Fröhliche Zombies überall
Zwischen Gartenhecken und Häuserecken schlichen wir uns leise von Schatten zu Schatten. Es war dunkel, die Straßenlichter waren ausgefallen und nur der Mond spendete Licht.
Allerdings hätten Leon und ich den Weg zu unseren Familienfreunden selbst Blind gefunden. Immerhin gingen wir diesen Weg schon seit Jahrzehnten. Es waren tatsächlich nicht so viele dieser Untoten Dinger unterwegs wie wir angenommen hatten. Es reichte schnell und leise zu sein, um nicht entdeckt zu werden. Doch das änderte natürlich nichts an unserem Adrenalinkick. Meine Handflächen schwitzten und waren eiskalt. Meine Schritte waren zwar sicher, doch meine Beine fühlten sich dennoch wackelig an. Der Mund staubtrocken und die Augen schreckensweit lief ich mit meiner kleinen Gruppe die Straße entlang.
Als wir uns kurz hinter einen Busch hockten und versuchten durchzuatmen, fing ich Valentinas Blick auf. Schweißperlen liefen ihr schönes Gesicht hinunter und hektisch suchte sie nach meiner Hand um sie zu drücken. Manchmal vergaß ich, dass sie trotz ihres Auftretens noch sehr jung war. Die Angst machte uns wachsam und stark. Es war ein beinahe berauschendes Gefühl. Leon lächelte uns an.
"Keine Panik, das wird schon alles.", flüsterte er und rannte weiter.
Wir folgten im schnell. Ohne große Probleme kamen wir auf die andere Straßenseite und bogen in den Durchgang zu Karls Gemeindebau ein.
Wie alle Häuser auf dieser Straßenseite war es in einem unattraktiven blassrosa gehalten. Die Farbe war schon hässlich gewesen, als die Bauarbeiter sie damals aufgemalt hatten und die Jahre machte sie nicht besser. Nur noch ein paar Meter dann wären wir bei der Tür und hoffentlich in Sicherheit. Ich wagte kaum zu glauben, dass wir es wirklich geschafft hatten. David lachte auf.
"Das war ja kinderleicht.", meinte er triumphierend. Erschrocken durch seine viel zu laute Sprechart, sah ich ihn an. Er war vor mir gelaufen und schenkte mir noch ein überhebliches Lächeln, als plötzlich ein Zombie von der Seite auftauchte und ihn umwarf.
Mein erster Gedanke war, zugeben es war ein schändlicher, Hochmut kommt vor dem Fall. Ich hatte mir schon am Anfang dieser Mission genau diesen Ausgang gedacht und nun war ich trotz aller Grausamkeit irgendwie glücklich recht gehabt zu haben. Diese Gedanken machten mich nicht zu einer guten Person, zeugten dennoch von guter Urteilungskraft. Valentina hinter mir schrie erschrocken auf und wollte ihrem kleinen Bruder helfen, doch ich sah sofort das es dafür zu spät war.
Selbst wenn wir David irgendwie unter dem Zombie mit merkwürdig roten Haaren und gesundem Appetit herausbekamen, hätten wir nicht die medizinischen Mittel um ihn angemessen zu versorgen.
"Kommt schnell!", schrie Leon über Davids Todesschreie und das wohlige Seufzen des fressenden Zombies. Andere folgten den Geräuschen und tauchten auf. Nun hieß es: Lauf um dein Leben. Ich griff nach Valentinas Hand und zog sie vom grausamen Anblick ihres Bruders weg. Ihre hektische Atmung und die Blässe waren kein gutes Zeichen.
"Wir können ihn nicht zurücklassen...!", rief sie verzweifelt.
Tränen in den Augen. Unsensible und mit einem furchtbar unpassenden Lachen im Hals drehte ich mich nur kurz um.
"Er ist tot, Valentina. Wenn du so enden willst wie er, bleib hier. Wenn nicht, beweg deinen Arsch. Sie kommen!" Für einen kurzen Moment dachte ich tatsächlich sie würde bei David bleiben. Wäre auch verständlich gewesen. Immerhin hatte sie gerade ihre letze enge Familie verloren.
Sie lag blutend, fluchend und brüllend unter einem Haufen hungriger Nachbarn. Es wäre also nicht ungewöhnlich einfach aufzugeben.
Ich hätte es vermutlich gemacht. Doch dann nickte sie zittrig, tränen rannen ihre Wangen hinunter und Hand in Hand liefen wir meinem Bruder hinterher.
Und in diesem Moment, da ich ihre schmutzige Hand, die Hand einer sechzehnjährigen umklammerte, schwor ich mir dieses Mädchen wie meine kleine Schwester zu beschützen. Ich hatte mir immer gewünscht unser Verhältnis wäre nicht so verkorkst gewesen und nun hatte ich tatsächlich die Chance eine Freundschaft aufzubauen.
Gut, möglicherweise war die Chance, das wir das hier nicht überlebten weit höher, als die das aus uns mehr wird als ungewollte Verwandte, doch ich war bereit es zu versuchen. Immer mehr Zombies kamen und folgten uns im Joggingtempo. Leon hatte den Eingang bereits erreicht und schloss die Tür auf. Oder er probierte es zumindest, doch die Tatsache der sich nähernden Zombieschar machte ihn genauso nervös wie Valentina und mich.
"Mach schon!", schrie ich ihn an und auch Valentina drängte ihn.
"Ich habs ja gleich!" Die Tür war offen und wir schlüpften hinein.
Sofort verriegelten wir die einfache Holztür von innen und lehnten uns dagegen. Nur eine Sekunde später hörten wir das Schaben und Stöhnen der Zombies auf der anderen Seite der Tür.
Es waren nicht genug um die Holztür aufzubrechen, doch auf jeden Fall genug um diesen Ausgang unbrauchbar zu machen. Mein Herz klopfte wie verrückt. Leon griff nach meiner Hand und so saßen wir einen Moment händchenhaltend da. Valentina auf der einen Seite, Leon auf der anderen.
Alle drei atmeten wir schwer. Leicht trunken vom Gefühl des Überlebens, wenn auch nur für kurze Zeit, sah ich zu Valentina.
"Hi, tut mir echt leid wegen deinem Bruder." Sie schniefte und seufzte dann tief. "Er war sowieso ein Arsch."
Man sah in ihren Augen, das sie das nicht so meinte.
"Ja, aber ein Arsch der trotzdem dein Bruder war. Kleine Brüder bleiben kleine Brüder, egal was für riesen Ärsche sie sind.", meinte ich seufzend.
"Hi! Ich hoffe du meinst damit nicht mich, Jabba!"
"Was willst du Hosenscheißer?!", fragte ich lachend und ließ mich von meinem noch lebenden kleinen Bruder auf die Beine ziehen. Genau in diesem Moment tauchte jemand hinter Leon auf. Schnell schob ich ihn beiseite und hob mein Messer. Mit einer schnellen Bewegung rammte ich es in den Kopf dieses Etwas, bevor ich es richtig realisierte.
Ein Mann, definitiv Zombie, in einer Jeans und einem >doctor who< Tshirt fiel in sich zusammen und landete auf dem Boden.
"Schade um das Tshirt. Sieht richtig cool aus." Leon sah mich entsetzt an. Ich wusste auch nicht so genau was ich von meinen schnellen Reflexen halten sollte. Vielleicht hatte ich wirklich zu viele Zombiefilme gesehen.
"Wow. Das hab ich jetzt nicht erwartet." Adam stand am Stiegenabsatz und starrte uns mit offenem Mund an. Leon lief mit schnellen Schritten hoch zu ihm. Eine kurze Umarmung wurde ausgetauscht. Adam war weit größer als Leon oder uns Mädchen. Er überragte uns alle um einen Kopf, doch seine Gliedmaßen hatten diese Größe noch immer nicht kompensiert.
Wo mein Bruder reinste Muskelmasse war, so war Adam mehr der schlaksige Typ. Adam deutete uns nun ihm in den zweiten Stock zu folgen. Valentina nahm wieder meine Hand und langsam gingen wir den jungen Männern hinterher. Es wurde kein Wort geredet, da die Angst auf uns aufmerksam zu machen tief verwurzelt war.
Adam führte uns zu Katarinas Wohnung, die genau neben der seiner Eltern lag. Drei Mal klopfte er und ein verschreckt aussehender Karl öffnete die Tür einen Spaltbreit. Seine Augen waren so weit aufgerissen und so voller Angst, das mir ein kurzes Kichern über die Lippen kam.
Er schien meinen Spott noch nicht einmal bemerkt zu haben.
Stattdessen er öffnete er die Tür ganz und scheuchte uns in die kleine Wohnung. Da nur die esoterisch begeisterte Katarina und ihr Sohn hier lebten, sah man überall deutlich Katarinas Geschmack. Feen, Figuren, Kräuterstäbchen und Kristalle schmückten jeden Zentimenter.
Karl und Adam brachten uns in das geräumige Wohnzimmer. Dort saßen nebeneinander aufgereiht: Astrid, Willhelm, Daniel und Katarina. Letzerer schien es nicht gutzugehen. Sie war blass und hielt sich die dick verbundene Hand an den Körper.
"Seht mal, wer uns in dieser besinnlichen Stunde besuchen kommt.", meinte Karl und setzte sich auf das graue Ledersofa.
Willhelm und Astrid standen sofort auf und umarmten Leon und mich.
Für einen kurzen Moment konnte ich nur die warmen Körper und den vertrauten Geruch der Beiden wahrnehmen. Danach setzen wir uns alle irgendwo hin und atmeten tief durch. Willhelm war der erste, der das Schweigen brach und anfing Fragen zu stellen.
"Was macht ihr hier? Was ist da draußen wirklich los? Was sollen wir tun?" Aus seinem Mund sprudelten so viele Fragen, mir wurde fast schwindelig. Leon übernahm das Reden.
"Langsam. Also als erstes: Eure Autos sind die okay?" Willhelm sah uns verwirrt an.
"Klar,...denke ich. Wenn du mit okay, fahrtüchtig meinst." Leon lächelte mich triumphierend an. Ich ignorierte ihn, einerseits war ich zu enttäuscht von Karls Überleben, andererseits machte mir die eindeutige Verletzung seiner Mutter Katarina sorgen.
Ich wusste natürlich was mit Leuten geschah die gebissen wurden.
Da wartete sicher keine schöne Entwicklung auf uns.
"Wo hast du dich verletzt Katarina?", fragte ich also von meinem Sitzplatz am Boden aus. Valentina folgte meinem Blick auf Katarinas Verletzung und sah mich fragend an.
"Eines dieser Dinger hat mich unten angegriffen, ich habs gerade noch geschafft zu entkommen und in die Wohnung zu flüchten. Aber es hat mir in die Hand gebissen. Es war so furchtbar, einfach grauenhaft!" Bei diesen Worten verzog ich unwillig das Gesicht.
"Was ist? Was ist los?", fragte Astrid hysterisch. Sie hatte schon immer einen Hang zum dramatischen und drehte nun da es tatsächlich dramatisch wurde richtig auf. Mit zittrigen Fingern fuhr sie sich durch das kurze braune Haar und beobachtete jede meiner Bewegungen.
"Nichts..", sagte ich deshalb und sah meinen Bruder verzehrt lächelnd an. Sein trauriger, wenn auch wissender Blick begegnete meinem.
Aber Katarina hätte sicher noch ein paar Stunden bevor sie anfing uns aufzuessen und dabei hoffentlich bei ihrem geliebten Sohn beginnen würde, also hielten wir fürs erste den Mund.
"Ich brauch was zu trinken." Valentina stand auf und ging in die Küche um sich ein Glas Wasser einzuschenken.
"Seid ihr hier um uns zu retten?", fragte Astrid und sah uns hoffnungsvoll an. "Ähm, man könnte es so nennen. Papa hat einen Plan. Wir brauchen dafür aber Autos und unsere Garage ist von Zombies überrannt. Da kommen wir niemals an unser Auto." Willhelm verstand sofort.
"Deshalb seid ihr hier. Ihr braucht unsere Autos um von hier zu verschwinden."
"Genau. Wenn wir uns alle zusammenquetschen wird sich das schon ausgehen. Was sagt ihr?"
Valentina kam zurück und setzte sich wieder neben mich. Ihre Hand griff automatisch nach meiner. Sanft strich ich ihr über die dunklen Haare, was etwas seltsam aussah, da Valentina deutlich größer war als ich.
Zum ersten Mal seit wir hier angekommen waren, sah ich zu Daniel, den älteren Sohn von Astrid und Willhelm. Ich kannte ihn schon so lange und auch heute überraschte er mich mit seinem Verhalten kaum.
Er versuchte stark und selbstbewusst auszusehen, doch die Angst war ihm ins Gesicht gemeißelt. Er war schon immer ein Angeber gewesen.
"Ich denke, das ist eine gute Idee.", meinte Willhelm nach kurzem Überlegen. Daniel stimmte nickend zu. Katarina und Astrid ebenfalls, jedoch etwas zögerlich.
Leon sprang erfreut von seinem Platz auf und meinte:" Wunderbar! Dann packt eure Sachen und wir verschwinden von hier."
Unseren neuen Mitstreiter sahen ihn erschrocken an. Daniel fielen fast die Augen aus dem Kopf.
"Wir...wir, sollen da raus gehen?", fragte er schockiert. Leon sah ihn verwirrt an.
"Ich glaub kaum, dass das Auto zu dir kommen wird. Klar, müssen wir raus." Immer noch sahen ihn alle zögernd und unsicher an.
Langsam sah ich die Wut von meinem Bruder Besitz ergreifen, also schaltete ich mich ein.
"Okay, wie wäre es wenn wir mit was kleinem Anfangen. Habt ihr noch Skatebordschützer in den Wohnungen oder Skihelme, Fahrradhelme. Was ist mit Waffen. Stöcke, Messer, alles kann wichtig sein."
Willhelm stand auf und zog seine Frau mit sich.
"Wir werden in unserer Wohnung mal nachsehen."
"Ich komm mit.", meinte Adam und stand ebenfalls auf. Ich drehte mich zu Valentina um. Leise so dass es unter uns blieb, flüsterte ich ihr zu:"Kannst du mit ihnen gehen? Du bist stark, sie brauchen vielleicht jemand starkes. Ich werde hier auf dich warten, versprochen." Valentina sah mich nickend an und zog ihr Messer. Zurück blieben Katarina, schon bald Zombie-Katarina, der verschreckte Daniel, der hoffentlich bald tote Karl, mein Bruder und ich. Daniel kaute an seinen Nägeln herum und wiegte sich sanft hin und her.
"Ich kann das alles nicht glauben! Ich hab zwar Filme gesehen, aber das sowas tatsächlich mal passiert hätte ich nie gedacht."
Obwohl ich es nicht wollte, so hatte ich doch Mitleid mit Daniel.
Seufzend setzte ich mich neben ihn auf den kleinen grauen Hocker und legte einen Arm um seinen verschwitzten Körper. Das Jahr Altersunterschied war kaum zu glauben.
"Wir kriegen das schon wieder hin.", sagte ich, meinte es aber nicht so. Das Ende der Welt, war das Ende der Welt, egal wie verzweifelt man es abstreiten wollte.
"Ich werde nach Messern in der Küche suchen." Leon und Karl gingen flüsternd in die Küche.
"Mein Kopf tut so weh.", sagte Katarina mit sehr viel Schmerz in der Stimme und versuchte nach meiner Hand zu greifen.
"Oh, der wird in ein paar Stunden sogar noch mehr wehtun, glaub mir." Auf meinen ungehaltenen Zynismus kam nur Verwirrtheit von Katarina. Plötzlich schien Daniel eingefallen zu sein, was mit Leuten passiert die gebissen wurden. Innerlich verfluchte ich mein loses Mundwerk. Panisch fing er an zu schreien, sprang auf und lief ans andere Ende des Zimmers.
Da seine Schrei definitiv keine gute Idee waren, ging ich ihm langsam nach und versuchte ihn zu beruhigen.
Leon und Karl waren beim ersten mädchenhaften Schrei Daniels ins Zimmer gestürzt und standen nun verwirrt mit Küchenmessern bewaffnet in der Mitte des Zimmers.
Da Daniel nicht aufhören wollte zu schreien, durfte ich nun auch an ihm einen alten Impuls aus Jugendtagen nachholen. Die schallende Ohrfeige, die meine Hand zum glühen brachte, brachte auch ihn zum Schweigen. Entsetzt starrte er mich an.
"Hör auf zu schrein wie eine verdammte Bitch! Reis dich zusammen!", fuhr ich ihn an. Immer noch wurde ich mit großen Dackelaugen angestarrt. Genervt drehte ich mich zu Leon und Karl um und zeigte auf Katarina.
"Sie ist eine tickende Zeitbombe. Also wer fesselt sie, da ich annehme, niemand hat die Eier sie zu töten."
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