31

Beverly

„Schwarze Rosen", sagte Iona und betrachtete die pechschwarzen Blätter und die spitzen Dornen. „Ein simpler Zauber, der über Jahrzehnte wirkt. Schade, dass Corona diesen Ort so verkommen lässt. Er war einer meiner Lieblingsplätze hier im Schloss, als ich so alt war wie du." So alt wie ich. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Stattdessen sah ich mich um. Dass der Ort verkommen aussah, fand ich nicht unbedingt. Überall standen die hohen, aber überschaubaren Rosensträucher herum, die kleine Durchgänge bildeten, welche in die Mitte des kleinen Rosengartens führten. Und wenn ich klein sage, dann meine ich: So klein, wie es in Relation eines Schlosses eben geht. Ich hatte nicht gedacht, jedes Fleckchen des Gebäudes, oder der kleinen Insel zu kennen, aber mit einem Rosengarten hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Auch hier wirkte der Wetterzauber und die Rosen dufteten so intensiv, dass ich beinahe Kopfschmerzen bekam. Außerdem fühlte es sich seltsam an, wieder draußen zu sein. Ich fühlte mich noch immer etwas schwummrig und wackelig auf den Beinen, weil ich noch nichts gegessen hatte und generell noch ziemlich erschöpft war. Gut, der Alkohol auf leeren Magen war dumm gewesen, aber ich konnte ihm nicht alle körperlichen Beschwerden zuschieben.

„Wieso schwarz?", fragte ich schließlich. Es waren die ersten Worte, die ich sprach, seit sie mein Zimmer betreten hatte und Iona sah nicht einmal auf, als sie antwortete.

„Theo's Mutter hat Schwarz geliebt. Die weißen und roten Rosen, die ihr Mann hier gezüchtet hatte, waren ihr zu schlicht und normal. Also hat Theo einen Zauberspruch entwickelt, der jede Blüte in ein tiefes, reines schwarz verwandelt hat."

„Du hast gesagt, es war dein Lieblingsort, als du so alt warst, wie ich", bemerkte ich, weil Theodoric, meines Wissens nach, knapp dreißig Jahre älter war als sie, und das für einen Zauberer noch ein Babyalter war. „Er war wohl ziemlich talentiert, was das Schreiben anging, wenn er damals schon Rosen verzaubern konnte." Ich konnte nicht verhindern, dass eine gewisse Menge Frust in meinen Worten mitschwang. Theodoric hatte mit seinem ersten, selbstgeschriebenen Zauberspruch bestimmt keinen Phönix umbringen müssen.

„Er war sehr gut, ja. Aber wie gesagt: Den Zauber, mit dem er die Blumen verfärbt hat, war nicht sonderlich anspruchsvoll." Einen Moment lang verweilte ihr Blick noch auf der Blüte, dann drehte sie sich zu mir und musterte mich. Ich stand einige Meter von ihr entfernt. „Es kommt mir fast wie gestern vor, als ich Arthur und Corona gebeten habe, den Transferzauber durchzuführen."

Ich war mir nicht sicher, ob das Zeitgefühl einer Person, die über dreihundert Jahre alt war, nicht ohnehin etwas verschroben war.

„Naja, zwanzig Jahre müssen dir wie ein Wimpernschlag vorkommen", meinte ich daher.

Sie lächelte. „Setz dich." Mit dem Kopf nickte sie zu einer der kreisförmig aufgestellten Steinbänke, in dessen Mitte natürlich ein riesiger Rosenstrauch aus dem Boden ragte. Ich schlang mir den kuscheligen, dunklen Schlafmantel noch enger um den Körper und folgte ihrer Einladung.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich wohl dabei fühlte, mit meiner Hexenmutter in einem schwarzen Rosengarten zu sitzen, während ich genau wusste, dass irgendjemand im Schloss versucht hatte, mich umzubringen. Ich glaubte zwar nicht, dass es meine eigene Mutter gewesen war, aber ich fühlte mich im Augenblick doch ziemlich verletzlich. Nicht zu vergessen wusste ich ganz genau, dass jetzt der Moment gekommen war, den ich so lange angestrebt hatte. Der Moment, in dem ich endlich all meine Fragen beantwortet bekommen würde. Der Moment, den ich plötzlich am liebsten noch etwas hinausgezögert hätte.

Wie auf Kommando gab mein Magen ein lautes Knurren von sich.

„Du hast noch nichts gegessen, oder?", fragte Iona, als ich mir peinlich berührt eine Hand auf den Bauch drückte.

„Nein..."

Sie machte eine schwungvolle Handbewegung und wie aus dem Nichts lag ein Apfel in ihren Händen. „Jetzt weiß ich, von wem Corona den Trick hat", bemerkte ich und zog die Augenbrauen hoch.

„Du hast eine Woche lang nichts gegessen." Iona hielt mir den Apfel hin. Schokolade wäre mir lieber gewesen. „Fang lieber mit etwas Leichtem an." Ich musste wieder an den Alkohol denken und fühlte mich irgendwie schuldig. Es war seltsam, dass Iona mit dem Tonfall einer sorgenvollen Mutter zu mir sprach. Das war ich nicht gewöhnt und darauf vorbereitet war ich auch nicht. Trotzdem nahm ich den Apfel entgegen und begann an der dunkelroten Schale zu knabbern.

Gerade, als ich mich fragte, ob nur ich mich in dieser Stille so unwohl fühlte, begann Iona zu sprechen.

„Es war der 19. Juni, falls du dich gewundert hast." Ich ließ den Apfel sinken und sah sie an. „Der 19. Juni 1997. An diesem Tag ist Theodoric gestorben. An diesem Tag habe ich Arthur und Corona um Hilfe bei dem Zauber gebeten." Ihr Blick traf meinen. „Ich bin sicher, dass sich viele Fragen gesammelt haben und ich werde versuchen, sie zu beantworten." Jetzt sah sie mich abwartend an. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo ich beginnen sollte. Über den ganzen letzten neunzehn Jahren meines Lebens stand ein großes Fragezeichen.

Nachdenklich sah ich auf meine Hände. „Ich habe eigentlich nur eine Frage."

„Und die wäre?", fragte Iona überrascht.

„Wie zum Teufel ich in einem Bademantel mit einer fünf Finger langen Narbe an meiner rechten Seite in Schottland aufgewacht bin." Ich sah ihr in die Augen und obwohl ich es todernst gemeint hatte, musste sie schmunzeln. „Ich habe nämlich keine Ahnung, wie mein Leben so derartig aus den Fugen geraten konnte."

„Ich bezweifle, dass dein Leben jemals in den Fugen gewesen ist", erwiderte sie. „Seit klar war, dass du eine Schreiberin bist, ist dein Schicksal vorherbestimmt gewesen."

„Wunderbar."

„Und den Sarkasmus hast du eindeutig von Theodoric."

„Hab ich schon mal gehört", murmelte ich, aber ich bezweifelte immer noch, dass Sarkasmus vererbbar war.

„Lass mich ganz von vorne beginnen", meinte Iona und verschränkte die Finger ineinander. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als mir klar wurde, dass ich nun ihre Geschichte, und zum Teil auch meine eigene erfahren würde. „Ich selbst hätte nie Königin werden sollen. Aber mein Bruder, Arthur -nachdem ich später meinen Sohn benannt habe- ist gestorben, als er zwei Jahre alt war. Ich habe ihn nie kennengelernt. Dann kam meine Schwester, Avoi. Jeder hat sie geliebt, die Hexen und Zauberer haben in ihre eine wunderbare und würdige Königin gesehen. Sie war wie geschaffen dafür, das war sie wirklich. Dafür habe ich sie bewundert. Meine Eltern haben mich also kaum beachtet." Sie hielt inne. „Nein, das stimmt nicht ganz. Sie haben mich bestimmt geliebt, aber ich war nie ein Kind, von dem man gedacht hätte, es hätte Führungspotential. Also war ich für sie... einfach nicht ganz so wichtig." Mit dieser Geschichte konnte ich mich nur allzu gut identifizieren. Ich hatte auch immer in Vicky's Schatten gestanden, aber das hatte wohl noch andere Gründe gehabt.

„Avoi ist sie im Alter von nur achtzehn Jahren umgebracht worden. Von Zauberern und Hexen, die der Meinung waren, sich nicht von einer Frau regieren lassen zu dürfen."

„Das war bestimmt ein nettes Zeitalter", bemerkte ich.

„Ist es bei den Menschen etwa besser?", hakte sie nach und wusste, dass ich nicht voller Überzeugung nicken konnte.

„Naja, aber wir... Wir haben farbige Präsidenten und... und... Frauen in Führungspositionen und... homosexuellen Hochzeiten." Mehr fiel mir nicht ein. Mehr hatte sich vermutlich in all der Zeit zwischen Iona's und meiner Geburt auch nicht verändert. Wir Menschen waren einander immer noch nichts vergönnt. Wir Menschen hantierten noch immer mit Waffen herum. Wir Menschen zogen immer noch Landes- und Bundesgrenzen, um uns von anderen abzusondern. Was den Menschen vor vierhundert Jahren ausgemacht hatte, machte ihn vermutlich auch heute noch aus.

„Du stellst dich auf die Seite der Menschen", bemerkte Iona mit wachsamen Blick. „Du siehst dich als eine von ihnen?"

„Ich sehe mich zumindest nicht als keine von ihnen", meinte ich vorsichtig. Der seltsame Blick verweilte noch einen Moment in ihren Augen, bevor sie weitersprach.

„Es ist heute noch nicht überall so, wie bei den Menschen. Das Denken der Menschen hat sich über die Jahrhunderte vielleicht minimal geändert, aber die meisten Hexen und Zauberer wurden in einer Zeit geboren, in der Frauen nichts zu sagen hatten. Dieses Denken hat sich nur in wenigen Häusern und Familien geändert."

„Hier hat es sich geändert."

Sie neigte den Kopf hin und her. „Mehr oder weniger. Aber es gibt nur drei Hexenköniginnen und du kennst alle."

Ich nickte. „Du, Acacia und Corona."

Sie nickte. „Das Consilium besteht fast nur aus Männern. Wir drei sind die einzigen Frauen."

„Das Consilium?"

„Der Zusammenschluss aller... Könige und Königinnen aus unseren Kreisen, wenn man so will."

Ich erinnerte mich dunkel daran, etwas darüber in ihrem Tagebuch gelesen zu haben. „Gibt es da auch... sowas wie ein Oberhaupt?"

Sie nickte. „Natürlich. Ursprünglich hätte ich es sein sollen, doch als Theodoric seine Gabe, Zaubersprüche zu schreiben, vor dem Consilium bekannt gegeben hat, haben sie ihn als Oberhaupt auserkoren."

„Und jetzt? Er ist doch tot. Bist du es wieder?"

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Seit der Sache mit Odilia wollen sie mich nicht mehr an der Spitze sehen. Nach Theo's Tod war es Akeno Kobayashi. Aber er ist vor fünf Jahren bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Seitdem ist Acacia das Oberhaupt."

„Acacia?" Ich verzog unwillkürlich das Gesicht. Ich mochte sie, keine Frage, aber ich war ja schon überrascht gewesen, als sie mir eröffnet hatte, selbst eine Königin zu sein. Jetzt zu erfahren, dass sie auch noch in dem superspeziellen Consilium das Oberhaupt bildete, kam mir fast schon absurd vor.

„Die Oberhäupter werden immer nach Alter, Fähigkeiten, Stärke und Einfluss gewählt."

„Dabei ist sie wohl ziemlich gut weggekommen", bemerkte ich überrascht.

Iona lächelte. „Ich gebe gerne zu, dass Acacia ein... besonderer Mensch ist. Aber sie ist auch eine unglaublich intelligente und starke Hexe."

„Das hat Corona bestimmt gut verdaut." Es war gemein, aber diesen Kommentar konnte ich mir nicht verkneifen.

„Sie hat es akzeptiert", war die Antwort meiner Mutter, aber auch sie konnte nicht leugnen, dass es ein Mitgrund dafür war, dass Corona Acacia nicht mochte. Ich nahm einen ordentlichen Bissen von meinem Apfel. Aus irgendeinem Grund hatte ich ihn mir eklig vorgestellt. Mehlig und geschmacklos. Aber er war sehr süß und saftig.

„Von welcher Sache mit Odilia hast du vorhin gesprochen?", nuschelte ich. „Als du meintest, dass dich das Consilium wegen ihr nicht mehr als Oberhaupt will?"

„Dazu komme ich gleich. Wo bin ich vorhin stehen geblieben?", fragte sie etwas verloren.

„Dass deine Schwester gestorben ist", erinnerte ich, während ich weiterhin den Äpfel abknabberte.

Sie nickte. „Damit war ich zu dem Zeitpunkt die einzige Erbin des Throns, denn meine anderen beiden Brüder waren noch zu klein, und für den Fall, dass meinen Eltern etwas passieren sollte, bis Eoghan Volljährig war, sollte ich als Übergangslösung in Betracht gezogen werden können. Da ich jedoch selbst noch unfassbar jung gewesen bin, haben meine Eltern mich verheiratet." Ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, ihr zu sagen, dass ich einige Teile dieser Geschichte aus ihrem Tagebuch kannte. Vermutlich nicht, also hielt ich den Mund.

„Ein einflussreicher Zauberer aus Frankreich und entfernter Verwandter des damaligen Königshauses. Mit ihm bekam ich meine erste Tochter, Odilia." Sie machte eine Pause und ließ ihren Blick durch den Garten schweifen. „Er hat Odilia nach Frankreich gebracht, kurz nachdem sie geboren wurde. Auf dem Weg dorthin wurde er umgebracht, aber meine Tochter hat überlebt. Sie kam zu Looïc's Bruder nach Frankreich und sollte dort aufwachsen."

„Wieso?"

„Weil die damalige königliche Hexenfamilie keine Nachfolger hatte. Und da Looïc ein entfernter Verwandter war und plötzlich eine Tochter gehabt hat, wurde sie dem Königshaus... zur Verfügung gestellt. Odilia ist eine sehr, sehr mächtige Hexe, nur wusste ich das nicht. Looïc war nicht unbedingt der stärkste Zauberer und ich habe mir nicht vorstellen können, selbst so stark zu sein. Meine Eltern haben mich immerhin kaum zaubern lassen." Sie sah mich an. „Ich dachte, ich würde Odilia nie wieder sehen."

„Das muss... schrecklich gewesen sein." Bestimmt hätte ich etwas zerknirschter geklungen, wenn der Apfel in meinem Mund nicht geknuspelt und ich nicht beinahe gesabbert hätte.

„Natürlich war es das, aber ich kann nicht behaupten, dass es mich überrascht hat." Sie sah mir direkt in die Augen. „Und wenn ich an das denke, was ich ihr angetan habe, wäre es vielleicht besser gewesen, sie wäre in Frankreich geblieben." Ich schluckte meinen Bissen schwer hinunter. „Kurz nach Looïc's Tod haben mich meine Eltern mit Theo vermählt. Auf unserer Verlobungsfeier ist Looïc's Bruder auch aufgetaucht. Er wollte mich heiraten, weil er gesehen hat, was für ein starkes Baby Odilia war, und diese Kräfte unmöglich von seinem Bruder kommen konnten. Das war der Moment, in dem ich begriffen habe, dass ich eine starke Hexe sein musste. Er hat mir erzählt, dass im ganzen Schloss die Fenster zersprungen sind, wenn Odilia geweint hat. So etwas habe ich nie wieder erlebt. Bei keinem meiner anderen Kinder."

„Also wollte er dich nur heiraten, um eine Armee von mächtigen Hexenbabies zu züchten?", hakte ich angewidert nach.

„In einer gewissen Weise, ja. Dadurch, dass er Odilia's Onkel und ein verwandter der damaligen Herrscher war, war er auf bestem Weg, die Herrschaft in Frankreich an sich zu reißen, aber nur, wenn er selbst direkte Nachfolger haben würde. Und die wollte er von mir."

Ich verzog das Gesicht und war plötzlich heilfroh, dass niemand mit mir Kinder haben wollte, einzig und allein, um an Macht zu gelangen. Noch dazu, da ich keinerlei Intentionen hatte, jemals selbst Kinder zu haben. Erst recht nicht, seit ich wusste, dass ich eine Hexe war und Zaubersprüche schreiben konnte, denn genau das würde mir wohl letzten Endes zum Verhängnis werden. Ich meine... Ich wäre vor einer Woche beinahe draufgegangen. Sowas wollte ich nun wirklich niemandem sonst antun.

„Theodoric hat es nicht zugelassen." Nachdenklich betrachtete sie einen Punkt auf dem Boden und riss mich aus meinen Gedanken.

„Was hat er nicht zugelassen?"

„Dass ich Looïc's Bruder heirate, nachdem ich eben erst von einem Tyrann losgekommen bin. Aber ich war in Begriff, meine Eltern zu überreden, die Verlobung mit Theo zu lösen, denn ich wollte mein Kind wieder haben und Odilia war in Frankreich. Ich hatte so unfassbar große Angst, dass man ihr wehtun oder sie schlecht behandeln würde. Oder als Waffe benützen würde." Iona blickte nachdenklich zu den Wolken hinauf und ich folgte ihrem Blick. „Im Sommer ist es hier kaum bewölkt." Diesmal bemerkte ich das goldene Leuchten in ihren Augen und nur wenige Sekunden darauf lichtete sich die trübe Wolkendecke und die ersten Sonnenstrahlen trafen auf uns und die Rosensträucher. Ich atmete auf. Es war das erste Mal seit langem, dass ich die Sonne wieder sah und es tat unendlich gut.

Iona drehte sich wieder zu mir. „Theo hat Looïc's Bruder in sein Arbeitszimmer geholt. Ich weiß bis heute nicht, was die beiden beredet haben, aber Looïc's Bruder ist verschwunden und wenige Tage darauf ist Odilia aus Frankreich zu mir zurück gebracht worden." Sie stand auf und atmete durch. „Theo war ein guter Mann. Er hat sich mehr um Odilia gekümmert, als ich es je gekonnt hätte. Ich habe mich unendlich gefreut, mein Baby wieder zu haben, aber..." Ein schuldbewusster Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht, den sie sogleich zu verstecken versuchte. „Als Corona geboren wurde, habe ich... Odilia nicht mehr als meine Tochter und rechtmäßige Erbin angesehen."

„Weil du Theodoric geliebt hast", sagte ich, als wäre es der einzig logische Grund, und Iona sah mich an. „Du hast Theodoric geliebt und Looïc gehasst." Ich konnte ihr schlecht einen Vorwurf dafür machen, dass sie Theodoric's Kind bevorzugt hatte. Mir wäre es bestimmt nicht anderes ergangen.

„Ich habe ihn gehasst, ja." Sie nickte. „Nur hätte ich Odilia niemals hassen dürfen. Aber ich war viel zu jung und zu der Zeit konnte ich meinen Hass Looïc gegenüber nicht unterdrücken. Er war tot und ich konnte meine Wut nicht mehr an ihm auslassen. Also habe ich Odilia für die Dinge bestraft, die er mir angetan hat. Ich habe sie mit nur vierzehn an einen Mann verheiratet, der genauso grausam war, wie Looïc. Heute tut es mir im Herzen weh, wenn ich daran denke, wie ich sie behandelt habe." Und mir tat die Reue in ihrer Stimme weh, aber etwas daran störte mich. Obwohl Iona eindeutig bereute, was sie getan hatte, hatte ich gleichzeitig das Gefühl, dass sie sich von der ganzen Geschichte distanzierte. Ihre Worte über Odilia klangen alle ein wenig kühl -beinahe desinteressiert.

„Aber Theo und Odilia haben immer viel Zeit miteinander verbracht. Er hat ihr Dinge beigebracht, die er unseren Kindern nie beigebracht hat. Er hat sogar lange Zeit mit dem Gedanken gespielt, sie die Erbin seines Throns werden zu lassen. Er hat sie sehr geliebt." Wie Corona darauf wohl reagiert hat? „Oh, Corona hat Odilia gehasst."

Ich blickte auf und Iona sah mich an. Mir wurde bewusst, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte und lief bestimmt rot an.

„Odilia hatte bereits einen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron in Frankreich und meinen in Irland. Als Theo mit dem Gedanken gespielt hat, ihr auch Schottland zu überlassen..." Sie schüttelte den Kopf. „Das haben ihm die Wenigsten verziehen."

„Also war Odilia eine Außenseiterin", bemerkte ich und hatte plötzlich Mitleid mit ihr, obwohl ich sie nicht kannte. Ich sah ein Mädchen, das von der Mutter verabscheut und vom Stiefvater geliebt, dafür aber wiederum von den Geschwistern gehasst wurde.

„Nicht ganz und gar. Einige unserer späteren Kinder haben sich genauso ausgegrenzt gefühlt und sich sehr gut mit Odilia verstanden. Viele meiner Kinder, nach Finley, hatten das Gefühl, gescheiterte Projekte zu sein."

„Wieso?"

„Als Theo bekannt gegeben hat, dass er ein Schreiber war -was er nebenbei gesagt einige Jahrzehnte vor mir und unseren Kindern verheimlicht hat- haben wir versucht..."

„Oh, wow", entfuhr es mir, beinahe angewidert. „Ihr hattet nur deshalb so viele Kinder, weil ihr auf ein Schreiberbaby gehofft habt." Warum mich das so sehr überraschte, wusste ich nicht.

Iona senkte den Blick. „Ganz so war es nicht, aber ich kann nicht leugnen, dass es ein treibender Faktor war." Ein treibender Faktor. Jetzt wusste ich, warum mich alle hier so sehr hassten. Weil ich war, was sie hätten sein sollen. „Diese Gabe ist so unheimlich selten, dass Theo sie an jemanden weitergeben wollte." Sie sah mich an und ich wich ihrem Blick aus. Was hätte ich nur darum gegeben, nicht die Eine zu sein?

„Arlen, Finnea, Brikeena, Dolan... Sie haben sich alle immer sehr gut mit Odilia verstanden. Nur zwischen Corona und Odilia hat immer ein Machtkampf bestanden, denn es liegen nur drei Jahre zwischen den Mädchen. Und da Corona wusste, dass sie ein absolutes Wunschkind war und von mir bevorzugt wurde, Odilia aber einen rechtmäßigen Anspruch auf meinen Thron hatte, war ihr Verhältnis zueinander schwierig." Sie setzte sich wieder neben mich. „1739 sind die Zwillinge, Lyall und Leathan beim Zaubern von Menschen gesehen und umgebracht worden. Sie waren neun Jahre alt." Mittlerweile war mir der Appetit auf den Apfel völlig vergangen. Und auch auf alles andere. „Menschen hatten schon immer Angst vor uns, aber als sie meine beiden Kinder verbrannt haben..." Ihr Kiefer spannte sich an und ich merkte, wie viel Hass sie Menschen gegenüber hegte. Plötzlich wünschte ich mir, mich nicht vorhin auf die Seite der Sterblichen gestellt zu haben. „Nach den beiden habe ich noch Brikeena zur Welt gebracht, aber danach habe ich den königlichen Hof verlassen, weil ich es nicht ertragen konnte, meine Kinder verloren zu haben und tagtäglich an sie erinnert zu werden. Es gibt nichts Schlimmeres, als den Sarg seiner Kinder auswählen zu müssen, Maeve. Oder den Grabstein, oder die Blumen, die die letzte Ruhestätte schmücken sollen." Obwohl ich es hasste, dass sie mich Maeve nannte, sagte ich nichts, denn der Schmerz ihres Verlustes stand noch immer in ihrem Gesicht geschrieben. Plötzlich sah sie mich ernst an.

„Was ich dir jetzt erzähle, erzähle ich dir nur, damit du die ganze Geschichte verstehst, aber ich hoffe, dass du es für dich behalten kannst." Mich beschlich das dumpfe Gefühl, dass sie mir gleich ihren Fehltritt beichten würde und die Tatsache, dass Thomas nun mal nicht Theodoric's Sohn war. Und ich sollte recht behalten.

„Ich war über zehn Jahre weg und habe ein Kind erwartet, als ich zurückkam. Aber nicht von Theodoric. Thomas, ich bin sicher, du hast ihn kennengelernt." Ich nickte. „Theo hat natürlich gewusst, dass er unmöglich sein Sohn sein konnte, doch er hat nichts gesagt. Im Gegenteil, er hat alle Zweifel von anderen im Keim erstickt und felsenfest behauptet, dass ich schon vor einigen Monaten zurückgekommen sei, es nur niemandem gesagt habe und danach wieder abgereist bin." Wieder lag ein wehmütiger Ausdruck in ihren Augen. Mir wurde mehr und mehr klar, wie viel Theodoric wohl auf sich genommen hatte, nur um Iona zu beschützen. Er musste sie wirklich sehr geliebt haben.

„1790 hat Odilia Cillian kennengelernt. Ich weiß nicht, wie das passiert ist. Ich wusste auch lange Zeit nichts von seiner Existenz. Lediglich habe ich bemerkt, dass sie öfters für mehrere Stunden das Schloss verlassen hat. Aber schon als Kind wollte sie häufig in den Wald, oder an Seen -an Orte, die ruhig sind, um an ihrer Magie zu arbeiten. Sie war nicht nur eine starke Hexe, sondern auch immer eine sehr ehrgeizige. Doch eines Tages kam sie zu mir und verkündete, ein Kind zu erwarten. Ihr Mann hat gemeint, dass es unmöglich von ihm sein kann." Sie seufzte. „Und dann habe ich den wohl größten Fehler gemacht, den ich hätte machen können. Ich habe sie hinausgeschmissen und ihr das Recht auf den Thron verweigert. Daraufhin hat Odilia mich angeschrien und gesagt, dass ich nicht besser bin als sie."

„Wegen Thomas? Woher wusste sie das?", hakte ich irritiert nach.

Iona schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Theodoric hat wieder versucht, mich in Schutz zu nehmen, aber die Gerüchte haben sich ab dem Zeitpunkt auch innerhalb des Schlosses festgesetzt."

„Was ist passiert, nachdem du Odilia hinausgeschmissen hast?"

„Ich nehme an, dass sie zu Cillian zurückgegangen ist. Aber ich weiß nicht, was dann passiert ist." Sie zog die Augenbrauen zusammen und ich hielt die Luft an. „Wir haben versucht, die beiden zu finden, aber er und Odilia sind weggelaufen und die darauffolgenden Jahre herrschte Krieg zwischen unserer Familie und den zweien. Sie haben Anhänger gesucht und schnell gefunden, um unsere Familie auszulöschen. Um Odilia zu rächen. Um ihr den Weg zu Irland's und Frankreich's und Schottland's Thron zu ermöglichen."

„Wer würde sich so jemandem anschließen?", fragte ich ziemlich dämlich heraus.

„Beide sind stark und wahnsinnig mächtig. Vielleicht durch Angst und Tyrannei", vermutete Iona. „Dadurch erreicht man vieles. Als wir Cillian nach Jahren endlich gefangen haben und hinrichten wollten..."

„Ist er nicht verbrannt", schlussfolgerte ich. „Weil er ein Phönix ist."

Iona nickte. „Nur wussten wir das damals nicht. Er ist entkommen und wir haben lange Zeit gerätselt, warum ihn das Feuer nicht getötet hat, bis wir auf uralte Schriften über Phönixe gestoßen sind. Das Einzige, was wir von da an tun konnten, war darauf zu hoffen, dass Theo oder einer der anderen Schreiber eine Lösung findet und einen Zauberspruch entwickeln kann, der ein solch wundersames Wesen umbringt." Das war wohl das Ende ihrer Geschichte. Ich schluckte, denn ich wusste, dass jetzt meine eigene an der Reihe war.

„Alles, was Theo jemals gewollt hat, war ein Kind, mit seiner Gabe. Und das bist du." Wieder wich ich ihrem Blick aus. „Es ist bedauerlich, dass ihr euch nie kennenlernen durftet."

„Bedauerlich", murmelte ich. Abgesehen davon, dass ich gerne die Chance gehabt hätte, meinen leiblichen Vater kennen zu lernen, hätte er mir bestimmt das Schreiben von Zaubersprüchen beibringen können.

„Er hat es gespürt", fuhr sie fort. „Deine Magie. Deine Macht. Er wusste, dass du das Kind sein wirst, auf das er so lange gewartet hat. Er hat alles in Büchern festgehalten. Er hat alles niedergeschrieben, was er über das Schreiben wusste und über die Jahrhunderte herausgefunden hat."

„Er wusste doch wohl nicht, dass er sterben wird, oder?", fragte ich irritiert. Iona neigte den Kopf hin und her und bedachte mich mit einem seltsamen Blick.

„Maeve... Magie ist eigenwillig. Magie ist gefährlich und kaum etwas kommt ohne einen Preis. Besonders nicht, wenn man mit schwarzer Magie hantiert. Als Theo eines Nachts von Cillian's Anhängern schwer verletzt zurück ins Schloss gebracht wurde, hätte er gerettet werden können." Ich hielt die Luft an, weil Iona's Blick so eindringlich war. „Arlen hätte ihm helfen können, aber Theo wollte nicht, dass irgendjemandem Bescheid gegeben wird. Stattdessen hat er... mir sein Leben überlassen, wenn man so will."

„Dir?"

„Mir."

„Wofür?"

„Für dich."

Jetzt war ich vollends verwirrt. Iona richtete sich auf.

„Maeve... Auferstehungszauber zählen zu schwarzer Magie. Wenn man jemanden wieder auferstehen lässt, den man liebt, dann stirbt jemand, den man liebt. Das ist der Preis eines solchen Zaubers", erklärte sie. „Aber Theo hat einen Zauber geschrieben, der diese Prozedur umkehren kann. Erst das Leben nehmen, und dann jemandem geben. Er wusste, dass du immer in Gefahr schweben wirst. Er hat den Zauber gesprochen, der mir sein Leben gegeben hat, damit ich es, wenn die Zeit gekommen ist, dir schenken konnte. Nicht alle Hexen und Zauberer besitzen diese Fähigkeit. Eine von fünfhundert vielleicht. Es ist eine seltene Gabe, Menschen vom Tod zurückholen zu können."

„Moment, soll das heißen, er ist wegen mir gestorben?", fragte ich und fühlte mich plötzlich ganz taub. „Theodoric ist wegen mir gestorben?"

„Eine Seele kann man zwar in den Körper zurückholen, aber nur, wenn auch ein Leben geschenkt werden kann. Es ist ein komplexer Zauber", versuchte sie meiner Frage auszuweichen. „Deshalb hätte ich dich nicht wieder zurückholen können. Es mag sich schrecklich anhören, aber ich liebe niemanden auf der Welt so sehr, wie ich dich liebe. Denn du bist Theodoric's Erbin, wenn du so willst. Und sein Leben lebt in gewisser Weise in dir weiter. Ich liebe niemanden so sehr, wie dich, deshalb würde ein solcher Zauber kein zweites Mal funktionieren."

Ich blinzelte sie an. „Ich bin für den Tod meines Vaters verantwortlich?", sagte ich langsam und nachdrücklich. Iona sah mich mit verschlossenem Blick an.

„Nein. Es war seine Entscheidung. Du warst noch nicht einmal geboren."

„Ich dachte, Cillian hat ihn ermordet." Diese ganze Sache wollte einfach nicht in meinen Kopf rein.

„Das dachten alle, ja."

„Warum? Warum hast du keinem die Wahrheit gesagt?"

Sie musste schmunzeln. „Weil ich wusste, dass sie dich ohnehin schon hassen würden." Aufmunternd. „Du kannst es ihnen nicht verdenken. Du bist das Kind, auf das Theo und ich all die Jahre gewartet haben. Du wärst sein ein und alles gewesen. Du warst sein ein uns alles, sobald er wusste, dass es dich gibt. Und ja, er hat sein Leben für dich gegeben." Ich wollte nicht für den Tod meines Vaters verantwortlich sein. Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass meine Geschwister ihren Vater und meine Mutter ihren Mann verloren hatten.

„Erst vor wenigen Wochen, als klar war, dass es dich gibt, habe ich Corona, Arthur, Finley und Arlen gesagt, was in dieser Nacht tatsächlich passiert ist. Dass vor einem Jahr, als ich dich zurückgeholt habe, niemand gestorben ist, den ich liebe, sondern dass Theo den Preis vor zwanzig Jahren bezahlt hat." Mir war schlecht. Der Apfel meldete sich wieder zu Wort. Vermutlich wäre mir auch mit leerem Magen schlecht gewesen.

„In derselben Nacht, habe ich Corona und Arthur gebeten, den Transferzauber durchzuführen."

Ich ließ den halb aufgegessenen Apfel fallen, stütze meine Ellenbogen auf die Knie und hielt mir den Kopf. Der Boden bewegte sich unter mir und ich hatte das Gefühl, gleich von der Steinbank zu kippen.

„Vielleicht solltest du wieder auf dein Zimmer gehen und dich noch etwas ausruhen." Als ich ihre Hand auf meinem Rücken spürte fuhr ich hoch und rutschte ein Stück weiter weg von ihr.

„Nein." Ich schluckte und schüttelte den Kopf. Ich wollte jetzt wissen, was sie mir noch zu erzählen hatte. Für einen melodramatischen Zusammenbruch, weil ich praktisch meinen eigenen Vater umgebracht hatte, war später auch noch Zeit.

„Weißt du denn, bei wem ich gelandet bin? Bei wem ich aufgewachsen bin?", fragte ich daher, weil ich mich die ganze Zeit schon gewundert hatte, wie der Familienzweig verlaufen war. Iona nickte.

„Nachdem ich dich gefunden habe, bin ich den Stammbaum unserer Familie durchgegangen. Mein jüngster Bruder, Graham und seine Frau Scarlette hatten zwei Kinder. Cathrina war eine Hexe, Mathilda nicht. Sie wurde verstoßen und aus der Hexengemeinschaft ausgeschlossen, daher war ihr Stammbaum auch in unseren Aufzeichnungen nicht zu finden. Aber ich habe nachgeforscht und da wir alle momentan damit beschäftigt sind, Hexen und Zauberer zu finden, die unter Menschen aufgewachsen sind, sind wir dabei, den Stammbaum unserer Familie zu vervollständigen. Die Frau bei der du aufgewachsen bist, gehört etwa in die elfte Generation dieser Linie. Sie war meine Großnichte, wenn du so willst. Unzählbar vielen Grades."

„Was ist mit Dentalion?"

„Ich habe ihn auf dich angesetzt. Ich wollte dich mit der Welt der Magie vertraut machen. Ich wollte, dass du einen Beschützer dabei hast. Jemanden, der dich letzten Endes zu uns zurückbringt. Und so war es ja auch."

„Das verstehe ich nicht."

Iona holte tief Luft. „Dentalion hat dich gefunden, als du ein Kind warst und sich an dich gebunden. Er hat dafür gesorgt, dass dir nichts passiert."

„Ich glaube, wir haben unterschiedliche Definitionen von nichts passiert", erwiderte ich.

Sie nickte entschuldigend. „Ich weiß alles von Rosemary, Chase und Dr. Kennedy."

„Warum überrascht es mich nicht, dass alle drei ihre Finger im Spiel hatten?"

„Dr. Kennedy hat nicht von Anfang an gewusst, wer du bist", erwiderte sie. „Das wusste er erst, als Dentalion es ihm gesagt hat." Ich erinnerte mich daran, dass Dentalion sich in meinen Körper gezwungen und Dr. Kennedy gesagt hatte, dass ich Maeve hieß. Das war anscheinend der springende Punkt gewesen.

„Dann kanntet ihr euch wohl", bemerkte ich.

„Dr. Kennedy ist ein Zauberer", erwiderte sie und ich zog die Augenbrauen hoch. Es war ein befremdlicher Gedanke, dass Zauberer und Hexen unter Menschen leben sollten. Das sah Iona mir an. „Außerhalb der Königshäuser leben fast alle Hexen und Zauberer unter Menschen. Er gehört nicht zu unserer Familie, aber er ist ein guter Freund von mir und hat dich nach Modoc geschickt, weil er wusste, dass du dort sicher sein würdest."

Sicher." Ich spuckte das Wort förmlich aus. „Er hat mich in ein Dämonenschlachthaus geschickt."

„Modoc ist weit mehr als das", meinte Iona und ein geheimnisvoller Ausdruck legte sich über ihr Gesicht. „Der Gründer, Federal Modoc, war einer meiner besten Freunde, Maeve. Wir haben Modoc zusammen gegründet, um Menschen zu helfen, die an Dämonen gebunden sind. Menschen, die besessen sind. Zur selben Zeit ist der Salvation Vertrag ins Leben gerufen worden."

„Der Vertrag zwischen Hexen und Jägern, richtig?"

„Genau. Es hat einige Jahre recht gut funktioniert, aber wie du siehst hat sich auch unsere Familie nicht an jedes Gesetz gehalten, sonst wären wir schon alle an Altersschwäche gestorben."

„Ja, das hab ich von Brikeena gehört. Die Lebenszeit von Menschen zu stehlen ist sehr... ehrenwert."

„Uns bleibt keine Wahl. Entweder wir oder sie. Und da Hexen ohnehin in der Unterzahl liegen-"

„Was ist mit Project Salvation?"

„Das hat nichts mit uns Hexen zu tun. Project Salvation war lediglich auf Dämonen und die Reinigung von Menschen, die an Dämonen gebunden oder von ihnen besessen sind, bezogen. Es war das eigentliche Ziel, das Federal und ich bei der Gründung angestrebt haben."

Ich schwieg einen Moment lang. „Sie hat es gewusst, oder? Die Leiterin von Modoc."

„Sie wusste, wer du bist, ja. Und Dentalion wusste, dass sie es wissen würde, deshalb wollte er, dass du dort landest."

„Und dann hat sie Chase auf mich angesetzt?"

„Ich habe mir sagen lassen, dass er seinen Job gut erledigt hat."

„Er hat mich verabscheut", erwiderte ich.

„Er hat dir das Leben gerettet. Mehr als einmal."

„Er hat mich auch Selbstmord begehen lassen."

„Du hättest früher oder später einen Weg gefunden, dir das Leben zu nehmen, um Dentalion zu beschützen."

„Und dann hast du mich wieder zum Leben erweckt." Mit Theodoric's Leben. Sie nickte. „Warum hast du mir nicht sofort gesagt, wer ich bin und was du von mir willst, als du wusstest, dass ich... naja, gefunden wurde, nennen wir es Mal so. Warum hast du fast ein Jahr lang gewartet?"

„Weil ich wusste, dass du sicherer bist, solange du es nicht wusstest."

„Gut, dann, danke dafür", sagte ich kühlt und stand auf. „Damit hast du einen tollen Job gemacht, wirklich. Mir wäre einiges erspart geblieben, wenn du es mir gesagt hättest, gleich nachdem du mich von den Toten zurückgeholt hast!"

„Maeve-"

„Ich glaube, ich sollte mich wieder hinlegen." Ich drehte mich um und wollte gehen.

„Maeve, ich will, dass du nach Irland gehst." Iona stand ebenfalls auf und ich blieb stehen.

„Was?"

„Nach Irland. Ich kann dich dort besser beschützen als hier."

„Wieso?"

„Diese Insel und dieses Schloss hören auf Corona, nicht auf mich."

„Dann wundert es mich ehrlich, dass ich noch nicht tot bin", murmelte ich, bevor mir einfiel, was Iona gerade gesagt hatte und ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Du sprichst von diesem Ort, wie von einem Menschen. Als wäre er ein lebendiges Wesen, das eigenständig denken und fühlen kann."

„Es gibt einen Grund, warum Menschen unsere Inseln nicht einfach zufällig entdecken", meinte sie und lächelte mich geheimnisvoll an. „Die Insel sorgt dafür, dass Menschen uns nicht finden können. Dass es kaum möglich ist, mit einem Schiff oder Boot oder Flugzeug hier her zu gelangen."

„Das ist...", begann ich kopfschüttelnd.

„Beeindruckend?"

„Beunruhigend", erwiderte ich.

Sie lächelte mich sanft an und mir fiel zum ersten Mal auf, dass ihr Lächeln beinahe meinem eigenen glich. „Ruh dich aus. Du kannst ohnehin noch nicht durch Portale reisen, dafür bist du noch zu schwach. Aber ich werde alles vorbereiten und in Irland alles absichern lassen. Ich weiß nicht, ob du dort sicherer bist als hier, aber ich würde mich besser fühlen, wenn du mit mir kommst."

Im Augenblick glaubte ich, nirgends sicher zu sein, daher war es mir relativ egal, wo ich meine Knastzeit absaß. „Unter einer Bedingung. Meine Freunde kommen mit. Ohne sie gehe ich nirgends hin."

Wieder lächelte sie. „Ich habe nichts Anderes erwartet."

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