1. Kapitel
Evie
Der Abendhimmel war in ein sanftes Rosa getaucht, fast so, als ob die Welt selbst den Beginn eines neuen Kapitels erahnte. Die traditionelle Robe der Slytherins umhüllte mich, und ich richtete meine grün gestreifte Krawatte zurecht. Meine langen blonden Haare fielen mir andauert ins Gesicht und nervös presste ich meine vollen Lippen aufeinander.
Es war irgendwie - ungewohnt hier zu stehen.
Um mich herum summte die Menschenmenge, das fröhliche Plappern von Hexen und Zauberern mischte sich mit dem Geräusch von Koffern und Gepäckwagen.
Ich schloss die Augen und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Der Krieg war vorüber. Voldemort war tot. Doch das bedeutete nicht, dass alles in Ordnung war. Nicht für mich. Zwei Jahre waren seitdem vergangen und das Gefühl der Befreiung von der Dunkelheit war immer noch ein ferner, schmerzhafter Traum.
Die letzten zwei Jahre waren geprägt von harter Arbeit und Wiederaufbau. Hogwarts erhob sich Stück für Stück aus den Trümmern, doch nicht alles konnte mit Magie wiederhergestellt werden. Vieles musste mühsam von Hand erledigt werden – Steine schleppen, Holz zuschneiden, Flure ausbessern. Jetzt, da alles endlich fertig ist, wurde entschieden, ein zusätzliches Schuljahr anzuhängen. Ein Jahr, um all das nachzuholen, was wir in dieser chaotischen Zeit verpasst hatten.
Hogwarts war in Sicherheit. Was konnte jetzt noch schiefgehen?
Ein tiefer Atemzug. Das Gewicht der Erwartungen meiner Familie lastete auf meinen schmalen Schultern, schwerer als jede Zauberrobe. Als Mitglied einer halbblütigen Familie war ich weder Teil der hochgeschätzten Reinbluttraditionen noch ein Außenseiter. Ich war irgendwo dazwischen, und das machte es schwieriger, meinen eigenen Weg zu finden. Es gab diejenigen, die mich als minderwertig betrachteten, und diejenigen, die mir mit ihren Blicken das Gefühl gaben, nie genug zu sein.
Ein Hauch von Rebellion, wie ein unsichtbares Flüstern in meinem Inneren, regte sich. Was würde passieren, wenn ich mich weigerte, diesen Weg weiterzugehen?
Der Zugpfiff riss mich aus meinen Gedanken, und ich trat entschlossen in den Hogwarts-Express. Mit jedem Schritt, den der Zug nach Hogwarts machte, entfernte ich mich ein Stück mehr von den Schatten, die mich seit Jahren verfolgten.
Mit zwanzig Jahren trug ich die Narben der Vergangenheit wie unsichtbare Fesseln. Die Welt um mich herum ging weiter, als hätte nichts davon Bedeutung, aber für mich war nichts mehr, wie es einmal war. Vor drei Jahren hatte der Tod meiner Schwester Elena alles verändert.
Elena war mehr als nur meine große Schwester – sie war meine Heldin. Mutig, klug und unerschütterlich. Sie hatte einen Gerechtigkeitssinn, der andere inspirierte, aber auch gefährlich war. Vielleicht war es genau dieser Drang, anderen zu helfen, der sie schließlich das Leben kostete.
Sie war immer schon in Dinge verwickelt, die ich nicht ganz verstand – ein geheimes Netzwerk, Kontakte zu Menschen, die sie oft nur flüsternd erwähnte. [style]»Es ist besser, wenn du nicht Bescheid weißt, Evie«[/style], hatte sie mir immer gesagt. Und ich hatte ihr geglaubt. Bis zu dem Tag, an dem sie starb.
Es war ein dunkler Abend, als die Todesser kamen. Elena hatte Informationen, die sie wollten – etwas, das sie um jeden Preis zurückholen mussten. Ich weiß bis heute nicht genau, was es war. Aber ich erinnere mich an alles andere. Wie sie die Tür aufbrachen, wie die Schatten in ihre Wohnung drangen. Ich war dort, versteckt hinter einem Vorhang, und sah, wie sie mit ihr sprachen.
Ihre Stimmen waren kalt, fast beiläufig, als ob sie nichts weiter als eine Kleinigkeit zu erledigen hätten. Elena weigerte sich zu reden. Sie weigerte sich, ihnen zu geben, wonach sie suchten. Ich hörte, wie sie sagte: [style]»Es gibt Dinge, die größer sind als ich. Größer als ihr.«[/style] Sie blieb standhaft bis zum Schluss.
Ich werde nie den grünen Blitz vergessen, der die Luft durchbrach, oder den Moment, als sie fiel. Ihre Augen suchten nach mir, ein winziges, leises [style]»Versteck dich« [/style] über ihre Lippen. Und ich ... ich konnte nichts tun. Ich war wie gelähmt, gezwungen, still zuzusehen, wie das Leben aus ihr wich.
Die Todesser verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, und ließen nichts als Leere zurück. Doch etwas an diesem Abend veränderte mich. Vielleicht war es der pure Schmerz. Vielleicht war es das Dunkle, das sie mit sich brachten.
Als ich das Abteil betrat, blickte ich in eisgraue Augen. Draco Malfoy. Zwei Jahre älter als ich, und doch schien der Abstand zwischen uns gewaltig. Arrogant, distanziert, mit einer Präsenz, die die Luft um uns herum zum Flimmern brachte. Unsere Blicke trafen sich, und in diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Doch dann wandte er den Blick ab, als hätte er gewusst, was ich dachte. Dunkle Mienen, als der Zug sich in Bewegung setzte.
Der unaufhörliche Klang der Gleise, das Rascheln von Roben und Koffern, vermischte sich mit der magischen Spannung in der Luft.
Der Nachthimmel über Hogwarts war von funkelnden Sternen übersät, als wir in den Kutschen saßen, die von den Thestralen gezogen wurden. Seit Elenas Tod konnte ich sie sehen. Das Heulen des Windes war das einzige Geräusch, das die Stille der Nacht durchbrach. Hogwarts erhob sich vor uns, seine Silhouette von Magie durchzogen. Ein Hauch von Erhabenheit, ein Ort der Macht und Geheimnisse.
Ich schloss die Augen, ließ die Magie von Hogwarts in mich strömen. Es war ein Gefühl, das tief in meiner Seele wohnte, ein Wissen, dass dieser Ort mehr war als nur ein Schloss aus Stein – er war lebendig.
»Schau dir das an, Evie«, flüsterte Hermine, die neben mir saß und in den Sternenhimmel blickte. Ihre Augen funkelten vor Vorfreude. »Es ist jedes Mal aufs Neue beeindruckend.«
Ich lächelte und nickte. »Es ist wirklich magisch hier.« Die Worte klangen mehr wie ein Flüstern, als ob wir die Magie nicht stören wollten.
Die Kutschen setzten ihren Weg fort, und als wir am Ziel ankamen, stieg ich aus und sah Draco, der aus einer anderen Kutsche trat. Ein flüchtiger Blick zwischen uns, aber er war bedeutungsvoll. Unausgesprochen.
»Wie aufregend, wieder nach Hogwarts zu kommen«, sagte Ron, als er sich uns näherte.
»Gerade nach dem Krieg. Endlich können wir uns voll und ganz auf die Schule konzentrieren«, fügte Harry hinzu, ein Lächeln auf den Lippen.
»Stimmt«, sagte ich. »Nichts und niemand kann uns mehr bedrohen.«
Wir betraten das Schloss, die Geräusche unserer Schritte hallten durch die gewaltigen Korridore. Die magische Atmosphäre war spürbar, aber es lag auch eine gewisse Spannung in der Luft. Hogwarts hatte sich verändert, und mit ihm auch wir. Aber was genau würde dieser neue Schuljahresbeginn bringen?
In Snape's Unterricht war die Atmosphäre noch gespannter. Der Zaubertrankunterricht begann mit einem knappen Nicken von Snape, der wie immer durch den Raum schritt, seine düstere Präsenz den Raum beherrschend. Ich fühlte den kalten Blick auf mir und drehte mich leicht zur Seite.
»Miss Thorne«, sagte Snape mit seiner üblichen, scharfen Stimme. »Sie werden heute neben Mr. Malfoy Platz nehmen.«
Ich unterdrückte ein Seufzen. Es war, als ob er die Spannung zwischen uns fühlen konnte. Der Blick, den Draco und ich austauschten, war ein feuriger Mix aus Hass, Herausforderung und einer geheimen, kaum erkannten Neugier.
»Heute beschäftigen wir uns mit einem delikaten Zaubertrank«, fuhr Snape fort, und ich spürte, wie die Distanz zwischen Draco und mir immer weiter wuchs.
»Versuch nicht, irgendetwas Dummes zu machen, Malfoy«, warnte ich leise, als ich die Zutaten sortierte.
»Ich bin hier, um zu lernen, nicht um mit dir zu streiten«, antwortete Draco kühl, ohne mich anzusehen.
Die Zeit schien sich zu dehnen, während wir gemeinsam an unserem Zaubertrank arbeiteten. Die Zutaten flogen durch die Luft, Zauberstäbe zitterten in den Händen, und obwohl die Stimmung eisig blieb, schafften wir es, einen brauchbaren Trank zu brauen.
Als es zu einer kleinen Panne kam und ein Spritzer Zaubertrank auf meine Hand landete, zuckte ich zusammen. Doch Draco reagierte sofort. »Hier, lass mich das machen«, sagte er mit einer unerwarteten Schärfe in der Stimme. Ein flüchtiger Zauber heilte meine Hand, und ich spürte, wie ein Hauch von Besorgnis in seinen Augen aufflammte.
»Danke«, murmelte ich überrascht, als ich seinen Blick auffing. Es war nur ein Moment, aber er sprach Bände.
Doch auch danach blieb die Distanz zwischen uns. Kein weiteres Wort wurde gewechselt, und die Atmosphäre blieb gespannt.
»Zusammenarbeit mit dir, Thorne? Reine Zeitverschwendung«, spottete Draco, als wir endlich den Unterricht beendeten.
»Deine Arroganz ist unerträglich, Malfoy. Kein Wunder, dass dich niemand leiden kann«, konterte ich kalt, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er lachte herablassend. »Verschwinde aus meiner Sicht, Thorne.«
Ich schnaubte. »Du ekelst mich an, Malfoy. Geh und verbreite dein Gift woanders.«
Er trat näher, und seine Augen glitten mit einer Mischung aus Verachtung und ... etwas anderem über mich. »Du bist wie ein schwaches Licht in der Dunkelheit von Hogwarts, kaum erwähnenswert.«
»Dann verschwinde einfach«, erwiderte ich. »Aber lieber sollte es noch wehtun, anstatt dass du es gut gemacht hast.«
Mit einem letzten, zufriedenen Lächeln drehte Draco sich um und ging. Ich starrte ihm nach, mein Blick voller Abscheu, doch unter der Oberfläche brodelte etwas anderes. Etwas, das ich mir nicht erklären konnte.
»Thorne«, rief Draco noch einmal, als er sich von mir entfernte, »ich hoffe, du hast nicht erwartet, dass ich nach dem Unterricht auf angenehme Gespräche aus bin.«
»Warum sollte ich das tun? Wir beide wissen, dass uns nichts verbindet.«
»Gut, dann verstehen wir uns«, sagte er und verschwand hinter einer Ecke.
Ich blieb noch einen Moment stehen, den Atem stockend, die Magie von Hogwarts um uns herum schwirrte. Ein Hauch von Spannung, von ungelösten Gefühlen. Und ich wusste, dass dies erst der Anfang war.
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