War sie am Strand gewesen und hatte sich gesonnt, während ich ums Überleben gekämpft hatte?
„Hab die Familie meines Mannes besucht."
Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Du bist verheiratet?"
„Nein, aber ich war es", erwiderte sie, blieb stehen und warf mir einen undefinierbaren Blick zu. „Wo steht geschrieben, dass man die Familie seines toten Ehemannes nicht mehr besuchen darf?"
Nach einem kurzen Augenblick ging sie weiter, aber ich blieb noch einen Augenblick lang stehen, bevor ich ihr folgte. Ich hoffte, sie mit meiner dämlichen Frage nicht verletzt oder gekränkt zu haben.
Sie bog in eine riesige Halle ein. Stuck an der Decke, monströse Kronleuchter und überall standen Instrumente herum. Ein riesiger, schwarzer Flügel, verschiedene Streichinstrumente und andere Instrumente, deren Namen ich nicht kannte und die ich auch noch nie gesehen hatte.
„Was wollen wir hier?", fragte ich. Meine Worte prallten an den Wänden ab und wurden zurück geworfen.
Brikeena sah mich mit strahlenden Augen an. „Ich zeige dir, wie unfassbar abgefahren Magie sein kann."
Mittlerweile hatten meine Freunde zu uns aufgeholt und stellten sich neben mich. Aidan fragte, was wir hier wollten und Chase schwieg beleidigt vor sich hin, vermutlich, weil ich kein Wort über die Sache mit dem Hexenzirkel verloren hatte.
Trish's Augen begannen zu leuchten, als sie das Klavier sah, das Brikeena ansteuerte. Sie stellte sich vor das Fenster und suchte nach etwas auf dem Parkettboden, aber mir war nicht ganz klar, was es war. Sie drehte sich um die eigene Achse, ging einige Schritte weiter nach rechts, und als sie erneut auf den Boden sah, erkannte ich, dass sie ihren Schatten überprüft hatte, der durch das einfallende Sonnenlicht geworfen wurde. Mit einer einladenden Handbewegung rollte der Flügel über das Parket zu ihr und sie ließ sich auf dem kleinen Hocker nieder und ihre Fingerknöcheln knacken, während sie noch einmal ihren Schatten betrachtete, der deutlich zu erkennen war. Dann legte sie die Finger auf die Tasten.
Sobald die ersten Töne durch den Raum hallten wurde mir bewusst, warum genau diese Halle für die Musikinstrumente gewählt worden war. Der Klang war intensiv und strömte wie Wasser durch mich hindurch.
Nach einer guten Minute hob sie die Hände an und berührte die Tasten nun nicht mehr. Das Ding war nur, dass das Klavier von alleine weiterspielte.
Nein, Moment. Bei genauerer Betrachtung...
Ihr Schatten spielte für sie weiter.
Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen bewegte ich mich langsam auf den Flügel zu, wohl darauf bedacht, nicht mit ihrem Schatten in Berührung zu kommen, weil ich es so unheimlich fand.
Die Tasten drückten sich wie von alleine nach unten. Ihr Schatten hatte sich selbstständig gemacht und griff in die materielle Welt über.
„Abgefahren", murmelte ich.
Brikeena grinste mich an. „Findest du Magie immer noch scheiße?"
Ich konnte sie nur ungläubig anblinzeln. Sie stand auf und entfernte sich vom Klavier, ihr Schatten jedoch blieb brav dort sitzen und spielte weiter.
Schattenlos stellte Brikeena sich jetzt vor die ganzen Streichinstrumente, schloss die Augen und begann ihre Hände und Arme zu bewegen, als versuche sie die Instrumente zum Spielen zu bewegen. Und es klappte.
Es war, als hätte Brikeena den Instrumenten Leben eingehaucht. Sie richteten sich auf und die Bögen glitten über die Saiten, von bestimmt zehn verschiedenen Streichinstrumenten. Als würden unsichtbare Menschen sie spielen.
Ich fragte mich, wie lange Brikeena wohl gebraucht hatte, um so viele Instrumente gleichzeitig mit ihren Gedanken zu steuern. Wie stark und ausgeprägt ihre Imaginationsmagie sein musste, um das hinzubekommen. Sie spazierte durch den Raum zu den Blasinstrumenten und machte praktisch genau das Gleiche, während ich halb verstört, halb beeindruckt dastand und den Instrumenten dabei zusah, wie sie ihr Gänsehaut-Stück vorführten.
Okay. Magie konnte cool sein.
Nur würde ich diesen Level an Coolness nie erreichen.
Eine Bewegung aus dem Augenwinkel zog meine Aufmerksamkeit auf sich und ich drehte den Kopf. Ein Mädchen mit olivfarbener Haut und ganz schwarzen Haaren drängte sich zwischen meinen Freunden durch und begann zu strahlen, als sie Brikeena sah.
„Ich wusste, dass du es bist!", stieß sie freudig aus, aber Brikeena war zu konzentriert, um darauf zu reagieren.
Sie war inzwischen zu weiteren Instrumenten übergegangen, die ich nur mäßig kannte.
Als fast alle Instrumente in der Halle im Einklang miteinander spielten, und sich eine ganze Horde an Zuhörern gebildet hatte, kehrte Brikeena zu ihrem Schatten und dem Klavier zurück, stimmte an der richtigen Stelle wieder mit ein und ließ das Konzert langsam ausklingen.
Sie öffnete die Augen und nahm die Hände vom Klavier. Ihr Schatten folgte wieder ihren Bewegungen, aber ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden.
„Das war verdammt gut! Du wirst immer besser", lächelte ein Mann. „Deinen Schatten kontrollieren? Hut ab!
„Und ich verstehe bis heute nicht, wie du über so viel Kontrolle über deine Magie verfügst." Das war Savinah, das Mädchen, das Chase sich gegabelt hatte. „Das war ein ganzes Orchester! Warum kann ich sowas nicht?"
Brikeena kicherte und verneigte sich spaßeshalber. „Ich will hoffen, dass ich es nach so vielen Jahrzehnten kann." Dann grinste sie mich an. „Hab ich deine Meinung über Magie geändert?"
„Du hast mich vor allem daran erinnert, was für eine Niete ich bin", entgegnete ich grimmig.
Sie lachte. Dann entdeckte sie das dunkelhäutige Mädchen, das sie immer noch breit angrinste und ganz offenbar darauf wartete, bemerkt zu werden. Ich hätte sie nicht älter als neunzehn geschätzt, aber das durfte man hier ohnehin nicht so genau nehmen.
„Misoa!", lächelte Brikeena und umarmte das Mädchen freudig.
„Das ist meine Enkelin", stellte Brikeena sie mir und meinen Freunden vor. „Ur-ur-ur-Enkelin, oder so", lachte sie dann. „Hab selber den Überblick verloren."
Das Mädchen lächelte mich aufgeschlossen an. Ihre Zähne wirkten durch ihre dunkle Haut noch viel weißer. „Keine Angst, ich hab mit dem ganzen Zauberkram auch erst angefangen."
„Ich dachte, deine Tochter war keine Hexe", meinte Aidan und Brikeena sah auf.
„War sie auch nicht. Aber das Hexengen kann vererbt werden, auch wenn es sich nicht entfaltet, schon vergessen? Nachdem wir das herausgefunden haben, sind wir auf die Suche nach möglichen Familienmitgliedern gegangen. Und Erin hat vor ein paar Jahren Misoa gefunden. Sie wusste auch nicht, dass sie eine Hexe ist."
Damit war es offiziell. Misoa würde meine neue beste Freundin werden.
„Wie alt bist du?", fragte ich sie.
„Achtzehn." Das Mädchen zupfte an ihrem bunten Perlenarmband herum. „Ich bin nicht oft hier. Ich geh noch zur Schule, hab aber bald meinen Abschluss." Sie zuckte mit den Schultern. „Ich muss das Hexen ja von irgendwem lernen, oder?"
„Da fragst du die Falsche", rutschte es mir heraus, aber Misoa lachte. Ich fand nicht, dass man als Hexe das Hexen lernen musste. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte mein Leben sehr gut ohne Magie funktionieren können.
Aber dann war Felicity durch die Türe spaziert, hatte mir eröffnet, dass ich eine Hexe war und mich nach Irland geschickt.
„Ich weiß genau, wie du dich fühlst", meinte Misoa. „Aber der Schalter in deinem Schädel muss sich wirklich nur umlegen. Es braucht nur eine Sekunde. Der Rest kommt dann von ganz alleine."
Und was war, wenn ich diesen Schalter nie finden würde?
~~ ~~
Misoa bat mir an, mit mir die ersten Schritte des Zauberns zu üben, was sicherlich keine so dumme Idee war, wenn man bedenkt, dass sonst niemand hier verstand, wie schwierig es für mich war. Vielleicht würde ich ihr Angebot annehmen.
Aber nicht heute. Ich war zu erschöpft. Nach Brikeena's kleinem Konzert wollte ich mich nur noch schlafen legen. Die Anderen waren noch geblieben, um sich ein weiteres Ein-Personen-Orchester anzuhören.
Ich konnte den Klang aller Instrumente sogar noch hören, als ich die Treppen nach oben ging, gerade als ein junger Mann die Stiegen herunter lief und auf meiner Höhe stehen blieb.
„Dich kenne ich nicht", meinte er und zog die Augenbrauen zusammen. „Aber du siehst aus, wie meine Mutter, also... Maeve?"
„Beverly. Bitte, bitte, nenn mich Beverly."
Er lächelte mich an. „Ich bin Lorcan."
„Lorcan", wiederholte ich. „Einer der Fünf."
„Wow." Er lachte. „Ich bin einer von vielen? Jetzt weiß ich, warum du dich bei meinen Geschwistern nicht sonderlich beliebt machst. Freundlich bist du ja nicht gerade."
Ich musste schmunzeln. „Entschuldige... Bei so vielen Hexen und Zauberern braucht man Eselsbrücken und Verbindungsstücke, sonst kommt man durcheinander."
Er nickte verstehend und deutete dann in die Richtung, aus der die Musik drang. „Ist Brikeena da?"
„Warum weiß das jeder?"
Er lachte wieder. „Weil sie die Einzige ist, die vor zweihundert Jahren verrückt genug war, zu sagen: Ich werde lernen, ein ganzes Orchester mit meinen Gedanken zu kontrollieren. Sie ist ein geistesgestörtes Genie." Er meinte es nicht ernst, aber ich mochte seine lockere Art. Außerdem war ich mir sicher, dass er ein absoluter Mädchenschwarm war. Mit den dunklen Haaren, dem scharf geschnittenen Gesicht und den braunen Augen sah er ein bisschen aus, wie der eine böse, aber doch irgendwie gute und charmante Vampirbruder aus der Vampirserie, die meine Schwester immer gesehen hatte. Ich hatte diese Serie nie gesehen, aber Lorcan erinnerte mich an den Schauspieler.
„Ich werde sie mal begrüßen. War nett, dich mal persönlich kennen zu lernen."
Ich nickte ihm lächelnd zu und er lief die restlichen Treppen neben mir herunter, als mir noch etwas einfiel.
„Hey, Lorcan?"
Er war bereits in den rechten Flur eingebogen, blieb aber stehen und ich beugte mich ein Stück über das Geländer.
„Du warst mal an einen Dämon gebunden, oder?"
„Das erzählt man von mir?", fragte er amüsiert.
„Stimmt es denn?"
„Ja, wieso?"
Ich winkte ab. „Ach, nur ein weiteres Verbindungsstück fürs Eselsbrückenbauen."
Er lachte laut. „Ich mag dich, Beverly." Dann sah er mich halb belustigt, halb zerknirscht an. „Aber ich verstehe auch, warum so viele es nicht tun."
„An diesem Punkt wundert es mich eher, dass es noch Leute wie dich gibt", gab ich zurück.
~~ ~~
In meinem Zimmer warf ich mich auf die Couch und drückte mir den Handballen gegen die Stirn. Ich war so unendlich müde und erschöpft. Vor knappen zehn Tagen war ich fast erstochen worden und heute wäre ich beinahe ertrunken. Mein Körper machte das nicht mehr mit.
Aber ich bekam keinen Schlaf. Denn sobald ich die Augen schloss, spürte ich einen messerscharfen Stich in meinem Bauch. Oder ich sah sein Gesicht vor meinen Augen und musste mich schmerzlich an alles Vergessene erinnern. Oder ich malte mir andere grässliche Szenarien aus, in denen ich oder meine Freunde zu Schaden kommen würden.
Letztendlich hatte ich immer das Gefühl, dass jemand in meinem Zimmer war. Mich beobachtete, während ich schlief und nur darauf wartete, mich zu ersticken oder aufzuschlitzen oder in Brand zu setzen oder zu entführen. Also schreckte ich immer kurz vorm Einschlafen auf.
So war es auch jetzt.
Ich segelte zwar in einen angenehmen Halbschlaf und fühlte mich wunderbar schwer, doch dann hörte ich plötzlich Schritte vor der Türe, setzte mich hastig auf, fixierte den Türspalt, um Schatten darunter ausmachen zu können und krallte meine Finger in die Bettdecke.
Da war er!
Direkt vor meiner Türe.
Ich konnte mein Herz bis in die Ohren pochen hören. Viel hätte nicht mehr gefehlt, und mir währen vor Angst die Schweißperlen über die Stirn gelaufen. Und gerade, als mir bewusst wurde, dass diesmal keiner meiner Freunde hier war, bekam ich richtige Panik.
Nicht einmal schlucken konnte ich.
Der Schatten stand vor meiner Türe.
Ein Paar Füße.
Zwei Beine.
Eine Person.
Doch dann bewegte sich der Schatten plötzlich von der Türe weg. Meine Anspannung blieb, als ich vom Sofa stieg, zur Türe schlich und lauschte.
Nichts zu hören.
Vorsichtig drückte ich die Türschnalle hinunter und zog die Tür auf. Mutig linste ich auf den Flur, doch es war niemand zu sehen.
Mit den Nerven am Ende schloss ich die Türe wieder und versuchte mein hysterisches Luftschnappen, das Zittern und aufkeimende Geheule zu unterdrücken.
„Du wirst verrückt!", schluchzte ich und versuchte, mir gut zuzureden.
Du bist aus Schottland geflohen, weil Iona gemeint hat, dich hier besser schützen zu können.
Hier ist niemand, der dir schaden will.
Niemand. Das kann nicht sein. Du bist hier sicher.
Trotzdem lief ich ins Badezimmer und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht, um runter zu kommen.
Mir war ganz schlecht.
Ich betrachtete schwitzend mein Spiegelbild. Eine blasse Gestalt blickte aus verängstigten Augen zurück.
„Reiß dich jetzt endlich zusammen. Reiß dich zusammen, verdammt!"
Ich ging wieder ins Schlafzimmer und beschloss, einen Zeichenversuch zu starten. Es hatte immer geklappt und mich in gewisser Weise therapiert. Doch sobald ich wieder auf der Couch saß und die Mappe auf meinem Schoß hatte, blätterte ich automatisch alle Bilder durch, die ich in den vergangenen Jahren gefertigt hatte. Portraits von Aidan, Chase, Trish, Addie, Trev. Das Bild von mir, mit dem Brief, den ich Aidan hinterlassen hatte. Fabiana. Rose. Dentalion, oder zumindest das, was ich von ihm wahrgenommen hatte. Vaya. Meine Alpträume. Connor, Felicity, Modoc. Anthony, Delilah, Vicky, Evan. Die Waldhütte. Die Dunkelheit.
Noch mehr Alpträume.
Erschöpft schloss ich die Mappe wieder und kämpfte gegen die Tränen.
In dieser ganzen Mappe, die mein Leben repräsentierte, sah ich nur Schmerz, schlimme Erlebnisse, Trauer und einen Bruchteil guter Erinnerungen.
Beides machte mich traurig.
Die Türe ging auf und Aidan betrat mein Zimmer. „Hey."
„Hey." Ich fuhr mir durch die Haare. Es fühlte sich an, als würde Iona's Zauber, der meine Mähne in die Haare einer Frau, die ihre Haare in einem Urwald mit exotischen, farbenfrohen Pflanzen einshampoonierte, verwandelt hatte, langsam nachlassen.
„Alles okay?" Er ließ sich neben mir fallen.
„Natürlich. Ich verliere nur langsam den Verstand. Nichts Neues."
„Wieso?", fragte er besorgt, aber ich antwortete nicht.
Stattdessen fragte ich: „Du hast vorhin mit Addie geredet, nicht wahr?"
„Ja, warum?"
„Hat sie denn schon etwas über ihre Vision herausgefunden?"
Aidan zuckte mit den Schultern. „Darüber haben wir gar nicht geredet. Hör auf, ständig darüber nachzudenken, das bringt dich auch nicht weiter." Er betrachtete mich eindringlich. „Geht es dir gut?"
Wieder antwortete ich nicht und sein Blick fiel auf die Mappe, die ich immer noch in den Händen hielt. Sanft zog er sie mir aus den Fingern und legte sie auf den kleinen Holztisch vor uns. Ich lehnte mich gegen ihn und er griff nach meiner eiskalten Hand.
„Du hast dich verändert", sagte er plötzlich.
„War das ein Kompliment? Was meinst du?"
„Als wir uns kennengelernt haben, warst du... anders. Erinnerst du dich? Wie wir in Modoc draußen auf der Wiese gesessen sind? Da hat alles angefangen. Du hast gelacht. Oder als du dann bei mir gewohnt hast. Du warst weitestgehend glücklich. Denke ich. Oder war das gespielt?"
Ich dachte kurz darüber nach. Dann schüttelte ich den Kopf. „Ich war glücklich."
Obwohl Chase mehrmals versucht hatte mich zu töten.
Obwohl Trev mich verabscheut hatte.
Obwohl es Addie so schlecht gegangen war.
Obwohl ich Trish nicht getraut hatte und sie mit Aidan geflirtet hatte.
Obwohl die Dinge zwischen Aidan und mir so unklar gewesen waren.
Aber mir war es gut gegangen. Meine Probleme waren klitzeklein gewesen und hatten sich darauf beschränkt, ob ich Aidan küssen oder Chase eine runterhauen sollte. Nichts Weltbewegendes. Wenn Aidan bei mir gewesen war, hatte ich nicht in meinen dunklen Gedanken festgesteckt. Ich hatte mich leichter gefühlt und keine Aufgabe dieser Welt hatte so groß und angsteinflößend gewirkt, dass ich sie nicht hätte bewältigen können.
Jetzt konnte er nur einen Bruchteil von der Last, die auf meinen Schultern ruhte, von mir nehmen.
Ich war nicht mehr glücklich.
Ich war erschöpft.
Und wenn ich ehrlich war, wollte ich, dass es aufhörte.
Dass alles aufhörte.
Aber ich konnte mir nicht mehr leisten, so zu denken.
Und ich sagte auch Aidan nicht, dass es mir so unfassbar schlecht ging. Es klappte doch auch mit Lügen, oder nicht? Wenn man eine Lüge oft genug wiederholte, glaubte man sie irgendwann selbst.
Ich würde dieses Gefühl der Leere und Hilflosigkeit einfach so lange ignorieren und wegdrücken, bis es nicht mehr da war. Das musste einfach funktionieren.
„Warum hast du keinem von uns von der Hexenzirkelsache erzählt?", fragte er leise.
„Es war kein Geheimnis", sagte ich sofort. „Ich hab nur... drauf vergessen. Ich fand es nicht so wichtig. Arlen und Davina meinten, dass sich meine Magie dadurch vermindert, wenn ich alleine bin, sich aber vergrößert, wenn ich in der Nähe von anderen Zirkelmitgliedern bin, oder so."
Er nickte langsam. „Und das willst du nicht?"
Kopfschüttelnd erwiderte ich: „Früher oder später kommt der Punkt, an dem ich auf mich alleine gestellt bin. Da kann ich es mir nicht leisten, noch schlechter zaubern zu können, als ohnehin schon."
Er streichelte über meine Finger, meinen Arm und meinen Kopf. Ich merkte, dass er mit sich rang. Er wollte etwas sagen, aber dann ließ er es gut sein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top