Leise rieselt der Zombie

"Das ist eine Zombieapokalypse!", rief mein Vater ein wenig zu aufgeregt und erfreut aus. Für diejenigen die gerade einen geliebten Bruder und Vater verloren hatten, war die merkwürdige Freude Papas nur schwer nachvollziehbar.

Gut, ich musste zugeben, so ganz verstand ich das Verlangen nach dem Weltuntergang nicht, schließlich waren wir eins-a-Todeskandidaten.

Meine Familie strotzte nur so vor Krankheiten, die regelmäßige Medikation erforderten. Also wären wir sicher unter den ersten die draufgingen.

Wie man an dem Verlust von zwei Familienmitgliedern an einem Zombie deutlich erkennen konnte.

"Und was machen wir nun?!", Mutter war wieder fast hysterisch, aber immer noch nicht genug für eine ordentliche Ohrfeige.

"Wir bereiten uns vor und fahren aufs Land. Da werden wir sicher sein! Vertraut mir. Ich hab alles darüber gelesen und gesehen."

Papa versuchte Ruhe und Gewissheit auszustrahlen, doch seine beinahe kindliche Freude am Weltuntergang steckte höchstens Leon und mich an. Tante Effi übergab sich. Oma viel in Ohnmacht.

Damit wäre klar, wer die schwächsten Glieder in der Kette waren.

Papa drehte sich vom panischen Mob, zu dem man den Rest unserer Familie zählen konnte und sah meinen Bruder und mich an.

"Geht rauf, packt Rucksäcke mit dem nötigsten. Absolut nötigsten, das heißt keine Bücher Rosie! Danach packt so viel essen und Wasser ein wie ihr könnt."

Leon und ich nickten und rannten hinauf in unsere Zimmer. Normalerweise würde ich mehr Fragen stellen, doch ich hatte das starke Bedürfnis nach frischer Luft und ein wenig Ruhe.

Ich hörte Papa noch weitere Anweisungen ausgeben, bevor ich in mein Zimmer lief. In meinem gemütlichen unaufgeräumten Zimmer angekommen, holte ich meinen blauen Rucksack aus Finnland hervor und packte Unterwäsche und Kleidung ein.

Es juckte mich in den Fingern meine Lieblingsbücher mitzunehmen, doch vermutlich waren sie hier sicherer. In meinem Leben hatte ich viel ferngesehen, dank meines Vaters.

Er hatte mir jeden Zombie-, Sciencefiction- und Fantasyfilm gezeigt den es gab und das seit ich alt genug war um zu sitzen. Die Situation war vollkommen verrückt, aber durch dieses jahrelange Fernsehtraining, war ich mir fast sowas wie sicher, was zu tun war.

Und da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde nicht bilden.

Ich rannte also wieder zur Stiege und sah meinen Bruder in seinem Zimmer traurig die PS4 anstarren, die sein Herz seit gut einem Jahr gefangen hielt. So stellte ich mir wahre Liebe vor.

Ebenso traurig meine Bücher zurücklassen zu müssen, schüttelte ich den Kopf und rannte die Stiegen hinunter wie so viele Male in meinem Leben. Unten herrschte so etwas wie Bewegung und Aufbruchsstimmung.

Papa hatte es nur geringfügig geschafft unsere Verwandtschaft zu motivieren. Von der Eingangstür hörte man Kratzgeräusche und das übliche Stöhnen der Zombies.

Theresa hatte anscheinend nicht überlebt. Tja und dabei hatte ich gerade erst rausgekriegt, wie stark sie war. Valentina, David und Oma saßen immer noch kuschelnd auf der Bank. Der Anblick ihrer starren Augen wie sie ohne Emotionen ins Leere sahen, hatte was gruseliges.

Die drei standen auf jeden Fall unter Schock. Tante Effi und Mama wuschen das Erbrochene auf. Schnell umarmte ich meine Mutter, achtete darauf nicht die Kotze anzusehen und küsste sie auf die bleiche Wange.

Ich reagierte nicht gut auf Kotze....oder Blut. Beides machte mich schwindelig und krank. Wie ich bereits sagte, wir waren gute Todeskanidaten.

"Was ist hier nur los?", flüsterte Mama mir ängstlich zu.

Ihre Augen blickten unruhig im Raum herum, der Schock über die recht blutigen Ereignisse dieses fröhlichen Festes war ihr deutlich anzusehen. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und zwang sie mich genau anzusehen.

"Das ist ein Spiel, Mama. Ein witziges einfaches Spiel. Wir werden jetzt alles zusammenpacken und dann aufs Land fahren. Das magst du doch? Du liebst die frische Luft und die Natur. Es wird uns dort gutgehen. Los, pack alles zusammen im Schlafzimmer. Ich helfe Tante Effi."

Mama reagierte zuerst nicht, doch schließlich nickte sie.

Unsicher stand meine Mutter auf und wankte zur Stiege.

Natürlich half ich meiner adoptierten Tante nicht. Immerhin war das Ende der Welt gekommen, da war mir so ein bisschen Kotze im Wohnzimmer auch egal, zumindest solange ich nicht darin landete.

Wir würden diese Wohnung sowieso nie wieder sehen. Entweder starben wir in den nächsten 24 Stunden oder wir fanden eine nette Farm weit weg von hier. Zumindest laut der Serie >The walking dead<.

Bevor ich zu Papa ging zog ich mir noch Schuhe und meine Jacke an.

Ich wollte mich auf keinen Fall in letzter Minute anziehen und dann gefressen werden.

Das wäre ganz schön doof. Danach ging ich in die Küche um Papa zu helfen. Sobald er mich sah, erteilte er weitere Anweisungen zum einpacken und lief dann ebenfalls ins Schlafzimmer um seine Sachen zu packen.

Ich machte mich rasch aber gewissenhaft an die Arbeit.

Unsere Küche war sehr geräumig, daher war es kein Problem große Rucksäcke mit Essen darin zu stapeln. Durch die Feiertage befand sich mehr Essen im Haus als wir normalerweise lagernd hatten.

Meine Arbeit nahm mich vollkommen ein und bis mein Bruder kam und mir half, arbeitete ich schweigend in Gedanken versunken. Mit ihm hatte ich auch keine unglaubliche tiefgreifenden Gespräche, doch es reichte um das Schweigen nicht unangenehm werden zu lassen.

"Ganz schön krass, oder?", fragte er mich und packte den Mais ein.

Beim Anblick des gelben Gemüses verzog ich das Gesicht. Ich hasste Mais."Jap. So hab ich mir Weihnachten sicher nicht vorgestellt. Hey, da nun alles vor die Hunde geht, kannst du mir ja verraten, was du mir zu Weihnachten schenken wolltest."

"Klar. Ich hab da eine DVD gefunden. Von ICE AGE 2. Die hast du doch noch nicht, oder?" Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. ICE AGE gehörte zu meinen Lieblingsfilmen und obwohl mein Bruder diese kindische Seite von mir für absolut bescheuert hielt, schenkte er mir trotzdem so eine DVD.

"Danke. Das ist ein guter Film. Wenn wir nicht sterben, würde ich ihn mir gerne wieder ansehen."

"Das ist ein großes wenn..."

Allerdings, es war ein gradezu gigantisch großes wenn. Aber es gab zumindest eine kleine Chance das das alles hier doch nur einer meiner wilden Träume war, deshalb beließ ich es dabei.

Leon kannte dieselben Filme und Bücher wie ich. Wir wurden beide von Papa gut unterrichtet. Natürlich hätten wir nie gedacht, dass wir dieses rein theoretische Wissen einmal anwenden würden. Seufzend sah ich aus dem Fenster der Küche. Zuerst sah ich nur die Dunkelheit der Nacht und das Licht in der Küche unserer Nachbarn. Doch da war etwas auf dem Bürgersteig.

Etwas oder jemand, es schlurfte eigenartig und schon da hatte ich meine Antwort. Ich zeigte Leon meinen Fund und er rannte sofort zu unserem Vater. Papa kam nur eine Sekunde später schwer atmend zu mir in die Küche und fragte nach diesem schlurfenden Etwas.

Er drückte seine Nase gegen das Fensterglas und versuchte mehr zu sehen als ich. Da die gesamte Familie aus Brillenträger bestanden, bezweifelte ich das seine Augen besser waren als meine.

"Oki, wir verschwinden. Das ist der Plan....", sagte Papa und drehte sich wieder zu uns um. Manni unterbrach ihn, kam in die Küche, nahm sich eine weitere Weinflasche und öffnete sie.

"Lasst euch nicht von mir stören.", meinte er und nuckelte an der Flasche. Er schaffte es noch nicht mal bis ins Wohnzimmer.

Sein Arsch nahm auf dem weniger bequemen Boden Platz, als würde das Ende der Welt ihn tonnenschwer machen. Papa zog die Augenbrauen überraschend hoch und versuchte sich wieder auf das Überleben zu konzentrieren.

Allerdings störte Manni abwechselndes Trinken und laut vor sich hin heulen die dramatische Szene deutlich.

"Rosie, wir brauchen eine von deinen nervigen Jennifer Rostock CD und den CD-player. Damit werden wir die Zombies in den ersten Stock locken. Danach tragen wir alles zum Auto und hauen ab."

Natürlich setzte ich zu einer Debatte über die unglaublich geniale Musik meine Lieblingsband an, doch mein Vater ließ mich gar nicht anfangen.

Mit einer Handbewegung brachte er mich zu schweigen.

"Na gut.", brummte ich wütend und holte meine CDs und den CD-player aus dem Wohnzimmer. Leon begleitete mich als mein Back-up in den ersten Stock. Dort befand sich eine zweite Eingangstür.

Der Architekt des gut zwanzig-Jahre alten Gemeindebaues in Wien hatte wohl ursprünglich zwei Wohnungen geplant gehabt. Daraus wurde durch das hartnäckige betteln meiner Mutter eine Wohnung mit zwei Eingängen. Eigentlich sinnlos, da Mama panische Angst vor Einbrechern hatte und die zweite Tür nur noch ein bisschen Angst und Schrecken dazu addierte.

Leon sah durch den Spion um mögliche Zombies zuerst zu entdecken.

Ich stand beim Stiegenanfang und fragte ob jeder zum Aufbruch bereit war.

"Nein, wartet noch. Deine Großmutter ist offenbar nicht mehr in der Lage zu gehen."

Die Stimme meines Vater triefte nur so vor Ärger und Genervtheit.

Mein darauffolgender Seufzer hätte seiner Stimme Konkurrenz machen können.

"Mutti, bitte wir müssen hier weg. Ich will ja auch nicht gehen aber es ist das beste." Mutter schien beinahe zu schreien und am Ende half genau diese Lautstärke um Oma vom Platz zu bewegen. Mit zittrigen Schritten ein Enkelkind an jeder Seite trotteten sie Richtung untere Eingangstür.

Manni erschien am Treppenansatz, die Weinflasche wie seine neue Geliebte umarmend.

"Hi, Rosie. Was geht ab?" Offenbar war diese Flasche bereits die zweite oder dritte Geliebte der letzten fünfzehn Minuten. Ich war von seinem Engagement genau jetzt hackedicht sein zu wollen, beeindruckt.

Dabei zeigte sich wieder, wenn man etwas wirklich wollte, passierte es auch.

"Nichts wirklich. Das Ende der uns bekannten Welt. Aber ansonst ist alles wie immer. Und bei dir."

"Ich,....ich sterbe fett und.......glücklich." Ich nickte ihm lächelnd zu. Anscheinend brauchte er meine Bestätigung oder einen Kotzkübel.

So genau war ich mir da nicht mehr sicher.

"Super." Papa erschien bei unserem kleinen Plausch und scheuchte Manni zu den anderen.

"Hildegard, kümmere dich bitte auch um Manni.", meinte er noch und halste damit Mama sowohl den betrunkenen Manni als auch die immer noch schlecht aussehende Tante Effi auf.

"Rosie, wir sind soweit. Alle fertig.

Leider werden wir nicht alle in den Wagen passen.

Das heißt ihr stapelt euch einfach aufeinander auf dem Rücksitz. Okay?" Er sagte das als hätten wir tatsächlich eine Wahl.

"Klar, doch. Sollen Leon und ich jetzt die Musik anmachen?"

Papa nickte und verschwand wieder. Kribbelig vor Aufregung lief ich zu Leon und stellte mich neben ihn. Durch meine Größe war es mir nur sehr schwer möglich in den Spion zu schauen, doch Leon meinte, da wäre keiner und ich vertraute ihm. Gut, ich vertraute ihm nicht so sehr.

Mit genügend Zehnspitzengefühl schaffte ich es dann doch in den zombie- und menschenleeren Flur der Eingangshalle im ersten Stock zu sehen.

"Hab ich doch gesagt!", brummte mein Bruder genervt.

Doch ganz ehrlich, seine Gefühle waren mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich war diejenige, die diesen dummen CD-Player da rausbringen musste und ich wollte mir nicht den Kopf abbeisen lassen. Meine Hände schwitzten und ich spürte langsam stärker werdende Kopfschmerzen durch die Aufregung.

Ich wünschte, mein Kopf wäre nicht so sensible.

"Na Los! Oder soll ich es machen?" Leon wollte nach dem CD-Player greifen, doch da hatte ich die Tür bereits geöffnet und die Musik angestellt. Jennifer Rostocks >Hier werd ich nicht alt< halte von den kahlen Wänden der Eingangshalle zurück. Ich würde diese Musik zweifellos vermissen.

Schnell sperrten wir die Eingangstür wieder zu und rannten die Stiege hinunter zu unserer Familie. Papa ging mit einer glänzenden, sehr neu wirkenden Machete voran. Ein absolut tödlicher Weihnachtsmann, zumindest in der Theorie.

David, Valentina und Oma folgten ihm langsam.

Wie auch mein Bruder und ich trugen meine Cousins Waffen und große Rucksäcke. Mama und Manni folgten ihnen torkelnd.

Manni lehnte sein gesamtes Gewicht auf sie und es war klar, das selbst ihr unglaublich hartes Trainingsprogram, nicht auf solche Gewichte abzielte. Seufzend zog ich mein Messer und lief an Manni andere Seite um meine Mutter zu entlasten. Leon bildete das Schlusslicht.

Jeder sah ein letztes Mal auf die Leiche von Harry, die als einzige noch da lag. Überall war Blut und zugegeben kämpfte ich mit meinem sensiblen Magen. Vom ersten Stock konnten wir das Geschrei und Gestöhne unserer untoten Verwandten hören.

Ich war nur froh, dass die liebliche Stimme meiner Lieblingssängerin diese furchbaren Geräusche übertönte. Da in dem Haus das wir bewohnten, weitaus mehr Menschen Wohnungen hatten als wir, wunderten wir uns natürlich über die Stille unserer Nachbarn.

Immerhin war die Musik nicht gerade Weihnachtlicht, sang sie doch von Trinkgelager und Party. Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter.

Ohne weitere Gedanken an möglicherweise tote Nachbarn zu verschwenden liefen wir unbemerkt in die Garage zum Auto oder wir versuchten es zumindest.

Auf halben Weg zur Eingangstür der Garage erkannten wir ein weit größeres Problem.

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