Kapitel 29

Ein lauter Donner hallte durch die Luft. Regen prasselte auf meinen Schirm und ich hetzte weiter. Ich mochte es, wenn es regnete. Allerdings war es mir lieber, wenn ich dabei nicht draußen war, sondern dem Regen durch das Fenster beobachten konnte und den beruhigenden Geräuschen zu lauschen, die entstanden, wenn die einzelnen Tropfen auf das Haus und die Fenster trafen.

Aber es war Sommer und die letzten Tage über war die Luft so stickig gewesen, dass der Regen eine willkommene Abwechslung war. Endlich konnte man wieder durchatmen. Das Gefühl des warmen Sommerregens auf meiner Haut war etwas, das ich sehr mochte, trotzdem hatte ich heute einen Regenschirm dabei und verhinderte genau das. ich war schließlich verabredet und wollte nicht wie ein tropfender Hund im Café ankommen und Chan gegenübersitzen, während meine Haare an meinem Gesicht klebten.

Wir hatten uns auf ein nettes Café geeinigt, welches er vogeschlagen hatte. Bis jetzt war ich noch nie dort. Ich hoffte, ich würde es finden, ohne mein Handy bei diesem Wetter rausholen zu müssen. Ob es das überleben würde, bezweifelte ich stark. Deswegen vertraute ich auf Chans Wegbeschreibung und hoffte, dass ich in den nächsten Minuten auch dorthin finden würde.

Eine alte Laterne viel mir an der nächsten Straßenecke ins Auge. Sie sah anders aus, als die anderen und war mindestens drei Jahrzehnte älter, viel schöner und verschnorkelter. Sie passte perfekt auf die Beschreibung, wo ich links abbiegen sollte und dann eine kurze Kiesauffahrt entlanggehen sollte. Ich beeilte mich, dem Weg zu folgen, ich war schon bestimmt zehn Minuten zu spät und der Regen wurde immer stärker, kam irgendwie von der Seite, sodass mein Schirm nur sehr wenig ausrichten konnte.

Dann sah ich das Haus, versteckt hinter großen Bäumen, direkt am Flussufer. Ein Spazierweg führte daran vorbei und man sah schon von außen, dass es innen gefüllt mit Leuten war, die so aussahen, als wären sie auf ihrem Sonntagsspaziergang vom Regen überascht worden. Es war ein hübsches Haus mit zwei Stockwerken, die beide zu dem Café gehörten. Als ich die Tür öffnete, kam mir sofort ein angenehmer Kaffeegeruch und viele Stimmen, die sich zu einem einheitlichen Rauschen vermischten, entgegen. Der Raum war weitläufig, in der Mitte eine Bar mit Kuchentheke und alles war gemütlich eingerichtet. Sofort fühlte ich mich hier wohl.

Mein Blick schweifte über die vielen Tische, die umgeben von Stühlen, Sesseln und kleinen Sofas im Raum verteilt waren. In der hinteren Ecke entdeckte ich schließlich das Gesicht, welches ich suchte. Der schwarzhaarige Junge hatte sich an einen gemütlichen Tisch am Fenster gesetzt und sah verträumt von dort aus auf den Fluss hinaus.  Er sah sehr zufrieden aus, wie er so dasaß.

Lächelnd bahnte ich mir meinen Weg durch das Labyrinth aus Tischen, bis ich endlich vor dem Ecktisch stand. Chan hatte mich noch nicht bemerkt, so vertieft war er in seine Gedanken.

"Hey", sagte ich und riss ihn so aus seinen Gedanken. Überrascht sah er zu mir auf, fing sich aber schnell wieder und lächelte. Seine Grübchen blideten sich fast sofort. "Mina.", sein Lächeln wurde breiter und er stand auf, kam auf mich zu und umarmte mich zur Begrüßung. "Du bist ja ganz nass.", bemerkte er und sah mich etwas besorgt an. Meine dünnen Stoffschuhe waren definitiv die falsche Wahl gewesen, sie waren bis auf die Socken durchnässt. Dadurch dass der Regen irgendwann seitlich auf mich traf, war auch der Rest von mir nicht trocken geblieben.

Ich zuckte mit den Schultern. "Es regnet ja auch." Schmunzelnd zeigte ich aus dem Fenster, aus welchem er eben noch gesehen hat. Sein Blick folgte meiner Hand und erneut sah man ihm seine Überraschung an. "Huch. Vorhin war das noch nicht so stark."

Ein Lachen entkam mir. "Du hast eben sehr angestrengt aus dem Fenster geschaut, wie ist dir das nicht aufgefallen. Was hat deine Gedanken so eingenommen, dass dir das nicht aufgefallen ist?"

Verlegen fuhr er sich durch die Haare. "Etwas Schönes." Lächelnd sah er mich an. "Wir sollten uns setzen, sonst stehen wir noch in einer Stunde hier." Er nahm mir den tropfenden Regenschirm aus der Hand und ging einen Schritt zur Seite, so dass ich vor ihm auf die Bank rutschen konnte. Dort lagen mehrere gemütliche Kissen, alle anders gemustert. Chan folgte mir und lehnte sich zufrieden gegen das Fenster.

"Das ist eins meiner Lieblingscafés. Es ist schön, gemütlich und sie haben guten Kuchen und guten Kaffee. Möchtest du ein Stück Kuchen? Den Käsekuchen kann ich wirklich empfehlen.", er sah zu mir und deutete auf die Kuchenkarte, welche vor mir lag. "Na dann muss ich den wohl probieren.", antwortete ich. Also bestellten wir jeder ein Stück Käsekuchen und einen Latte Macchiato. Nachdem die Bedienung uns wieder allein ließ, lehnte Chan sich etwas zu mir.

"Weißt du, ich hab mich wirklich darauf gefreut, dich heute zu sehen." Ich spürte seinen Blick auf mir und sah verlegen auf den Tisch. Als ich schließlich zu ihm sah, trafen sich unsere Augen augenblicklich. "Ich mich auch.", antwortete ich ehrlich. Er hatte schöne Augen. Sie waren dunkel und hatten keine besonders ungewöhnliche Farbe aber in ihnen lag immer ein Glänzen und diese Aufrichtigkeit, die ich so an ihm schätze. Sie sprühten von Wärme und Vertrauen.

Seine Augen lösten sich von meinen und sahen auf meine Arme, auf denen immer noch ein paar Tropfen vom Regen waren. "Ist dir nicht kalt?", fragte er. "Hier, nimm meinen Hoody, den hatte ich nur wegen dem Regen dabei." Ohne auf meine Antwort zu warten, zog er hinter sich einen hellblauen Hoody hervor und hielt ihn mir hin. "Es geht schon.", sagte ich, obwohl ich wirklich ein wenig fröstelte. Da Sommer war, hatte ich natürlich nur ein T-Shirt an und hatte nicht daran gedacht, dass mir durch den Regen etwas kälter werden könnte.

"Ich sehe dir an, dass dir kalt ist.", meinte Chan und zog eine Augenbraue in die Höhe. Ertappt sah ich zu ihm, machte aber keine Anstalten, den Pulli anzunehmen. Nach ein paar Sekunden, in denen wir uns nur in die Augen sahen, seufzte er und zug mir den Hoody einfach über den Kopf. Verduzt sah ich in sein nun zufriedenes Gesicht, die Kapuze viel mir in die Augen. "Süß.", er lachte. "Von diesem Gesichtsausdruck hätte ich gerne ein Foto."

"Ey!" Beleidigt boxte ich gegen seinen Arm, steckte meine Arme aber schließlich durch die Ärmel. Das schelmische Grinsen wollte einfach nicht von seinem Gesicht verschwinden und brachte mich ebenfalls zum lachen.

Kurz wurden wir unterbrochen, als uns unsere Bestellung gebracht wurde. Der Kuchen sah wirklich gut aus. Glücklich nahm ich die Gabel in die Hand, vergaß Chan und seinen gemütlichen Pulli und nahm genüsslich den ersten Bissen. Zufrieden lehnte ich mich zurück. Der Kuchen war himmlisch. "Hab ich zu viel versprochen.", unterbrach Chan meinen Kuchentagtraum.

"Absolut nicht. Der ist wunderbar." Ich wandte mich ihm wieder zu und lächelte.

"Du bist wirklich süß.", sagte er lachend. "Ich glaube, es hat sich noch nie jemand so sehr über diesen Kuchen gefreut." Ich merkte, wie das Blut in meine Wangen lief. "Außerdem steht dir mein Pulli sehr gut."

Warum machte er mich so verlegen. Ich war mir sicher, er wusste, was er in mir mit seinen Worten auslöste. Nur wusste ich nicht, was ich darauf erwiedern sollte, also blieb ich still und nahm löste noch ein Stück Kuchen mit meiner Gabel.

"Ich mag dich wirklich sehr.", fuhr er fort und sah mich ernst an. "Wirklich sehr."

Ich konnte nichts sagen und lächelte ihn leicht an. Ich war glücklich. Seine Worte machten mich glücklich. Schon vor einiger Zeit hatte ich mir eingestehen müssen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Und je mehr ich darüber nachgedacht hatte,desto mehr wurde mir klar, dass ich ihm wirklich sehr verfallen war. Er war einfach ein toller Mensch, rücksichtsvoll, er hatte einen wunderbaren Charakter und so viel für mich getan und mir geholfen. Es gab wirklich schlimmere Menschen, in die man sich verlieben konnte. Er verstand mich und interessierte sich für mich, er wollte immer, dass ich mich wohl fühlte und das tat ich auch, wenn ich bei ihm war. Bei ihm konnte ich so sein, wie ich war. Ihm konnte ich vertrauen.

Er drängte mich nicht dazu, zu antworten, sondern aß weiter seinen Kuchen, als ich nichts sagen konnte. Die Situation hatte mich ein wenig überfordert. Ich war nicht gut darin, über meine Gefühle zu reden und das tat mir in dieser Situation unglaublich leid.

Kurz danach wechselte Chan das Thema, so als wären die Momente davor nicht passiert. Ich war ihm dankbar dafür, wollte ihm aber auch eine Antwort auf seine nicht gestellte Frage geben.

Nach einer weiteren Stunde beschlossen wir zu gehen. Es hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu regnen und es roch nach diesem typischen Geruch von Sommerregen. Der Spazierweg war matschig. Wir hatten uns stumm darauf geeinigt, noch dort entlang zu gehen. Schweigend liefen wir die ersten 500 Meter nebeneinander. Es war eine angenehme Stille zwischen uns. Immer wieder spürte ich seinen Blick von der Seite.

All meinen Mut zusammennehmend, sah ich zu ihm. Wieder fanden sich unsere Blicke. Kurz stockte ich, dann sagte ich es.

"Ich mag dich auch sehr."

Chans Augen weiteten sich ein wenig. Er blieb stehen und sah mich an. Es schien, als hätte es ihm, genauso wie mir vorhin, die Sprache verschlagen. So standen wir auf dem Kiesweg, der dem Fluss folgte und sahen uns an. Nach einem kurzen Augenblick hoben sich Chans Mundwinkel. Erst zuckten sie nur, dann konnte er sich das Lächeln nicht mehr verkneifen und die Grübchen, dei ich so an ihm mochte, traten hervor.

"Kannst du das nochmal sagen? Ich glaube ich träume."

Ich lächelte. "Ich mag dich, Chan.", wiederholte ich. Das zweite Mal sagte es sich leichter. 

Sein Lächeln wurde breiter und glücklich trat er einen Schritt näher zu mir heran. Vorsichtig nahm er meine Hand und strich sanft darüber. "Darf ich?", fragte er und ich nickte. Seine Hand um meine fühlte sich gut an. Es fühlte sich richtig an.

Er sah von unseren Händen auf und mir wieder in die Augen.

"Ich mag dich auch sehr. Das habe ich vorhin zwar schon gesagt aber ich sage es gerne noch einmal." Er stockte. Kurz verlor ich mich in seinen Augen, bis er weitersprach.

"Ich habe mich in dich verliebt. Da bin ich mir mitlerweile sicher. Du bist mir sehr wichtig."

Wir schwiegen wieder, konnten die Augen nicht vom anderen lösen. Ohne es zu bemerken, kamen sich unsere Gesichter langsam immer näher. Ich musste meinen Kopf heben, so nah war er mitlerweile. Ich mochte diese Nähe. Ich genoss es. Ich mochte es, wie er mein Herz zum schlagen brachte. Ich mochte das wohlige Kribbeln, welches er in meinem Bauch auslöste. Ich mochte ihn.

"Darf ich dich küssen?"

Ich hatte nicht gedacht, dass mein Herz noch schneller schlagen konnte.

"Ja", hauchte ich aber er hatte es verstanden. Seine Mundwinkel hoben sich und er schloss den Abstand zu wischen uns. Seine freie Hand strich meine Haare aus meinem Gesicht. Dann lagen seine weichen Lippen auch schon auf meinen.

Es war so ein schönes Gefühl. Es war aufregend, es war mein erster Kuss. Und es war Chan, den ich gerade Küsste.

Es war nur ein kurzer Kuss, mehr hätte mein Herz in diesem Moment wahrscheinlich auch gar nicht ausgehalten.

Wir standen entfernten uns aber keinen Millimeter von einander, seine eine Hand hielt immer noch meine, die andere lag an meiner Wange. Verlegen sah ich ihn an, ich spürte, wie rot meine Wangen wohl sein mussten. Obwohl ich wusste, dass er mich nicht anlügen würde, vorallem nicht bei diesem Thema, war ich nervös. Es lag nicht nur an ihm. Gefühle zu gestehen ist schwer. Es macht dich angreifbar und verletzlich. Und obwohl er mir Sicherheit gab, spürte ich noch eine Restangst in mir, die mich verunsicherte, sich aber auch langsam wieder legte.

Ich wusste nicht, wie lange wir so da standen, doch irgendwann fing Chan glücklich an zu lachen und zug mich in eine feste Umarmung. "Oh wow.", lachte er und löste sich wieder ein wenig von mir. "Heißt das, wir sind zusammen?", fragte er, seine Augen leuchteten förmlich. Sein Lächeln steckte mich an. Ich nickte. "Sehr gerne."

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