Epilog
Hermine
Fünf Jahre waren vergangen, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Fünf Jahre, in denen ich immer wieder zu diesem Moment zurückkehrte, als wäre er in meinem Gedächtnis festgebrannt.
Ich arbeitete mittlerweile als Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste, ein Job, den ich mit Leidenschaft ausübte. Es war mir wichtig, den jungen Schülern beizubringen, sich vor den Gefahren der dunklen Magie zu schützen, damit niemand je wieder das durchmachen musste, was wir alle durchgemacht hatten. Ich war immer noch oft im Schloss, nicht nur wegen meiner Arbeit, sondern auch, weil Ron und die Weasleys in der Nähe lebten und mich weiterhin unterstützten.
Ich hatte damals auf Evie gewartet. Stundenlang saß ich im Gemeinschaftsraum, in der großen Halle oder am See, die Minuten zogen sich quälend in die Länge. Irgendwann wurde die Unruhe zu einem dumpfen Schmerz in meinem Magen, ein instinktives Wissen, dass etwas nicht stimmte. Ich wollte los, sie suchen, doch ich blieb – dumm und feige, wie ich jetzt denke.
Später, als ich endlich den Mut aufbrachte, war es schon zu spät.
Der Raum der Wünsche, so wie ich ihn kannte, existierte nicht mehr. Ich erinnere mich an die Stille, als Professor McGonagall und Dumbledore mich dorthin führten. Keiner sprach ein Wort, aber ihre Blicke sprachen von Sorgen und etwas, das wie Bedauern aussah.
Der Raum war ... zerstört. Zersplittert, verkohlt, unkenntlich. Schwarzer Ruß hatte sich über alles gelegt, als hätte ein gewaltiger Brand jede Spur von Leben ausgelöscht. Ich stand inmitten der Überreste, die Hände zu Fäusten geballt, während mein Blick alles absuchte.
Es gab keine Leichen. Keine Spur von Evie. Keine Spur von Malfoy.
Die Lehrer erklärten später, dass der Dämon, der hinter all dem steckte, besiegt worden war. Seine Präsenz war ausgelöscht, so viel war sicher. Aber wie? Wer die letzte Schlacht geschlagen hatte und was genau geschehen war, blieb im Dunkeln.
Ich hatte die Hoffnung, dass Evie und Malfoy vielleicht gemeinsam gesiegt hatten, dass sie lebten und sich versteckten – irgendwo. Aber je mehr Zeit verging, desto mehr schwand dieser Glaube.
Der Dämon war fort, und doch schien die Zerstörung, die er hinterließ, mehr als nur physisch zu sein. Niemand konnte sagen, wohin er verschwunden war, oder ob er jemals ganz ausgelöscht werden konnte. Auch das machte mir Angst.
Manchmal fragte ich mich, ob Evie und Malfoy ihn mit sich genommen haben – in eine Dunkelheit, die nur sie allein tragen konnten.
Manchmal fragte ich mich, ob sie ihn besiegt hatten, indem sie sich selbst geopfert hatten.
Aber tief in mir ... wusste ich, dass es keine einfachen Antworten geben würde.
Der Raum der Wünsche hatte sie verschluckt. Sie, ihre Geheimnisse, alles. Und er würde schweigen – für immer.
Ehrlich gesagt dachte ich oft an sie – an Evie und sogar an Malfoy. Zwei Menschen, die ich auf so unterschiedliche Weise kannte, und doch waren sie beide untrennbar miteinander verbunden. Draco hatte ich nie gemocht. Ich verabscheute ihn. Seine Arroganz, seine Grausamkeit, die Art, wie er uns immer wieder zu Fall bringen wollte und mich ein Schlammblut zu nennen – all das hatte in mir nur Abneigung ausgelöst.
Ron konnte es nicht ertragen, wenn ich über Malfoy sprach. Er verstand nicht, warum ich mich überhaupt mit dem Gedanken an ihn aufhielt. Aber das lag daran, dass Ron nicht wusste, wie sehr Evie ihn mochte – vielleicht sogar geliebt hatte. Und ich hatte keine Worte, um ihm zu erklären, wie schmerzhaft es war, dass beide verschwunden waren.
Es war der Dämon, der sie mir genommen hatte. Zumindest versuche ich, mir das einzureden. Der Dämon, den sie gemeinsam besiegt hatten, hatte nichts als Zerstörung hinterlassen, doch die Hoffnung, die er ausgelöscht hatte, lastete schwerer als jede Dunkelheit.
Ronald sagte immer, ich solle nicht hoffen. Dass ich lernen müsse, Evie loszulassen. »Hermine, sie hat ihre Wahl getroffen«, meinte er. »Es bringt nichts, dich daran festzuklammern. Sie würde nicht wollen, dass du so lebst.«
Vielleicht hat er recht. Doch manchmal, mitten in der Nacht, träumte ich von einer anderen Möglichkeit. Von dem, was hätte sein können, wenn sie zurückgekommen wären. Wenn ich Evie wieder umarmen könnte. Oder wenn ich sie wenigstens ein letztes Mal gesehen hätte.
Vielleicht war das das Schlimmste. Dass niemand wirklich wusste, was aus ihnen geworden war. Dass der Raum leer war, außer von der Verwüstung, die sie zurückgelassen hatten. Es fühlte sich an, als hätten sie die Welt einfach verlassen, ohne einen einzigen Hinweis darauf, wohin sie gegangen waren – oder ob sie überhaupt noch lebten.
Fünf Jahre. Und die Leere fühlte sich noch immer an, als sei sie gestern erst entstanden.
Auf ihrem Nachtschrank lag damals ein Brief. Ich hatte ihn gefunden, kurz nachdem sie verschwunden war. Mittlerweile bewahrte ich ihn bei mir auf - ein zusammengefaltetes Pergament, die Kanten vergilbt, die Tinte leicht verblasst. Er war an sie adressiert, mit einer krakeligen Handschrift, die ich sofort erkannte: Draco Malfoy.
Ich hatte ihn damals nicht geöffnet. Es fühlte sich falsch an, als würde ich etwas Unantastbares verletzen. Doch jetzt, fünf Jahre später, ließ ich meine Finger über das zerbrechliche Pergament gleiten, und eine unerklärliche Sehnsucht trieb mich dazu, den Brief endlich zu lesen. Ich saß auf der großen Couch der Weasley-Familie und atmete noch einmal tief durch.
Behutsam entfaltete ich das Pergament, als könnte es jeden Moment zu Staub zerfallen. Die Worte darauf waren kurz und dennoch voller Gewicht:
Evie,
wenn du das liest, bin ich vielleicht nicht mehr da. Aber ich wollte, dass du weißt, dass es keinen Ort auf dieser Welt gibt, an den ich dir nicht folgen würde.
Draco
Die Zeilen waren so einfach, und doch spürte ich die Tiefe dahinter. Ich erinnerte mich an die letzten Tage vor ihrem Verschwinden – die Art, wie sie immer wieder nachdenklich auf die Gänge von Hogwarts hinausblickte. Die stille Entschlossenheit in ihren Augen, die ich nicht begreifen konnte. Und Draco. Der Slytherin, der zu einem besseren Menschen geworden war. Der Junge, den ich nie mochte, aber der sich für sie verändert hatte.
Ron fand mich später, als ich noch immer vor dem Brief saß. Er sagte nichts, als er ihn in meiner Hand sah. Er wusste, dass es nichts zu sagen gab.
»Ich wünschte, ich könnte ihr noch einmal sagen, dass ich sie verstehe«, murmelte ich schließlich, die Worte an niemanden gerichtet. »Dass ich jetzt verstehe, warum sie ging.«
»Dann tu das doch«, erklang plötzlich eine vertraute Stimme aus dem Flur vor dem Wohnzimmer. Der Klang war spöttisch, aber zugleich so vertraut, dass mein Herz für einen Moment aussetzte.
Ich fuhr herum. Mein Blick traf auf die Schatten, die sich zu bewegen schienen. Der Boden knarrte. Und dann, wie aus dem Nichts, trat sie hervor – so real, dass ich kaum glauben konnte, was ich sah.
»Evie?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, der Schock ließ mich erstarren.
»Hast du mich vermisst?«
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