33
Beverly
Als Iona gemeint hatte, sie würde mich erst durch ein Portal schicken, wenn ich wieder zu Kräften gekommen sein würde, hatte ich an eine Woche gedacht. Vielleicht auch an zwei. Aber nicht an den nächsten Tag. Dementsprechend war meine Laune auch schon frühmorgens im Keller. Gerade, als ich hinunter zum Speisesaal ging, fingen mich Davina und Arlen ab und klemmten mich zwischen sich ein.
„Wir haben nachgedacht", begann Davina, die zu meiner rechten ging und warf das blonde Haar schwungvoll nach hinten.
„Und wir haben uns etwas überlegt, dass dich vielleicht schützen könnte, falls noch einmal jemand versucht, dich anzugreifen", fuhr Arlen fort.
Ich sah irritiert zwischen den beiden hin und her. „Äh... Guten Morgen?"
„Eigentlich ist es seit etwa hundertsechzig Jahren illegal, neue Zirkel zu gründen oder neue Mitglieder aufzunehmen, aber das Consilium wird schon eine Ausnahme für dich machen", fuhr Arlen unbeirrt weiter fort und Davina nickte zustimmend.
„Okay, stopp!" Ich löste mich von den beiden und brachte sie direkt neben einer der Statuen zum Anhalten. „Worum geht es hier? Was für ein Zirkel? Ich muss bald nach Irland aufbrechen und auf leeren Magen ist das keine gute Idee. Ich will Frühstücken."
Die zwei tauschten noch einen schnellen Blick, bevor Davina zu sprechen begann.
„Wir reden von Hexenzirkeln. Sie funktionieren schon mit nur zwei Hexen oder Zauberern. Durch ein Ritual."
„Im Grunde genommen werden Hexen und Zauberer bei diesem Ritual aneinander gebunden."
„Genau. Eine Hexe alleine hat danach zwar... nicht mehr so viele Möglichkeiten, ihre Magie einzusetzen wie zuvor-"
„Aber dafür sind die Hexen und Zauberer des angehörigen Zirkels viel stärker, wenn sie zusammen sind und können Zauber wirken, die ein einzelner nicht zu Stande bringen würde."
Sie wechselten sich beim Reden so perfekt ab, dass man meinen könnte, sie hätten es vor dem Spiegel geübt. Unheimlich.
„Nicht nur das", fuhr Davina fort. „Alle Mitglieder eines Zirkels wissen, wenn anderen Mitgliedern etwas zustößt und können sie mithilfe des richtigen Zaubers auch aufspüren."
„Die bestehenden Hexenzirkel sind nicht aufgehoben worden, aber das Consilium hatte Angst, dass sich zu mächtige Zirkel bilden könnten. Deshalb ist es verboten, neue zu gründen, oder neue Mitglieder einzuführen."
„Und ihr wollt mich in so einem Zirkel dabei haben", stellte ich klar.
„Es verstärkt deine Magie, wenn du in der Nähe von anderen Zirkelmitgliedern bist", sagte Davina.
„Was denkst du, warum so viele von uns hier im Schloss sind?"
„Schon mit nur einem anderen Zirkelmitglied ist deine Magie stärker, als sie vor der Aufnahme in den Zirkel war. Und mit zwei anderen noch viel stärker, und mit drei, vier, fünf-"
„Was wir sagen wollen", unterbrach Arlen seine Schwester. „Es wäre von Vorteil, wenn wir dich -nichts ganz legal- in unseren Zirkel aufnehmen. Es bestärkt nicht nur unsere Magie enorm, sondern auch deine, und das kann nicht schaden."
„Und wenn dir irgendjemand noch einmal Schaden zufügen will, wissen wir es augenblicklich und können dich innerhalb weniger Minuten finden. Wir würden deine Schmerzen spüren." Na, das klang doch reizvoll...
Beide nickten bekräftigend, als wäre es eine umwerfende Idee (oder, als wollten sie mir einen dieser selbstständigen Minirasenmäher verkaufen), aber mich verunsicherte das alles lediglich, wenn ich ehrlich war. Jeder stand momentan unter meinem ganz persönlichen Verdacht. Und in einen Hexenzirkel aufgenommen zu werden, sodass andere immer herausfinden konnten, wo ich mich gerade aufhielt, war so ziemlich das Letzte, was ich wollte. Ich war ohnehin schon Zielscheibe genug. Und dann auch noch weniger Magie, wenn ich auf mich alleine gestellt war...
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein.
Die Sache hatte zu viele Haken.
„Ich glaube, ich passe, aber... danke für das Angebot..." Ich wollte mich abwenden und nach unten in den Speisesaal gehen, um zumindest noch ein Schinkenbrötchen oder einen Apfel oder sonst was in meinen Magen zu bekommen.
„Sicher?", fragte Davina, beinahe bestürzt. „Es könnte nur von Vorteil sein!"
„Nichts für ungut, aber ich kann ohnehin schon nicht zaubern. Und der Gedanke daran, es noch weniger zu können, wenn ich nicht in der Nähe von einem Hexenzirkelmitglied oder so bin, ist nicht sonderlich beruhigend. Ihr versteht?"
„Unser Zirkel ist riesig", erwiderte Davina. „Corona, Arthur, Finley, Innis und Lorcan haben einen eigenen. Aber wir auch."
„Das klingt mir sehr nach einer Art Wettbewerb", bemerkte ich. „Und wer ist wir?"
„Arlen und ich", begann Davina und zeigte zwischen sich und ihrem Bruder hin und her. „Thomas, Canna, Erin, Brikeena, Finnea und die anderen kennst du alle nicht."
„Wow", meinte ich anerkennend. „Das ist ja dann eine Art... Riesenzirkel, oder? Gab es Rabatte für den Beitritt?"
„Es ist praktisch", meinte Arlen, ohne auf meinen schlechten Witz einzugehen. „Je mehr Mitglieder in einem Zirkel sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keiner jemals alleine ist."
„Nichts für ungut, aber ich bin nicht unbedingt der sozialste Mensch. Im Gegenteil, ich bin gerne allein. Die Vorstellung, nur dann mächtig zu sein, wenn ich mit anderen Leuten zusammen bist, finde ich... naja, zum Kotzen." Ich zuckte gespielt entschuldigend mit den Schultern und entfernte mich rückwärtslaufend von den beiden. „Aber ich...denk drüber nach. Versprochen!"
„Wenn du es dir anders überlegst", rief Davina mir noch nach, als ich bereits am Treppenansatz stand. „Auch in Irland sind einige unserer Zirkelmitglieder. Es braucht nur drei Mitglieder, um dich aufzunehmen!"
„Okay." Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. „Danke! Ich werd dran denken."
~~ ~~
Natürlich war es so ziemlich das Letzte, an das ich dachte, als ich einmal mehr mit einem Ataria reisen sollte. Dieser hier war ein anderer, als jener, der uns beim ersten Mal hier her gebracht hatte. Dieses Portal lag etwa zwanzig Minuten vom Schloss entfernt am Strand, dort, wo der Wetterzauber schon keine Lust mehr hatte, zu wirken. Graue Wolken hingen über dem tobenden Meer, der Wind blies mir den salzigen, fischigen Geruch unerbittlich entgegen und zog mir bei jedem Schritt die Füße weg.
Iona schien beinahe ziellos am Strand herum zu laufen. Zwei Angestellte zogen meine Koffer und die Koffer meiner Freunde auf einer Art Schlitten hinter sich her, wofür ich mich ziemlich mies fühlte. Iona trug lediglich einen langen, dicken, dunkelvioletten Pelzmantel und ihre Haare waren kunstvoll zusammengesteckt. Mir fiel erst jetzt auf, dass ich sie noch nie mit einer Krone auf dem Schädel erwischt hatte, auch nicht auf Finley's Hochzeit. War das üblich? Oder trugen Hexen einfach keine Kronen?
„Wir sind da!", verkündete sie, bevor ich sie nach dem fehlenden Kopfschmuck fragen konnte.
„Wo?", fragte ich, weil sie lediglich viel zu nahe am Wasser im matschigen Sand stand und mit hinter dem Rücken verschränkten Händen auf das Meer hinaussah. „Jetzt drehte sie sich zu mir."
„Der Ataria."
Ich warf meinen Freunden seltsame Blicke zu. „Das Portal ist das Meer?"
Mit einem leisen Lächeln drehte Iona sich wieder weg. Trish bedeutete mir, dass unsere königliche Hoheit einen Knacks hatte, als sie lediglich den Atem ausstieß und mit zufriedenem Blick die hohen Wellen betrachtete. Ich wusste nicht, ob sie auf einen alienmäßigen Lichtkegel wartete, oder auf eine Monsterwelle, die uns verschlucken und nach Irland bringen würde, aber beide Vorstellungen waren mir nicht geheuer.
Doch plötzlich begann das Wasser direkt vor ihr zu erzittern. Es teilte sich mittig vor ihr und gab einen Weg frei, der lang und tief unter Wasser führte. Ganz hinten erkannte ich ein steinernes Konstrukt. Das musste der Ataria sein.
„Äh...", brachte ich nur heraus.
„Sie ist Moses", hörte ich Trish hinter mir murmeln.
Iona drehte sich wieder zu uns, mit demselben selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen. „Lasst uns gehen!" Sie ging voraus und ihre Schritte hinterließen Fußspuren im nassen Sand und den Kieselsteinen. Unsicher betrachtete ich die rauschenden Wasserwände und die Wellen, die das Wasser über diese Wände nach unten in die Tiefe schwappten.
„Ist das sicher?", rief ich Iona zu, aber sie antwortete nicht. Sie drehte sich auch nicht um. Und weil ich mir nicht sicher war, wie lange die Wassermassen noch geteilt bleiben würden, griff ich nach Aidan's Hand und holte so schnell wie möglich zu ihr auf.
„Das ist total irre", murmelte Aidan und betrachtete die Fische, die an beiden Seiten hin und her schwammen, den Plastikmüll, den die Wellen auszuspucken versuchten und die Algen, die das Wasser leicht grünlich färbten.
„Ich glaube, du wolltest sagen: Es ist sehr beunruhigend", korrigierte Trish, die dicht an Chase gedrückt hinter uns ging. Je länger wir wanderten, desto dunkler wurde es und desto beklemmender wurde das Gefühl, zwischen zwei meterhohen Wassermassen eingeschlossen zu sein, während über uns die Wellen geräuschvoll gegeneinander schlugen. Aidan bemerkte mein Unwohlsein und legte einen Arm um mich. Die Luft war dünn hier unten, auch wenn es angenehm windstill und nicht so kalt war.
Plötzlich erschien Chase' Kopf neben meinem. „Wie war das mit dem aus-gefährlichen-ungeheuren-Situationen-raushalten?"
Ich rollte mit den Augen und drückte seinen Kopf weg.
Der Ataria war nicht viel anders aufgebaut als der Steinbogen, den ich bereits kannte. Nur war dieser hier glitschig, nass und ich wollte nicht hindurch gehen. Es war mir zu suspekt.
Doch Iona machte deutlich, dass sie mir den Vortritt lassen wollte.
„Ich bin direkt hinter dir", meinte sie und ich fragte mich, warum sie sich die Mühe machte, das zu betonen und sich tatsächlich ziemlich knapp hinter mich stellte, als wollte sie mich jeden Augenblick durch das Portal stoßen.
Die paranoide Seite in mir war sich ganz sicher, bei Cillian zu landen, sobald ich durch dieses Portal gehen würde, aber der durchgedrehte Teil von mir tat trotzdem den Schritt nach vorne.
Und wie hätte es auch anders sein können? Ich bereute es!
Ich landete zwar nicht bei Cillian, aber das hier war mindestens genauso schlimm. Denn während ich mich etwa fünf Sekunden dem Gefühl eines zerquetschten Mosquitos hingab und mich schon darauf freute, endlich wieder zu Atem zu kommen, schlugen mir plötzlich eiskalte Wassermassen entgegen. Der Schmerz der Kälte und das Brennen in meinen Lungen war alles, an das ich denken konnte. Sobald ich begriff, dass auch der andere Ataria unter Wasser lag, begann ich wie wild zu strampeln, aber ich wusste nicht einmal, wo oben und unten war. Die Strömungen rissen mich hin und her. Ich sah mich um, in der Hoffnung, irgendwo einen Farbunterschied zu erkennen, um den Himmel auszumachen, aber das Schimmern hätte genauso gut der Aufstieg zum Himmel (eher zur Hölle) sein können, so knapp sah ich mich schon wieder an der Todesschwelle, als ich das Wasser nicht mehr aus meinen Lungen raushalten konnte. Doch noch bevor die schwarzen Pünktchen, die vor meinen Augen tanzten, zum Sensenmann mutieren konnten, prallte ich auf trockenem Boden auf und versuchte das beißende Salzwasser auszuhusten, während ich im selben Moment Luft in meine Lungen bringen wollte. Ich krallte meine Finger in den nasskalten Sand und die kleinen Steine. Meine Kleidung war komplett durchtränkt und klebte kalt an meiner Haut.
Als ich nach einigen Augenblicken den Kopf hob und aufsah, stand Iona nur wenige Meter von mir entfernt und sah grübelnd auf mich herab. Sie sah nicht durchweicht aus. Die Wasserwände bewegten sich immer noch von uns weg, bevor sie in einem Abstand von etwa fünf Metern voneinander stehen blieben. Sprechen konnte ich noch nicht. Meine Lungen brannten und ich glaubte, immer noch zu ersticken. Keine zehn Sekunden später taumelte Trish durch das Portal und sah wasserleichenblass aus. Die Reise durch das Portal hatte ihr anscheinend auch zugesetzt, allerdings riss sie geschockt die Augen auf, sobald sie mich pitschnass und hustend auf dem Boden kauern sah.
„Was ist passiert?", fragte sie, zog mir meine nasse Jacke aus und warf mir ihre über. Ich hustete noch ein paar Mal, bevor ich es schaffte, ihr zu antworten.
„Ich bin im Wasser gelandet."
„Du bist was?", hörte ich Aidan fassungslos rufen, der wie ein frischgeborenes Lämmchen auf mich zu stolperte und sich dabei die Schläfen rieb. Ich rappelte mich mit Trish's Hilfe hoch und funkelte Iona böse an.
„Was sollte das?!", rief ich außer mir, sobald ich mir das Schreien zutraute.
Sie kam auf mich zu und wollte ihre Hände auf mich legen. „Ich kann deine Sachen, trocknen, wenn du-"
„Fass mich nicht an!" Ich schlug ihre Hände weg. „Du hast doch den Verstand verloren, ich hätte ertrinken können!"
Sie sah mich immer noch ausdruckslos an. „Ich hatte gehofft, ein kleiner Schreck könnte dich zum Zaubern verleiten, aber anscheinend habe ich mich geirrt." Ungläubig blinzelte ich sie an, unfähig etwas darauf zu antworten. „Mein Fehler." Sie drehte sich um und begann erhobenen Hauptes zwischen den parallel verlaufenden Wasserwänden zum Strand zu schreiten, der bestimmt einige hundert Meter von uns entfernt lag.
„Die sind doch alle geisteskrank", bibberte ich ungläubig und schüttelte den Kopf.
„Ich hab dich gewarnt", meinte Chase. Wann genau er durch das Portal gekommen war, hatte ich nicht mitbekommen, aber hinter ihm traten die zwei Frauen heraus, die den Gepäckschlitten schleppten.
„Nicht hilfreich", zischte Trish ihn an.
„Er hat doch recht", warf ich ein und drückte mich an Aidan. „Ich hab es nur satt, ständig halb umgebracht zu werden. So satt!"
„Alles andere wäre auch beunruhigend." Aidan drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Kommt schon", grummelte Chase. „Lasst uns gehen und diesen Irrsinn so bald wie möglich beenden."
~~ ~~
Die Insel, auf der wir uns hier befanden, sah etwas anders aus. In Schottland war weit und breit nichts außer Landfläche, Strand und Meer zu sehen gewesen. Diese Insel war weitaus größer und je näher wir dem Strand kamen, desto mehr wurde mir bewusst, dass wir auf ein kleines Dorf zusteuerten. Einen Hafen. Und in der Ferne konnte ich bereits das Schloss ausmachen, das vermutlich für die nächste Zeit mein Zuhause sein würde. Und wenn ich nicht immer noch so wütend auf Iona gewesen wäre, dann hätte ich sie vielleicht gefragt, warum sie sich nicht die Mühe gemacht hatte, dieses Schloss auch mit einem... was war es gewesen? Unsichtbarkeitszauber zu schützen? Aber um ehrlich zu sein, war es mir piepschnurzegal, solange ich nicht wieder in einem Monsterlabyrinth abgestochen werden würde.
Oder generell abgestochen werden würde.
Obwohl Trish mir ihre Jacke gegeben hatte und ich mich an meinen persönlichen Heizkörper drückte, zitterte und bibberte ich, als wäre ich vom Blitz getroffen worden. Mein Nacken und meine Schultern taten davon bereits weh. Meine Zähne waren es auch schon Leid, aufeinander zu schlagen, wie ein viel zu schnelles Metronom.
An der Küste wartete Iona noch darauf, dass die Packesel weit genug vom Wasser entfernt waren, bevor ein einzelnes Blinzeln die Wassermassen in sich zusammenfallen ließen. Als dass passierte zuckte ich zusammen, denn für einen Augenblick vermutete ich, dass die entstehende Welle versuchen würde, auf uns zuzuschwappen, aber das tat sie nicht.
„Okay, also, langsam will ich wirklich nichts mehr mit Magie zu tun haben", schimpfte ich zähneklappernd. Meine Meinung änderte sich auch nicht, als wir durch den Hafen liefen und Iona mit einem Mann redete, der uns kurz darauf zu einer riesigen Kutsche führte. Im Gegenteil. Ich mochte Pferde nicht. Sie stanken. Und manchmal traten oder bissen sie einen. Und mir war kalt. Und ich wollte einfach nur eine warme Dusche und eine Nackenmassage und vielleicht ein bisschen Zeichnen. So anspruchsvoll war ich doch nun wirklich nicht, und trotzdem schien ich nie auch nur die simpelsten meiner Wünsche erfüllt zu bekommen.
Stattdessen wurde ich gute dreißig Minuten ordentlich durchgeschüttelt, während wir durch das Dorf und über die Hügel, zwischen den Bäumen hindurch zu dem Schloss geführt wurden. Dahinter waren ein riesiger See und ein weitläufiger Wald. Es war ganz anders, als in Schottland (irgendwie märchenhafter) und ich fragte mich, ob hier früher tatsächlich Menschen gelebt hatten.
Und obwohl ich bei meiner Ankunft beinahe ertrunken wäre, musste ich mir eingestehen, dass ich mich hier bereits jetzt wohler fühlte, als in Schottland. Woran genau das lag, wusste ich nicht mit Sicherheit. Vielleicht lag es daran, dass das Schloss ein bisschen hübscher war. Es war symmetrischer und aus hellem, beinahe weißem Stein gebaut. Der Kutscher ließ uns direkt vor dem Eingangstor aussteigen und ich sah nicht viel von dem Garten. Was mir jedoch sofort auffiel war, dass hier kein Wetterzauber zu wirken schien, denn es war genauso arschkalt, wie am Hafen. Dafür war es innen angenehm warm und hell. Die Teppiche und Vorhänge waren in einem dunklen königsblau gehalten. Viel sah ich auch von dem Schloss nicht, denn Iona führte uns sofort auf ein Zimmer im ersten Stock. Mir war das ganz recht, denn je schneller ich aus den nassen, kalten Sachen raus konnte, desto besser.
„Das hier war mein Zimmer, als ich ein Kind war", sagte sie und ließ mich als erstes eintreten. Auch hier war alles in dem hübschen, dunklen Blauton gehalten. Sie zeigte auf eine Türe neben dem riesigen Himmelbett. „Da hinten ist das Badezimmer. Zieh dich um, sonst erkältest du dich."
„Danke für den Tipp", murmelte ich nur. Die beiden Frauen zogen unsere Koffer ins Zimmer und verließen es dann sofort wieder.
„Ich werde Räume für deine beiden Freunde vorbereiten lassen." Sie zeigte dabei auf Chase und Trish. Sollte das heißen, dass Aidan auch in diesem Zimmer wohnen bleiben durfte? Sie war schon fast aus der Türe draußen, aber ich hielt sie verwirrt zurück.
„Warte, ich dachte, da gibt es so eine Regel... äh... Männlein und Weiblein schlafen getrennt voneinander, wenn sie nicht verheiratet sind." Ich warf Aidan einen irritierten Blick zu, aber er schien genauso verwundert.
„Und hast du dich jemals dran gehalten?", fragte Iona und ein wissendes Lächeln trat auf ihre Lippen.
„Nein", gab ich ehrlich zu.
Ihr Lächeln wurde noch ein wenig breiter. „Ich auch nicht." Damit verließ sie den Raum.
Verdutzt sah ich ihr nach. „Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich sie mögen oder hassen soll..." Aber ich konnte sie nicht hassen, wenn sie mich mit Aidan im selben Zimmer wohnen ließ.
Du solltest deine Prioritäten klären, dachte ich kopfschüttelnd, als ich mir in Erinnerung rief, dass sie mich beinahe ertränkt hätte.
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