Kapitel 8
Es war einmal eine Chance
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Als ich am Freitagmorgen durch meinen Wecker aufwache, empfängt mich der Geruch von Essen. Ein Tablett mit Pancakes und Himbeer-Marmelade steht auf meinem kleinen Nachttisch. Daneben liegt ein kleiner, gelber Zettel von Dad, auf welchem steht, dass er schon weg ist und er mir einen guten Appetit wünscht. Der Grund für sein frühes Verschwinden verrät er nicht.
Ich denke mir nicht viel dabei und beginne, die Pancakes mit Marmelade in mich zu schaufeln, das Tablett mit dem Essen auf meinem Schoß liegend. Ein Essen, von dem ich nicht genug bekommen kann. Und mein Dad weiß es. Er hat mir sogar ein Glas mit Sprudelwasser auf das Tablett gestellt, da er ebenso weiß, dass ich Wasser anderen Getränken gegenüber vorziehe.
Mit dem Essen fertig, lege ich das Tablett erneut auf dem Nachttisch ab und laufe ins Bad, um meine Zähne zu putzen und mich zu duschen.
Mittwoch und Donnerstag sind recht ereignislos verlaufen. Ich bin Grayce ein paar Mal über den Weg gelaufen, doch davon abgesehen, haben sich meine Interaktionen mit anderen darauf beschränkt, an ihnen vorbeizulaufen. Auch hat mich der Football-Junge nicht weiter gestört und an sich würde ich die erste Woche meines Studiums als einen Erfolg betrachten.
Nach dem Duschen beginne ich, mich zu schminken und daraufhin meine Haare zu föhnen, denen Volumen nicht schaden würde. Glatt fallen mir die hellbraunen Haare bis zur Brust und aus meinen dunkelbraunen Augen sehe ich mich durch den Spiegel hinweg an. Meiner blassen Haut habe ich mit Rouge ein wenig Farbe verliehen und auch Wimpern, Augenränder und Lippen habe ich leicht geschminkt.
An sich habe ich wenig gegen mein Gesicht, doch schminke ich es gerne. Allerdings halte ich mich bei Schminke oftmals natürlich, da ich erstens eher einfache Sachen bei Make Up kann und zweitens den natürlichen Look bevorzuge.
Zufrieden mit meinem Aussehen, laufe ich in weißer Unterwäsche ins Zimmer und schaue auf meinem Handy das Wetter für heute an. Es soll bewölkt werden und die Temperaturen sinken auf zehn Grad. Also entscheide ich mich für ein langärmliches Oberteil in blau, dass sich sanft an meine Haut schmiegt und für eine marineblaue Jeans. Ich stopfe das Oberteil in die Hose und ziehe es glatt, sodass es wie ein Body wirkt.
Abschließend stecke ich mir noch goldene Ohrringe, an denen jeweils ein glänzendes Herz hängt, ins Ohrläppchen.
Auch mit meinem Outfit einverstanden, schnappe ich mir die Tasche, die auf dem Stuhl an dem großen Schreibtisch liegt und laufe nach unten zur Haustür, um weiße Sneaker und eine Jacke anzuziehen. Ich nehme den Schlüssel von der Halterung an der Wand und trete durch die Tür.
Ein kühler Wind empfängt mich, sobald ich ins Freie trete. Ich entscheide mich dafür, meine dunkelblaue Mütze anzuziehen und ziehe den Reißverschluss meiner Herbstjacke bis ganz nach oben.
Bei meinem Fahrrad angekommen, welches wie jeden Tag an der Veranda steht, steige ich auf und fahre los.
Die Straßen sind teilweise von bunten Blättern bedeckt und die frische Luft spielt mit ihnen.
Seit dem Tag, an welchem ich dem Jungen auf dem Dachboden begegnet bin, schweifen meine Gedanken manchmal unkontrolliert zu ihm und wie er mich aus seinen schönen Augen angesehen hat. Es ist schwer gewesen zu deuten, was er gerade denkt und auch wenn ich meinen Vater gefragt habe, ob er öfters für ihn Arbeiten verrichtet, hat er das Thema gewechselt.
Die Situation wird immer merkwürdiger und noch immer überlege ich, wie ich Informationen über Riven erhalten könnte. Er geht nicht zur Universität, in der Stadt bin ich ihm bisher noch nicht begegnet und auch finde ich ihn nicht auf sozialen Medien. Als wäre er ein Geist in der heutigen Gesellschaft und würde sich von Allem fernhalten.
Es ist nicht so, dass ich den jungen Mann auch nur ansatzweise mag oder ähnliches, lediglich interessiert es mich, wer er ist und warum ihm mein Dad so sehr vertraut, dass er einen Schlüssel zum Haus hat und sich in diesem aufhält, wenn niemand zu Hause ist.
Ich ziehe, verwirrt über mich selbst, die Stirn kraus.
An der Universität angekommen, stelle ich mein Fahrrad ab und laufe durch die große Tür.
Heute stehen bis sechzehn Uhr vier Vorlesungen an. Auch wenn ich so meine Schwierigkeiten mit Physik und Chemie habe, bin ich auf den Inhalt und die Professoren gespannt.
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, laufe ich den belebten Gang entlang. Heute wird ein guter Tag werden.
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Nachdenklich stehe ich um kurz nach vier vor dem Plakat, dass an der Glastür des Sekretariates hängt. Inzwischen sind die Schulflure leer.
Noch immer zweifle ich daran, ob ich mich auf die Liste der Teilnehmer für den Theater Club setzen soll, welche inzwischen weiter gewachsen ist. Einunddreißig Studenten stehen inzwischen auf der Liste und nur noch bis heute kann ich auch meinen Namen dazuschreiben.
Nächste Woche würde am Freitag um siebzehn Uhr die erste Probe stattfinden.
,,Keine Sorge, die nehmen da jeden, egal wie talentiert - oder talentfrei - man ist", erklingt es plötzlich neben mir, weshalb ich ungewollt zusammenzucke. Innerlich verdrehe ich die Augen, äußerlich bleibe ich ruhig. Der Football-Junge.
Mit einem zurückhaltenden Grinsen steht er angelehnt an der Wand und mustert mich aufmerksam. Sein schwarzer Rucksack hängt über seiner rechten Schulter.
Ich bin nicht sicher, ob mich seine Worte ermutigen sollen.
,,Damit meine ich natürlich nicht, dass du talentlos bist", fügt er noch hinzu und kratzt sich - verlegen? - am Kopf. Ich kann nicht verhindern, dass meine Mundwinkel leicht nach oben zucken.
,,Ich bin übrigens Ryan", sagt er und reicht mir die Hand. Kurz zögere ich, dann reiche ich ihm ebenso meine Hand.
,,Margret", stelle ich mich vor, woraufhin er lächelt.
,,Heute Abend findet eine Party statt. Möchtest du kommen?" Verblüfft sehe ich ihn an und weiß nicht so recht, was ich ihm darauf antworten soll oder ob er es überhaupt ernst meint. Er könnte sich auch einen Spaß mit mir erlauben.
,,Meinst du das ernst?" Etwas beginnt, in meinem Bauch zu kribbeln. Ich bin nervös, aber warum? Schließlich ist das hier eine ganz normale Konversation. Es ist nichts im Vergleich zur High School. Ich sollte nicht derart nervös werden, wenn jemand, den ich nicht kenne, mit mir redet. Das ist absurd. Ich verhalte mich absurd.
,,Hundertprozentig. Also, was sagst du?" Geduldig schaut er auf mich herab.
Auch wie die Tage zuvor sind seine Haare perfekt gestylt und ein weißes Polohemd betont seinen muskulösen Körper. Gut sieht er aus, das muss man ihm lassen.
,,Okay." Sein Gesicht erhellt sich und durch das Lächeln strahlen seine weißen Zähne. Er klatscht in seine Hände.
,,Perfekt." Er holt einen Zettel aus seiner Hosentasche und überreicht ihn mir. Noch irritierter als zuvor, nehme ich den Zettel an. Ein Blick in seine grauen Augen bleibt mir ein Rätsel. Er ist mir ein Rätsel. Noch vor drei Tagen hat er mir mit seinem Blick unmissverständlich klar gemacht, dass er nicht viel von mir hält. Und jetzt lädt er mich zu einer Party ein. Aus dem Jungen werde ich nicht schlau - noch nicht.
,,Die Adresse steht auf dem Zettel. Die Party geht um acht los", informiert er mich und stützt sich von der Wand ab. Er ist ungefähr einen Kopf größer als ich, weshalb ich nach oben sehe und einen Schritt nach hinten mache. Zu viel Abstand möchte ich nun auch wieder nicht. Ich kann es mir nicht erklären, warum ich so ängstlich gegenüber Vielem geworden bin. Von ihm geht schließlich keine Gefahr aus.
,,Na dann, meine Liebe, bis heute Abend", verabschiedet er sich mit einem Lächeln und ich sehe ihm nach, wie er den Gang entlang läuft, bis er hinter einer Ecke verschwindet.
Was war das?
Unentschlossen sehe ich zwischen dem Zettel und dem Plakat hin und her. Schließlich falte ich das Papier auf und lese die Adresse. Die Party muss in der Stadt stattfinden, zumindest lässt es die Anschrift vermuten. Er muss den Zettel schon vorher geschrieben haben. Nur stellt sich mir dann die Frage, warum. Er und ich belegen weder den gleichen Studiengang, noch können wir uns besonders gut leiden.
Ich krame einen Stift vom Mäppchen aus meiner Tasche heraus und setze meinen Namen auf die Liste. Es wird Zeit, dass ich mich etwas traue und dass ich endlich meine Komfortzone verlasse. Ich kann nicht auf ewig vor Allem und Jedem weglaufen und hoffen, dass man mich übersieht oder mich nicht weiter beachtet.
Entschlossen laufe ich auf den Ausgang zu. Ich werde bei dem Theater Club mitmachen und ich werde heute Abend zur Party gehen. Ich habe mich doch so sehr nach Freiheit in meiner High School Zeit gesehnt und danach, endlich zu leben und etwas zu erleben. Und genau das ist der Plan und den ersten Punkt werde ich noch heute Abend von meiner Liste abhaken können.
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