1.
Naima starrte mit einen komischen Gefühl auf die Amerikanische Flage der riesigen American Airlines Maschine. Das Flugzeug stand direkt vor ihren Füßen, getrennt durch die großen Glasscheiben des Londoner Flughafens. Sie konnte noch nicht glauben, was sie hier tat. In wenigen Minuten würde sie in diese Maschine steigen.
Alleine. Ohne Freunde. Und ganz sicher ohne ihren Verlobten Greg. Verzeihung, Exverlobten.
Das Unwohlsein wich blanker Wut, als ihr wieder bewusst wurde, dass sich ihr Traummann vor fünf Wochen als untreuer Drecksack entpuppte und ihr Leben aus der Bahn geworfen hatte. Dieser ganze Mist war überhaupt erst der Grund, warum sie nun Hals über Kopf vor ihrem erklärten Angstgegner stand, der sich in allem spiegelt, was mit enge zu tun hatte.
Eine Frauenstimme erklang aus den Lautsprechern und riss Naima aus ihren Gedanken. War da eben ihre Flugnummer aufgerufen worden? Eilig suchte sie nach dem Ticket. Sie hatte schon die witzige Hoffnung, sie hätte es vielleicht verloren, da entdeckte sie das Flugticket hinter dem Reisepass.
Die Anzeige über Gate A 13 begann grün zu blinken. Flug 2123 nach San Francisco war bereit zum Boarding.
Naima griff nach ihrer Tasche. Tief ein und ausatmend steuerte sie die hübsche Stewardess an und reichte ihr die Bordkarte.
„Guten Flug.“ Die Frau lächelte bestimmt zum millionsten Mal.
Naima wagte sich zögerlich in die Schleuse. Meter für Meter nähert sie sich der Maschine, bis sie schließlich, wie von einer fremden Macht gestoppt, vor dem Eingang stehen blieb. Sie schob sich zur Seite und drückte den Rücken an die Wand. Ohne das sie es verhindern konnte, verkrampften sich ihre Finger. Hier stand sie nun. Naima Collister, Altenpflegerin, zweiunddreißig Jahre alt, mit schrecklicher Platzangst und hatte vor, ausgerechnet in ein Flugzeug zu steigen.
Mit geschlossenen Augen zwang sie sich, gleichmäßig zu atmen. Sie durfte jetzt nicht in Panik ausbrechen.
Amy hatte recht. Das würde bestimmt eine wundervolle Reise werden. Der Amerikatrip war die Idee ihrer besten Freundin Amy Franklin gewesen. Die Reporterin schwor darauf, dass es nichts besseres gegen Liebeskummer gebe als Urlaub oder einen intriganten Rachefeldzug. Da Letzteres nicht Naimas Natur entsprach, hatte sie sich für die Reise entschieden.
Beinahe wiederwillig lenkte sie ihren Blick auf das drohende Unheil. Den Einstieg.
Ganz ruhig, du kannst das. Geh einfach weiter. Das Flugzeug ist doch gar nicht so eng.
Sie wiederholte diese Gedanken gleich einem Mantra, bis sie spürte, dass sie Wirkung zeigten. Mit den Fingern strich sie über den kleinen, kleeblattförmigen Anhänger am Reißverschluss ihrer Tasche, den Amy ihr als Glücksbringer geschenkt hatte. Dann machte sie, wie einst Neil Armstrong auf den Mond, einen großen Schritt und trat in die Maschine.
„Willkommen an Bord, Frau Collister“, begrüßte ein Flugbegleiter sie nach kurzer Einsicht der Bordkarte und bot ihr eine Auswahl am Zeitschriften an.
Naima lehnte dankend ab. Sie hatte keine Zeit zum Lesen, weil sie vermutlich damit beschäftigt sein würde, Schreckensvisionen von brennenden Flugzeugwracks zu verscheuchen. Sie holte tief Luft und wappnete sich für den Marsch durch den schmalen Gang. Ohne dem beängstigend knappen Raum Aufmerksamkeit zu schenken, bahnte sie sich einen Weg zu ihrem Platz.
Sie hatte ein Sitz am Gang ergattert, man konnte ja nie wissen. So hatte sie wenigstens Auslauf, falls das permanente Bedürfnis, voller Panik durch das Flugzeug rennen zu müssen, irgendwann die Oberhand gewann.
Sie verstaute ihr Handgepäck und nahm Platz. Auf der Suche nach Ablenkung schnappte sie sich die Karte mit den Sicherheitsbestimmungen und studierte den Verlauf der Notausgänge. Trotzdem begannen ihre Finger zu zittern, als sich die Maschine in Bewegung setzte.
Beinahe augenblicklich blitzten neue Katastrophenbilder durch ihren Kopf, noch viel schlimmer als bisher. Hastig steckte sie die Karte ins Fach zurück und krallte sich an der Armlehne fest. Naima schloss die Augen und schaffte es während des gesamten Startvorgangs nicht, diese wieder zu öffnen. Erst als ein sanftes „Bling“ das Erlöschen der Anschnallzeichen verkündete, entspannte sie sich etwas. Den Gurt weiterhin festgezogen klickte sie sich durch das Filmangebot.
Als sie einige Zeit später in Turbulenzen kamen, gab sie auf. Mit zitternden Fingern wühlte sie in ihrer Tasche nach den Beruhigungsmittel, das Amy ihr vorsorglich zugesteckt hatte. Um sicherzugehen, nahm sie gleich die doppelte Menge der empfohlenen Dosis.
Schon wenig später betrachtet sie heiter ihr Umfeld. Selbst wenn das Flugzeug als brennender Feuerball ins Meer gestürzt wäre, hätte es sie nicht gekümmert.
Irgendwann fielen ihre Augen zu. Selig dösend bekam sie nichts mehr mit. Sie verschlief den eindrucksvollen Blick auf Grönland, den Anflug, die Durchsagen des Kapitäns, einfach alles und wurde erst wieder wach, als die Stewardess zunächst sanft, dann immer resoluter an ihren Schultern rüttelte.
„Frau Collister, wir sind gelandet“, sagte sie freundlich, aber mit besorgtem Stirnrunzeln.
„Ach... Ja. Gut danke.“ Benommen rappelte sich Naima auf und verließ als Letztes die Maschine.
Erst, als sie wenig später im strahlenden Sonnenschein auf den Shuttlebus zur Autovermietung wartete, wurde ihr klar, dass sie wirklich angekommen war.
Sie befand sich in den USA. Halleluja.
Eine Woche lang stürzte sie sich voller Begeisterung auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, dann brach sie am frühen Morgen zu ihrem nächsten Ziel auf.
Naima fiel es in dem Moment ein, in dem sie einige Stunden später in Mariposa ihre Kosmetiktasche aus dem Trolley nahm. Sie hatte ihre kompletten Duschsachen im Motel vergessen.
Wie zu Hause üblich hatte sie die Fläschchen in der Dusche stehen lassen. Nur, dass sie leider nicht zu Hause war. Sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, sie mitzunehmen, war nur darauf aus gewesen, so früh wie möglich die Weiterreise anzutreten. Und das passierte ihr gleich in dem ersten Motel, das sie verlassen hatte. Hätte das nicht in drei Wochen, am Ende der Reise, sein können?
Naima seufzte. Es half nichts. Sie konnte sich von nun an ihre Haare mit Motelseife waschen oder sich auf die Suche nach einem Laden machen.
Frustriert sah sie auf die Uhr. Eigentlich wollte sie in einer Stunde losfahren. Das würde wahrscheinlich knapp werden.
Sie schnappte sich ihre Zimmerschlüssel und verließ das Motel. Wenn sie sich nicht irrte, hatte sie einen Drugstore nicht weit vom Motel entfernt gesehen.
Der Morgen war zwar wundervoll klar, dafür aber etwas kühl. Naima überlegte schon, ob sie umdrehen und ihre Jacke holen sollte, da entdeckte sie den Laden.
Blairman's Drugs stand in blauer Schrift auf dem Schild über der Tür. Der Shop sah zwar nicht vielversprechend aus, aber Naima wollte beim besten Willen ihre Zeit nicht mit Suchen verplempern.
Sie trat durch die Eingangstür. Ein Glöckchen bimmelte. Der Laden hatte drei niedrige Regalreihen, bot dafür jedoch eine beeindruckende Auswahl an Zigaretten und Alkohol.
Sie nickte einem älteren Mann hinter der Theke freundlich zu und machte sich auf die Suche.
Im zweiten Regal wurde sie fündig. Naima nahm das Shampoo heraus und suchte nach dem Preis.
„7.99$“, las sie entgeistert. Puh, nicht gerade billig.
Als die Türglocke erneut bimmelte, sah sie kurz auf.
Zwei Männer mit Sonnenbrillen und tief in die Stirn gezogenen Caps betraten den Store.
Ihr fiel sofort der südländische Touch der beiden auf. Gebräunte Haut, dunkles Haar. Sie schätzte ihre Alter auf Anfang bis Mitte dreißig. Vielleicht Spanier, dachte sie und musterte die Männer genauer.
Der ältere war stämmig, erinnerte etwas an einen Boxer. Der jüngere, größere besaß eine durchtrainierte Figur und strahlte eine Ruhe aus, die man schon beinahe als gefährlich bezeichnen konnte. Irgendwie wirkten die beiden trotz ihres europäischen Aussehens nicht wie Touristen. Vielleicht lag es an der Art, wie sie den Laden betraten. Nicht zögernd, neugierig wie sie, sondern forsch und zielstrebig.
Naima konnte nicht sagen, warum, aber plötzlich rieselte ein unangenehmes Gefühl ihren Rücken hinab, das sich verstärkte, als der eine Mann zu ihr herübersah und dann die Zeitschriften einige Meter neben ihr ansteuerte. Der andere Typ musterte sie ebenfalls kurz, ging jedoch unbeirrt in Richtung Theke. Ohne weiter nachzudenken, stellte sie das Shampoo zurück.
Motelseife klang eigentlich gar nicht so schlecht...
Sie musste hier raus!
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Hallo hallo meine lieben das war das erste Kapitel.
Ich hoffe es hat euch gefallen.
Naima hat also Platzangst. Hat jemand von euch auch sowas?
Wer sind wohl diese Komischen Typen in dem Laden? Vorstellungen oder Ideen?
Bis zum nächsten mal.
Lasst mir gern ein Sternchen und ein Kommentar da. Nur so weiß ich was euch gefallen hat und was nicht.
Jule
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