König Turgon
(Jenna POV)
„Alle Mann aufstehen!“, grölte eine tiefe Stimme durch den kleinen Raum. Missmutiges Gegrummel wurde laut, doch jeder erhob sich von seinem kleinen Nachtlager, welches meist eher ungemütlich als gemütlich war.
Ein unliebsames Stechen zog sich durch meinen Nacken bis runter zu meiner Schulter, als ich mich langsam aufrichtete.
Lange hatte ich nicht zur Ruhe finden können, bis ich schließlich in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Wilde Träume hatten mich geplagt und mir die Erholung geraubt, die mir gut getan hätte.
Als ich die Lider hochschob und den schweren Kopf von der Schulter eines der Wachmänner löste, war mir das Licht der aufgehenden Sonne viel zu hell, die Männer, die sich Befehle an den Kopf warfen, viel zu laut und meine körperliche Verfassung viel zu schlecht, als dass ich aufstehen konnte. Im Sitzen zu schlafen war nicht die beste Idee gewesen, aber was sollte ich schon machen? Ich war gefangen genommen worden, von Männer, die den Kameraden in Brutalität bestimmt nur übertrafen, gezeichnet von vielen Narben.
Und sie brachten mich zu einem König, den ich nie zuvor gesehen hatte, ja, von dem ich nie zuvor etwas gehört hatte. Ich ganz Europa gab es keinen König mehr, den ich nicht mit Namen kannte! König Turgon war nicht unter ihnen.
Wollen die Männer mich verarschen? Bestimmt ist das nur eine Masche von ihnen, dass ich mich in Sicherheit wiege und sie dann mit mir anstellen können, was sie in ihren kranken Köpfen schon längst geplant haben! Das muss es sein, aber nicht mit mir.
„Los zieh schon deine andere Kleidung an, Mädchen. Wir warten nicht ewig auf dich!“, ordnete der Hauptmann an, bevor er seinen Männern weitere Befehle an den Kopf warf und einigen in den Hintern trat, wortwörtlich. Verunsichert ließ ich den Blick durch den voll gefüllten Raum schweifen, doch außer der Tür auf dem Flur, entdeckte ich keine Möglichkeit mich ungestört umziehen zu können. Ich hatte selbst eingesehen, dass ich in deinem Kleid nicht so auffällig sein würde, wie jetzt in meiner Hotpants und dem Top.
Einige Männer beobachteten mich bereits abwartend, einer wippte sogar mit den buschigen Augenbrauen und grinste mich frech an.
„Na! Worauf wartest du noch?“, genervt fuhr der Hauptmann zu mir herum und durchlöcherte mich mit seinen blitzenden Augen.
„Die Dame will sich nicht im Beisein aller Männer umziehen“, unerwartet hatte der Hüne das Wort ergriffen. Er stand unverändert neben mir, in den Himmel ragend wie ein massiver Berg. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, nicht fokussiert auf irgendetwas.
„Nun wir können die feine Dame aber nicht gänzlich alleine lassen. Männer raus hier! Alle“, rief er und auch wenn es von einigen Seiten Murren und Beschwerden gab, verließen sie alle das Zimmer.
„Du bleibst hier! Ich dulde kein Trödeln“, damit zog der Hauptmann die schwere Holztür hinter sich ins Schloss. Zurück blieben der Hüne und ich, das Kleid fest an meine Brust gedrückt und den Blick gesenkt.
Warum setzt er sich so sehr für mich ein?
„Du solltest dich beeilen“, seine Stimme war auf einmal viel sanfter und als ich erstaunt den Blick hob, meinte ich ein kurzes Glitzern in seinen Augen gesehen zu haben. Doch schon hatte er mir den Rücken zugekehrt und bot mir etwas, dass ich nie erwartet hätte. Die größtmögliche Privatsphäre, die man als Gefangene nur bekommen konnte.
Dafür war ich ihm unendlich dankbar und auch wenn ich meine Dankbarkeit nicht aussprechen wollte, denn mein Schweigen wollte ich noch nicht brechen. Auch nicht für ihn, denn immerhin war er trotzdem noch ein Krieger, der mich gefangen hielt.
Sanft zog ich die Lippen auseinander und schenkte ihm ein dankbares Lächeln, das er ungerührt wahrnahm.
Sicherlich dachte ich darüber nach, ob ich es nicht irgendwie bewerkstelligen konnte zu fliehen. Aber je öfter ich mir ausgefallenen Pläne ausdachte, kam mir irgendetwas dazwischen. Meistens die Vorstellung wie ich dann nach sehr kurzer Flucht wieder gefasst und weitaus schlimmer behandelt werden würden, als jetzt. Zudem gab es da ja auch immer noch den Hünen, der mich bewachte wie seinen größten Schatz. Es wurde langsam echt gruselig.
Anstatt mir also die Zeit damit zu vergeuden über eine Flucht nachzudenken, die ich sowieso nicht bewerkstelligen konnte, versuchte ich stattdessen in Erfahrung zu bringen wo ich war. Denn auch das wusste ich immer noch nicht.
Kleidung wie im Mittelalter und ein König namens Turgon. Kurioser konnte es ja kaum noch werden. Doch da täuschte ich mich gewaltig, als die Stadt des Königs vor uns auftauchte.
Mächtig ragte sie am Hang des Gebirges in den Himmel, die Mauern fraßen sich in den Stein und so schmiegte sich die Stadt in den Berg, als wäre sie ein Teil von ihm. Das Licht der aufgehenden Sonne spiegelte sich in den weißen Steinen, aus denen man die Stadt errichtet haben musste. Die weiße Stadt.
Warum sieht die aus wie Gondor? König Turgon. Kann das wirklich sein? Mittelalterliche Kleidung...
Meine Gedanken trugen mich fort, immer weiter, bis es noch zweifelhafter wurde, ob ich noch einen klaren Gedanken fassen könnte. Ich driftete ab und nur noch die großen Hände des Hünen leiteten mich sicher über die weite Ebene, die vor der Stadt lag und durch das große Holztor in das Innere der Stadt.
Man hatte mir eine Kette um den Hals gebunden, ebenso schlossen sich zwei goldene Ringe um meine Handgelenke. Rüde, aber in seiner Art doch noch sanft, zog mich der große Mann an den Tauen vorwärts, die an die Ringe gebunden worden waren. Jetzt war ich tatsächlich eine Gefangene! Und die Vorstellung, was mit mir geschehen würde, bereitete mir große Sorgen.
Trübselig senkte ich den Blick und starrte auf meine Füße, während wir in der Stadt immer weiter nach oben gingen. Häuser aus weißem Stein reihten sich aneinander, während die schmale Straße, auf der sich die Menschen tummelten, immer weiter nach oben führten. Man machte uns Platz, sobald wir in die Nähe kamen. Sie warfen mir Blicke zu, fragende und mitleidende Blicke. Aber mir zu helfen, daran dachte keiner.
Von Zeit zu Zeit passierten wir einen großen weißen Torbogen, in den ein massives Holztor eingelassen worden war. Jetzt stand es offen und doch patrouillierten Soldaten dort, bewaffnet mit großen Schwertern, die im Licht der aufgehenden Sonne gefährlich blitzten.
Irgendwann hatten wir zu meiner Freude das letzte Tor durchschritten und kamen an einem großen Plateau an, das weit über die Stadt hinaus ragte. Einzelne Bänke reihten sich an den Enden auf, auf denen man eine kleine Pause machen und in die Ferne blicken konnte, wenn es einem denn beliebte. Am liebsten würde ich mir selbst jetzt eine Pause gönnen, denn von dem ganzen Wandern waren meine Füße wund und schmerzten fürchterlich. Ich spürte das Pochen in den Ballen und in den Zehenspitzen.
Die Schwäche drohte mich zu übermannen und leise erinnerte mich mein Magen daran, dass ich seit gestern Mittag keinen Bissen mehr zu mir genommen hatte.
Entgegen meiner Wünsche zog man mich weiter über den großen Platz, vorbei an dem dürren Baum, der seine blätterlosen Zweige der warmen Sonne entgegen streckte. Vier Wachen waren an dem Baum postiert, doch mir blieb gar keine Zeit mehr mich über eine weitere Kuriosität dieses Landes zu wundern, denn ich wurde in eines der Gebäude gezerrt.
Nachdem wir einen langen Gang passiert hatten und uns ein weiteres großes Tor geöffnet worden war, war unsere Reise endlich zuende. Erleichtert wollte ich mich auf der nächstbesten Bank zur Ruhe setzen und meine müden Glieder massieren, doch der Hüne zog mich weiter nach vorne, bis eine tiefe Stimme den Raum vollends erfüllte und ich erschrocken zusammenfuhr.
Langsam hob ich den Blick und erschrak, als ich sah, dass dort oben kein junger, kräftiger Mann saß, wie ich bei der Stimme angenommen hatte. Der Thron war leer, doch auf einer kleinen Nachbildung weiter unten hockte ein alter Mann, der mich neugierig musterte. Das weiße Haar fiel ihm in sanften Wellen über die herabhängenden Schultern. Eine Strähne hatte sich in sein faltiges Gesicht verirrt.
„Wen bringt ihr mir da?“, fragte der ältere Herr nun ruhiger, mit sanfter Stimme, deren Wärme augenblicklich mein Herz erwärmte.
„Eine junge Frau, die am Rande unseres Reiches in den Wäldern herumirrte“, erhob sogleich der Hauptmann das Wort, nachdem er sein sonst so stolzes Haupt vor dem König beugte.
„Und sie war vollkommen alleine dort“, langsam erhob sich der König auf seine alten, schwachen Beine. Er kam die wenigen Stufen hinab, direkt auf mich zu. Seine leicht geschlossenen Augen strahlten eine ungewöhnliche Wärme aus, die die Anspannung in mir sogleich löste.
„Ja, ganz alleine. Einer meiner Männer hegte zuerst die Vermutung bei ihr könnte es sich um den Geist des Waldes handeln, aber sie war dieser Gegend so fremd, dass das nicht sein kann“, erklärte der Hauptmann.
„Warum trägt sie diese albernen Fesseln? Sagt mir nicht, dass sie die den ganzen Weg getragen hat“, bemerkte der alte König, während er mich einmal umrundete und von allen Seiten betrachtete.
„Nein, Herr. Nur in der Stadt“, murmelte der Hauptmann leise.
„Gut, gut. Verrätst du mir deinen Namen und was dich in das Reich der großen Könige der weißen Stadt bringt?“, wand er sich persönlich an mich, als er direkt vor mir zum Stehen kam.
Doch auch wenn er mir sogleich sympathisch erschienen war, presste ich die rosigen Lippen nur noch fester aufeinander und sah ihm lediglich direkt in die Augen.
„Sie spricht nicht, seitdem wir sie gefunden haben“, gab einer der Männer eine Erklärung für mein Schweigen.
Turgon brummte leise und nickte sachte, während er sich über das Kinn strich.
„Macht nichts. Ich sehe es so schon, wenn ich eine widerspenstige junge Frau vor mir habe. Ecthelion wird sich sicherlich freuen und der kleine Denethor auch.
Bringt sie in eines unserer Gästezimmer und macht sie fertig“, rief er eine Bedienstete zu sich, die sich schleunigst an unserer Seite einfand.
Wortlos nickte die junge Frau und bedeutete mir zu folgen.
Ich sah noch wie der König dem großen Hünen zunickte, der ebenso ohne einen Protest, uns folgte.
Wohin? Ich wusste es nicht.
Was ich wusste, war, dass ich irgendwie wieder nach Hause finden musste.
Hey :)
Ich weiß dieses Update kommt wirklich sehr spät, aber leider verlangt das Niedersachsen Technikum doch mehr von mir ab, als ich zuvor gedacht hatte.
Doch ich hoffe, dass ich jetzt, wo ich mich eingearbeitet habe, ein wenig öfter dazu komme, weiterzuschreiben ^^
Eure Laura
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