Perfekt
"Evelyn, aufstehen!" reißt mich die Stimme meiner Mutter aus dem Schlaf.
Verschlafen mache ich die Augen auf, muss sie aber gleich wieder schließen, weil meine Mutter die Vorhänge aufreißt und gleißend helles Sonnenlicht den Raum flutet.
"Ich steh ja schon auf, Mom", sage ich und traue mich, meine Augen wieder ein kleines Stück zu öffnen.
"Gut!", antwortet meine Mutter nur und geht dann aus meinem Zimmer.
Als sie weg ist, setze ich mich auf, schwinge ein Bein nach dem anderen über die Bettkante und setze meine Füße auf den weißen, flauschigen Teppich, der meinen gesamten Boden bedeckt.
Ich stehe auf, laufe durch den Raum auf den Kleiderschrank zu und nehme meine Schuluniform heraus.
Danach schnappe ich mir noch mein oranges Shampoo, eine Bürste und ein Haargummi und verschwinde ins Bad.
Als ich wieder aus dem Bad komme, bin ich angezogen, meine Haare duften nach Orange und sind in einem Zopf zusammengebunden.
Ich gehe über den Flur, klopfe im Vorbeigehen an die Tür von Ginevra und schreie:
"Aufstehen, Gin!", und laufe dann weiter die Treppe hinunter.
Unten angekommen, steigt mir der Geruch von Kaffee und frischen Brötchen in die Nase.
Frühstück!
Ich laufe schnell in die Küche, schnappe mir im Vorbeigehen ein noch warmes Brötchen aus dem Brotkorb und lasse mich auf einen der Küchenstühle fallen.
"Das ging ja schneller als erwartet", sagt meine Mutter im Scherz und stellt mir meinen Kakao hin.
"Na danke, Mama!", sage ich gespielt eingeschnappt und angle nach der Schokocreme.
"Ist Dad schon bei der Arbeit?", frage ich, während ich mein Brötchen schmiere.
"Ja, ist er."
"Möchtest du Birne oder Apfel in deine Brotdose?", fragt sie, nachdem sie meine Frage beantwortet hat.
"Amphel!", sage ich, während ich in mein Brötchen beiße.
"Ich habe gar nichts verstanden!"
"Sag einfach gleich mit leerem Mund, was du essen willst!"
Ich nicke, um zu zeigen, dass ich ihre Frage verstanden habe.
Ich schlucke meinen Bissen herunter und sage:
"Ich möchte bitte Apfel haben."
Meine Mutter nickt nur und sieht immer wieder von der Uhr zur Treppe.
"Alles gut, Mama? Oder warum schaust du die ganze Zeit auf die Uhr?", frage ich besorgt nach.
"Eigentlich müsste Gin schon längst unten sein."
"Du hast sie aber auch geweckt, oder?", prüfend sieht sie mich an.
"Ja, joa, so halb", versuche ich der Frage auszuweichen, was aber nicht funktioniert.
"Was heißt hier 'so halb'?", sagt meine Mutter streng.
"Ich habe nur an ihre Zimmertür geklopft und sie gerufen", gebe ich zerknirscht zu.
"Los, hopp, hopp, hoch mit dir, deine Schwester richtig wecken!", fordernd sieht sie mich an.
Genervt seufzend stehe ich auf und laufe die Treppe hoch in die erste Etage.
Oben angekommen ist es totenstill.
Kein Prasseln von Wasser ist zu hören, was bedeuten würde, dass Gin einfach nur lange duscht, kein Summen ist zu hören, was bedeuten würde, dass Gin gerade dabei ist, ihre braunen Locken zu bändigen, und kein leises Schnarchen, was bedeuten würde, dass sie schlicht und einfach verschlafen hat.
Ich laufe weiter den Flur entlang und bleibe dann vor ihrer mit einem "Stop-Bitte Klopfen"-Schild verzierten Tür stehen.
"Hey Gin, aufstehen, du hast verschlafen!"
Ich warte auf eine Antwort, aber als nichts passiert, rufe ich dieses Mal energischer:
"Ginevra Smith, steh jetzt auf!"
Wieder warte ich, aber als nochmal keine Reaktion zu hören ist, klopfe ich noch ein letztes Mal, stoße die Tür auf und betrete ihr Zimmer.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top