Valerie - Kapitel 39

Wir sitzen hier jetzt schon drei Stunden, und keiner kann uns was über Hunter sagen. Die Ärzte zucken nur andauernd mit den Schultern, wenn wir nach ihm fragen, und langsam werde ich nervös. Silas holt uns gerade Kaffee, um wach zu bleiben, doch ich bin ziemlich überzeugt davon, dass ich es mit dieser Aufregung auch ohne schaffen würde. Trotzdem bin ich dankbar für den heißen Becher, an dem ich meine Finger etwas wärmen kann.

„Ich werde hier noch völlig verrückt" murmle ich leise, und seufze wie schon so oft heute Abend laut. „Kannst du dich an die Typen erinnern?" Silas sitzt neben mir und sieht mich fragend an. „Ein wenig" murmle ich, und schlucke, während ich den Abend revue passieren lasse. „Weißt du wie sie aussahen?" Ich nicke.

„Beide waren ziemlich groß und breit gebaut. Einer von ihnen hatte einen starken spanischen Akzent, sah auch so aus. Die anderen hatten alle schwarze Jacken an und die Kapuzen ziemlich tief ins Gesicht gezogen. Ich habe nur den Spanier gesehen." Silas nickt und trinkt einen Schluck von seinem Kaffee. „Haben sie was gesagt?" Ich ziehe die Augenbrauen ein Stück zusammen und seufze. „Nur, dass sie eine Rechnung offen haben mit Hunter."

Silas nickt, und meine Augen füllen sich wieder mit Tränen. „Hey, komm her." Silas hält seinen Arm etwas hoch, und trotz all den Streitigkeiten, die wir die letzten Wochen hatten, und all den unausgesprochenen Worten zwischen uns, rutsche ich etwas weiter zu Silas hin und lasse mich von ihm in den Arm nehmen. Ich platziere meinen Kopf vorsichtig auf Silas' Schulter, während er mit seinem Daumen auf meiner Schulter auf und ab fährt.

Sidney und Joshua schauen uns beide mit einem kleinen Lächeln an, und gerade als ich rot anlaufen will, schließe ich einfach die Augen. Es ist mir egal was sie gerade von dem hier denken, ich brauche Silas jetzt einfach. Den Krankenhausgeruch blende ich so gut es geht aus, und ich versuche, auf andere Gedanken zu kommen.

Leider führt dies auf direktem Wege zu Silas und mir. Seit er mich dabei erwischt hat, wie ich mir den Finger in den Hals gesteckt habe, versuche ich vor ihm so gesund wie möglich zu wirken. Aber ich bin es nicht, und ich habe Angst vor den Reaktionen meiner Mitmenschen, wenn sie es erfahren.

Silas hat versprochen es niemandem zu sagen, aber kann ich dem wirklich vertrauen? Ich bin mir sicher er würde es sagen, wenn es mir wirklich schlecht gehen würde. Und ich könnte es ihm nicht mal verübeln, da ich es auch tun würde. Ich seufze und schüttle innerlich den Kopf.

Wieso muss ich mich immer selbst in die Scheisse reiten?

Ich öffne die Augen wieder etwas und stelle fest, dass Sid eingeschlafen ist.

Auf Josh's Schulter.

Ein kleines Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, und ich nehme etwas umständlich einen weiteren Schluck von meinem Kaffee. „Wie lange brauchst du noch?" Silas sieht mich aus dem Augenwinkel an, und ich runzle die Stirn. „Wie lange brauche ich noch bis was?" frage ich verwirrt, und Silas schmunzelt.

„Bis wir über die letzten Wochen reden können" murmelt er dann, und ich schlucke. „Ich weiß es nicht. Aber ich werde auf dich zukommen, wenn es so weit ist, okay?" Silas nickt, und ich schließe wieder die Augen. Bin ich denn schon bereit, um mit ihm darüber zu sprechen?

„Angehörige von Hunter Taylor?" Als hätte Sidney einen Schlag gekriegt, öffnet er die Augen und fährt auf. „Zählen Freunde auch?" frage ich unsicher, und die noch junge Ärztin nickt. „Dann sind Sie also Valerie Jones?" fragt sie freundlich, und nickend erhebe ich mich. „Ja, die bin ich. Das hier ist Silas, das Joshua und der mit den roten Haaren ist Sidney."

„Danke, dass du mich nicht einfach normal vorstellen konntest Val."

„Immer gerne Siddy."

Sidney schmollt und steht dann auf, um der Ärztin ebenfalls die Hand zu reichen. Silas und Joshua stehen hinter mir, und die Ärztin lässt ihren Blick über die keine Runde vor ihr schweifen. „Hunter ist wach, er hat einige Stiche gebraucht. Aber es geht ihm den Umständen entsprechend, ihr dürft zu ihm" sagt sie dann lächelnd, und eine Last fällt von meinen Schultern.

Hunter ist wach und es geht ihm einigermaßen gut.

„Muss er hier schlafen?" fragt Silas, und die Frau nickt. „Ja, wir halten es für schlauer." Wir nicken und die Ärztin deutet uns an, ihr zu folgen. Wir laufen ziemlich lange durch das Labyrinth von Gängen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Weg alleine niemals gefunden hätte. Nach ungefähr fünf Minuten Fußmarsch halten wir vor einer Türe, und die Ärztin klopft an.

Ein leises „Herein" ertönt, und sobald die Ärztin die Türe öffnet, quetsche ich mich ins Zimmer und laufe schnell zu dem Bett, in dem Hunter sitzt. „Val?" fragt dieser sichtlich verwundert, und ich nicke. Mit Tränen in den Augen, mal wieder. „Wie geht's dir?" frage ich leise, und die anderen Jungs kommen ebenfalls rein. Die Ärztin verschwindet mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen wieder.

„Naja wie soll's mir schon gehen? Ich bin froh, dass ich sitzen und sprechen kann." Ich nicke und setze mich dann auf einen Stuhl. „Und was ist mit dir?" fragt Hunter leise, und starrt auf seine Hände. Ich zucke mit den Schultern und unterdrücke den Drang, einfach loszuheulen. Ich sollte froh sein, dass es allen soweit gut geht.

„Es war ein ziemlicher Schock, und als du dann da auf der Bank lagst und nicht mehr wirklich etwas von dir geben konntest dachte ich, dass sie dich so schlimm verletzt haben, dass du vielleicht operiert werden musst oder so." Meine Stimme zittert, und ich spiele mit meinen Fingern. „Ich dachte du könntest sterben oder so" flüstere ich leise, und schlucke.

„Aber ich bin nicht tot, Val. Und ich wurde auch nicht operiert. Die paar Stiche die ich habe werden gut verheilen und nur kleine Narben hinterlassen. Es ist alles gut, okay?" Ich nicke wild und wische mir über die Augen. „Haben sie dir was getan?" fragt Hunter dann plötzlich leise, und ich sehe auf. In seinem Blick liegt aufrechte Sorge.

„Nein, sie haben mich nur festgehalten" sage ich zaghaft, und Hunter seufzt. „Das reicht schon. Sie haben dich angefasst, dabei hast du nichts mit ihnen zu tun" zischt er, und ballt seine rechte Hand zur Faust. Fast erschrocken greife ich nach seiner linken Hand und drücke sie fest. „Hunter, es geht mir gut. Sie haben mir nicht wehgetan, okay? Du musst dir wegen mir keine Sorgen machen."

Hunter lacht bitter auf. „Val, es geht nicht nur darum" sagt er dann, und ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Worum denn dann?" meldet sich Sidney, der an der Wand gegenüber Hunters Bett lehnt. „Diese Jungs sind gefährlich. Sie wollen, dass ich für die Schulden meines Vaters büße. Bisher konnten sie mich nicht verletzen, also psychisch. Ich hatte nie jemanden, der mir wirklich wichtig war in der Zeit, wo sie angefangen haben. Aber jetzt haben sie dich gesehen, Val."

Silas und Joshua tauschen erschrockene Blicke, während ich wie versteinert dasitze. „Du meinst, die haben es jetzt auf unsere Val abgesehen?" fragt Sidney leise, und ich höre die Wut in seiner Stimme. Hunter nickt langsam, und ich fange doch an zu heulen.

„Das lassen wir niemals zu. Keiner wird Valerie auch nur berühren, glaubt mir." Silas' Augen sprühen fast Funken vor Wut, und alle sehen zu ihm. „Niemand wird dir was tun, Valy."

„Wir können dich doch nicht einfach alleine lassen!"

Sidney sieht mich bittend an, und ich lasse mich rücklings auf mein Bett fallen. „Es ist doch nur das Training!" Silas zieht eine Augenbraue hoch und schüttelt dann den Kopf. „Ich komme mit." Ich richte mich wieder auf und schaue den Jungen vor mir erstaunt an. Sidney tut das gleiche. „Du?" frage ich verwundert, und Silas zuckt mit den Schultern. „Sidney kann ja nicht, und ich glaube Joshua ist nicht da. Also komme ich eben mit."

Ich seufze und nicke dann ergeben. „Habe ich eine andere Wahl?" frage ich, und Silas lächelt leicht. „Nicht, dass ich wüsste" sagt er dann, und verschwindet mit einem frechen Grinsen aus meinem Zimmer. „Er mag dich wirklich" murmelt Sid neben mir, und setzt sich im Schneidersitz auf mein Bett. „Ich weiß nicht" murmle ich, und Sid fängt an, mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum zu wedeln.

„Bist du blind?" fragt er dann empört, und ich lache, ehe ich mir Sidneys Handgelenk schnappe, um seine Hand stillzuhalten. „Nein, bin ich nicht" sage ich dann grinsend, und Sid sieht mich vielsagend an. „Na also! Das sieht jeder, Val. Silas hat jahrelang keinen Fuß in die Nähe eines Tanzstudios gesetzt!" Ich seufze und nicke dann. „Okay, ich glaube dir." Triumphierend springt Sidney auf und grinst.

„Und was ist mit dir?" fragt er dann, und ich runzle die Stirn. „Was sollte mit mir sein?" Sidney seufzt und greift sich theatralisch an die Stirn. „Magst du ihn auch oder nicht, du hohle Nuss" sagt er dann, und ich schmunzle. Der rothaarige Junge setzt sich wieder vor mich auf mein Bett und sieht mich so eindringlich an, als würde er jede kleinste Bewegung in meinem Gesicht wahrnehmen und analysieren wollen.

Währenddessen denke ich lange darüber nach, was ich für Silas fühle. Dass ich ihn mag habe ich mir ja selbst auf der Party bewiesen, so viel ist klar. Aber mag ich ihn genug, um ihm zu vergeben? „Okay, das sagt genug aus Val. Redet endlich darüber, okay?" Ich seufze und lehne mich wieder zurück. „Das ist nicht so einfach Sidney" murre ich, und Sid zieht eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Du kannst deinen Mund also nicht bewegen?"

Ich lache leise und schüttle den Kopf. „Doch, aber was soll ich sagen?" Sid seufzt und legt sich neben mich. „Sag ihm, was dich stört und dich verletzt. Und ihr müsst euch beide entschuldigen, das ist dir klar oder?" Ich nicke. „Sprecht über alles was passiert ist und versucht, eine Lösung oder sowas zu finden."

Abermals nicke ich und seufze dann leise. „Ich gehe gleich rüber" murmle ich, und Sidney grinst. „Genau so! Du kannst das Val." Ich lächle und lasse mich von Sidney umarmen, ehe er aufsteht. „Ich muss jetzt los, aber versprich mir, dass du mir alles erzählst, okay?" Ich nicke und lache. „Klar, und jetzt hau schon ab." Sidney verschwindet, und ich bleibe auf meinem Bett sitzen.

Bei dem Gedanken daran, dass ich gleich mit Silas reden muss, wird mir etwas mulmig und ich hoffe, dass er mich auch irgendwie verstehen wird. Ich hoffe, dass er mir überhaupt zuhören wird. Ich lasse mich frustriert in die Kissen sinken und starre die Decke an. Soll ich wirklich einfach so zu Silas rüber gehen? Und was sage ich dann? Was, wenn er gerade nicht reden kann?

Ich horche auf, als ich die Töne einer Gitarre vernehme und realisiere, dass Silas wohl die nächsten Stunden nirgendwohin muss. Also noch ein Grund, weshalb ich jetzt mit ihm reden sollte. Ich knurre vor mich hin und setze mich dann auf. Gleichzeitig erhalte ich eine Nachricht von Sidney.

Sidney: Jetzt steh auf und geh zu Silas rüber, oder muss ich dich tragen?

Ich lache leise und schüttle den Kopf.

Valerie: Ich bin schon unterwegs. Geh du jetzt zu Micah ;)

Ich erhalte keine Antwort mehr und lege mein Handy weg. Ein letztes Mal fahre ich mir durch die Haare, dann stehe ich auf und schlucke.

Soll ich es wirklich tun?

Ja.

Ich verlasse mein Zimmer und bleibe vor der geschlossenen Türe von Silas' Zimmer stehen. Leise höre ich seine Versuche, Gitarre zu spielen, und muss automatisch bei dem Gedanken daran, wie er lächelt, wenn er einen Teil eines Liedes geschafft hat, lächeln. Ich lehne vorsichtig meine Stirn gegen Silas' Türe und versuche, noch besser zu hören, was er da gerade lernt.

Ich bin so vertieft in die Musik, dass ich gar nicht mitbekomme, wie sich jemand der Türe nähert. Erst als sie aufgeht und ich direkt nach drinnen gegen eine harte Brust kippe, kehre ich wieder in die Realität zurück.

„Valy?"

Silas sieht mich etwas verwirrt an, und ich löse mich von ihm, um mich aufrecht hinzustellen.

„Ähm, ja. Hi."

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Nun, wie denkt ihr, dass das Gespräch verlaufen wird?

Und denkt ihr, dass die Typen Valerie was antun werden?

- Xo, Zebisthoughts

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