Valerie - Kapitel 5
„Ich habe jetzt schon keinen Bock auf diesen Tag."
Joshua kommt gerade mürrisch zu unserem Tisch in der Cafeteria und weicht gerade noch meiner Tasche aus, die ich ohne darüber nachzudenken einfach auf den Boden gestellt habe. „Schon nur deine tollen Hindernisse am Morgen stimmen mich fröhlich" fügt er noch sarkastisch hinzu, und ich grinse entschuldigend.
„War der Morgen so schlimm?" frage ich, und Joshua seufzt. „Silas und Sid sind beide nicht da, und Jay pennt während dem Unterricht. Und Malik ist in deiner Klasse. Also ja, der Morgen war schlimm."
Ich lächle bloss und beiße von meinem Sandwich ab, das ich mir heute Morgen im Stress gemacht habe. „Dein Gesichtsausdruck verrät mir, dass du schon bessere Sandwiches gemacht hast" stellt Jessie fest, und ich nicke. „Aber es geht schon. Ich habe eh nicht wirklich Hunger."
Keiner sagt noch was, und jeder hängt seinen Gedanken nach. Meine Gedanken wandern zu dem Termin heute, und ich frage mich, wie das Haus wohl so sein wird. Der Adresse, die mir Maria geschickt hat nach zu urteilen, ist das Haus ebenfalls direkt am Strand, worüber ich echt froh bin.
Trotzdem gefällt mir unser jetziges Haus wirklich gut.
Außerdem frage ich mich, wie Juans Sohn so sein wird. Hoffentlich ist er nicht so ein arroganter Arsch, der ein Mädchen nach dem anderen abschleppt und mir so den Schlaf raubt. Viel mehr freue ich mich auf seine kleine Schwester, denn ich liebe kleine Kinder. Zwar können sie wirklich nervig sein, aber eben auch verdammt süß. Die meisten jedenfalls. Trotzdem habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich große Lust darauf, einen auf heile Familie zu machen.
Was wären Juans Kinder und ich dann eigentlich? Stiefcousins und Stiefcousinen oder so?
„Erde an Valerie Jones!"
Jessie wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rum, und ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke. „Was ist denn?" frage ich, und Jessie grinst. „Wir haben ab morgen wieder Training" sagt sie dann, und ich sehe sie fragend an. „Na, Hip-Hop! Hast du das etwa vergessen?" Jessie wirft die Hände in die Luft, und ich schüttle lachend den Kopf.
„Wie könnte ich auch" sage ich grinsend, und Jessie kriegt sich wieder ein.
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„Und du bist dir sicher, dass die sich nicht in der Hausnummer geirrt haben?" Stumm schüttle ich den Kopf.
Das Haus vor uns – soweit man das ein Haus nennen kann, wohl eher eine Villa – ist ziemlich groß und strahlend weiss gestrichen. Es sieht aus als würde man eine Menge Geld dafür hinblättern, und wahrscheinlich ist es auch so.
„Ich schwöre auf mein ausgeprägtes Sexleben, dieser Juan ist stinkreich. Anders kann ich mir das nicht erklären." Ich nicke abermals nur stumm, bis ein Auto neben uns hält. Joshua mustert es mit gerunzelter Stirn, denn es ist weder Marias, noch Juans Auto.
„Was macht ihr denn hier?"
Silas steigt mit grossen Augen aus und schließt den Wagen, der anscheinend ihm gehört, ab.
„Wir warten" sage ich bloss, und versuche zu verstehen, was Silas hier will. Kurz darauf ertönt der Ton eines Motorrads, und tatsächlich erkenne ich kurz darauf Sidneys Motorrad, welches neben Silas' Wagen zum Stehen kommt.
„Und was macht Sidney hier?" fragt Joshua, und sieht Sid dabei zu, wie er seinen Helm vom Kopf nimmt. Als er uns erblick, steht ihm die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
„Also, dass ich mein Mäuschen heute doch noch sehen werde, hätte ich nicht gedacht" sagt er dann, und ich lache leise, wofür ich einen genervten Blick von Joshua erhalte.
„Aber jetzt mal im Ernst. Was wird das hier?" Silas zeigt auf uns, dann auf sich, und dann auf das Haus. „Das frage ich mich auch" sagt Joshua nur, und Sid stellt sich mit den Händen in den Hosentaschen neben Silas.
„Ich gehöre übrigens nicht zum Besichtigungskomitee, ich begleite nur meinen lieben besten Kumpel, weil er ohne mich nicht mehr leben kann."
Kurz darauf ertönt ein dumpfes Geräusch.
„Au" murmelt Sid, und reibt sich den Hinterkopf, während Silas dümmlich grinsend die Hand wieder sinken lässt.
„Ihr wollt das Haus auch besichtigen?" Joshua nickt. „Komisch, dass unsere Eltern beide gleichzeitig das gleiche Haus besichtigen... warte."
Silas sieht uns erschrocken an, und jetzt fällt auch bei mir und Joshua der Groschen. Silas ist Juans Sohn und somit das neue Familienmitglied.
Sid fasst sich stöhnend an die Stirn und sieht mich dann mitleidig an. „Viel Spaß mit diesen Idioten" sagt er dann, und ich verdrehe die Augen. Kurz darauf biegt Mom mit Juan auf dem Beifahrersitz auf den Parkplatz ein, und als Juan aussteigt, springt Silas ihn fast an.
„Dad, wieso hast du mir nicht gesagt, dass deine Neue noch zwei Kinder mit sich bringt?" Juan sieht zwischen Silas, Joshua und mir hin und her, dann bemerkt er noch Sid, der tatsächlich keinen spöttischen Kommentar ablässt, sondern uns einfach nur mit einer Spur von Belustigung mustert. „Ihr habt euch also schon kennengelernt. Schön, dann kommt, der Makler wartet drinnen." Juan wendet sich von Silas ohne eine Antwort auf seine Frage ab, nimmt Maria an der Hand und geht dann vor.
„Das glaub ich jetzt nicht" murmelt Silas, und linst zu uns rüber. „Dann wohne ich also bald mit einem meiner besten Freunde unter einem Dach" stellt er dann mit einem Blick auf Joshua fest, und als dieser nickt, stöhne ich bei der Einsicht genervt auf. „Ich sehe es schon, ich werde komplett untergehen" sage ich theatralisch deprimiert und fasse mir an die Stirn. Sid erscheint neben mir und legt mir lachend einen Arm um die Schulter.
„Warte bloss bis Luna kommt. Sie sieht vielleicht nicht so aus, aber ich habe gar nicht gewusst, dass man Silas' Namen in so hohen Tönen aussprechen kann." Silas wirft seinem besten Kumpel einen warnenden Blick zu, während ich einfach nur lache. Das kann ja mal was werden.
„Irgendwo her bin ich mir das ja schon gewohnt. Laut den vielen fremden Mädchen, die morgens völlig verstört in unserem Haus rumirren, muss Joshua wirklich einen Monsterschwanz haben."
Joshua sieht mich ungläubig an, während Sid sich fast krümmt vor Lachen. Ich jedoch verziehe keine Miene, denn leider ist jedes Wort ernstgemeint. „Na, da ist unser Mäuschen aber aktiv unterwegs" sagt Silas mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und Joshua zeigt uns allen den Mittelfinger.
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„Das ist meins!"
Ich renne sofort auf die Rolle mit breitem Klebeband zu, schreibe meinen Namen darauf und klebe den Streifen auf die Türe, hinter der ich will, dass sich dort mein zukünftiges Zimmer befindet.
„Das wollte ich" murrt Joshua, und ich lache. „Pech. Aber wir können ja die Übernachtungspartys in mein Zimmer verschieben." Joshua nickt grinsend, während Sid und Silas und etwas verwirrt mustern. „Sicher, dass ihr keine Geschwister seid?" fragt Sid irgendwann, und ich nicke. „Ganz sicher. Der reicht mir schon als Cousin."
Maria klatscht in die Hände und sieht dann den Makler an. „Ich würde sagen, wir ziehen so bald wie möglich ein" sagt sie dann begeistert, und der Makler nickt. „Das wäre eigentlich schon ab morgen" gibt er dann zu bedenken, und ich reiße die Augen auf. „Morgen schon?" fragt Joshua, und der Mann nickt wieder. „Das Haus steht seit einem Jahr leer, es ist also fertig beziehbar."
Ich nicke nur langsam, und Maria sieht Juan fragend an. „Was haltet ihr davon, Kinder?" fragt sie dann, und ich zucke mit Silas zusammen die Schultern. „Mir macht's auch nicht wirklich viel aus" sagt Joshua dann, und Maria lächelt. „Gut, dann sehen wir uns morgen alle wieder" sagt Juan dann, und für einen kurzen Moment glaube ich, dass Silas sich anspannt. Dann jedoch lächelt er – gezwungen – und nickt. Sid sieht ihn skeptisch an, lächelt dann jedoch wieder breit.
„Dann lasst uns gehen, in zwei Stunden fängt das Rennen an."
Joshua sieht auf die Uhr und verzieht das Gesicht. „Ich geh' jetzt schon, möchte mich nochmal vorbereiten" murrt er, und Maria nickt.
„Aber natürlich mein Mäuschen."
Sid, Silas und ich beißen uns gleichzeitig auf die Lippen und wenden sofort den Blick ab, um nicht laut loszulachen. Ich sagte doch, dass ich mir das nicht einfach so ausgedacht habe. Als ich mich wieder traue aufzusehen, steht Joshua mit einem etwas geschockten Blick vor uns, während Maria und Juan sich nochmal alle Räume ansehen.
„Mäuschen" keucht Sid plötzlich mit erstickter Stimme, und sein Gesicht nimmt einen tiefroten Farbton an. Erst jetzt wird mir klar, dass er so sehr lacht, dass er keinen Ton mehr von sich geben kann.
„Alter ich bring dich mal raus" sagt Silas lachend, während er Joshua noch einen amüsierten Blick zuwirft. Dieser zeigt ihm bloss den Mittelfinger und verschwindet dann lachend in seinem zukünftigen Zimmer. Ich stehe etwas unschlüssig auf dem Flur, der Makler ist auch verschwunden.
Gerade will ich in mein zukünftiges Zimmer gehen, als mich ein Räuspern aufschrecken lässt.
„Du bist jetzt also meine... Stiefcousine?"
Ich lächle leicht, weil ich den Gedanken kürzlich ebenfalls hatte. „Ich nehme es mal an, ja" sage ich deshalb, und Silas grinst ebenfalls. „Wer ist eigentlich Luna?" platzt es plötzlich aus mir raus, und Silas hebt etwas verwundert die Augenbrauen. „Meine Freundin" sagt er dann, und diesmal hebe ich die Augenbrauen. „Typen wie du haben Freundinnen?" frage ich, und Silas lacht. „Ja, Typen wie ich haben Freundinnen. Sogar schon seit zwei Jahren." Meine Augenbrauen wandern noch ein Stück weiter hoch, was Silas mit einem Grinsen kommentiert.
„Die berühren bald deinen Haaransatz" sagt er dann trocken, und ich schmunzle. „Und du? Vergeben?" Ich lache fast auf. Ich und vergeben? „Nein" sage ich deshalb, und diesmal sieht Silas mich etwas überrascht an. „Aber es gibt jemanden" sagt er dann ganz einfach, und ich nicke fast unmerklich.
„Er wäre ein Idiot, wenn er dich nicht bemerken würde."
Mit diesen Worten dreht Silas sich um und verschwindet im Erdgeschoss. Mit offenem Mund stehe ich da und schaue an die Stelle, wo Silas eben noch stand, und lasse meinen Blick dann langsam an mir runtergleiten. Würde wirklich jemand wie Nick, auf den ich stehe, etwas von mir wollen, geschweige denn mich überhaupt bemerken? Ich gehöre zwar zu den eher beliebteren an unserer Schule, aber auch nur, weil meine Maske perfekt sitzt.
Jessie und Joshua sind die einzigen, die mich so wirklich kennen, nicht mal Maria weiss alles. Aber wer bin ich eigentlich schon? Ich habe langweilige Haare, mein Gesicht ist auch nicht unbedingt ein wahrer Hingucker, meine Figur ist aus meiner Sicht auch nicht wirklich gut.
Zwar bin ich nicht dick oder etwas mollig, aber meinen Bauch zieren trotzdem um die zwei bis drei Speckfalten, vor allem wenn ich mich hinsetze, und meine Beine sind auch nicht so schön fest wie die von Jessie zum Beispiel. Doch das überspiele ich alles in der Schule, da ich nicht angreifbar werden will. Was vor zwei Jahren war hat mir gereicht.
Gerade will ich darüber nachdenken, wie ich mich da gefühlt habe, als sich zwei Arme um mich schließen.
„Nicht darüber nachdenken, Val. Es ist vorbei."
Ohne die Augen zu öffnen weiss ich, dass Joshua mich da umarmt, und ich lege mein Gesicht an seine Brust. „Danke" nuschle ich, und spüre, wie Josh mir einen Kuss auf die Scheitel drückt. Noch einige Minuten stehen wir da und umarmen uns, dann schnappt Josh sich meine Hand und zieht mich raus. „Wir gehen jetzt zur Strecke."
Ich lächle und hole meinen Cousin ein, damit wir nebeneinander hergehen können. „Übrigens" fängt Joshua an, und sieht mich mit einem nicht deutbaren Blick kurz an.
„Silas hat Recht. Nick wäre wirklich ein Idiot, wenn er dich nicht bemerken würde."
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Klitzekleiner Einblick in die Vergangenheit von Val, da auch diese Story auf die Vergangenheit der beiden Hauptcharakteren basiert :)
Na, wer konnte sich schon denken dass Silas der neue "Bruder"/"Cousin" von Josh und Val ist? xD
- xo, zebisthoughts
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