Kapitel 2
"AUFSTEHEN SCHLAFMÜTZE!"
Warum? Was habe ich getan, um zu dieser nachtschlafenden Stunde von einem hysterischen Flummi aka Anna geweckt zu werden?
"Los aufstehen! Es ist halb eins!", kam es nun etwas leiser von ihr. Das war ein Argument aber kein Hindernis.
Grummelnd drehte ich mich auf die andere Seite.
"Morgenstund hat Gold im Mund!"
Nicht schonwieder diese positiv geladenen Sprüche, die mich nur noch aggressiv machten. Aber schlimmer als der Spruch war die Tatsache, dass sie dabei die Vorhänge aufgerissen hatte und die Sonne viel zu hell in mein Zimmer schien. Morgens war ich wie ein Vampir.
"Wer lange schläft bleibt auch gesund!", konterte ich müde.
Immer noch mit geschlossenen Augen zog ich mir die Decke noch weiter zur Nasenspitze.
"Wir haben Kuchen mitgebracht."
"Lasst mich in Ruhe!"
Warte, was? Kuchen?
Blitzschnell öffnete ich meine Augen und sah die beiden mit großen Augen an.
"Kuchen!?"
"Kuchen." Felix hielt die Kuchentragbox hoch.
"Es ist der Samstag nach deinem Geburtstag, das heeeeiiißt....?" "PYJAMATAG!", beendete Felix Annas Satz. Oder eher Pyjamawochenende.
Mein Gehirn war morgens auf Energiesparmodus gestellt aber so langsam begriff ich, was hier abging. Ich fing an zu lächeln und war schneller aufgestanden, als ich "Geigenkasten" sagen konnte.
So schnell, wie ich aufgestanden war, lag ich auch schon wieder auf dem Bett. Nur unter zwei lachenden Verrückten. "Nochmal alles Gute!"
"Leute... Luft...!", röchelte ich lachend und kämpfte mich aus dem Knäuel von Armen und Beinen.
"Danke." Ich deutete auf den Schokoladenkuchen, der sicher auf meinem Schreibtisch stand.
"Und dass ihr da seid...", fügte ich leise hinzu und versuchte das Brennen in meinen Augen zu ignorieren. Meine schelchte Laune von gestern war wieder fast ganz weg. Fast.
"Oh nein. Nein, nein, nein. Nicht weinen! Wir sind hier, wollen uns ein schönes Wochenende machen, also bitte nicht weinen! Heute ist ein schöner Tag." Das Mädchen vor mir lächelte mich an und nahm mich in den Arm.
Ich musste auflachen.
"Was würde ich ohne euch zwei Trottel nur machen?"
"An einem wunderschönen Tag anstatt mit deinen besten Freunden im Schlafanzug rumzugammeln und Kuchen essen, bis drei Uhr nachmittags schlafen?", stellte Felix die Gegenfrage.
"Wahrscheinlich... Habt ihr schon Teller mitgebracht?" Wir konnten den Kuchen zwar auch ohne essen aber ich glaube, da hätte meine Mutter etwas dagegen. Oder sie hätte mich gezwungen, alles sauber zu machen und mein Bett neu zubeziehen. Verständlich, irgendwie...
"Ups. Das haben wir wohl vergessen."
War klar. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf.
"Dann gehe ich jetzt Teller holen und ihr könnt euch ja eure Schlafanzüge anziehen."
"Okay, ich gehe dann mal ins Bad." Und schon verschwand mein bester Freund aus der Tür.
Gähnend folgte ich ihm, ging aber die Treppe runter und nicht geradeaus ins Bad.
Schlurfend ging ich in die Küche, wünschte meinen Eltern im Vorbeigehen einen guten Morgen und fischte drei Teller aus dem Regal.
"Was macht ihr heute so?", versuchte meine Mutter etwas ähnliches wie eine Konservation aufzubauen.
"Wie jedes Mal. Pyjamatag, Kuchen, Filme und so.", antwortete ich knapp und schaltete die Kaffeemaschine an.
"Hört sich doch toll an.", meinte mein Vater über den Rand seiner Brille hinweg.
"Mhm."
Schnell schnappte ich mir die Kaffeekanne und die Teller, ein Kuchenmesser und Becher für den Kaffe und ballancierte alles nach oben. Ich hatte gerade absolut keinen Nerv dazu, mit meinen Eltern in einem Raum zu sein und mich den Konservationsversuchen zu stellen.
Wieder in meinem Zimmer wurde mir direkt der Kaffee und die Teller aus den Händen genommen.
"Na endlich!", nörgelte Anna lächelnd. "Ich dachte schon, du kommst nicht mehr." "Du weißt doch, dass unsere Kaffeemaschine mich nicht mag auch wenn ich ohne sie nicht leben kann."
"Hast du wieder erst den falschen Knopf gedrückt?"
"Das habe ich schon lange nicht mehr!", echauffierte ich mich. "Sei lieber froh, dass ich welchen mitgebracht habe."
Früher habe ich wirklich immer den falschen Knopf gedrückt, was alle anderen ziemlich unterhaltsam fanden.
Ich pflanzte mich zu den beiden auf mein Bett und nahm mir ein Stück von dem Kuchen. Eins ist sicher: Felix' Mutter backt den besten Kuchen der Welt! Außerdem war sie stolze Innhaberin eines kleinen, netten Cafés in der Innenstadt, wo wir uns manchmal nach der Schule trafen.
"Habt ihr eigentlich das mit Larissa gehört? Sie soll sich beim Augenbrauenzupfen ja ausversehen die halbe Braue weggezupft haben."
Larissa war eine Schulkameradin und leider auch in meinem Englischkurs. Sie war das typische Mädchen mit zu viel Make-Up in ihrer Visage.
Und Anna, die alte Klatschtante war mal wieder voll auf dem neuesten Stand.
"Ja aber leider fällt das nicht wirklich auf, dafür sind ihre Eddingaugenbrauen zu dick nachgemalt."
Okay, ich korrigiere mich: Anna und Felix, die alten Klatschtanten waren mal wieder voll auf dem neuesten Stand.
"Wen interessiert's? Bei ihr wundert mich nichts mehr..."
Und dann kam ich. Ich wusste durch die beiden oft auch den neuesten Klatsch und Tratsch, es interessierte mich aber recht wenig.
Ich habe mit den meisten Leuten, um die es immer ging, so gut wie keinen Kontakt also fand ich, war es nicht mein Problem.
Andere hielten sich eher von mir fern, was auch daran lag, dass ich sehr introvertiert war.
"Ich meine, das ist doch super peinlich! Stellt euch vor, sie hat morgens mal keine Zeit in ihren Farbtopf zu fallen und muss ohne Make-Up in die Schule. Dann hat sie nur anderthalb Augenbrauen!"
Bei der Vorstellung musste auch ich ein wenig grinsen und stopfte mir etwas Kuchen in den Mund.
"Die würde zu spät kommen, statt ohne Make-Up vor die Tür zu gehen!", meinte Felix.
Wo er recht hat...
"Oh nein! Dann würde man ja ihr Gesicht sehen!" Ich sollte meinen Sarkassmus-Modus ausstellen.
"Bei manchen ist das eine echte Katastrophe.", lachte Felix.
Das war das Stichwort für Anna. Sie lachte laut los und lag halb über Felix. Manchmal fragte ich mich, was bei diesem Mädchen abging...
Kopfschüttelnd sah ich zwischen den beiden hin und her. Sie würden echt ein süßes Pärchen hergeben und wie sie hier in den Schlafanzügen auf meinem Bett saßen perfektionierten sie meine Vorstellung.
Die beiden haben sich von Anfang an auf eine andere Weise verstanden, als ich es mit ihnen tat. Das hatte er auch gemerkt, wir hatten schon Wetten abgeschlossen.
Es war Samstagabend an einem Sommertag. Anna und ich waren 13, Felix 14. Wir saßen um ein Lagerfeuer in unserem Garten. Oder eher Felix und ich saßen. Anna schlief mit dem Kopf auf Felix' Schoß.
Wir hatten den ganzen Abend dort gesessen, geredet und Stockbrot gemacht, jetzt war es allerdings schon Mitternacht.
Da ich aufs Klo musste ging ich ins Haus. Als ich wieder aus dem Bad war ging ich ins Wohnzimmer, zu der Terrassentür.
"Du Mina." Ich erschrak, da ich hier nicht mit ihm gerechnet hatte und drehte mich zu seinem 18-jährigen Ich um, das hinter mir stand.
"Wie lange glaubst du wird es dauern, bis sie es bemerken?", sagte er und deutete in Richtung Lagerfeuer.
Dort lag Anna immer noch halb auf Felix. Der einzige Unterschied war, dass er ihr verträumt durch die Haare strich.
"Ich weiß nicht.", antwortete ich. "Spätestens, wenn einer der beiden jemand anderes hat."
Er schmunzelte.
"Ich glaube nicht, dass das passieren wird."
"Warum nicht?" Ich hatte keine Ahnung, wenn es um dieses Thema ging.
"Ihre Lebenslieder spielen ein Duett. Und jeder kann es hören, nur die beiden scheinen dafür taub zu sein."
Zusammen gingen wir schließlich raus und setzten uns zu ihnen ans Feuer. Das war einer der letzten schönen Abende in diesem Sommer.
Wie recht er doch hatte.
Sie waren die einzigen, die dieses Duett nicht hören konnten.
Irgendwann, beschloss ich, irgendwann musste ich nachhelfen, wenn sie es nicht auf die Reihe brachten ihrem eigenen Stück zuzuhören.
Auch wenn ich da vielleicht nicht ganz die richtige für war. Wie soll man Leuten helfen ihr Lied zu hören, wenn das eigene verstummt ist? Unsere Lieder waren zwar unterschiedlich aber es lief auf das Gleiche hinaus.
Langsam beruhigte sich Anna wieder.
"Und jetzt?", fragte Felix. "Harry Potter-Marathon?"
Wir sahen uns an.
"JAAAA!" Anna und ich sprangen auf, ich um mein Laptop zu holen und Anna um die Filmbox aus meinem Regal zu nehmen.
Wer schon einmal einen Harry Potter-Marathon gemacht hat, der weiß, dass wir nicht viel anderes mehr gemacht haben. Außer die Filme zu kommentieren. (Annas: "Oh mein Gott! Malfoy ist so süß!" wurde mit einem ungewollt-missbilligenden Blick des größten Malfoy-Hassers, den ich kenne, quittiert.)
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