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Sirius P.o.v
Ich stellte fest, dass Remus und ich anscheinend zu der stummen Vereinbarung gekommen sind, nicht über unseren Fast-Kuss zu reden. Eine Woche lang taten wir so, als wäre nichts gewesen, obwohl sowohl Remus als auch ich wussten, dass etwas anders war. Unsere Unterhaltungen waren leicht, nichtssagend, während jede kleinste Berührung alles sagte, was verschwiegen wurde.
Die ganze Zeit hatte ich Angst vor der einen Frage, die alles ändern würde, auch wenn ich nicht wusste, wie sie lautete.
Die Nachmittage verbrachten wir mit Nachsitzen. Während wir die alten Akten von Filch aufarbeiteten war Remus noch angespannter als normalerweise und sprach kaum mit mir, was mich ein wenig wütend machte. Ernsthaft, was erwartete er denn? Dass ich ihn einfach so aus heiterem Himmel küssen und an Ort und Stelle auf dem Schreibtisch mit ihm rummachen würde?
Nicht dass ich so etwas schon öfters in Erwägung gezogen hätte...
Die gesamte Situation war mehr als frustrierend für mich. Und für James, der sich mein rumgejammere anhören musste.
Eines Abends hatte er nie Nase gstrichen voll.
"Bei Merlins Unterhosen Tatze, Remus ist mindestens genauso verliebt in dich wie du in ihn. Küss ihn doch endlich, das würde uns allen einiges ersparen."
Ich scharrte mit den Füßen und gab als einziges Gegenargument ein gemurmeltes "Aber was wenn nicht..." an.
Das war selbst für mich erbärmlich.
"Wenn du ihn nicht spätestens bei der Party für unser gewonnenes Quidditch Spiel küsst, tus ich, ungelogen.", erwiederte er.
"Was ist wenn wir verlieren?"
"Dann küsst du ihn trotzdem, so haben wir wenigstens etwas zu feiern",sagte James woraufhin ich in lautes Lachen ausbrach.
Samstag war der große Tag gekommen.
Ich erwachte mit einem Knoten im Magen, der den ganzen Tag nicht weggehen wollte. Natürlich musste ich Remus nicht küssen, ich konnte auch noch ein wenig länger warten, doch als ich ihn sah, wie er in seinem Pyjama und verstrubbelten Haaren auf seinem Bett saß, wusste ich dass ich nicht noch ein wenig länger warten konnte. Ich hätte ihn am liebsten hier und jetzt mit Küssen übersät.
Ich wusste nicht was es war, doch war es unglaublich attraktiv, wie er vollkommen ahnungslos dort saß, noch halb am schlafen, mit der Sonne im Rücken, die ihm einen Art Heiligenschein verpasste.
Ich würde es ihm sagen. Ganz bestimmt.
James war mürrisch und schweigsam, wie immer vor einem Spiel. Er ließ seine Haare vor die Augen fallen, damit er nicht reden musste und wir taten ihm den Gefallen. In solchen Momenten kam nicht einmal Lily an ihn heran.
Moony verabschiedete sich früher als sonst, mit der Erklärung, dass er der Bücherrei noch einen Besuch abstatten wollte. Ernsthaft, dieser Typ las Bücher in der selben Geschwindigkeit wie andere atmen.
Schließlich stand James auf und versammelte die gesamte Mannschaft mit einer einzigen, lässigen Bewegung, als hätten alle nur darauf gewartet.
Ich stand ebenfalls auf und umarmte meinen besten Freund.
"Viel Glück, mach die anderen zu Hackfleisch, ich brauch nen Grund zum Feiern.", sagte ich und das Lächeln das er mir schenkte, war fast schon wie normalerweise.
Zusammen mit Wurmschwanz und Lily machte ich mich auf zum Spielfeld, doch beteiligte ich mich kaum am Gespräch.
Meine Augen suchten die ganze Zeit nach einem ganz bestimmten braunen Haarschopf, doch fand ich ihn nicht.
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder meinen Begleitern zuwand, merkte ich, wie Lily mich mit nachdenklichen Blicken durchlöcherte. Träge lächelte ich und versuchte den ängstlichen Knoten in meinem Magen zu ignorieren.
Wie ich erwartet hatte, sah ich ihn als erstes. Er saß auf der Tribüne auf unserem Stammplatz, kuschelte sich tiefer in seinen Schal hinein, ihm war kalt, wie immer, und beobachtete zwei viert Klässler ein paar Reihen weiter unten, die vor lauter Küssen nichts um sich herum mitbekamen.
Ich wünschte mir nichts mehr, als zu ihm rennen und ihn zu küssen, und zwar so heftig und offen, dass selbst den beiden Verliebten da unten der Atem wegblieb.
Doch ich legte ihm bloß spielerisch den Arm um die Schultern, das musste für's erste genügen.
Die Atmosphäre in der Arena war einmalig, wie immer. Die Luft vibrierte förmlich vor Aufregung, jeder wollte endlich das Spiel sehen. Schüler redeten, lachten, jubelten und freuten sich auf das Aufeinandertreffen von Gryffindor und Slytherin. Selbst Remus schien lebendiger als sonst, er unterhielt sich angeregt mit Lily, scherzte und gab herrlich trockene Kommentare zu den vorbeilaufenden Mitschülern ab.
"Siehst du die nach hinten, mit dem Zopf?"
"Jeder mit Augen sieht die.", erwiederte Lily.
"Wie sie sich an McLaggen ranschmeißt. Erbärmlich."
"Ach, das finde ich nicht. Immerhin muss so niemand anderes leiden. Sie opfert sich, so sehe ich das eher."
Moony und ich brachen in lautes Gelächter aus, gleichzeitig hörten wir das durchdringende Geräusch der Pfeife, die den Beginn des Spiels ankündigte.
Das Spiel war ungeheuerlich spannend, besonders Lily war gefesselt. Ihre Augen verfolgten jede Einzelne Bewegung, die von James ausging. Zusammen mit Remus schimpften sie lauthals über die Slytherins, jubelten wenn Gryffindor ein Tor machte und stöhnten erschrocken auf, als sich der Jäger der Slytherins verletzte.
Man sah es Moony nicht an, aber er liebte Quidditch mehr als alle Rumtreiber zusammen, außer vielleicht James. Er wurde immer unglaublich leidenschaftlich, einmal hat er sich so sehr aufgeregt, dass McGonagall ihn ermahnen musste, was nur sehr selten vorkam.
Es fiel mir schwer, diesen Gedanken zuzulassen, aber ein wütender Remus Lupin war definitiv ein heißer Remus Lupin...
Ein wenig Abgelenkt wendete ich mich dem Spiel wieder zu, eine halbe Stunde später hat Gryffindor den Sieg errungen und natürlich freuten sich Remus und Lily am meisten.
Das hieß wohl, dass es was etwas zu feiern gab. Und das wiederum hieß, dass ich Remus küssen würde. Wahrscheinlich. Oder auch nicht.
Wurmschwanz, Moony, Lily und ich machten uns lachend und scherzend auf den Weg zurück zum Gemeinschaftsraum, wo uns eine Party erwarten würde, die alles verändern sollte. Doch ich war, mal wieder, zu abgelenkt, um mich am Gespräch zu beteiligen. Ich konnte einfach nicht aufhören, Remus Lippen anzustarren, als würden sie mir das Geheimnis des Universums verraten. Sie waren der Grund, warum ich letztes Jahr realisierte, dass ich in ihn verliebt war. Bei jedem anderen hätte ich gesagt, dass die Lippen das gewöhnlichste sind, was ich je gesehen habe, doch fand ich seine auf jede nur erdenkliche Art und Weise perfekt. Wie sie sich langsam zu einem Lächeln verzogen, wenn ihn etwas amüsierte, wie sie zu einem schmalen Strich wurden, wenn er wütend wurde.
"Sirius? Hallo? Jemand da?", Lily schnippte energisch vor meinem Gesicht herum, um mich wieder in die Realität zurückzuholen. Wir waren am Portrait der fetten Dame angekommen. Wie sind wir denn so schnell hier angelangt? War ich wirklich so in Gedanken versunken gewesen?
Immer noch ein wenig abwesend murmelte ich das Passwort und kletterte durch das Portraitloch. Wir wurden mit Jubel empfangen, der jedoch nicht uns galt, sondern James, der im selben Moment zu Lily rannte, um sie in seine Arme zu schließen. Remus lächelte leicht über die beiden und verschwand dann ohne ein weiteres Wort in der Menschenmenge.
Seufzend bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge, um ihn zu finden. Manchmal hatte er so melancholisch-traurige Anfälle und meistens fanden die während einer Party statt. Vielleicht lag es an den vielen Menschen, ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass es unerträglich war, ihn so traurig zu sehen und dass ich um jeden Preis verhindern wollte, dass er ausgerechnet heute so traurig wurde.
War das sein Haarschopf?
Ich kämpfte mich zu der Stelle durch, wo ich ihn gesehen hatte, doch ich stand bloß vor dem Tisch für Butterbier und Feuerwhiskey.
"Hast du Remus gesehen?", ich wandte mich an ein unscheinbares Mädchen aus unserem Jahrgang, die schon leicht beschwipst aussah. Sie zuckte nur mich den Schultern und zeigte dann auf den Ausgang.
"Er hat sich ein Butterbier genommen und ist dann da raus.", sagte sie und blickte zu mir auf.
"Du bist heiß.", merkte sie dann an und ich konnte nicht anders als zu lachen. Ich lächelte ihr entschuldigend zu, schnappte mir ebenfalls ein Butterbier und verschwand, um Moony zu suchen.
Ich fand ihn schließlich in einem leeren Klassenzimmer, wo er auf der Fensterbank saß und melancholisch, wie sollte es auch anders sein, ins nichts schaute.
"Hi, was machst du denn so alleine hier?"
"Ich hatte gerade irgendwie keine Lust mehr auf die ganzen Menschen", erwiederte er.
Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich ihm gegenüber. Er war immernoch ein wenig abwesend, was mir eine Möglichkeit bot, ihn, zum hundertsten Mal, zu betrachten.
Seine Augen sahen trauriger aus als sonst.
Doch als er sich aus seiner Gedankenwelt losriss und seinen Blick mir zuwand, umspielte ein kleines Lächeln seine Lippen.
"Was machst du hier?"
"Ich passe auf, dass du dich nicht betrinkst und ich leiste dir Gesellschaft."
"Das musst du nicht tun. Geh wieder zu der Party. Vielleicht gibt es da jemanden, mit dem du noch nicht rumgemacht hast."
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"So leicht wirst du mich nicht los.", erwiederte ich nur, obwohl mich sein Kommentar ein wenig verletzte.
Sah er mich wirklich so?
Wieder schwiegen wir für einige Minuten.
Als er wieder sprach, klang seine Stimme gebrochen.
"Du weißt, dass es mir leid tut, oder? Ich möchte wirklich nicht der Rumtreiber sein, auf den alle aufpassen müssen, aber irgendwie bin ich es doch immer."
"Halt einfach die Klappe, Moony. Ich.. Wir würden alles für dich tun, zu jeder Zeit. Wie heißt noch mal dieser Muggelspruch, den du uns mal beigebracht hast?"
"Einer für alle, alle für einen.", sagte er und ich konnte sein Lächeln hören.
"Genau", antwortete ich und in einem Anfall von Selbstbewusstsein und übermäßiger Verliebtheit zog ich ihn an mich heran.
Zu meiner Verwunderung erstarrte er nicht, sondern drehte sich um, sodass er bequemer dasaß und lehnte seinen Kopf auf meiner Schulter an. Er war warm und sein Haar erinnerte mich an den ersten Frühlingstag nach einem kalten Winter. Remus Lupin lag in meinen Armen.
Ich schloss die Augen und starb tausend Tode. Das hier war mein persönlicher Himmel.
Nach einiger Zeit, die mir viel zu kurz vorkam, erhob er sich und blickte mir direkt in die Augen. Obwohl es dunkel war, wusste ich genau wie sie gerade aussahen.
Braun, aber eher ein helles Karamell-braun, wie ich diese Farbe getauft hatte. Darum ein Ring aus dunklerem Braun.
Gott diese Augen...
"Wir sollten vielleicht langsam gehen. Die anderen fragen sich bestimmt schon wo wir bleiben."
"Sollen sie doch.", antwortete ich und meine Stimme klang leicht heiser.
Er erwiederte nichts, doch er machte auch keine Anstalten zu gehen.
Ich wollte ihn küssen.
Ich wollte es so sehr, dass mir alles andere unwichtig vorkam.
Ich sah nur noch seine Lippen, die in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennbar waren.
Ich sah seine Augen, die mich auf eine Art und Weise ansahen, wie mich noch niemand angesehen hatte.
Ich sah das kleine Muttermal auf seiner Wange, das ich seit der sechsten Klasse küssen wollte.
Ich würde so keine weitere Woche überleben, da war ich mir sicher.
"Remus...", flüsterte ich.
Ich fühle mich sadistisch. Hahahah
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