Sí o no, pero tal vez no...
Leon wandte seinen Blick von mir ab, sah fast schon betreten auf den Boden und gab mir Zeit. Zeit zum denken.
Doch trotzdem fühlte ich mich, als würde die komplette Weltgeschichte davon abhängen, wie ich als nächstes handelte. Der Druck auf meinen Schultern war ja schon fast greifbar.
Schweigend und abwartend, standen wir einander gegenüber, als meine Augen nun den kleinen Kalender einfingen, welcher auf Leos Schreibtisch stand.
Auch, wenn man es ihm bei seiner kaum vorhandenen Ordnung eher nicht zutrauen würde, so riss er dennoch jeden Morgen gewissenhaft eine Seite raus. Und ebenfalls jeden Morgen durfte ich mir dann beim Frühstück anhören, welche schlauen Worte heute auf dem Kalender zu finden waren.
»Sí o no, pero tal vez no.«
Schön, dass ausgerechnet heute dieser Spruch zu lesen war. Dass ausgerechnet heute "Ja oder nein, aber nicht vielleicht" die Seite zierte.
Unter anderen Bedingungen wäre ich stolz gewesen, dass die vier Jahre Spanischuntterricht in der Schule doch nicht ganz umsonst gewesen waren, doch heute heiterte nichteinmal das mich auf.
„Ich...ich gehe nochmal schnell weg. Bis heute Abend...“, würgte ich schließlich hervor.
Kaum hatte Leon leise, qualvoll geseufzt, stürmte ich auch schon wieder aus seinem Zimmer. Über den Flur. Raus aus unserer Wohnung.
Während ich nun durch das Treppenhaus eilte, warf ich mir meine Jacke über und kramte in deren Seitentasche nach meinen roten Kopfhörern.
Schließlich fiel die Haustür hinter mir zu und ich begann langsam durch die Stadt zu gehen, während ich den Klängen der Musicalversion von ABBAs 'One of us' lauschte.
Offenbar repräsentierte meine Playlist mal wieder meine Stimmung.
Auf der anderen Seite...Wann war dem mal nicht so? Hörte ich nicht immer Musik, die zu meiner Laune passte? Also sollte mich das hier nicht sonderlich wundern.
Meine Füße bahnten sich ihren Weg über das Koppsteinpflaster, ohne dass ich wirklich auf meine Umwelt achtete. Einmal rempelte ich mit jemandem zusammen, fing mir einen angesäuerten Blick ein. Doch diesen ignorierte ich einfach.
Ich war wütend, frustriert und enttäuscht darüber, was ich Zuhause veranstaltet hatte. Fühlte mich schuldig. Und als wäre das alles noch nicht genug, spürte ich tief in meinem Inneren diese irrationale Freue darüber, dass Leo mir gestanden hatte, dass er mich liebte.
Keine Ahnung wie lange meine Beine mich einfach durch die Gegend trugen, doch irgendwann erreichte ich den Park, durch welchen ich nun langsam schlenderte.
Vorbei an all den glücklichen Jungen und Mädchen, die auf den Spielplätzen herumtollten, während ihre Eltern zufrieden miteinander schwatzten. Vorbei an einem alten Ehepaar, dass bereits an Krücken ging und trotzdem noch Händchen hielt.
Ihr Anblick sorgte nicht gerade dafür, dass sich der Knoten in meiner Brsut löste. Stattdessen stellte ich mir vor, dass Leon und ich in 70 Jahren so aussehen könnten.
Glücklich. Zusammen. Nicht ohne einander. Für einander da.
Irgendwann setzte ich mich auf eine der weißen Holzbänke, legte den Kopf in den Nacken und schloss meine Augen, um nicht in aller Öffentlichkeit in Tränen auszubrechen.
Jetzt reiß'dich doch mal zusammen... Das ist ja schlimmer als im Kindergarten mit dir!
Hatte ich vielleicht überreagiert?
Und warum genau schaffte ich es einfach nicht, das zu sagen, was ich wirklich sagen wollte? Was mir im Hals brannte und nur darauf wartete, meinen Mund zu verlassen?
Plötzlich hörte ich, wie eine helle Kinderstimme meinen Namen rief. Überrascht sah ich auf und nur Sekunden später saß auch schon Sophia auf meinem Schoß.
„Sophie! Was machst du denn hier?“, erkundigte ich mich. Das Mädchen lachte und deutete auf ihren Vater, welcher sich ebenfalls zu uns gesellte.
„Lisa, schön dich zu sehen!“, begrüßte Lars mich lächelnd. Daraufhin nickte ich nur kurz.
Anscheinend bemerkte er meine geistige Abwesenheit, weshalb er Sophia nun zum Sandkasten schickte und sich dann neben mich setzte.
„Also, ähm...Falls du über irgendwas reden willst...“, bot der Mann meiner Cousine an. Dieses Mal schüttelte ich schnell meinen Kopf. Reden war wirklich das Letzte, was ich in diesem Moment wollte.
„Ich möchte nicht sprechen. Aber danke, Lars!“, murmelte ich. Sein kleines Lächeln verriet, dass er mir alles andere als böse war, während wir seiner Tochter beim Spielen zusahen.
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