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"Mrs. Hendrix, ich habe ihnen doch gesagt, wie der Artikel auszusehen hat!" Mein Chef kommt geradewegs auf mich zu, in der Hand meinen Bericht.

"Ich sagte ihnen doch: Das Model steht im Mittelpunkt! Es sollte die Schlagzeile sein!" Mit leicht rotem Gesicht baut er sich vor mir auf, doch in mir regt sich nicht sonderlich viel Einschüchterung. Mein Job hat mich quasi emotionslos mit der Zeit werden lassen.

"Ja, sorry, tut mir leid. Hab ich vergessen." Ich schnappe mir den Vordruck, den Mr. Smith mir vorwurfsvoll auf den Tisch geworfen hat und streiche den großen Kopf des Models auf dem Cover durch, den ich gestern Nacht, mit halb offenen Augen, eingestellt habe.

"Judie, was ist los?" Mr. Smith ändert seine Haltung und sieht mich fragend an.

"Du warst doch sonst immer einer meiner Besten." Ich atme einmal tief aus, räusper mich und schlucke.

"Tut mir leid. Ich glaube, ich hab heute einfach einen schlechten Tag." Nachdem wir uns lange einfach angeschaut haben und Mr. Smith immer noch versucht, aus meiner Miene schlau zu werden, stößt er sich leicht vom Tisch ab und kehrt zurück in sein Büro. Auf dem Weg dorthin säuselt er mir munter zu

"Ich hoffe, nicht zu lange meine Liebe! Ich habe eine lange Liste von Leuten, die gerne an ihrer Stelle hier sitzen wollen!"

Und schon ist er hinter seiner Glastür verschwunden. Manchmal könnte ihn echt eine knallen, doch dann denke ich an meinen Job, die Wohnung, auf die ich spare und ein klappriges Auto. Doch das ist nur ein Trostpreis.

Einige der Kollegen munkeln, dass er gerne mal was mit seinen Leuten hat, sowohl Frauen als auch Männern! Doch ich halte nicht soviel von Unterstufengossip. Also höre ich weg und mache mich wieder an die Arbeit.

Avery gesellt sich zu mir und kniet sich neben mich. Sie ist die einzige, die mir noch ein bisschen Klarheit gibt in diesem Büro. Ihre feuerroten kurzen Igelhaare stehen in alle Himmelsrichtungen ab, aber das ist einer der Gründe, den ich Avery schätze. Sie fällt gegen die Normalität.

"Na Süße? War ja gerade wieder eine heiße Unterhaltung zwischen euch beiden." murmelt sie mir zu und ein kurzes Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht.

"Ach was du nicht sagst." antworte ich ihr sarkastisch und schenke ihr ebenfalls ein Lächeln.

"Sieht man ja hier, was dabei rauskommt. Wenn Smith noch mehr Leute feuert, kann ich mich bald im Büro niederlassen."

Oh, habe ich vergessen zu erwähnen: Mr.Smith entlässt gerne mal Leute und dann bleibt doppelt so viel Arbeit an uns hängen. Das erklärt eigentlich auch oftmals meinen Schlafmangel.

Avery seuftst und lässt ihre Augen durch den Raum wandern, ehe sie sich weiten.

"Oh oh, in Deckung, da kommt Gordon." Mein Kopf schießt in die Höhe und ich recke meinen Hals über den Bildschirm meines Computers.

"Oh Fuck!" Avery springt auf und trippelt zurück zu ihrem Tisch, ehe Gordon sich nähert.

Ich fahre mir durch die Haare und bete, dass er nicht zu mir kommt. Gordon ist das Schlimmste, was einem über den Weg laufen kann. Er hat sein Büro eine Etage unter uns, doch er lässt es sich einfach nicht nehmen, so oft wie möglich bei uns vorbeizukommen.

Im Klartext heißt das: Er ist wiederwertig! Gordon stinkt wie ein Müllsack mit Verdorbenen, 3x schlimmer und als hätte er noch nie geduscht. Er ist übersteigt einfach jeder Vorstellungskraft, im negativen Sinne. Wenn er wieder aus dem Büro läuft, zieht sich ein Geruch hinter ihm nach, der 50 Meter weiter noch zu riechen ist. Unter seinen doppelbreiten Armen sind Schweißkränze und seine Jeans sah auch schon mal besser aus.

Eigentlich ist Gordon unbrauchbar. Er schafft es irgendwie, so wenig zu arbeiten, dass am Ende des Tages noch die Hälfte der Arbeit überbleibt und das im Endefekt bei mir und meinen Kollegen landet.

Einmal kam Mr. Smith zu uns in die untere Etage, ich musste gerade mit Ivy diskutieren (Sie nimmt kein Blatt vor den Mund) und Gordon "hing" geradewegs über seinem Tisch. Ausgebreitet und mit leerem Blick in der Luft, hing er an seinem Schreibtisch ab und telefonierte mit einem Kunden. Ich meine: WHAT?!

Als Mr. Smith vorbei kam, zeigte sich keine Reaktion bei Gordon. Er hing weiter mit dem Ellenbogen auf dem Tisch hängend an der Leitung und nickte manchmal gelangweilt, so als ob der Kunde ihn sehen könnte. Mr. Smith sah Gordon und musste erst zweimal hinschauen, blinzeln und dann weitergehen, um zu begreifen, was er gesehen hat. Kopfschüttelnd schaute er uns hilfesuchend an. Eigentlich hätte Mr. Smith ihn schon längst gefeuert, doch er hat schon das Maximum an Arbeitskräften entlassen und somit müssen wir uns weiter mit "Stinki" und Logan herumschlagen, aber dazu später.

Ich drücke mich weiter in meinen Stuhl und ziehe den Kopf ein, damit er mich nicht sieht. Doch er kommt zielstrebig auf mich zu. Ich höre Avery hinter mir kichern. Na vielen Dank auch!

Sein Geruch lässt es in mir sofort übel werden.

"Hi Gordon.Was gibts?" sage ich und versuche dabei, so wenig wie möglich durch die Nase zu atmen.

"Hallo Judie! Mr. Smith meinte zu mir, ich soll dich in sein Büro rufen lassen." meint er langsam und undeutlich. Sag mal, ist der high?

"Okay, danke Gordon." Mit einem bitteren Lächeln wende ich mich wieder an meinen Computer.

Er grinst und nickt, bewegt sich jedoch erst nicht von der Stelle. Hilfe!

"Sonst noch was?" frage ich ihn und nach einem Kopfschütteln schlurft er weiter ans hintere Ende des Büros zu den Kopierern.

Ich schnappe nach Luft und huste. Das darf doch alles nicht war sein!

Ich drehe mich zu Avery um, die sich vor lachen nicht mehr halten kann und werfe ihr einen bösen Blick zu.

Gerade in diesem Moment sehe ich, wie Gordon die Klappe des Kopierers hochhebt, einen Zettel einlegt und sich dann anschlißend in der Nase bohrt, irgendetwas an seinem Finger ansieht und dann auf den Knopf zum kopieren drückt.

Nun ist es endgültig bei mir vorbei. Ich schieße aus meinem Stuhl und renne zu den Toiletten, ehe mein Morgenmüsli wieder hochkommt.

Na toll und ich muss gleich auch noch kopieren!

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