Zeitgleich mit dem letzten Kapitel

„Was machst du hier?"

Ich schaue zu Hunter, der trotz meinem erhöhten Platz auf der Mauer gleich groß ist wie ich.

„Momentan rauche ich hier, wie du siehst."

Ich verdrehe die Augen und starre geradeaus. „Du weißt was ich meine" murmle ich, und Hunter schweigt eine Weile. „Wir sind vor paar Wochen hergezogen" meint er dann nur, und nimmt wieder einen Zug seiner Zigarette. „Ah" ist alles, was ich dazu sage. Was soll ich auch groß dazu sagen?

„Und wann hast du vor wieder anzufangen?" Ich blicke Hunter direkt in die Augen und warte darauf, dass er mir sagt, ab wann ich wieder die alte Valerie werde. „Gar nicht" sagt er jedoch, und ich falle fast von der Mauer. Dann lache ich trocken auf. „Lustig. Sag mir wenigstens wie lange ich mein Leben noch genießen darf."

Hunter bläst langsam den Rauch aus und schaut mich nicht an. „Ich meins ernst, Val" sagt er dann ruhig und langsam, und es ist das erste Mal, dass er mich seit wir uns näher kennen in meiner Gegenwart wieder bei meinem Spitznamen nennt. „Dann gib mir einen Grund, wieso du plötzlich nicht mehr ein Arschloch sein solltest" zische ich, und Hunter seufzt leise. „Weil viel passiert ist. Niemand sagt, dass ich kein Arschloch mehr bin. Nur nicht so ein großes."

Ich verdrehe die Augen und lehne meinen Hinterkopf dann wieder an die Wand des Schulgebäudes. „Ich hoffe du verstehst, dass das alles für mich sehr unglaubwürdig rüberkommt?" Ich erhalte ein bestätigendes Brummen, und dann sagt keiner was. Ich glaube sogar schon, dass Hunter einfach gegangen ist, doch als sich ein Schatten vor mich schiebt weiss ich, dass Hunter sich ebenfalls auf die Mauer gesetzt hat.

Ich lasse mir all die letzten Jahre durch den Kopf gehen, in denen ich immer vor Hunter geflüchtet bin. In denen ich ihn und seine Freunde gemieden habe wie die Pest, und in denen er mich völlig zerstört hat. Und jetzt sitze ich mit ihm auf einer Mauer und rede.

Okay, schweige.

Aber immerhin lässt er mich soweit in Ruhe und raucht nur. Ich denke an den Moment zurück, in dem ich mich in Hunter verliebt hatte, und an die paar Wochen danach, in denen wir glücklich waren. Scheinbar. Denn er hat mich nie geliebt. Er hat mich nur benutzt, verarscht und dann bloßgestellt. Er hat mir eigentlich immer nur Unglück gebracht.

„Warum solltest du jetzt weniger scheisse sein?" frage ich irgendwann mit brüchiger und kratziger Stimme. Schon nur seine Anwesenheit verbunden mit den Gedanken an die letzten Jahre setzen mir enorm zu, und am liebsten würde ich schreiend auf Hunter losgehen. „Weil auch die schrecklichsten Menschen sich ändern können, Val." Wieder sagt keiner von uns was, und Hunter hat seine Kippe schon lange fertig.

„Warum hast du das alles getan" flüstere ich leise, und frage mich, wie Hunter es versteht. „Weißt du..." fängt er an, und spielt mit seinen Händen. Er sieht mich nicht direkt an, aber ich glaube, das ist jetzt gerade sogar besser. „Manchmal tun und sagen Menschen Dinge, für die es eigentlich keinen Grund gibt. Sie sagen diese meistens schrecklichen Dinge zu Menschen, die es überhaupt nicht verdient haben. Sie lassen ihren Frust und ihre Wut so raus, und merken nicht, wie sehr sie jemanden zerstören können. Der Ursprung dieser Gefühle kann überall herkommen, und manchmal sind Menschen einfach solche Idioten und tun solche Dinge einfach so, doch die meisten haben selbst unschöne Hintergründe. Das ist natürlich lange keine Rechtfertigung oder so, aber... vielleicht verstehst du es so etwas besser. Die meisten Menschen sind zum Bespiel mit Schwäche in Kontakt gekommen und hassen deshalb schwache Menschen. Andere haben andere Dinge, auf die sie schlecht zu sprechen sind. Es ist nie gerecht, es ist nie fair. Einen anderen Menschen auf Grund eigener Probleme zu zerstören ist feige, Val. Ich war feige. Und jetzt bin ich es eben nicht mehr."

Mit diesen Worten stößt sich Hunter von der Mauer ab und läuft davon. „Man sieht sich" sagt er noch, und hebt eine Hand.

„Hunter?"

Der Junge dreht sich nochmal zu mir um, und seine grünen Augen bohren sich in meine. „Ich hoffe du weißt, dass ich dir so schnell nicht vergeben werde." Hunter nickt nur und dreht sich wieder um. „Ich mir auch nicht, Val. Pass auf dich auf."

Mit diesen Worten geht er endgültig, und lässt mich verwirrt zurück. Sobald er ganz sicher weg ist schliesse ich wieder die Augen und spüre, wie eine Last von mir abfällt. Vielleicht hat Hunter sich wirklich geändert. Trotzdem... ich kann es mir noch nicht so ganz vorstellen. Er hat mir so lange das Leben zur Hölle gemacht, und jetzt, zwei Jahre später soll er einfach wieder normal sein? Mich in Ruhe lassen? Mir sogar ernsthaft sagen, dass ich auf mich aufpassen soll? Wo ist Hunter Taylor hin und was habt ihr mit ihm gemacht?

Ich betrachte nachdenklich den Zigarettenstummel, der auf dem Asphalt liegt, und frage mich, was wohl alles in Hunters Leben passiert ist, dass er so geworden ist. Und vor allem frage ich mich was passiert ist, damit er sich so geändert hat. Ich glaube nicht viele Mobbingopfer können ein normales Gespräch mit den Tätern führen, so wie ich es gerade getan habe. Oder?

Ich lasse mir das Gespräch nochmal durch den Kopf gehen, komme jedoch immer wieder auf den gleichen Schluss: Hunter Taylor ist definitiv verrückt geworden. Mit einem lauten Seufzer springe ich von der Mauer und schnappe mir meine Tasche. Es ist schon mitten im Nachmittag, und ich habe gerade irgendwie Lust darauf, mich mit Nick zu treffen.

Valerie: Hey Nick, Lust was zusammen zu unternehmen?

Es dauert keine fünf Minuten, bis Nick mir antwortet.

Nick: Gerne. Club? Bar? Restaurant? Bei dir, bei mir? Schwimmen? Sandkasten wie kleine Kinder? Kuschelromanze im Kino oder Actionthriller? Ich bin auf alles vorbereitet. Und ich muss dringend mit jemandem über diesen Tag sprechen.

Ich grinse und überlege kurz, ehe ich meine Antwort verfasse.

Valerie: Bar hört sich gut an. Aber mit einer ruhigen Sitzecke. Und dann kannst du dich bei mir ausheulen und ich mich bei dir.

Nick bestätigt meine Auswahl und verspricht, mich gleich vor der Schule abzuholen. Ich stecke lächelnd mein Handy ein und bleibe dann vor dem Haupteingang der Schule stehen. Etwas weiter vorne sitzen ein paar Jungs und rauchen, doch ich schenke ihnen genau so viel Beachtung wie sie mir: gar keine.

Ich lehne mich an die Wand und stöpsle meine Kopfhörer in die Ohren, während ich durch meine Playlist scrolle, die eigentlich nur aus NF, Linkin Park und Eminem besteht. Ich spüre wie sich alles in mir entspannt, sobald „Numb" aus den Kopfhörern dröhnt, und lächle leicht. Die Jungs sind immer noch mit sich selbst beschäftigt, und schon von weitem erkenne ich Nicks Auto.

Mein Lächeln wird automatisch breiter, sobald er hält und mir von innen die Türe öffnet. „Gentleman durch und durch" sage ich lachend als ich einsteige, und Nick grinst mir breit entgegen. „Bei so Mädchen wie dir kann man nicht anders" sagt er mit einer zuckersüßen Stimme, und ich verdrehe die Augen. „Rutsch nicht auf deiner Schleimspur aus" sage ich dann lachend, und Nick stimmt mit ein.

„Twentyone?" fragt er dann als wir vom Platz fahren, und ich nicke. „Gerne." Nick dreht wieder das Radio auf, und sofort fangen wir an, schräg und laut mitzusingen. Ich lache bis ich Tränen in den Augen habe, und kann für einen kurzen Moment Hunter und meine Vergangenheit, die von ihm geprägt ist, vergessen.

„Ich würde sagen wir melden uns bei der nächsten Talentshow an" sagt Nick grinsend, als wir bei der Bar ankommen, und ich lache. „Bestimmt, das kommt auf meine Löffelliste." Nick lacht, und wir steigen aus.

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Ich stehe genervt in meinem Zimmer und starre aus meinem Fenster. Draußen liegen noch ein paar Schwimmflügel rum, was darauf deuten lässt, dass Leona schwimmen war. Ich denke wieder an Hunter und an seine Worte. Ich frage mich ob er ernst meint was er sagt, oder ob er mich bloss in Sicherheit wiegen will. Ich würde es ihm nämlich sofort zutrauen.

Ich vernehme das Geräusch meiner Türe und drehe mich erschrocken um, wo ich direkt in zwei graue Augen blicke. „Kannst du nicht klopfen?" frage ich Silas so wenig genervt wie möglich, was gar nicht mehr so schwierig ist, als sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitet. „Kannst du nicht antworten, wenn man klopft?" Oh.

Ich schaue Silas kurz an und lächle dann verlegen. Ich habe es wohl wirklich nicht gehört, dass er geklopft hat. War ich so sehr in meine Gedanken versunken? „Sorry" murmle ich, und drehe mich wieder zum Fenster. Silas wird mir schon sagen, was er von mir will.

„Ich wäre sowieso reingekommen" sagt er jedoch, und ich drehe mich etwas empört wieder zu ihm um. „Ich hätte mich umziehen können!" sage ich so geschockt wie möglich, und ein perverses Grinsen breitet sich auf Silas' Gesicht aus. „Joa... du hättest dich umziehen können" sagt er leise und funkelt mich belustigt an.

Tatsächlich breitet sich ein Kribbeln in mir aus, doch das unterdrücke ich indem ich nach einem Kissen greife und es nach Silas werfe.

Idiot.

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„Wo warst du eigentlich?"

Wir liegen nebeneinander auf meinem Bett und verschnaufen von der eben gelieferten Kissenschlacht. Die ich übrigens gewonnen habe. „Ich war noch in der Schule und dann mit Nick unterwegs" sage ich so normal wie möglich und hoffe, dass Silas keine Fragen stellt. Doch da habe ich wirklich nicht mit Silas Garcia gerechnet.

„Aha, in der Schule also. Und was macht man so in der Schule, außer Unterricht haben?" Er sieht mich belustigt aus dem Augenwinkel an und ich seufze. „Ich wollte etwas alleine sein und bin dann hinters Gebäude um nachzudenken. Mehr nicht." Silas nickt bloss, und ich weiss, dass er weiter nachhacken will, doch er lässt es sein. Ich glaube er merkt, dass ich nicht darüber reden will.

„Und was habt ihr so gemacht?" frage ich, und starre an die Decke. „Eigentlich wollten wir schwimmen gehen, aber als Joshua dann mit Jessie abgehauen ist, sind wir zur Strecke." Wait what? „Joshua und Jessie sind... abgehauen?"

Ich richte mich erschrocken auf und schaue Silas überrascht an. Dieser legt die Stirn in Falten, lächelt aber trotzdem. „Ja. Jessie ist in sein Auto eingestiegen und auf halber Strecke ist er einfach so verschwunden." Ich schüttle grinsend den Kopf, da das zu hundert Prozent nach meinem Cousin klingt. „Ich glaube ich sollte mal mit Joshua reden" sage ich langsam, denn ich will wissen, woran Jessie bei ihm ist. Denn ich weiss, dass sie nicht für einen schnellen Spaß zu haben ist.

„Sie mag ihn ziemlich, was?" Ich drehe mich zu Silas um und nicke. „Woher weißt du das?" frage ich, und er lacht leise. „Ich habe ein ziemliches Feingefühl für andere Menschen. Solche Sachen fallen mir auf. Zum Beispiel auch, dass du auf Nick stehst." Ich werde etwas rot und lege mich wieder hin. „Das ist aber ziemlich offensichtlich" sage ich dann, und Silas zuckt mit den Schultern. „Da man euch noch nicht oft zusammen gesehen hat, eigentlich nicht."

Ich schliesse verträumt die Augen und denke über das Treffen mit Nick nach. Wir haben so viel gelacht und uns gegenseitig beim anderen über die Schule ausgekotzt. Es war einfach wie wenn ich für einen kurzen Moment keine Probleme hätte.

„An solchen Dingen zum Beispiel merke ich es."

Silas stupst mich mit dem Finger in die Wange und grinst, als ich erschrecke. Dann erhebt er sich und läuft zu meinem Schreibtisch, auf dessen Platte Silas sein Handy abgelegt hat. „Achja, ich plane demnächst eine Party" sagt er so beiläufig wie möglich, doch ich setze mich schnell auf. „Hier?" frage ich, und Silas nickt. „Maria und Dad fahren dieses Wochenende, also morgen, weg. Da haben wir sturmfrei."

Ich schaue Silas etwas unsicher an, da ich noch nie eine Party in meinem Haus hatte. Natürlich nicht, du bist auch einfach ein langweiliges Mädchen. „Keine Angst, die Zimmer werden abgeschlossen und es wird nicht mal die Hälfte der Schule kommen. Nur ein paar Freunde und Freunde von Freunden." Ich nicke resigniert und sinke in die Kissen zurück.

„Du bist schuld, wenn was passiert, ich habe da nichts mit zu tun" murre ich, und Silas grinst. „Du verpfeifst mich nicht?" Ich schüttle den Kopf.

„Du bist echt cool, Val."

Ich lächle und sehe auf. Silas Garcia findet jemanden wie mich cool?

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Soso, eine Party also... interessant, was findet ihr? ;)

Was haltet ihr so von Hunter und dem Gespräch zwischen ihm und Valy? Glaubt ihr ihm?

- Xo, Zebisthoughts