Überraschung

Meine Eltern waren mehr als überrascht gewesen, als ich gestern Nachmittag plötzlich bei ihnen geklingelt hatte, doch anstatt mich auszufragen, hatten sie mir die Ruhe gelassen, die ich so dringend benötigte.

Sie luden mich in mein Lieblingsrestaurant ein, lenkten mich weitestgehend von allem ab.

Doch als ich Abends im Bett lag und der Stille um mich herum lauschte, wurde es mir immer bewusster:
Ich vermisste Dänemark.
Ich vermisste Mary und Sophia und Lars.

Aber am Wichtigsten: Ich vermisste Leon. So schrecklich. Doch alleine der Gedanke an diese Tatsache, verursachte eine Gänsehaut bei mir.
Das ging alles viel zu schnell.

Wenn ich nicht aufpasste, dann würde es wieder so sein wie damals, als er sich schon mal für Tanja und gegen mich entschieden hatte, weshalb ich Nächte lang nur noch geheult hatte.

Klar, ich war keine 17 mehr, aber es würde trotzdem wehtun. Besonders, da ich doch gerade erst eine Trennung hinter mir hatte.

Mit brennenden Augen drehte ich mich vom Rücken auf die Seite, drückte meinen alten Teddy an mich.
Ganz so wie früher, als ich noch klein war und nicht schlafen konnte, weil ich so aufgeregt war, weil am nächsten irgendwas wichtiges anstand.

Mein erster Schultag, meine ersten Tests. Das erste Zeugnis. Später dann meine erste Klausur. Irgendwann die Abiturprüfungen. Es hatte immer wieder einen Grund gegeben, der mir den Schlaf geraubt hatte.
Doch sie alle waren erträglicher als meine jetzige Situation.

Irgendwie brachte ich die Nacht hinter mich, aß am nächsten Morgen mit meinen Eltern zusammen Frühstück und fand mich schließlich auf dem Sofa im Wohnzimmer wieder.

Eigentlich hatte ich ja joggen gehen wollen, doch es regnete wie aus Eimern und da ich keine große Lust hatte mich jetzt auch noch zu erkälten, ließ ich das wohl besser sein.

Genervt von diesem schlechten Fernsehprogramm, nahm ich mein Handy in die Hand und scrollte durch die Bildergalerie.
Schließlich blieben meine Augen an einem Foto von Leon hängen, welches ich heimlich am Strand gemacht hatte.

Er hatte nicht gewusst, dass ich ihn fotografierte, weshalb er nicht in die Kamera geguckt hatte, sondern auf das Wasser. Wie so oft hatte er dieses spitzbübische Grinsen im Gesicht, ein paar Strähnen seiner dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht.

Ich seufzte leise, schüttelte den Kopf über mein eigenes Verhalten und nahm dann die große Tasse in die Hand, die vor mir stand. In der Hoffnung mich etwas zu beruhigen, hatte ich mir heiße Milch mit Honig gemacht. - Mamas Geheimrezept gegen alles.

Plötzlich klingelte es sturm.

Verwundert sah ich auf die antike Standuhr, die in einer Ecke des Wohnzimmers stand. Halb eins am Nachmittag. Wer konnte das sein?
Der Postbote kam nicht vor um zwei und meine Eltern hatten beide ihre Schlüssel mit.

Ich rappelte mich hoch und ging zur Tür, während es erneut klingelte.
„Jaja, ich bin gleich da!", rief ich über den Flur nach draußen.

Schließlich öffnete ich die Tür, weshalb mir der kalte Regen ins Gedichte plätscherte und ich erst ein paar Sekunden brauchte um zu erkennen, wer dort vor mir stand.

Ohne mir jede Chance auf eine Reaktion zu lassen, begann Leon zu sprechen. Seine Klamotten waren durchnässt und seine Haare wurden durch das Wasser platt an seinen Kopf gedrückt.

„Es tut mir leid, Elisa. So unfassbar leid! Es war ein echt dummer Fehler von mir, dich für Tanja zu versetzten und ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst, denn ich brauche dich. Dich und deine Art, die mich in den letzten Tagen so sehr verzaubert hat. In die ich mich verliebt habe...".

Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Passierte das hier gerade wirklich oder träumte ich bloß?!

Leon schien keine Antwort zu erwarten, denn er redete einfach weiter; auch noch als ich ihn ins Haus zog, damit er nicht im Regen stehen musste.

„Lass uns gemeinsam zurück nach Dänemark fahren und uns dort eine Wohnung suchen, damit wir den Nielsons nicht mehr auf die Nerven gehen. Ich tue alles was du willst, aber bitte verzeih mir!".

Ich tue alles was du willst, aber bitte verzeih mir...

Urgh, wie oft hatte ich diesen Satz schon gehört. Paul hatte das ständig gesagt. Immer und immer wieder.
Aber bei Leon war es etwas anderes. Ihm glaubte ich.

„Ich...ich will keine Wohnung mit dir suchen...", stotterte ich zur Antwort. Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, sanken seine Schultern nach unten und der wandte sich zur Tür um wieder zu gehen.

„Aber ich will auch nicht, dass wir soweit voneinander weg leben und nichts voneinander hören. Nicht nochmal. Denn ich habe...festgestellt, dass ich mich verdammt wohl in deiner Nähe fühle, Leon Meissner!".

Mit einem breiten Grinsend drehte er sich zu mir zurück. „Also kommst du mit mir zurück?". Schnell nickte ich und spürte, wie ich seine starken Arme um mich legten.

„Und genau das ist einer der Gründe, wieso ich in dich verliebt bin, Elisa Weidenkorb: Weil du mich jeden Tag aufs Neue überraschst und mir jeden noch so dummen Fehler verzeihen kannst...".

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top