Kapitel 8
Zayn pov
In unnatürlicher Geschwindigkeit raste ich durch den Wald, auf der Suche nach meinem Abendessen. Meine Augen hatten sich schon längst in das hungrige rot verwandelt, was sicher jedem Menschen Todesängste bescheren würde. Blöd nur, dass ich kein Menschenblut trank. Zumindest nicht, wenn es nicht nötig war. Klar genoss ich es diesen herzlosen Wesen Angst einzujagen und vielleicht das ein oder andere Mal auch den Hals umzudrehen, aber das passierte wirklich nur, wenn die Personen komplette Arschlöscher waren. Ich würde es nie übers Herz bringen einen unschuldigen Menschen zu töten, auch wenn man mir das an meinem Aussehen und Verhalten nicht glauben würde.
Junge Männer mit Lederjacke, Tattoos und dunkler Kleidung waren ja immer kaltblütige Mörder, nicht wahr? Diese seltsamen Vorurteile der Menschen. Mich sollte es nicht stören. Die Leute sollten schließlich Respekt vor mir haben und mich nicht wie ein kleines Kind behandeln. Ein leises Plätschern drang an mein empfindliches Gehör. Ein Waldtier, welches höchst wahrscheinlich am See neue Energie tankte. Blitzschnell wechselte ich meine Laufrichtung und kam so dem Geräusch immer näher.
Der See erschien in meinem Sichtfeld, genau wie das braune Reh, das seelenruhig am Ufer lag und immer wieder einen Schluck Wasser trank. Begierig leckte ich über meine Lippen und wollte mich bereit machen anzugreifen, als ein lauter Schrei durch den Wald hallte. Wie erstarrt stand ich hinter dem niedrigen Busch, sah zu, wie das Reh erschrocken aufsprang und in die andere Richtung davonlief, während dieser Schrei sich in jeder Zelle meines Körpers festsetzte. Wer auch immer der Verantwortliche war, er musste unglaubliche Schmerzen haben. Normalerweise würde ich es einfach ignorieren, in mein Haus zurückkehren oder weitersuchen, um endlich meinen Blutdurst zu stillen, aber dieser Schrei löste etwas in mir aus. Ich wusste nicht, was es war. Mein Kopf schrie mich an und befahl mir es auszublenden und zu gehen, gleichzeitig sagte mein Körper ich soll dem Schrei nachgehen.
Es fühlte sich an, als würden ein Engel auf meiner linken Schulter und ein Teufel auf meiner rechten Schulter sitzen. Wer aber welche Aussage vertrat, blieb aus. Meine Gedanken rasten umher, bis ich endlich zu einer Entscheidung kam. Es war nur ein lächerlicher Menschenjunge aus dem Schloss gewesen, der wahrscheinlich einem Hasen über den Weg gelaufen war. Verwöhnte Idioten. Meine Augen hatten wieder eine braune Farbe eingenommen. Hunger hatte ich immer noch, aber dann musste ich mich eben mit Blutkonserven zufriedengeben. Ich machte mich also auf den Weg zu meinem Haus, das tief verborgen im Wald lag. So tief, dass sich kein Mensch dorthin verirren würde und wenn doch höflich von mir verjagt wurde. Ich hatte gerade mal die Hälfte des Weges bewältigt, als ein süßer Geruch in meine Nase stieg.
Verwundert blieb ich stehen und folgte dem Geruch einige Meter, um dann wieder stehenzubleiben. Meine Hände fingen an zu zittern, sodass ich sie zu Fäusten ballte. Anscheinend war der Typ doch nicht so glimpflich davongekommen, wie ich dachte. Es war dumm dem Geruch zu folgen, aber irgendetwas brachte mich dazu weiter zu laufen. Der Geruch verstärkte sich und ich riss geschockt meine Augen auf, die kurz darauf in einem dunklen Rot leuchteten. Der Duft von frischem Blut setzte sich in meinem Kopf fest, aber das war nicht irgendein Blut. Es war adelig. Bei jedem anderen Menschen roch das Blut auch süß, aber adeliges Blut hatte einen stärkeren Geruch. Man konnte es schon Kilometer entfernt riechen und es war noch viel süßer, fast schon zu süß.
Ich hatte es noch nie selbst probiert, kannte die Geschichten nur von meinen Eltern, die einmal in ihrem Leben das Privileg hatten in den Geschmack von diesem besonderen Blut zu kommen. Je näher ich der Quelle kam, desto mehr spielten meine Vampirkräfte verrückt. Ich spürte, wie sich die spitzen Zähne durch mein Zahnfleisch an die Oberfläche kämpften und meine Augen unruhig zuckten. Sonst konnte ich meinen Durst immer unter Kontrolle halten, aber ob das auch in diesem Fall funktionierte war schwer zu sagen. Ich versuchte einen klaren Kopf zu behalten und kämpfte mich weiter zwischen den Bäumen durch, bis ich auf einer kleinen Lichtung ankam. Allein das Fletschen meiner Zähne verriet mir, dass hier der Geruch herkommen musste. Ich schaute mich um, bis ich eine große Person ausmachte, die über einem braunhaarigen Jungen beugte und, wie ich erschrocken feststellen musste, ein Messer in der Hand hielt.
Beim genaueren Hinsehen erkannte ich den König, was die Chance, dass die braunhaarige Person dieser Liam war, stark erhöhte. Ein erneuter Schrei riss mich aus meiner Gedankenstarre. Der König stieß das Messer in den zappelnden Körper unter ihm und zeigte dabei nicht einen Funken Reue. Schulterzuckend trat ich ein paar Schritte nach vorne und wollte schon wieder im Wald verschwinden. Das hier war ja wohl wirklich nicht meine Angelegenheit. Mein Körper schien mein Einfall wohl nicht zu gefallen, denn ohne es zu merken umrundete ich einmal das Geschehen, wurde dabei von Bäumen und Büschen verdeckt, bis ich das Gesicht von Liam sehen konnte. Eher das, was davon noch sichtbar war. Seine komplette untere Gesichtshälfte war rot gefärbt und von seinem Körper wollte ich gar nicht anfangen. Das einzige, was ich sehen konnte, war Blut und obwohl ich tierischen Durst hatte, verspürte ich kein Bedürfnis danach es zu trinken.
Irgendein Gefühl drängte sich in mir nach oben. Durch mein Vampirgehör konnte ich hören, wie bei jedem Messerstich ein weiteres Blutgefäß durchtrennt wurde und noch viel schlimmer, dass Liam immer noch bei vollem Bewusstsein war und damit jeden neuen Schmerz auf sich nehmen musste. Das änderte sich aber schnell, als seine Atmung langsamer wurde. Panisch überlegte ich, was ich tun sollte oder eher gesagt, warum ich überhaupt die Dringlichkeit verspürte etwas tun zu wollen. Der König warf das blutverschmierte Messer, ohne hinzusehen, von sich, wobei es nicht mal zwei Meter von mir entfernt landete. Dann nahm er seine Beine in die Hand und rannte so schnell er konnte davon, ließ den blutenden Körper einfach so liegen. Nicht mal für einen letzten Blick hatte es ihm gereicht. Und als ich dem König hinterher sah und darüber nachdachte, wie er jetzt ohne schlechtes Gewissen weiterleben würde, ohne je wieder einen Gedanken an Liam zu verschwenden, wusste ich, welches ekelhafte Gefühl mich da überkommen hatte.
Es war Mitleid. Etwas, was ich noch nie in meinem ganzen Leben verspürt hatte und es am liebsten nie wieder fühlen wollte, denn es machte verletzlich. Doch in diesem Moment musste ich mich wohl oder über damit herumschlagen, weshalb ich durch meine Schnelligkeit nicht mal eine Sekunde später neben Liam im nassen Gras kniete. Inzwischen hatte er wohl soviel Blut verloren, dass er ohne Hilfe nicht überleben würde. Kurzerhand bohrten sich meine Zähne in mein Handgelenk, nur um es dann an Liams, inzwischen eiskalten, Lippen zu halten. Langsam tropfte mein Blut in seinen Mund, überdeckte dabei sein eigenes und irgendwann konnte ich das leise Geräusch von schlucken hören. Als ich dann noch sein T-Shirt hochzog und bemerkte, dass die Wunden schon am heilen waren, zog ich meinen Arm zurück. Trotz meiner Hilfe würde es wohl noch eine Weile dauern, bis er wieder aufwacht. Wieder entfachte sich ein Kampf in meinem Inneren.
Laut stöhnte ich auf, als sich der Engel dazu entschloss, dass ich Liam nicht hier liegen lassen konnte. Etwas wütend auf mich selbst stand ich auf, legte einen Arm unter Liams Kniekehlen und den anderen an seinen Rücken und hob ihn hoch. Für mich wog er praktisch nichts. Ich rannte los, bedacht darauf, Liam schützend an mich zu pressen. Schon nach kurzer Zeit standen wir vor dem alten Haus, das äußerlich gesehen Hauptort eines Horrorfilms sein könnte und gleichzeitig mein Zuhause war. Von Innen war es modern eingerichtet, hatte mehrere Schlafzimmer und einen Keller, in dem ich Blutkonserven für mich oder andere aufbewahrte. Etwas umständlich schloss ich die Tür auf und trat in den Flur, der an die Küche und das Wohnzimmer angrenzte. Letzteres betrat ich jetzt und legte Liam auf dem großen Sofa ab. Ich kontrollierte nochmal seine Wunden, bevor ich hochging, um ihm neue Sachen zu holen. Als ich wieder runterkam hörte ein schmerzerfülltes Stöhnen. Liam wälzte sich unruhig hin und her, öffnete dann schlagartig seine Augen und schaute mich geschockt an.
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