Kapitel 23


Es dauerte keine Minute, als schon jemand an meine Zimmertür klopfte. „Wer ist da?", fragte ich, während ich mich aufsetzte. „Die Liebe deines Lebens?" Ich verdrehte meine Augen, musste aber doch leicht schmunzeln. „Komm rein, Louis." Schon öffnete sich die Tür und Louis schob sich blitzschnell ins Zimmer, bevor er sie laut ins Schloss fallen ließ. „Limabean", sagte er gespielt traurig und warf sich mit Schwung neben mich auf das Bett. „Blas nicht so ein Trübsal", sagte er dann und pikste mit seinem Zeigefinger auf meine herunterhängenden Mundwinkel.

 „Was soll ich denn bitte anderes tun, wenn Zayn Pläne schmiedet jemanden umzubringen?!" Der Blauäugige seufzte und setzte sich dann auf. „Hör zu, Liam. Ich habe dich wirklich gerne, aber in dieser Situation denkst du nur an dich. Versuch das ganze doch mal aus unserem Blickwinkel zu sehen. Seit Jahrzehnten werden wir Vampire schon von der Königsfamilie gejagt und getötet und Zayn hat sogar seine Familie durch den König verloren. Weißt du eigentlich, wie viele Vampire und auch Menschen der König auf dem Gewissen hat? Und jetzt stell dir mal vor, dass wir ihn stürzen, aus seinem eigenen Land vertreiben.

 Denkst du wirklich, er würde nicht dort, wo er hin flüchtet, weiter töten, wenn nicht sogar zurückkommen, um zu beenden, was er angefangen hat? Zayn mag das vielleicht nicht so deutlich sagen, aber er hat Angst um uns alle. Um sich selbst, Harry, mich und vor allem dich, denn dein Name steht im Death Note Buch des Königs extra fett gedruckt." Ich schaute Louis an. So ernst hatte ich ihn noch nie erlebt. Die Worte aus seinem Mund enthielten kein Stück von Sarkasmus und auch das sonst immer vorhandene Glitzern in seinen Augen war verschwunden. „Aber wir können doch nicht einfach jemanden töten.

 Damit wären wir doch nicht besser als der König", sagte ich jetzt deutlich leiser als vorher. Ich musste zugeben, dass Louis recht hatte, aber ich wollte immer noch nicht zu der Planung eines Mordes beisteuern. „Denk doch mal an all die unschuldigen Seelen, die er schon getötet oder gefoltert hat, Liam. Und an all die Menschen und Vampire, die noch sterben werden, wenn wir dem kein Ende bereiten." Nachdenklich nickte ich, doch der bittere Nachgeschmack hinter diesen Worten wollte nicht verschwinden. „Du hast ja recht, Louis, aber wie kannst du mit dem Gedanken leben, dass du einem Menschen das Leben raubst? Ich meine, es ist doch nicht normal einfach so jemanden töten zu wollen und dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen zu haben!" Louis seufzte erneut. 

„Ich verstehe dich. Der Gedanke kommt aber nicht erst jetzt, Liam. Du weißt gar nicht, wie lange wir schon unter dem König leiden müssen. Jahrelang mussten wir uns mit ansehen, wie ein Freund nach dem anderen verschwunden und nie wieder aufgetaucht ist. Was meinst du, wem dein Zimmer gehört hat?" Louis' Augenbrauen zogen sich verbittert zusammen, während er mich anstarrte. Genau in dem Moment wehte eine kalte Prise Wind, durch das geöffnete Fenster, in den Raum und legte eine ziehende Kälte über meine Haut. Passend dazu fuhr ein eiskalter Schauer meinen Rücken hinunter, als ich realisierte, dass Zayn mich dort wahrscheinlich auch angelogen hatte.

 „Aber- Zayn hat gesagt, es wäre ein Gästezimmer. Und die Zeichnung, ich meine, es sieht nicht aus wie jemandes Zimmer", sagte ich stockend. Der blauäugige schaute mich einginge Sekunden an, ehe er seine Augen verdrehte und ein „Natürlich" murmelte. „Das, was Zayn dir erzählt hat, ist kompletter Bullshit", stellte er harsch fest und ließ mich somit zusammenzucken. Der Ernste Louis war eine Sache, aber nun brodelten Louis' Augen vor Zorn. „Dein Zimmer hat mal unserer Freundin Allison gehört. Sie hat 20 Jahre bei uns gelebt, bis der König sie erwischt hat, Pfeil durchs Herz. Und das Bild in dem Zimmer hat Zayn gemalt. Das hat er immer, wenn einer von uns verschwunden ist." Bei dem Wort ‚verschwunden' malte er Gänsefüßchen in die Luft. Es war uns beiden bewusst, was wirklich mit diesen Leuten passiert war. In seine Augen mischte sich jetzt auch ein Hauch Traurigkeit. 

„Du willst gar nicht wissen, wie viele Bilder auf dem Dachboden liegen, weil wir immer wieder umgezogen sind und einfach keinen Platz mehr für sie hatten. Zayn verpackt alle Gefühle, die er nach jedem Tod gespürt hat oder mit der Person in Verbindung gebracht hat, in Bilder und hängt sie in deren Zimmer. Im Keller hängt auch eins..", kurz senkte er den Blick und schien zu überlegen, ob er weiterreden sollte. Verständlich, immerhin redete er gerade über Zayn, der wahrscheinlich gerade, zusammen mit Harry, unser Gespräch belauschte, „Ein Junge, kaum 18 Jahre alt, eine Hand ist an seinen Hals gelegt und sein ganzes Gesicht ist überströmt von Blut und Brandwunden. Nur seine blauen Augen stechen aus dem Bild hervor und jedes Mal, wenn ich es angucke, habe ich das Gefühl er starrt mir direkt in die Seele. Aber sein Blick ist voller Schmerz, voller Verzweiflung und Hilflosigkeit."

 Zum Ende hin wurde er immer leiser und starrte nur noch auf einen unsichtbaren Punkt auf der Bettdecke. „Kann ich das Bild sehen?", fragte ich leise. Er hob seinen Blick und nickte dann unsicher, während er vom Bett aufstand und sich Richtung Tür bewegte. „Komm schon", flüsterte er, kaum hörbar. Langsam folgte ich ihm und machte dabei keinen Mucks. Der Louis vor mir glich kaum dem Jungen, den ich sonst kannte. Er war still, ernst und schien sich zum ersten Mal nicht hinter einem Lächeln zu verstecken. Auch vom Wohnzimmer war kein Geräusch zu hören und ich war mir nicht sicher, ob Zayn und Harry weg waren oder einfach gespannt unserem Gespräch folgten.

 Kurz vor der Kellertür machte Louis halt und sah mich wieder an. Diesmal lag ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen, was dafür sorgte, dass sich sofort ein Lächeln auf mein Gesicht legte. „Du wirst jetzt aber nicht wieder über die Blutbeutel herfallen, oder Payno?" Genervt stöhnte ich auf und schlug ihm leicht gegen die Schulter. „Wann bitteschön hat Zayn dir das erzählt?" „Wir sind Vampire, Liam. Wir finden immer einen Weg. Also? Kein Blutdurst?" Ich schüttelte nur den Kopf und öffnete die Tür einfach selbst, falls er es sich doch anders überlegen sollte. Louis schlüpfte hinter mir in den Raum und schloss die Tür hinter uns. 

„Die beiden können uns hier nicht mehr belauschen. In die Wände hier unten ist Eisenkraut eingebaut, frag mich nicht wieso. Bei den Kerkern des Königs ist es genau dasselbe. Wenn überhaupt können sie uns nur verdammt leise hören", erklärte er und ging nun voran in eine Ecke des Raumes. Tatsächlich hing über der Truhe mit den Blutbeuteln ein großer Bilderrahmen. Wie er mir bei meinem ersten Besuch hier nicht auffallen konnte, blieb mir ein Rätsel. Es war eigentlich kaum zu übersehen. Mein Atem stockte, als ich das Bild betrachtete. Louis' Beschreibungen hätten niemals den furchtbaren Anblick vor mir zu Ausdruck bringen können. Der Junge auf dem Bild sah jung aus, verdammt jung. 

Die Hand an seinem Hals gehörte zu einer anderen Person, viel älter als der Junge, was man an der Größe und Detailliertheit erkennen konnte. Und sie war verkrampft um den Nacken des Jungen, sie würgte ihn und war getränkt von Blut. Das Blut des Blauäugigen wurde so genau gezeichnet, dass es so wirkte, als würde es in diesem Moment noch immer über seine jünglichen Wangen rinnen. An den Stellen, die nicht von Blut übermannt waren, prangten eklige Brandwunden, die selbst beim Angucken schmerzhaft aussahen, und blaue Venen, welche durch den Sauerstoffmangel pulsierend hervorstachen. Seine Augen waren strahlend blau und leuchteten mir entgegen, genauso wie der Schmerz und Pein.

 Die Ränder der Augen waren leuchtend rot, als wären sie in Kontakt mit etwas Ätzendem gekommen und nun stark gereizt. Doch was mich am meisten schockierte, war eine andere Tatsache. Die schmerzenden Augen, die mich Hilfe suchend aus dem Bild ansahen, waren genau dieselben wie die des Jungen, der vor mir stand und mich aus den gleichen strahlend blauen Augen anschaute. Der zerstörte Jugendliche auf dem Bild war Louis. 

„Was zur Hölle", flüsterte ich kaum hörbar und starrte ungeniert erst das Bild und dann Louis an, welcher unsicher zurückstarrte. „Louis, was soll das? Ich meine, du bist nicht tot. Du stehst vor mir, warum sollte Zayn so ein Bild malen?", fragte ich zitternd. Louis seufzte tief. „Vor 15 Jahren war ich selbst in den Kerkern des Königs. Ganze 6 Monate lang wurde ich eingesperrt und gefoltert." Kurz hielt er inne, als würden die ganzen Erinnerungen sich in seinem Inneren wieder abspielen. Seine Stimme zitterte leicht, als er weitersprach. 

„Zayn und Harry. Die beiden wussten nicht, ob ich wiederkommen würde. Ob ich überhaupt noch lebe. Wir hatten immer eine Regel. Oder eher mehr eine Feststellung? Wenn jemand länger als zwei Monate verschwunden ist, ohne Nachricht oder irgendein Lebenszeichen..wird er oder sie als tot erklärt. Nur ich nicht." Er sah mich an und ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Harry hat nicht zugelassen, dass die Wörter ‚Louis ist tot' irgendjemandes Mund verlassen. Sogar als selbst Zayn die Hoffnung aufgegeben, ließ er sich von niemanden einreden, dass ich nicht wiederkomme. Er hat einfach gespürt, dass ich noch lebe. Dann ist er gekommen und hat mich da rausgeholt und damit wohl gegen alle Gesetze verstoßen, die wir hier aufgestellt haben", erzählte er lächelnd. „Uns ist es verboten, irgendjemandem ins Schloss zu folgen.

 Das ist wortwörtlich eine Folterkammer für Vampire, aber Harry war das komplett egal. Ich kann mich immer noch an das Gefühl erinnern, als er auf einmal in meiner Zellentür stand, mit Tränen in den Augen und mich angesehen hat, als wäre ich alles, was er zum Leben braucht. Ich hatte nur Boxershorts an, mein kompletter Körper war dreckig, ich hatte immerhin seit 6 Monaten nicht geduscht, wenn man die Foltereinheiten des Königs, die Wasser beinhalteten, nicht mitzählt und ich denke, es war so viel Blut auf meiner Haut, dass er mich nur an meinen Augen erkennen konnte."

 Er stoppte wieder und deutete dann auf das Bild. „Deswegen sind meine Augen darauf so hervorgestochen. Genau so sah ich aus, als Harry mich gefunden hat. Ziemlich widerlich, oder? Und trotzdem hat er mich sofort in seine Arme geschlossen und mich mit diesem Blick angesehen. Als würde er lieber sterben, als mich nochmal zu verlieren. Und du hättest erst Zayns Blick sehen sollen, als Harry mit mir zurückkam. Die beiden haben mich wochenlang nicht aus den Augen gelassen.

 Nur, wenn sie daran gearbeitet haben." Wieder zeigte er auf das Bild. „Zayn und Harry haben das Bild zusammen gemalt?", fragte ich ungläubig, doch Louis zuckte nur mit den Schultern. „Ich bringe eben die besten Seiten meines Hazzas heraus." Schmunzelnd verdrehte ich meine Augen, glücklich darüber, dass der unbeschwerte Louis wieder da war. „Warum zeigst du mir das Bild?", fragte ich dann wieder ernst, was dazu führt, dass auch Louis Miene wieder ernster wurde. „Ich möchte, dass du verstehst, warum wir alle den König loswerden wollen. Denn wenn wir nicht aufpassen, könntest du der Nächste sein, der verschwindet, oder Harry, oder Zayn. Keiner von uns will, dass das passiert und du hoffentlich auch nicht." Geschlagen senkte ich den Kopf und nickte. „Okay. Dann lass uns dieses Arschloch loswerden"

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top