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Remus P.o.V
Die Wohnung war leer ohne Sirius.
Leer und einsam und unglaublich still.
Unser Bett fühlte sich geradezu bedrohlich groß an, ich konnte mich nicht mal darüber freuen, dass ich nun auch was von der Decke hatte, die er mir sonst immer wegnahm. Ohne seinen regelmäßigen Atem an meinem Ohr und seiner vertrauten Wärme neben mir, fiel es mir schwer einzuschlafen.
Außerdem hatte es etwas trauriges, alleine zu essen.
Doch am schlimmsten war die Stille, die so viel Gewalt über mich hatte, dass ich sie nicht einmal mit Musik vertreiben konnte, denn es war nicht die äußerliche Stille, die Sirius durch sein Rumgetrampel normalerweise vertrieb, die mir fast den Nerv raubte, sondern die innerliche Stille, die mich jedes Mal beschlich, wenn er nicht in meiner Nähe war.
Wenn ich also in der Nacht alleine in unserem Bett lag, die Decke mal auf, mal neben mir, begann mein Kopf automatisch, sich die schlimmsten Szenarios auszumalen, die passieren konnten.
Sirius, wie er allein starb, wie er gefoltert wurde, wie er verschwand und ich nie erfahren würde, was passiert war.
Ich dachte jede Möglichkeit durch.
Um mich wenigstens ein wenig abzulenken, verbrachte ich die meiste Zeit der Woche bei James und Lily.
Das James tagsüber arbeitete, war ich oft mit Lily und Harry alleine, also machten wir stundenlange Spaziergänge, backten Cookies in Halloween Optik und bespaßten Harry.
Ich konnte gar nicht ausdrücken, wie sehr ich diesen kleinen Racker liebte. Auch wenn er mit seinem kleinen Besen, den er über alles liebte, mehr Schaden anrichtete, als es Lily und mir lieb war, konnten wir ihm einfach nicht böse sein, wenn er uns so unschuldig anstrahlte, wie nur Kinder es können.
Außerdem zauberte es einem unweigerlich ein Lächeln auf das Gesicht, wenn man James und Lily sah, und wie glücklich die drei zusammen waren. Es war eine Art von Liebe, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Sie stimmte mich hoffnungsvoll, dass nicht alles mit der Welt schiefgehen konnte, wenn es immer noch Menschen gab, die so bedingungslos lieben konnten.
Diese kleine Familie ließ mich hoffen, dass wir es alle Lebend aus dieser dunklen Zeit schaffen konnten, so unwahrscheinlich es auch war.
An Halloween jedoch, bestand ich darauf, zumindest für ein paar Stunden nach Hause zu gehen, vor ihrer ausgiebig geplanten Halloween Party.
Ich verstand immer noch nicht so ganz, warum Lily so verrückt danach war, aber sie hatte schon unzählige Kürbisse ausgehöhlt, schwebende, echte Fledermäuse herbeigezaubert und Unmengen an Kürbissaft - und Pasteten gekauft. Ich glaube von uns Rumtreibern, vermisste sie Hogwarts am meisten.
"Willst du nicht einfach gleich da bleiben?", fragte sie zum dritten Mal, als ich mir meinen Mantel überstreifte.
Ich warf ihr einen raschen Blick zu.
"Es ist Tradition, dass ich auf ihn warte.", erwiderte ich nur.
Sie seufzte resigniert.
"Ich werde nicht so tun, als würde ich euch beide verstehen, denn das tue ich nicht. Ihr lebt echt auf eurem eigenem Planeten, du und Tatze. Aber wahrscheinlich sind James und ich nicht besser", meinte sie nach einer kurzen Stille und lachte.
"Wir sehen uns in ein paar Stunden.", ich umarmte mich, und sie drückte mich, wie immer so fest, dass es einem fast den Atem raubte, an sich.
Auf dem Weg nach Hause dachte ich darüber nach, was sie gesagt hatte.
Mir war noch nie in den Sinn gekommen, dass unsere Verbindung auf andere seltsam wirken konnte, mit unseren Eigenheiten und Traditionen.
Beispielsweise die, dass wenn einer von uns auf einer Mission war, der andere am angegebenen Tag der Rückkehr mit einer Flasche Feuerwhiskey  wartete, ohne wenn und aber.
Denn auch wenn keiner von uns es jemals zugeben würde, brauchten wir das.
Jedes Mal, wenn Sirius ins Wohnzimmer apparierte, suchten seine Augen zuerst mich und er entspannte sich erst, wenn er seine Arme sicher um mich gelegt hatte.
Dann betranken wir uns, weil wir 21 waren und das unsere Art war, unsere Erlebnisse erst einmal zu verarbeiten, ehe wir darüber redeten, was bei mir früher, bei Sirius eher später der Fall war.
Er redete nie gerne über das, was er getan oder gesehen hatte, doch ich wusste, wie schlimm es war, je nachdem, wann er weinend in meinen Armen zusammenbrach, was manchmal erst vier Uhr Nachts der Fall war, manchmal aber auch schon, sobald er Zuhause ankam.
Vermutlich mussten wir das heute verschieben, Sirius würde einen Abend mit seinen Freunden um nichts in der Welt verpassen.
In unserer Wohnung angekommen, hängte ich zuerst meinen Mantel auf und machte mir dann etwas zu essen, doch über jeden noch so normalen Tätigkeit schwebte die schmerzhafte Erwartung, ihn wieder zu sehen.
Es war jedes Mal eine Mischung aus Bauchweh, Vorfreude, aber auch Angst und jeder Menge Sorge.
Wie würde es ihm gehen?
Wann würde er überhaupt kommen?
Würde er kommen?
Die Uhr schlug fünf.
Sechs.
Um halb sieben war ich schon ein nervliches Frack, was sinnlos war, denn es gab auch schon Nächte, in denen er erst um zehn Uhr Abends auftauchte. Und doch zitterten meine Finger, als ich mir eine Tasse Tee einschenkte, um meinen Magen zu beruhigen, der sich sehr flau anfühlte.
Ich machte es mir mit einem Buch auf unserer alten, zerfledderten Couch bequem, doch wem machte ich etwas vor: ich könnte mich nicht einmal auf die Worte konzentrieren, wenn mir Voldemort höchstpersönlich den Todesfluch androhen würde.
Meine Ohren hatten sich in hypersensible Sensoren verwandelt, die nach dem kleinsten Geräusch, dem kleinsten Anzeichen dass er zurückkehrte, horchten.
Nichts. Die ganze verdammte Zeit war das einzige, was ich hörte mein eigener Atem, bis mich das mehr als nur plötzliche Geräusch einer Explosion so erschrak, dass ich die Tasse aus Versehen fallen lies und sie prompt am Boden in kleinste Scherben zerschellte.
Mein Magen drehte sich um und meine Gedanken waren so laut und drängend, dass ich nicht einmal bemerkte, wie der Tee sich still und leise auf dem Holzboden verteilte.
Das konnte nicht... Oder etwa doch?
Aber nein. Das konnte gar nicht Lilys und James Haus sein. Sie waren durch den mächtigsten Zauber geschützt, und Sirius würde das Sicherheits Wort niemals weitergeben, nicht mal wenn er gefoltert werden würde (AN: Remus wusste ja bis zum 3. HP Buch nicht, dass Sirius die Bürde an Peter weitergegeben hat).
Er würde keinen von uns verraten.
Ich machte mir wahrscheinlich schon wieder zu viele Sorgen, in letzter Zeit war ich schon fast Paranoid geworden.
Als es vor zwei Wochen in der Nähe ihres Hauses gebrannt hatte, dachte ich zuerst, dass es ihres war, dass in Flammen stand und hatte einen halben Zusammenbruch, für nichts und wieder nichts.
Ihnen ging es bestimmt bestens.
Und doch... Vielleicht sollte ich schnell vorbeischauen, nur um mich selbst zu beruhigen, denn mir war kotz übel.
Ich zog mir schnell meine Jacke über und apparierte zu ihnen. Es war zwar jedes Mal ein Risiko, in der Muggelwelt zu apparieren, aber heute machte ich eine Ausnahme.
Was mich dort erwartete ließ mich ein paar Schritte zurückstolpern und ich riss erschrocken die Hand vor den Mund.
Es war so surreal, dass ich mir einbildete, vollkommen den Verstand verloren zu haben. Das konnte nicht wahr sein.
Es konnte nicht sein, dass dieser rauchender Trümmerhaufen einst das Haus war in dem meine besten besten Freunde lebten.
Ein Schrei entriss sich aus meiner Kehle, der so laut und qualvoll klang, dass ich ein paar Sekunden brauchte um zu realisieren, dass er tatsächlich von mir kam.
Das konnte nur Voldemorts Werk gewesen sein. Oder das einer seiner Jünger.
Und das hieß.. Ich sank auf sie Knie.
Lily und James waren Tot. Und Harry auch. Sie waren alle drei Tot, dabei waren sie doch noch vor ein paar Stunden quicklebendig, lachten und spielten gemeinsam?
Es schien so unwirklich für mich, dass ich nicht einmal weinte, ich saß einfach nur da, mitten auf der Straße, blickte auf dieses Haus, was wie ein zweites Zuhause war und versuchte zu verstehen, wie es sein konnte, dass meine besten Freunde und ihr Sohn Tot waren, wo ich mich doch heute noch mit ihnen unterhalten hatte.
Schließlich stand ich auf, putzte mir den Dreck von der Hose und machte mich wie ferngesteuert auf den Weg in unsere Wohnung, was mich an Sirius denken ließ. Ich musste es ihm sagen. Ich wusste, dass ich derjenige sein musste, der es ihm sagte, seine Reaktion sah, und ihn wenn nötig hielte, wenn er zusammen brach.
Ich musste da sein für ihn.
Mit zitternden Händen versuchte ich geschlagene fünf Minuten, die Tür aufzusperren, bis mir einfiel, dass ich ja gar nicht erst abgeschlossen hatte, da ich appariert war.
Vor einer Stunde war alles noch in Ordnung gewesen. Und jetzt?
Als ich eintrat, war das erste was ich sah, die Pfütze aus Tee und seltsamerweise war das der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, denn das nächste was ich wusste war, dass ich mich zitternd in die Toilette übergab und Tränen und Rotz mein Gesicht und Hals herunterliefen.
Als mein Magen fertig damit war, alles, was ich je gegessen hatte wieder ans Tageslicht zu befördern, und nur noch Galle hochkam, schaffte ich es endlich, den Würgreiz zu unterdrücken.
Ich erhob mich mühsam und fühlte mich, als wäre ich um 30 Jahre gealtert. Als ich in den Spiegel blickte, blinzelte mir eine verquollene, tränenverschmierte Version meiner Selbst entgegen.
Als wären mein Körper und meine Seele auseinander gerissen, wanderte ich zur Spüle und ließ Wasser in ein Glas fließen, ohne dass ich darauf achtete, was ich überhaupt tat, der Tee-See war immer noch unangetastet.
Ich dachte an nichts und an alles.
Ich dachte an Lilys Lachen und James Umarmung und am Harrys Gebrabbel und wie alles was ich von ihnen hatte, ab heute nur noch Erinnerungen sein würden. Gleichzeitig schwebte über allem die Frage, wo Sirius blieb.
Wie sollte ich ihm erklären, dass sein bester Freund, den er fast noch mehr liebte als mich, gestorben war?
Und Harry, den er nach James als erstes halten durfte, dessen Geburt waschechte Freudentränen ausgelöst hatte?
Wie sagte ich ihm das unfassbare?
Ich hatte so Angst ihn wiederzusehen und doch brauchte ich ihn, jetzt mehr als je zuvor.
Ich fühlte mich wie ein Papierschiff auf offener See.
Weil ich so neben mir stand, bemerkte ich den Brief erst, als ich mein Glas darauf abstellen wollte. Er war in Dumbledores Schrift und mit einem lächerlichen Fünkchen Hoffnung öffnete ich ihn. Worauf hoffte ich überhaupt?

Remus,
Ich gehe davon aus, dass sie wissen was passiert ist, da sie ganz in der Nähe leben. Jedoch dürfte es neu für sie sein, dass Harry lebt und wohlauf bei seinen Verwandten ist. Sirius war so nett, Hagrid sein Motorad für die Übergabe zu geben.
Voldemort ist gefallen. Das ist wahrscheinlich das einzig positive an der ganzen unglaublich traurigen Angelegenheit
Sie können jederzeit mit mir reden.
Albus

Komplett fassungslos ließ ich den Brief sinken. Tausend Gefühle und Fragen belagerten mich, zusätzlich zu allem, was eh schon passiert war und für eine kurze Zeit ging es in meinem Kopf so drunter und drüber, dass ich mir tatsächlich die Ohren zuhielt.
Harry lebte, obwohl das unmöglich sein sollte und Voldemort war tot. Der ganze Stolz von James und Lily hatte überlebt und dank ihm war Voldemort gefallen.
Und Sirius hatte geholfen, ihn wegzuschaffen?
Was hieß, dass er da gewesen sein muss. Warum ist er dann nicht hergekommen?
Erst jetzt drängte sich mir ein anderer Gedanke auf, der so schrecklich und abschäulich war, dass ich am liebsten keine Sekunde weiter daran verschwendet hätte.
Doch wie konnte der Zauberbann überhaupt gebrochen werden? Sirius war der Verantwortliche. Aber er würde niemals... Das konnte gar nichr sein. Allerdings dachte ich das auch, als ich die Explosion gehört hatte.
Ich schloss die Augen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen, dann schluchzte ich auf.
Das war alles viel zu viel. Und die Person, die ich am dringlichsten brauchte, war unauffindbar, genau das Gegenteil von dem, was wir uns geschworen hatten.
Wo zur Hölle war Sirius Orion Black?
Und was war wirklich passiert?





Hey Leute, sorry dass es so lange gedauert hat, bis dieses Kapitel hochgeladen wurde. Ich habe keinerlei Erfahrung, was Trauerszenen angeht, aber ich hoffe, es ist halbwegs annehmbar. Danke für eure Geduld!

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