3

[Viper]


Scorpion und Viper gingen schweigend den spärlich beleuchteten Gang entlang. Bryan hatte sie bereits weggeschickt und Viper konnte sich vorstellen, dass Orion und Gemma von ihm noch eine gewaltige Standpauke zu hören bekamen. Selbst glaubte er zwar nicht an die Götter, aber er respektierte, dass die Zwillinge daran festhielten. Er bewunderte sie manchmal dafür, wie fest sie ihr Vertrauen in den Glauben und in die Götter setzten, vor allem in Bryans Gegenwart, der ihren Glauben oft genug beschimpfte und als nichtig erklärte.

Viper hielt seinen Arm. Jede Bewegung schmerzte, doch er behielt es für sich. Er sah keinen Grund die anderen zu beunruhigen, nur weil er eine Schramme im Gesicht hatte und sein Arm vielleicht verstaucht war. Das war auch kein Grund Grace einen Besuch abzustatten. Stattdessen würde er mit Scor zu Timbers in die Werkstatt gehen und sehen, ob der geschickte Mechaniker neue Teile brauchte, um ihre Hoverbikes zu reparieren.

Als die beiden Männer Timbers Werkstatt betraten, sah dieser sieh vorwurfsvoll an.

„Leute, echt mal. Wie schafft ihr das immer? Letzte Woche habe ich erst einen riesigen Kratzer aus Orions Bike entfernt und jetzt seht euch das an." Er wies auf eine lange Schramme an der Seite eines der Bikes. „Wirklich, Scorpion. Wie hast du das nur geschafft? Bist du direkt in einen Busch gefahren?"
„Nein, aber unser Prinzesschen hier ist von ihrem hohen Thron gefallen", witzelte Scorpion, woraufhin Timbers Viper fragend ansah.
„Das Dach war rutschig okay? Ich konnte gar nichts dafür."

Timbers und Scorpion lachten los und Viper wollte schmollend seine Arme vorder Brust verschränken, doch als er seinen Arm bewegen wollte, keuchte er auf und hielt ihn fest umklammert. Besorgt musterte Scorpion seinen besten Freund.

„Sicher, dass du nicht schon mal zu Grace gehen willst? Sie wird dich nur kurz durch checken und kann dir mit Sicherheit etwas für die Schmerzen geben. Der Fall war nicht ganz ohne."

Grinsend winkte Viper ab. „Ach was. Ist halb so schlimm. Ich habe ihn nur zu schnell bewegt."

Schulterzuckend sah Scorpion dann wieder zu Timbers. „Ich brauche nochmal ein Bike. Bryan schickt mich los den Auftrag zu Ende zu bringen. Die Schriften müssen noch an die Grenze von Sihiri."
„Dann nimmst du aber das von Viper. Ich kann dich nicht mit deinem fahren lassen. Wenn jemand den Kratzer sieht... Außerdem, wer weiß was du noch alles kaputt gemacht hast, bei deinem Fahrstil..."

Scorpion nickte zusimmend.

„Gut. Dann kann Viper mir ja gleich helfen dein Bike wieder zu richten." Timbers griff noch im selben Moment zu der Feinschliffpaste, die neben ihm auf einer Ablage stand und schmiss sie zu Viper in der Erwartung, dass dieser sie fangen würde. Stattdessen wollte Viper reflexartig den Arm heben, um die Dose zu fangen, schrie aber kurz auf und hielt sich mit der rechten Hand seinen linken Arm. Die Paste, welche Timbers ihm zu geworfen hatte, fiel mit einem Krachen auf den Boden.

Scorpion zuckte zusammen und seine grauen Augen suchten nach der Ursache für Vipers Schmerzen, ehe er mit fester Stimme seinen Befehl aussprach. „Okay, das reicht mir jetzt. Ich befehle dir zu Grace zu gehen und dich untersuchen zu lassen. Du musst dir irgendetwas ausgerenkt oder gebrochen haben und in deinem Zustand bist du keine Hilfe für irgendwen."

„Aber..."
Der strenge Blick Scorpions lies ihn verstummen. Der zweite Anführer übte nur selten seine Macht aus, doch wenn er es tat, wusste jeder, dass er es ernst meinte und man ihm am besten nicht widersprach.

Seufzend lies Viper den Kopf hängen und schlurfte den Gang zurück. Leise konnte er Timbers und Scorpion reden hören – er war sich sicher, dass er das Thema war – und spürte die bohrenden Blicke in seinem Rücken.

Als er dann vor Grace' Tür stand drückte er nur widerwillig die Klinke runter. Viper war kein Mensch der sich gerne anderen aufdrängte, wenn es nicht gerade nötig war und er war der Meinung, dass man wegen eines verstauchten Arms nicht zum Arzt müsste.

Missmutig betrat er die Krankenstation, doch von Grace war keine Spur zu sehen. Neugierig sah er sich um. So oft war er schon hier gewesen, aber so genau hatte er sich die Krankenstation noch nie angesehen. Insgesamt gab es vier Betten, die jeweils mit einem weißen Vorhang vom restlichen Raum abgetrennt werden konnten. An den Wänden standen große, offene Schränke, in denen Grace fertig gemischte Tinkturen und Medikamente, sowie allerlei Verbandszeug aufbewahrte. Und in der hinteren Ecke stand ein kleiner weißer Schreibtisch mit einem Computer der neueren Generation. Die Patientenakten jedoch behielt sie verschlossen in einem Container unter dem Schreibtisch. Sie behauptete immer, dass sie sich so zumindest darauf verlassen konnte, dass alles stimmte und im Notfall waren diese Papierakten auch schneller vernichtet.

Angeschlossen an den Krankenraum war ein Labor, doch dieses durfte niemand außer Grace betreten. Viper selbst hatte es einmal gewagt die Tür zu öffnen, woraufhin die kleine impulsive Frau ihn aus den Räumen, bis nach draußen gejagt hatte und anschließend die Haustür vor seiner Nase zuschmiss. Zu seinem Glück war der Garageneingang noch offen und er konnte durch Timbers Werkstatt wieder ins Innere gelangen. Als Timbers ihn darauf ansprach und Viper es ihm erklärte lachte Grace' Bruder beherzt und meinte nur: „Das Labor ist Grace' ganzer Stolz. Sie bewahrt darin nicht nur ungefährliche Chemikalien auf und wenn das Labor wegen dir in die Luft fliegen würde, glaub mir, dich aus dem Haus zu jagen wäre nur der Anfang."

Viper schmunzelte. Grace mochte zwar süß aussehen, aber die kleine Frau hatte mehr Temperament, als sie alle zusammen. Kein Wunder, dass Scor so auf sie stand.

Der Mann verbrachte noch weitere fünf Minuten ehe er sich zum Gehen wandte. Es hatte keinen Sinn noch länger zu warten. Er wollte ja ohnehin nicht verarztet werden, also konnte er genauso gut wiedergehen. Außerdem hatte Scorpion nur gesagt, er solle zur Krankenstation gehen und das war er. Der zweite Anführer hatte kein Wort davon gesagt, dass er sich die Füße in den Bauch stehen sollte, während er auf Grace wartete.

„Viper! Ihr seid ja zurück! Ist Scor auch hier?"

Der Angesprochene verdrehte die Augen. Er war zu langsam gewesen. Mit einem Lächeln drehte er sich um und sah in die braunen Augen von Grace.

„Nein, er ist noch bei deinem Bruder in der Werkstatt. Und dann muss er noch einmal bis an die Grenze von Sihiri fahren, um den Auftrag zuende zu bringen. Aber er hat mich zu dir geschickt. Du sollst mir ein Schmerzmittel geben."
„Schmerzmittel? Wofür denn?" Besorgt musterte sie ihn. Sie streckte vorsichtig eine Hand aus und begutachtete die Finger seiner rechten Hand, an denen getrocknetes Blut klebte.

„Ach, halb so wild. Ich habe auf meinem Aussichtspunkt den Halt verloren und bin das Dach runter gefallen. Aber es war gar nicht so tief. Ich bin nur blöd aufgekommen und habe meinen Arm verdreht. Dafür brauche ich die Schmerzmittel."

Misstrauisch musterte Grace ihn von Kopf bis Fuß.

„Welcher Arm tut denn weh?"

„Der linke, aber wie gesagt, es ist nicht so schlimm wie es sich anhört."
„Das werde ich beurteilen."
Ohne Vorwarnung griff sie seinen linken Arm und bewegte ihn. Viper schrie auf und zog ihn weg.

„Himmel, Arsch und Wolkenbruch!"
„Nicht so schlimm?"
„Scheiße verdammte! Ich hab doch gesagt es tut weh. Du drückst doch auch nicht auf blauen Flecken herum, wenn du welche findest!"
Grace zuckte nur mit den Schultern.
„Also ein Schmerzmittel wird nicht reichen. Ich habe da so eine Vermutung, aber um sicher zu gehen muss ich dich richtig untersuchen. Setz dich auf die Liege, ich hole das Röntgengerät. Wehe du verlässt den Raum bevor ich es dir sage!"

Mit diesen Worten war Grace hinter der Labortür verschwunden und Viper blieb nichts anderes übrig als zu tun was sie sagte. Auf der Krankenstation war sie der Boss, hier hatten nicht einmal Bryan oder Scorpion etwas zu sagen.

Kaum hatte er auf einer der Liegen Platz genommen, kam Grace mit einem kleinen Gerät wieder zurück. Es sah aus wie ein kleiner Handscanner und von seinen mehr oder weniger regelmäßigen Besuchen wusste er, dass das Gerät die Röntgenbilder direkt auf Grace' Computer übertrug, auf welchem sie diese dann auswerten konnte.

„Okay. Du weißt wie das läuft. Halt still."

Ein blaues Licht glitt über Vipers Arm, ehe das Gerät piepste und Grace mit großen Schritten zu ihrem Computer ging. Mit einem Knopfdruck war das Bild auf dem Bildschirm zu sehen. Was für Viper wie blaue, schwarze und weiße Konturen und Striche aussah, war für Grace der Aufbau seiner Schulter. Sie schüttelte kurz den Kopf und drehte sich dann langsam zu Viper um.

„Wie genau bist du ausgerutscht?", wollte sie wissen, während sie zu Viper lief und mit einer kleinen Lampe in die Augen leuchtete.

„Es hatte angefangen zu gewittern, das Dach war rutschig und plötzlich lag ich unten. Alles halb so wild, sagte ich doch."

Grace knipste die Taschenlampe aus und stellte sich hinter ihn. „Okay, Viper. Du bist mindestens drei Meter von einem Dach gefallen. Deine Schulter ist ausgerenkt und das ist alles andere als halb so wild. Ich möchte, dass du jetzt bis drei zählst."

Ihre Finger legten sich um seinen Oberarm und seine Schulter, was ihn zusammenzucken ließ. „Bis drei? Aber warum..."

„Tu' es einfach", unterbrach sie ihn.

Viper seufzte auf. „Eins, zwei...AHHH!" Mit aufgerissenen Augen drehte er sich zu Grace um, die ihn angrinste. „Was sollte das? Ich dachte du..."
„Ich habe nur gesagt, dass du bis drei zählen sollst. Was ich mache, davon war nicht die Rede."

Viper funkelte sie wütend an, während sie eine weiße Schlaufe aus einem Tuch knotete. „Du kannst Glück haben, dass aus der Gelenkpfanne nichts rausgebrochen ist." Vorsichtig legte sie ihm die Schlaufe um den Hals und buxierte seinen linken Arm hinein. „Halte ihn still. Bewege ihn am besten gar nicht. Links ist deine Führungshand und die brauchst du zum Schießen. Es wäre also gut, wenn die Schulter so schnell wie möglich heilen kann."

Viper erhob sich von der Liege und ging zur Tür. „War's das dann?"

Grace warf ihm eine kleine Tablettendose zu. „Nimm immer eine vorm Schlafengehen und in den nächsten Tagen kommst du nochmal zur Kontrolle vorbei."

Viper nickte. „Soll ich Scorpion vorbeischicken? Deine flinken Finger sollten ihn schließlich im Handumdrehen untersucht haben." Und ehe Grace etwas sagen konnte, rannte Viper grinsend davon.

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