Kapitel 15

Muichiro POV:

Ich stand dort, starrte in die Dunkelheit, während Genya sich von mir entfernte. Mein Herz zerriss bei jedem Schritt, den er von mir wegging. Ich wollte ihm nachlaufen, ihn aufhalten, ihm sagen, dass ich mich geändert hatte, dass ich nicht mehr der Dämon war, der ihn verletzt hatte. Aber meine Beine bewegten sich nicht. Ich konnte nichts tun. Ich hatte das Gefühl, als würde alles aus mir herausgerissen werden.

„Muichiro", hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir, und bevor ich reagieren konnte, fühlte ich zwei Hände an meinen Schultern. Yuichiro. Er hielt mich fest, als wollte er verhindern, dass ich einen weiteren Schritt machte.

„Lass mich los! Ich muss ihm hinterher! Ich kann nicht zulassen, dass er so geht!" Meine Stimme war verzweifelt und klang schwach, als würde jeder Atemzug mich mehr und mehr ersticken.

„Er ist es nicht wert, Muichiro", sagte Yuichiro leise, aber mit einem Ton, der einen Funken von Wut und Schmerz in sich trug. „Wenn er sich so verhält, ist er es nicht wert. Du musst nicht um jemanden weinen, der dich so zurückweist."

Ich starrte ihn an, unfähig, die Worte zu begreifen. Die Trauer, die mich übermannte, ließ mich schwer atmen. „Aber... er war mein Ein und Alles", flüsterte ich, mehr zu mir selbst als zu Yuichiro. „Wie konnte er mich so abweisen?"

„Weil er sich selbst noch nicht versteht", sagte Yuichiro mit einer traurigen Miene. „Du musst ihn loslassen, Muichiro. Du hast keine Kontrolle mehr über das, was er fühlt. Und wenn du weiter so an ihm festhältst, wirst du nur noch mehr leiden."

Seine Worte trafen mich, doch irgendwie konnte ich nicht aufhören, an Genya zu denken. War er wirklich nicht der richtige für mich? War ich derjenige, der sich selbst betrog, indem ich versuchte, ihn zurückzugewinnen?

„Ich will ihn nicht verlieren", sagte ich, und meine Stimme brach. Ich fühlte, wie sich etwas in mir zusammenzog, als könnte ich nicht mehr atmen. „Warum kann ich nicht einfach der sein, den er will? Warum kann ich nicht zurückgehen und alles richtig machen?"

„Du hast dich verändert, Muichiro", sagte Yuichiro sanft und zog mich dann in eine Umarmung. „Aber das bedeutet nicht, dass er es sofort akzeptieren kann. Du bist nicht der Dämon, den du einmal warst, aber das kann er noch nicht sehen. Du musst ihm Zeit geben."

Ich ließ mich in die Umarmung von Yuichiro sinken und begann zu weinen. Die Tränen liefen mir unaufhörlich über das Gesicht. Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Es fühlte sich an, als würde die ganze Welt mir entgleiten. Ich wollte einfach nicht, dass Genya mich so sah – als jemand, der er nicht mehr lieben konnte. Ich wollte, dass er mich wieder so sah, wie er mich einmal gesehen hatte, als der Menschenjunge, der er gekannt hatte.

„Warum kann ich ihn nicht einfach retten?", schluchzte ich. „Warum tut es so weh?"

„Weil du nicht allein dafür verantwortlich bist, ihn zu retten", sagte Yuichiro, seine Stimme klang tröstend, aber auch von tiefer Sorge durchzogen. „Du kannst ihm nicht all deine Last aufladen. Du musst ihn loslassen, Muichiro. Du kannst nicht für ihn kämpfen, wenn er nicht bereit ist, für sich selbst zu kämpfen."

Ich nickte langsam, aber tief in mir wusste ich, dass ich noch nicht bereit war, ihn loszulassen. Genya war ein Teil von mir, ein Teil, den ich nie wirklich loslassen konnte. Aber vielleicht war Yuichiro recht. Vielleicht musste ich ihm Zeit lassen, um zu heilen, und vielleicht musste ich auch an mich selbst denken.

„Was, wenn er mich nie wieder sieht? Was, wenn er mich nie mehr will?", flüsterte ich, fast hoffnungslos. Die Vorstellung, ihn für immer zu verlieren, war mehr, als ich ertragen konnte.

„Dann wird es so sein", antwortete Yuichiro mit einem schweren Atemzug. „Aber du darfst nicht vergessen, dass du immer noch du bist. Und du verdienst es, glücklich zu sein, Muichiro. Auch wenn es nicht mit ihm ist."

Seine Worte waren wie ein schwacher Trost, aber irgendwie fühlte ich mich ein kleines Stück besser. Vielleicht würde ich eines Tages verstehen, warum alles so gelaufen war. Aber heute... konnte ich nicht anders, als zu weinen, in den Armen meines Zwillingsbruders, der mich hielt, als alles um mich herum zu zerbrechen schien.

Yuichiro POV:

Es war still, bis auf das leise Schluchzen, das Muichiro unaufhörlich von sich gab. Mein kleiner Bruder – der Junge, den ich mein Leben lang beschützt hatte, war nicht mehr derjenige, den ich kannte. Es war, als hätte sich ein riesiger Riss in unser gemeinsames Leben geöffnet, und ich konnte es einfach nicht fassen, dass Genya derjenige war, der diesen Riss verursachte.

Ich starrte auf Muichiro, wie er da in meinen Armen lag. Tränen liefen ihm weiterhin über das Gesicht, auch im Schlaf. Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen. Mein kleiner Bruder, der immer so stark und stolz war, war jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst. Und alles, weil Genya ihn verletzt hatte. Genya, dieser verdammte Idiot! Wie konnte er ihm das antun? Muichiro war zu perfekt, um so behandelt zu werden. Er war viel zu gut, viel zu rein für diese Welt, und doch war er derjenige, der den Schmerz der Liebe ertragen musste. Das würde ich ihm niemals verzeihen.

„Warum hast du ihm das angetan?", murmelte ich wütend, fast wie ein Fluch, den ich gegen die Dunkelheit richtete. Warum musste Genya ihn so zurückweisen? Warum hatte er nicht gesehen, was für ein unglaublicher Mensch Muichiro war? Warum hatte er ihm nicht einfach geglaubt, dass er sich geändert hatte? „Warum hast du meinen kleinen Bruder so verletzt?"

Ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, was zwischen ihnen passiert war. Es war nicht nur das, was Muichiro fühlte – ich wusste, wie sehr er ihn geliebt hatte. Ich sah es in den kleinen Momenten zwischen ihnen. Die Art, wie Muichiro sich aufgehellt hatte, als er in Genyas Nähe war, die Unschuld in seinen Augen, wenn er von ihm sprach. Und dann, dieser grausame Moment, als Genya ihn einfach weggestoßen hatte, als hätte er nie existiert.

„Genya, du Idiot... du dummes, verdammtes Schwein...", flüsterte ich, mein Herz zerriss beinahe bei dem Gedanken, dass er meinen Bruder so behandelt hatte. Ich war nicht gut im Umgang mit Gefühlen, aber ich wusste, dass Muichiro es verdient hatte, geliebt zu werden. Er hatte es so sehr verdient. Und Genya hatte ihm nur Schmerz gebracht. Die Vorstellung, dass mein Bruder nun an Liebeskummer litt, weil ein anderer ihn abgewiesen hatte, ließ mir die Kehle zuschnüren.

Ich hielt Muichiro fester, als er sich in meinen Armen zusammenrollte, als würde er sich an mir festhalten, als ob ich ihm die Sicherheit geben könnte, die er brauchte. Vielleicht konnte ich es nicht, aber zumindest würde ich ihn nicht loslassen. Nicht jetzt. Nicht mehr. Nie wieder.

Ich atmete tief ein und starrte in die Nacht. Was konnte ich tun? Was konnte ich tun, um ihn von diesem Schmerz zu befreien? Wie konnte ich Genya überhaupt noch in die Augen sehen, wenn er meinem kleinen Bruder so etwas angetan hatte?

„Ich werde dich immer beschützen, Muichiro", flüsterte ich leise und legte meine Stirn sanft auf seine. „Egal, was passiert, du wirst nicht mehr leiden müssen. Ich werde nicht zulassen, dass dir noch einmal jemand weh tut."

Muichiro bewegte sich leicht in meinem Arm, seine Tränen hatten nachgelassen, aber der Schmerz war immer noch in seinen Augen, selbst im Schlaf. Ich konnte es fühlen. Er fühlte sich verloren. Und das alles nur, weil Genya nicht in der Lage gewesen war, ihn zu akzeptieren. Der Gedanke daran ließ mein Herz immer wieder in Wut auflodern.

„Du wirst dich wieder erholen, Bruder", sagte ich, obwohl ich wusste, dass es nicht einfach sein würde. „Aber wenn es nach mir geht, wird Genya nie wieder eine Chance bei dir haben. Er hat deinen Schmerz verursacht. Er hat dir das Herz gebrochen, und das werde ich ihm niemals verzeihen."

Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen, aber es war schwer. Ich wusste, dass ich meinem Bruder helfen musste, aber ich wusste nicht, wie. Alles, was ich wusste, war, dass ich jetzt der einzige war, der für ihn da war. Genya hatte ihn enttäuscht, und es war meine Aufgabe, zu beweisen, dass nicht jeder ihn so behandeln würde.

Ich zog Muichiro dichter an mich, als er sich in meinen Armen an mich klammerte. Der Gedanke, dass er die ganze Zeit in seinem Schmerz gekämpft hatte und ich nicht da gewesen war, nagte an mir. Ich würde alles tun, um ihm zu helfen. Ich würde ihn niemals wieder so verletzen lassen. Ich würde dafür sorgen, dass er wusste, dass er nicht alleine war.

Und was Genya betrifft... Wenn ich ihm je wieder gegenüberstand, würde er wissen, dass er meinen Bruder nie wieder so behandeln durfte. Aber das war noch nicht alles. Ich würde ihm zeigen, was es bedeutete, für Muichiro zu kämpfen. Niemand durfte ihn jemals wieder verletzen.

„Schlaf, Muichiro", flüsterte ich, als er wieder ruhig in meinen Armen lag. „Ich werde dich beschützen, und ich werde dich wieder zum Lächeln bringen. Du wirst sehen, du wirst wieder glücklich sein, ganz egal, was passiert."

Ich wusste nicht, wie lange ich noch da sitzen würde, aber ich wusste eines: Nichts und niemand würde meinen kleinen Bruder noch einmal in diese Verzweiflung stürzen. Genya hatte seine Chance vergeben, und jetzt würde ich alles tun, um Muichiro zu zeigen, dass er geliebt wurde – egal, wie hart der Weg auch werden würde.

Die erste Dämmerung begann langsam die Nacht zu vertreiben. Ich spürte es in den Knochen, dieses unangenehme Ziehen, das mir sagte, dass die Zeit gegen uns lief. Muichiro schlief in meinen Armen, völlig erschöpft von seinen Tränen und der emotionalen Achterbahnfahrt, die er gerade durchlebt hatte. Er brauchte Ruhe, aber ich konnte ihn nicht einfach in der Sonne liegen lassen. Noch ein paar Minuten, und die ersten Sonnenstrahlen würden über den Horizont brechen, und es wäre zu spät. Die Vorstellung, dass mein kleiner Bruder in Asche zerfallen würde, weil er ein Dämon war, schnürte mir die Kehle zu.

„Verdammt", murmelte ich, als ich auf den fast vollständigen Himmel starrte, der noch immer dunkel war, aber sich schon in die Farben des Morgens verwandelte. „Die Sonne... wir müssen schnell handeln."

Ich drückte Muichiro noch ein wenig fester an mich. Es war die einzige Möglichkeit, ihn zu schützen. Das bedeutete, dass ich unsere Rückkehr zum Anwesen unterbrechen und ihn hier in diesem Schatten verstecken musste. Ich konnte ihn nicht einfach in den Sonnenstrahlen aussetzen, ohne dass es ein Ende für ihn hatte. Ich schnaubte wütend. Warum musste das auch so kompliziert sein?

„Komm schon, Muichiro", sagte ich leise, während ich mich leicht nach vorne beugte und ihn sanft in meinen Armen bewegte, um ihn vorsichtig in eine stabilere Position zu bringen. „Wir müssen schnell einen sicheren Ort finden."

Ich wusste, dass ich keine Zeit mehr verschwenden durfte. Ich musste die Krähe zu Ubuyashiki schicken und ihm alles berichten, damit wir Muichiro in Sicherheit bringen konnten, sobald es möglich war. Aber das würde Zeit brauchen, und die Zeit war gegen uns.

„Warte hier", flüsterte ich, als ich langsam von ihm abrückte und die Krähe aus meiner Tasche holte. Sie flatterte aufgeregt in meiner Hand. „Flieg, bringe meine Nachricht an Amane."

Die Krähe flog sofort davon, der Wind trug sie schnell davon. Während sie in die Dunkelheit verschwand, sah ich noch einmal zu Muichiro, der immer noch tief und ruhig schlief. Sein Gesicht war entspannt, aber es schmerzte mich, dass er sich in einem solchen Zustand von mir fortgezogen hatte – seine Seele verwirrt von allem, was geschehen war.

„Hoffentlich weiß Amane, was zu tun ist", murmelte ich, während ich auf die Krähe starrte, bis sie aus meiner Sicht verschwunden war. Doch die ständige Anspannung in meinem Nacken sagte mir, dass die Zeit zu schnell verging. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es noch dauern würde, aber ich wusste, dass es keinen anderen Ort gab, an dem ich Muichiro besser verstecken konnte als hier.

Ich zog Muichiro etwas fester an mich. Meine Hände waren bereits blutunterlaufen von der unablässigen Anspannung, die ich die letzten Stunden hatte ertragen müssen. Ich konnte das Gefühl, ihn zu verlieren, nicht ertragen.

„Es wird alles gut", murmelte ich beruhigend und versuchte, ihm eine Zuversicht zu geben, die ich selbst nicht hatte. „Wir werden dich zurück nach Hause bringen, Muichiro. Du bist nicht alleine. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert."

Die Minuten zogen sich in die Länge, jeder Moment ein weiterer Tritt gegen die Uhr. Ich fühlte, wie sich mein Herz schmerzhaft zusammenzog, als ich zu den langsam heller werdenden Himmeln blickte. Wenn Muichiro jetzt erwachte, war er verloren. Die Sonne würde über ihm aufgehen, und der Dämon in ihm würde zu Asche zerfallen.

Es war kein Platz für Fehler, keine Zeit für Verzögerungen. Ich wusste, dass ich alles tun musste, um ihn zu retten. Der einzige Weg, das zu verhindern, war, den perfekten Ort zu finden – einen, der ihn so lange wie möglich im Schatten hielt.

Ich ging mit Muichiro weiter, die Angst in mir wuchs, als der Himmel immer heller wurde. Doch plötzlich blieb ich stehen und lauschte dem leisen Wind, der die Bäume über uns wiegte. Die Krähe war immer noch nicht zurückgekehrt, und ich begann mir Sorgen zu machen. Was, wenn sie verloren ging? Was, wenn sie zu spät ankäme?

„Komm schon", flüsterte ich, als ich ihn noch weiter in den Schatten zog und an einem alten Baumstamm vorbeiging. „Du musst jetzt durchhalten, Muichiro."

Ich setzte ihn schließlich in eine kleine, schattige Mulde, die im Boden versteckt war, ab. Der Boden war kühl und feucht, und es schien der einzige Ort zu sein, an dem die Sonne uns vorerst nicht erreichen würde. Ich ließ ihn vorsichtig in dieser Mulde ruhen, setzte mich neben ihn und hielt immer Ausschau nach der Krähe.

Es war nicht die perfekte Lösung, aber es war alles, was wir in diesem Moment hatten.

Ich wollte keine Sekunde länger an dieser Stelle bleiben, doch der Gedanke, dass Muichiro in der Sonne verbrennen würde, ließ mir keinen anderen Ausweg. Ich legte meinen Arm schützend um ihn, als er langsam wieder zu sich kam. Er wirkte benommen, als ob er aus einem tiefen Traum erwachte, und ich konnte sehen, wie sich seine Augen auf mich richteten, noch immer trübe und voller Unsicherheit.

„Yuichiro...", flüsterte er, und seine Stimme klang so verletzlich, dass ich mich erneut gezwungen sah, ihn näher an mich zu ziehen. „Was passiert mit mir..."

„Es ist alles gut, Muichiro. Ich bin bei dir", antwortete ich sanft, während ich versuchte, ihm etwas Trost zu geben. Ich wusste, dass es nicht genug war, aber es war das Einzige, was ich tun konnte. „Wir müssen nur hier bleiben, bis Amane uns hilft."

Und dann saßen wir da, in der Stille des Waldes, während die ersten Sonnenstrahlen die Spitze des Himmels berührten, und ich hoffte inständig, dass die Krähe rechtzeitig zurückkehren würde.

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