Kapitel 15
Fenian ließ dem Gardisten das letzte Wort und sonnte sich in den Gefühl, dass jetzt alle hier wussten, dass er der bessere Sänger war.
„Also ich muss schon sagen, das ich glaube, dass ein Unternehmer von einem besonderen Menschenschlag sein muss. Nicht jeder kann einen Betrieb organisieren und am Laufen halten. Sowas muss man gelernt haben", meinte Harry Turner.
„Und Sie glauben nicht, dass zum Beispiel Sie das lernen können?", fragte Fenian.
„Doch natürlich kann ich es lernen. Ich will es ja lernen. Ich glaube nur nicht, dass ich heute schon dazu in der Lage wäre. Man muss klein anfangen."
„Die Erben dieser Gesellschaft fangen nicht klein an", wand Fenian ein.
„Aber die wachsen hinein in die Verantwortung, wie... wie ein Kronprinz."
Fenian verdrehte die Augen, aber der Vergleich passte. Er fragte sich nur, wieso niemand ihn in Frage stellte. Die USA hatten sich von einem König unabhängig erklärt. Das war der Gründungsmythos dieser Nation. Wieso redete jetzt ein junger Mann wie Harry Turner von Kronprinzen, die ihre Position rechtmäßig ererbten und die Verantwortung für viele hundert Untertanen... Arbeiter übernahmen?
„Wenn Sie in einer irischstämmigen Familie aufwachsen", sagte Fenian, „wirkt ein solcher Vergleich ein wenig seltsam. Ich meine, sind wir nicht alle Republikaner, wer wir Erbfolgen und Dynastien ablehnen? Sollte nicht jeder die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben? Wollen wir wirklich, dass es ein paar Privilegierte gibt, die uns herum schubsen, einfach weil sie in diese Familie hineingeboren wurden und wir in jene? Finden Sie das gerecht?"
„Ich finde, Neid ist keine sinnvolle Grundlage für eine Gesellschaft, die aufeinander angewiesen ist", sagte Gene Waters, „Es ist doch nichts dabei, wenn manche einen besseren Start haben, es ist ja nicht so, als wären alle anderen deshalb chancenlos. Es ist nicht die Schuld des Reichen, dass er reich ist."
„Aber es ist seine Schuld, dass andere arm sind", meinte Fenian.
„Kommen Sie, hören Sie auf damit, das ist billig!", sagte Sam Meyer immer noch genervt, was Fenian immer noch freute.
„Wieso?", fragte er, „Armut definiert sich doch in der Relation zum Reichtum."
„Und Reichtum zur Armut", sagte Meyer, „Überschätzen Sie mal den Luxus der Unternehmer nicht. Die meisten sind bis über beide Ohren verschuldet. Im Grunde ist unser guter Gene hier um Zehntausende von Dollars reicher als sein Boss."
„Sie meinen, von Null Dollar kann man besser leben als von Minus 90.000?", fragte Fenian, „Da kennen Sie aber die Banken schlecht. Wenn Sie denen hundert Dollar schulden, pfänden sie Ihnen Ihr letztes Hemd vom Leib. Wenn Sie denen hunderttausend Dollar schulden, geben sie Ihnen noch mal hunderttausend, weil sie Angst haben, dass Sie nicht mehr zahlen können. Sehen Sie, wenn Mister Winters Schulden hat, dann schläft er nicht mehr. Wenn sein Boss Schulden hat, schläft die Bank nicht mehr."
„Phrasen, Mister Mac."
„Wahrheiten. Sie kommen aus Arkansas, nicht wahr? Von wo genau?"
„Meine Familie besitzt eine Farm und sie arbeitet hart. Niemand von ihnen hat sich je beschwert und niemand war je auf die Almosen eines anderen angewiesen", sagte Meyer nicht ohne Stolz.
„Und das Land gehört ihnen selbst? Und die Ernten sind in Ordnung? Was werden sie tun, wenn eine Dürre einsetzt? Was werden sie tun, wenn sie neue Gerätschaften anschaffen müssen? Was werden sie tun, wenn die Landarbeiter streiken? Was werden sie tun, wenn die Preise fallen? Was werden sie tun, wenn die Zinsen steigen? Wie sicher sind Sie sich der Sicherheit Ihrer Familie?"
Sam Meyer antwortete nicht. Fenian ahnte, dass die Aussage, dass Meyers Familie sei auf niemanden angewiesen, eine Lüge gewesen war. Er stellte sie sich vor wie in diesem lächerlichen Kinderlied von einer Hymne. Tüchtig, ja. Rotwangig, stolz, auf fruchtbarem Land in mildem Klima, die Farben der Natur satt und leuchtend. Ein zufriedener Blick, Anerkennung für die eigene Leistung. Die Ernte beinahe reif, die Zukunft rosig. Werte, die bewahrt werden, schützen vor den Stürmen ungewisser Entwicklungen. Und dann sind da die anderen, das andere Arkansas, die Landlosen, die Landarbeiter, denen es heute nicht besser ging als vor hundert Jahren, als noch nicht „Landarbeiter" hießen sondern Sklaven. Wie frei waren sie, wenn sie immer noch für diejenigen arbeiteten, für die schon ihrer Eltern- und Großeltern gearbeitet hatten, die in den gleichen Hütten gelebt hatten und das gleiche Essen bekamen, nur dass sie es damals nicht bezahlen mussten? Wie frei waren sie, wenn sie immer noch verprügelt, verjagt und ausgegrenzt wurden, wenn man ihnen Rechte vorenthielt? Welche Farben konnten sie sehen? Was interessierte sie der Ertrag der Ernte? Nichts davon gehörte ihnen und ihren Lohn erhielten sie, egal ob sie viel oder wenig arbeiteten. Sie hatten keine Chance, jemals aufzusteigen. Niemand, der mit nichts geboren wurde, hatte eine Chance in diesen Zeiten. Das war Gene Waters Denkfehler.
„Hören Sie auf damit!", meldete sich plötzlich Greg Winters, „Was geht Sie meine Finanzsituation an? Und was nutzt Ihnen diese Analyse?"
Fenian entschuldigte sich und sagte zu Sam Meyer: „Ich frage mich wirklich, wie für Sie ein idealer oder zumindest ein akzeptabler Mensch aussieht. Sie wissen zu allem und jedem gleich eine Bewertung, wissen sofort, was jeder falsch macht und woran sein Scheitern liegt. Sie sind so schnell mit Schuldzuweisungen bei der Hand, dass ich glaube, sie blicken auf alles herab, das nicht genau ihnen selbst entspricht."
„Ihre Schuldzuweisungen sind nicht weniger pauschal und voreilig, aber ich will Ihnen antworten Mister Mac in der Hoffnung, dass Sie was lernen."
„Nur zu", sagte Fenian, „Vielleicht können wir alle noch was lernen."
„Freiheit, Mister Mac, darum geht es. Sie wollen die Menschen knechtschaften mit unnötiger Bürokratie. Sie legen denen Steine in den Weg, die die Gesellschaft voranbringen und hemmen damit insgesamt den Fortschritt. Und von Stagnation oder sogar Rezession profitiert am Ende niemand, auch Ihre Arbeiter nicht. Sehen Sie, es ist nicht sehr schwer, wenn man die Augen nicht vor ein paar simplen Tatsachen schließt und hier sollte auch unser Laienprediger gut aufpassen: Wir können die Wirklichkeit nicht verbiegen. Ein A ist ein A. Existenz existiert und wir sind in der Lage diese Existenz wahrzunehmen und zu verstehen. Verständnis ist Bewusstsein, es wächst mit unserer Erfahrung und wird genauer. Verstehen Sie, was ich sagen will? Die Welt ist berechenbar. Wir und alles, was existiert ist dem Kausalprinzip unterworfen, das heißt: Jede Handlung hat eine Wirkung und jede Wirkung hat eine Ursache."
„So argumentieren auch alberne Gottesbeweise", winkte Fenian ab, „Das ist Wortklauberei. Existenz existiert... Das einzige, bei dem Sie sich sicher sein können, ist, dass Sie etwas wahrnehmen, das Sie für existent halten. Existieren Träume? Existieren Ideen? Existieren Gedanken oder Gefühle? Existiert ein Geräusch, wenn niemand die Schallwellen misst? Sie haben eine Ahnung, aber nie Gewissheit. Bewusstsein, bedeutet, sich dieser Fehlbarkeit gewahr zu sein. Bewusstsein ist kritisches Denken und kritisches Denken ist Identität, denn Identität, ist das, was uns voneinander unterscheidet. Unsere Schlussfolgerungen, unsere Erfahrungen und unsere Definitionen. Für Sie ist ein A vielleicht ein A. Für einen Analphabeten ist es bedeutungslos, bis er Lesen und Schreiben lernt und wenn wir einen Code definieren, ist ein A vielleicht ein B oder ein C. Wir sind es, die Bedeutungen definieren, wir finden sie nicht. Sie sind nicht gottgegeben. Sie können mir Eigenschaften zuweisen, die ich zurückweisen würde, trotzdem glauben Sie weiterhin an ihre Version meines Charakters. Aber wer kann schon die echte Wahrheit ausdrücken? Die Realität ist komplexer als das, was sie wahrnehmen, Mister Meyer, die beinhaltet zum Beispiel auch meine Wahrnehmung, die sich Ihnen womöglich nicht erschließt. Wer aber kann sagen, welche unserer beiden Vorstellungen richtige und welche falsch ist? Sie können die Zukunft nicht berechnen, Mister Meyer. Sie ist zu chaotisch."
„Wenn ich einen Motor baue, so weiß ich, wie er funktioniert und warum und ich kann ich nochmal bauen und er wird auf die gleiche Weise funktionieren und ich kann ihn in Serie herstellen lassen und er wird immer gleich funktionieren", sagte Meyer, „Sie müssen lernen und erfahren, dann können Sie selbst schöpfen. Die Welt existiert unabhängig vom Inneren Ihres Kopfes. Wünschen wird nichts geschehen lassen."
„Kommt darauf an, was sie geschehen lassen wollen. Ein Wunsch kann in Ihnen Wohlbefinden auslösen."
„Ein Wunsch kann keinen Motor bauen."
„Ein Motor verschafft mir kein Wohlbefinden!", sagte Fenian.
„Wirklich nicht?"
„Nein!", beteuerte er.
„Sehen Sie, ich glaube, Sie liegen falsch, wenn Sie glauben, unsere Sinneseindrücke würden uns betrügen oder wir würden uns selbst betrügen. Unsere Augen sind Werkzeuge. Sie liefern uns Informationen, aus denen wir automatisch notwendige Schlussfolgerungen ziehen. Sie sind notwendig, weil sie dem Kausalprinzip unterworfen sind. Wir sehen, dass Kohle brennte, wir schlussfolgern, dass wir mit unsere Häuser mit Kohleöfen heizen können. Es ist nicht so, dass Kohle nur Dienstags und Donnerstags brennt oder wenn sie gerade Lust dazu hat. Wir sehen es, wir lernen es, wir können uns darauf verlassen."
„Und doch können unsere Schlussfolgerungen falsch sein", sagte Fenian.
„Dann müssen wir sie korrigieren, sobald wir das feststellen", meinte Meyer, „Der ideale Mensch erkennt seine Fehler und merzt sie aus, statt der Umgebung Fehlerhaftigkeit zu unterstellen und die Umstände ändern zu wollen."
„Sie sagen also, der Betrieb und die Art und Weise, wie er geführt wird, beruht auf..."
„Dem Kausalprinzip. Er hätte sich nicht anders entwickeln können und deshalb ist seine Entwicklung richtig und gut. Leben Sie in der Wirklichkeit, Mister Mac, nicht in einer Illusion!"
„Trotzdem können Sie träume und Gedanken nicht kalkulieren, auch keine Gefühle. So viel hängt voneinander ab. Denken Sie nur mal daran, wie unterschiedlich Ihre Gemütslage und Leistungsfähigkeit sind, wenn sie einen Nacht lang gut oder schlecht geschlafen haben. Ein wiederkehrender, unkontrollierbarer Alptraum kann Ängste und somit Ihre Persönlichkeit prägen."
„Sie reden von krankhaften Anomalien", sagte Sam Meyer.
„Aber jeder von uns ist anormal. Niemand entspricht dem Durchschnitt", warf Gene Waters ein, „Ein Mensch findet zu Glauben, der nächste nicht. Ein Mensch ist Christ, der nächste Jude. Entscheidend für unsere Identität ist doch auch, wohinein wir geboren werden, welchen Weg wir gehen und welche Erfahrungen wir machen. Und ein Arbeiterkind macht nun mal andere Erfahrungen als ein Unternehmerkind. Ist das Ihre Art der Vorherbestimmung, Mister Meyer? Wenn ja, halte ich sie für sehr abstrus. Sind Sie schicksalsgläubig?"
Fenian antwortete für Meyer: „Nach allem, was er sagt, scheint er zu glauben, dass man mit Mathematik das Schicksal bestimmen, es mit Handeln aber nicht ändern kann."
„Ich glaube lediglich, dass es Fakten gibt", sagte Meyer, „Und wir sind in der Lage, diese Fakten zu erkennen. Wahrheiten werden entdeckt, Mister Mac, nicht definiert. Und man entdeckt sie, indem man beobachtet und abstrahiert."
„Ohne Definitionen kommen Sie nicht weiter. Sie können ja mit niemandem kommunizieren, wenn Sie keine Definitionen zu Grunde legen", warf Fenian ein.
„Sie definieren, nachdem sie erkannt haben, nicht umgekehrt", sagte Meyer.
„Aber Sie können Wahrheiten nicht zu 100% erfassen und darlegen. Fakten haben unterschiedliche Wirkung auf unterschiedliche Personen, die werden unterschiedliche bewertet und gewichtet und interpretiert. Beobachtung und Experiment geben nur Hinweise, sind aber keine endgültigen Beweise. Abstraktionen können falsch oder ungenau sein. Ihr Mensch wäre eine Maschine, Mister Meyer, niemand wir mit diesen Voraussetzungen geboren."
„Natürlich ist der Mensch fehlbar", gestand Sam Meyer ein, „Aber er kann Gewissheit erlangen, weil es Gewissheit gibt."
„Ich glaube, Ihre Prämisse ist falsch", sagte Caleb Bukowski, „Es ist nicht alles berechenbar."
„Lassen Sie ihn doch mal!", sagte Harry Turner, „Mich interessiert, was er daraus schließt."
„Ich glaube anders herum wird ein Schuh draus", meldete sich Greg Winters, „Der Mensch ist fehlbar und deshalb sind alle vermeintlichen Gewissheiten nur Hypothesen."
„Sie geben zu schnell auf", sagte Meyer, „Wenn Sie nicht glauben, dass sie echte Wahrheiten begreifen könne, wieso tun Sie dann überhaupt irgendwas? Woher wissen Sie, dass es gut ist, was Sie tun?"
„Wenn es nach Ihrer Hypothese geht", sagte Fenian giftig, „sind auch menschliche Handlungen dem Kausalprinzip unterworfen und berechenbar. Sie können sich also gar nicht anderes entscheiden als so, wie Ihre Prägung es verlangt."
„Aber Sie sind sehr wohl in der Lage, zu entscheiden, oder nicht?", fragte Fenian, „Leben Sie in der Praxis, nicht in der Theorie!"
„Sie glauben vielleicht nur, sich entscheiden zu können", meinte Fenian.
„Sie glauben also, es gäbe so etwas wie ethisches Handeln nicht?"
„Ich gehe von völlig anderen Voraussetzung wie sie aus", sagte Fenian, „Aber ich stimme Ihnen zu. Es gibt kein ethisches Handeln, das gut ist für jeden. Sie können nur verteilen, was Sie anderen genommen haben. Jeder empfindet jedoch etwas anderes als gerecht."
„Sie wollen immer nur verteilen, Mister Mac. Sie müssen ermöglichen, das ist Ihr Denkfehler. Der ideale Mensch handelt ethisch, indem er eigenständig entscheidet, das zu tun, was ihm selbst zu Gute kommt."
„Was ist also Ihrer Meinung nach gut?", fragte Gene Waters.
„Das liegt doch auf der Hand, oder nicht? Es gibt nur Schwarz oder weiß. Leben oder Tod. Gut oder schlecht. Das Leben ist gut, der Tod ist schlecht. Darauf lässt sich alles zurückführen."
„Oh, das ist aber an den Haaren herbeigezogen!", befand Greg Winters.
„Ja", sagte Fenian, „Nur weil etwas ist, heißt das ja nicht, dass es gut so ist."
„Ich weiß, Sie sind alle gegen mich hier, aber das ändern nichts an der Richtigkeit. Wie viele von Ihnen wollen gerne sterben? Wie viele würden alles tun, um am Leben zu bleiben?"
„Wieso wollen Sie alles immer bewerten?", fragte Caleb Bukowski.
Nur Gene Waters schwieg. Er hatte offensichtlich Probleme, einen echten Kritikpunkt an Meyers These zu finden. Schließlich sagte er: „Das Leben ist heilig. Es gilt, es zu schützen. Das ist ein ethischer Grundsatz, dem ich mich anschließe."
„Sie nennen es heilig. Ich nenne es natürlich. Das Streben nach Leben ist natürlich und menschlich. Demnach ist der Mensch per se gut. Das wundert Sie was, Mister Mac? Ich halte Sie für gut. Sie alle", sagte Sam Meyer.
„Und das, obwohl ich mich in Lebensgefahr gebracht habe?", fragte Fenian.
„Ich halte Sie theoretisch für gut, praktisch sind Sie ein Schweinehund", präzisierte Meyer.
„Leben Sie in der Praxis, nicht in der Theorie!", erinnerte Fenian.
„Seien Sie nicht so giftig, Mister McKenna", bat Gene Waters, „Ich finde, er hat Recht. Das Leben erhalten zu wollen, ist natürlich und gut."
„Sagt der Mann mit der Flinte", kommentierte Greg Winters.
„Diese Flinte schützt mehr Leben als es bedroht", sagte Meyer.
„Das stelle ich in Frage", sagte Fenian, „Verurteilen Sie also Selbstmörder? Oder das Töten unheilbar Kranker, die Sie vorhin noch sich selbst und dem Tode überlassen wollten?"
„Was verloren ist, ist verloren. Weinen Sie dem nicht nach, wenn Sie nicht betroffen sind."
„Wieso müssen Sie sich in die Privatangelegenheiten der Leute mischen?", fragte Fenian, „Was geht es Sie an, ob sich jemand umbringen will? Wie kommen Sie dazu, das als schlecht zu bewerten?"
„Finden Sie es denn gut?", fragte Gene Waters.
„Ich finde es gar nicht", sagte Fenian, „Es geht niemanden etwas an. Was Mister Meyer hier betreibt, ist Bevormundung Für jemanden, der sich auf die Freiheit beruft, ist das entlarvend!"
„Sie werden niemals frei sein, wenn sie nicht überleben", sagte Sam Meyer und warf einen traurigen Blick durch den dunklen Stollen, indem sie sich befanden, „Sie müssen Ihren Verstand zu einem Werkzeug ausbilden, denn Unwissenheit und Irrtum sind gefährlich und nutzlos."
„Und schon wieder definieren Sie nichts. Was ist Irrtum?"
„Das, was uns schadet, Mister Mac. Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!"
„Muss Wissen denn immer etwas nutzen? Kann an sich nicht daran erfreuen, auch wenn es..."
„Wozu? Handeln Sie effektiv, dann haben Sie mehr von Ihrem Leben", fiel ihm Meyer ins Wort.
„Sie weisen Menschen unterschiedliche Nützlichkeit und damit einen unterschiedlichen Wert zu", rief Fenian, „Damit stellen Sie die Menschenwürde in Frage. In Ihren Augen ist Leben unwert, wenn es sich nicht selbst erhalten kann. Was ist das? Gesellschaftsdarwinismus? Sie halten Hilfe für Ressourcenverschwendung, ich halte sie selbst für eine Ressource."
„Aber was ist denn ein Wert?", wollte Sam Meyer wissen, „Sie definieren genauso unsauber, wie sie es mir unterstellen."
„Werte haben verschiedene Bedeutung, weil verschiedene Menschen verschiedene Werte vertreten", sagte Fenian, „Sie pervertieren den Individualismus, indem Sie jedem sagen, was gut für ihn ist."
„Ein Wert ist etwas, für dessen Erlangen man handelt", sagte Meyer.
„Das ist banal!", behauptete Fenian, „Ein Streik ist auch eine Handlung und Würde ist ein Wert. Verweigerung und Streben haben verschiedene Ziele. Nichts davon ist berechenbar oder eindeutig zu bewerten."
„Sie sägen an dem Ast, auf dem Sie sitzen, Mister Mac, Sie merken es nur nicht. Woher soll das Geld kommen, das sie verlangen, wenn Sie die Wirtschaft lahmlegen, wie Sie es fordern?"
„Da hat er einen Punkt", fand Harry Turner.
„Dinge zu akzeptieren macht aus uns das Gegenteil von einem mündigen Bürger", sagte Fenian, „Um etwas zu verändern, müssen Sie unbequem sein und zeigen, dass auch sie Macht haben und die einzige Macht, die wir haben, ist unsere Arbeitskraft. Ich glaube einfach nicht, das Egoismus eine Tugend ist."
„So wie ich Sie einschätze, glauben Sie an gar nichts", erwiderte Sam Meyer, „Und das unterscheidet uns vor allen Dingen. Sie glauben nichts. Sie glauben nur, zu wissen."
„Und Sie? Sie wissen besser, oder was?", fragte Fenian.
„Ich denke einen Schritt weiter als Sie. Egoismus ist dann eine Tugend, wenn er uns zu Handlungen antreibt, die uns Helfen Werte zu erlangen."
„Ist das nicht eine Kreisargumentation?", fragte Gene Waters, „Ein Wert ist etwas, wofür man handelt, eine Tugend ist eine solche Handlung, also ist jeder Wert akzeptabel und jede Handlung eine Tugend, nur dass niemand nach dem Motiv fragt, oder die Handlung an sich hinterfragt. Ich meine, nach dieser Logik kann alles eine tugendhafte Handlung sein, wenn es Ihnen persönlich nützt: Ein Mord, Betrug, Unterdrückung."
„Sklaverei", fügte Fenian hinzu.
Sam Meyer schenkte ihm ein mildes Lächeln: „Sie haben nicht das Recht, zu töten."
„Schon wieder so eine Einschränkung in Ihrer Philosophie?", fragte Fenian.
„Wieso interessiert es Sie überhaupt, was meine Philosophie ist?"
„Es vertreibt die Zeit", sagte Fenian, „Und ich versuche es wirklich zu verstehen, wissen Sie. Es interessiert mich, wie diese Leute denken, die derartige Zustände verursachen."
„Dann müssen Sie versuchen, sich selbst zu verstehen", sagte Meyer.
„Sie machen es sich sehr leicht mit der Schuld."
„Und Sie machen es sich sehr leicht mit der Tugend."
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