Kapitel 7

Am Abend saßen Yuichiro und ich in unserem kleinen Zimmer. Ich hatte mich gerade hingelegt, als er plötzlich anfing zu kichern. Erst leise, dann immer lauter, bis er schließlich lauthals lachte. Ich wusste sofort, was kommen würde.

„Also wirklich, Muichiro...", japste er zwischen seinen Lachanfällen, „dein Schwarm hält dich für ein Mädchen! Und du widersprichst ihm nicht mal! Oh Götter, das ist das Lustigste, was ich je gehört habe!"

Ich drehte mich genervt zur Seite und zog die Decke über meinen Kopf. „Halt die Klappe, Yuichiro", murmelte ich, aber er ignorierte mich völlig.

„Hast du Angst, dass er dich nicht mehr mag, wenn er herausfindet, dass du ein Junge bist?" höhnte er weiter. „Oder genießt du es vielleicht sogar? Hm? Kleine Schwester?"

Ich schoss hoch und warf ihm mein Kissen ins Gesicht. „Sag das noch einmal, und ich schlag dich, Yuichiro!"

Er fing das Kissen mühelos ab und grinste mich herausfordernd an. „Komm schon, sei ehrlich. Du bist total verknallt in ihn! Warum sonst würdest du das mitmachen?"

Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. „Das geht dich nichts an", brummte ich und verschränkte die Arme.

Yuichiro lehnte sich gegen die Wand und grinste selbstzufrieden. „Weißt du, ich kann es ja verstehen. Er ist ein kräftiger Typ, ein bisschen grob, aber irgendwie nett zu dir. Ich hab nur ein klitzekleines Problem damit."

Ich sah ihn misstrauisch an. „Und das wäre?"

Er setzte seinen typischen „Verreck-in-der-Hölle"-Blick auf. „Er ist ein Shinazugawa."

Ich seufzte. „Das ist mir egal."

„Oh, wirklich?" Er lachte wieder. „Weißt du, sein großer Bruder ist der größte Mistkerl, den ich kenne. Und du willst mir erzählen, dass ausgerechnet der kleine Shinazugawa in Ordnung ist?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Genya ist nicht wie Sanemi."

Yuichiro schüttelte den Kopf. „Vielleicht. Aber wenn er rausfindet, dass du kein Mädchen bist, bin ich auf seine Reaktion gespannt." Er grinste wieder. „Vielleicht rennt er dann schreiend weg."

Ich kniff die Augen zusammen und ballte die Fäuste. „Ich hasse dich, Yuichiro."

„Ich weiß", sagte er grinsend und legte sich zurück. „Aber ich liebe dich trotzdem, kleine Schwester."

Ich schnappte mir ein zweites Kissen und warf es nach ihm. Er lachte nur noch lauter.

Ich konnte nicht glauben, wie sehr Yuichiro mich an diesem Tag quälte. Ständig lachte er über mich, stichelte und verspottete mich. Es war einfach zu viel, also schnappte ich mir das Kissen und schleuderte es nach ihm.

„Du bist unmöglich, Yuichiro!" rief ich, während er das Kissen auffing und weiter grinsend zurückwarf.

„Ach komm, Muichiro", sagte er und setzte sich auf den Boden, während er das Kissen immer wieder durch die Luft wirbelte. „Es ist doch süß, wie du dich aufregst. Du wirst dich schon daran gewöhnen müssen. Schließlich bist du jetzt meine kleine Zwillingsschwester."

Ich sprang auf und stürmte auf ihn zu, das Kissen in der Hand, um ihm eine ordentliche Ladung zu verpassen, doch er wich geschickt aus und lachte nur. „Jetzt pass doch auf! Hast du etwa Angst, dass ich dich wieder mit einem Zwillingsbruder verwechseln könnte?"

„Ich bin KEIN Mädchen!" schrie ich ihn an, was ich eigentlich schon mehrmals getan hatte. Aber dieser verdammte Sturkopf wollte einfach nicht hören.

„Ach, du bist also ein Junge? Ist das nicht irgendwie noch besser?" Er zog eine Augenbraue hoch. „Da kann ich wenigstens sicher sein, dass du keinen Mist machst."

Ich knallte ihm das Kissen auf den Kopf, das nur einen leisen „Plopp"-Ton von sich gab. „Warum musst du mich ständig so behandeln?! Ich habe genug davon!"

Yuichiro grinste breit. „Weil es Spaß macht. Und du bist so leicht reizbar, Muichiro."

„Es ist nicht lustig!" Ich ballte meine Fäuste, meine Wangen glühten vor Ärger. „Ich hasse es, dass du mich ständig wie ein Mädchen behandelst. Ich bin ein Junge! Ein Junge, verdammt noch mal!"

Er drehte sich auf der Stelle zu mir und lachte wieder, aber dieses Mal klang es etwas weniger verspotten. „Ich weiß, ich weiß... Du bist ein Junge, Muichiro. Ein Junge. Ein verdammt toller Junge."

Ich starrte ihn an, immer noch wütend, aber auch verwirrt, weil er jetzt plötzlich nicht mehr so lachte. Es war, als würde er mich in diesem Moment wirklich ernst nehmen.

„Warum lachst du dann immer noch über mich? Warum kannst du nicht einfach verstehen, dass es mich nervt?"

Yuichiro sah mir direkt in die Augen, und für einen Moment schien alles stillzustehen. „Weil du es nie einfach so gesagt hast. Du hast nie wirklich gesagt, was du fühlst. Es ist mir nicht egal, was du denkst, Muichiro." Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte. „Du bist halt immer so ruhig, und das macht mich verrückt. Also ja, ich zieh dich auf. Aber es ist nicht so, dass ich dich weniger respektiere oder dich weniger liebe, verstanden?"

Ich war überrascht. Es war das erste Mal, dass er so etwas sagte. Nicht diese schlaue Bemerkung, sondern... echte Worte. Worte, die ich tatsächlich verstand.

„Ich..." Ich stockte, immer noch unsicher. „Ich will einfach nicht, dass du mich für schwach hältst, nur weil ich nicht immer so laut bin wie du oder weil ich eben nicht so gut darin bin, alles einfach zu sagen."

„Das weiß ich", sagte er leise und stand auf, um sich neben mich zu setzen. „Ich weiß es, Muichiro. Aber das hier, das sind wir. Das ist unsere Art, miteinander zu reden." Er grinste wieder und klopfte mir auf die Schulter. „Und ja, es ist ein bisschen nervig, aber das weißt du ja auch."

Ich sah ihn an und spürte, wie die Wut allmählich verflog, und stattdessen ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht erschien. „Du bist unmöglich."

„Ja, aber du liebst mich trotzdem", antwortete er frech.

Ich schüttelte den Kopf und lachte schließlich doch. „Ja, das tue ich wohl."

Dann, eines Nachts, geschah es. Die Dunkelheit hatte den Wald längst erobert, als ich mich durch das Dickicht kämpfte. Der Schmerz in meinem Körper war unerträglich, aber ich musste weiter. Ich konnte nicht einfach liegen bleiben, nicht jetzt. Wenn ich mich fallen ließ, wusste ich, dass es das für mich war. Ein Dämon hatte mich so tief verletzt, dass ich kaum noch klar denken konnte. Blut sickerte durch mein Gewand, und meine Schritte wurden immer langsamer, schwerer. Aber ich brachte es einfach nicht über mich, aufzuhören.

Ich versuchte, durch den Wald zu stapfen, doch jeder Schritt schien mich mehr zu zwingen, an Ort und Stelle zu bleiben. Mein Atem ging schwer, meine Sicht verschwamm, und der Boden unter mir fühlte sich an, als ob er sich immer weiter von mir entfernte.

„Ich kann das nicht..." flüsterte ich zu mir selbst, der Schmerz in meiner Brust wurde immer stärker. Ich sank auf die Knie, mein Kopf neigte sich zur Seite, als mein Körper einfach nicht mehr weiter wollte.

Es war nicht so, dass ich aufgeben wollte. Ich wollte einfach nur, dass der Schmerz aufhörte. Dass der Druck in meinem Kopf und der Schmerz in meinem Körper verschwand. Doch stattdessen sank ich weiter in die Dunkelheit, die mich schließlich verschlang.

Meine Sinne verflogen, und mein letzter Gedanke war der: Warum konnte mich niemand finden? Warum war ich hier ganz allein, während alle anderen weiterzogen? Doch die Antwort blieb aus, und mit ihr verschwand mein Bewusstsein, während ich langsam ins Nichts entschwand.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verging, als die Dunkelheit mich umfing. Der Wald blieb ruhig, der Wind spielte leise in den Ästen der Bäume, aber er konnte meine Einsamkeit nicht vertreiben. Ich wollte nicht sterben. Nicht so. Ich hatte so viel noch zu tun. So viele Kämpfe, die noch auf mich warteten. Doch der Tod ließ sich nicht so einfach vertreiben.

Meine Wunden brannten, als ob sie sich immer tiefer in meinen Körper gruben. Hat Yuichiro bemerkt, dass ich verschwunden bin? fragte ich mich. Wird er mich suchen? Doch mir war klar, dass es keinen Sinn hatte, noch länger auf eine Antwort zu hoffen. Niemand wusste, dass ich hier war. Niemand wusste, wie schwer verletzt ich war.

Die Zeit verging, und der Wald blieb genauso still. Keiner kam. Keine Stimme, die mich rief. Keine Hände, die mich retteten. Ich war ganz allein. Ich hatte niemanden mehr. Kein Yuichiro, der mich mit seinen ständigen Sticheleien nervte. Kein Genya, der mich für ein Mädchen hielt. Kein Oyakata-sama, dessen sanfte Stimme mich immer wieder beruhigt hatte. Nichts.

„Warum?" murmelte ich, meine Stimme klang schwach und brüchig. „Warum konnte niemand kommen?"

Ich wusste, dass es zu spät war. Das Blut hatte sich längst in meiner Kleidung getränkt, meine Sicht war verschwommen, und der Schmerz war zu einem unerträglichen, gleichgültigen Gefühl geworden. Die Welt verschwand.

Es gab keine Schreie mehr, keine Kämpfe, keine Stimmen von Menschen, die um mich kämpften. Nur die Stille der Nacht, die mich mit offenen Armen empfing.

Ich schloss meine Augen und ließ mich von der Dunkelheit umhüllen.

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