„Sieht doch ganz gut aus."
Joshua steht neben mir, und wir betrachten meine fertig aufgebauten Möbel. „Finde ich auch" sage ich grinsend, und schlage mit Joshua ein. Wir haben fast den ganzen Tag damit verbracht, alle Möbel aufzubauen. Dad und Maria haben sich tatsächlich dazu bereiterklärt, uns heute von der Schule freizuschreiben, da wir ja „etwas Nützliches machen".
„Nervennahrung!"
Mit diesen Worten quetscht sich Valy mit einem Tablett in der Hand zwischen Joshua und mir durch und setzt sich auf mein frisch bezogenes Bett, während sie das Tablett auf meinem Nachttisch abstellt. Auf dem Tablett befindet sich ein Teller mit Keksen, eine Schüssel Chips und eine große Flasche Eistee. Daneben vier Pappbecher. Sid drückt sich ebenfalls zwischen uns durch und setzt sich dann an das andere Ende meines Betts, und Joshua lässt sich ebenfalls darauf nieder.
„Ist das jetzt der neue Treffpunkt?" frage ich grinsend, und setze mich neben Valy, die gerade die Becher mit Eistee füllt und verteilt. „Ja, immerhin ist es das einzige Zimmer in diesem Haus, das irgendwie zumutbar aussieht." Ich runzle die Stirn und sehen Valy fragend an. „Was ist denn mit deinem Zimmer? Und mit dem von Joshua?" Valy grinst etwas verlegen und nippt an ihrem Becher.
„Ich habe noch nicht mal die Hälfte aller Möbel aufgebaut" sagt sie dann leise, und ich schaue auf die Uhr. „Sag bloss, du verstehst die Anleitungen nicht" sage ich dann langsam, und Valy wird noch etwas verlegener. „Ich helfe dir gleich" sage ich grinsend, und wende mit dann an Joshua.
„Und was ist mit deinem Zimmer?"
Er zuckt mit den Schultern und lehnt sich an das Bettende. „Muss noch aufgeräumt werden" sagt er dann bloss, und ich seufze. „Achso." Eine Weile reden wir nur über belanglose Dinge, bis Valy aufsteht. „Ich habe noch zwei Stunden, dann muss ich mich fertigmachen fürs Training, Jessie kommt mich abholen." Ich nicke und erhebe mich ebenfalls. „Dann machen wir das mal" sage ich, und Sid wackelt anzüglich mit den Augenbrauen.
„Schließt bitte vorsichtshalber die Türe" sagt er, und ich schlage ihn wieder auf den Hinterkopf in der Hoffnung, damit ein paar Hirnzellen wieder an ihren richtigen Ort zu befördern. Wie sagt man so schön, die Hoffnung stirbt ja zuletzt.
Wir verlassen mein Zimmer und betreten das von Valy, und als ich die Unordnung sehe lache ich kurz auf. „Gut, das sieht wirklich so aus, als könntest du Hilfe gebrauchen." Valy seufzt frustriert und lehnt sich gegen die Türe. „Ich habe keine Ahnung wie ich das alles zusammenbauen muss" sagt sie dann, und zeigt auf das Chaos von Balken, Schrauben und anderen Materialien, die man benötigt, um Möbel aufzubauen.
„Lass mich mal sehen" sage ich deshalb, und nehme mir die Anleitung, die vor dem Haufen auf dem Boden liegt. Ich setze mich hin, und Valy tut es mir gleich. Sie fängt an, die Sachen wieder einigermaßen zu sortieren, während ich realisiere, dass es sich hier um ihr Bett handeln muss.
„Okay..." sage ich langsam, und lege die Anleitung beiseite. „Das schaffen wir." Valerie sieht mich etwas zweifelnd an, doch ich grinse breit. „Ich meins ernst. Wenn wir uns beide ins Zeug legen, schläfst du heute Abend in einem richtigen Bett, welches nicht plötzlich zusammenbricht."
Valerie lacht nur und schüttelt den Kopf. „Dann sag mir, was ich tun soll." Sie ist inzwischen aufgestanden und läuft um den Haufen rum. Schnell stehe ich ebenfalls auf und schnappe mir ihren Arm, um sie zurückzuziehen, wobei sie leicht mit dem Rücken an meine Brust stößt.
„Zuallererst solltest du vielleicht nicht auf irgendwelche Nägel oder so treten" sage ich belustigt und schaue auf den Boden, wo sich ein kleiner Nagel befindet, mit dem Spitz nach oben gerichtet. Das hätte ganz schön schmerzhaft ausgehen können für Valy, und ich spüre deutlich, wie sie ihre Rückenmuskeln wieder entspannt.
„Oh, danke" murmelt sie und wird etwas rot, was mich nur noch breiter grinsen lässt. „Hör auf so behindert zu grinsen und hilf mir endlich" murrt Valy, und ich lasse sie lachend los.
„Aber natürlich. Kannst du mir das Teil da geben?"
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Pünktlich zum Klingeln der Türe schieben wir Valy's Bett an den Platz, wo sie es gerne haben möchte, und Valy grinst breit. „Das haben wir doch mal gut hinbekommen" sage ich lächelnd, und Valerie nickt.
„Danke, Silas. Ich glaube ich wäre noch Stunden vor dem Scheiterhaufen gesessen." Ich lache bei der Vorstellung und schiele zu Valy rüber, die so Stolz ihr Bett betrachtet, als hätte sie es ganz alleine aufgebaut.
„Val! Da bist du- oh, hi Silas."
Jessie steht hinter uns und schaut abwechselnd zwischen dem Bett und uns hinterher. „Sag bloss Vale war zu unfähig dafür das Bett aufzubauen und hat es erst gesagt, als sie jemand danach gefragt hat?" Ich nicke breit grinsend, und Valy seufzt. „Hi Jessie. Ich mach mich gleich fertig, okay?" Jessie nickt, und ich überlege, was ich jetzt sagen soll.
Als mir nichts mehr einfällt gehe ich an Jessie vorbei zur Türe, werfe Valy, die mittlerweile über einen Karton mit der Aufschrift „Kleider" gebückt sitzt, einen Blick zu.
„Falls du nach dem Training noch was aufbauen willst, frag ruhig, bevor du noch die ganze Nacht heulend auf dem Boden verbringst. Ich beiße nicht." Valy verdreht nur die Augen und scheucht mich dann mit einer Handbewegung raus, und ich komme ihrer Aufforderung grinsend nach. Als ich die Türe schliesse höre ich, wie Jessie was zu Valy sagt.
„Das – das war doch der Junge aus dem Sportunterricht, richtig?"
„Ja, Jess, das war er. Silas."
„Oh mein Gott, was macht er hier?"
„Wohnen."
„Er ist dein Stiefcousin?" Da ich nichts von Valy höre, nehme ich an, dass sie nickt.
„Oh. Mein. Gott. Süße, der ist richtig heiß." Valy lacht, und ich grinse ebenfalls.
„Jess, er hat eine Freundin. Außerdem stehe ich auf Nick, das weißt du doch."
„Ja aber das heißt ja noch lange nichts, oder? Außerdem – was ist Nick schon?" Valy seufzt ziemlich laut, und mein Grinsen wird immer breiter. Mädchengespräche sind wirklich interessanter, als ich dachte.
„Jess, ich will nichts von ihm."
„Aber du findest ihn heiß."
„Ja, okay, aber das heißt noch lange nichts."
„Er findet dich bestimmt auch toll."
„Jess wir kennen uns kaum." Und haben trotzdem auf einer Matratze gepennt.
„Ihr kommt eh mal zusammen."
Ein Schrei ertönt, und wenig später lachen beide los. Ich glaube, Valy hat ein Kissen nach ihrer Freundin geworfen. Ich gehe die letzten Meter zu meinem Zimmer und verschwinde darin. Sid und Joshua sind nochmal zur Strecke gefahren, aber ich habe heute ausnahmsweise keine Lust darauf.
Viel lieber möchte ich einfach auf meinem Bett sitzen und... Gitarre spielen. Ich greife nach dem Gitarrenkoffer und hole meine Westerngitarre raus, die ich seit drei Jahren besitze. Sie sieht zwar schon etwas älter aus, aber ich liebe sie trotzdem, und darauf spielen kann man auch gut.
Ich spiele die ersten Akkorde von dem Lied, das ich neulich erst gelernt habe, und versinke dann total darin. Ich bekomme nur am Rande mit, wie Valerie und Jessie lachend aus dem Haus verschwinden, und dass Dad und Maria nach Hause kommen ist mir auch ziemlich egal.
Erst als mir der Duft von Essen in die Nase steigt, lege ich meine Gitarre doch weg und starre kurz auf meine knallroten Fingerkuppen, die ganz deutlich den Abdruck der Saiten zeigen. Ich habe schon länger nicht mehr gespielt, und das ist der Dank dafür.
Ich seufze und schnappe mir meine Fernbedienung, um meinen Fernseher zu starten. Ich suche mir gelangweilt irgendeinen Film raus, von dem ich dann sowieso abgelenkt bin, da Luna mir gerade schreibt.
Luna: Ruf mich an.
Verwirrt pausiere ich den Film und überlege kurz, weshalb Luna mit mir reden wollen würde. Dann beschließe ich, mich überraschen zu lassen, und wähle ihre Nummer. Es dauert keine Sekunde, bis meine Freundin rangeht.
„Du wohnst mit einem Mädchen unter einem Dach?"
Ihre Stimme verrät mir, dass sie nicht glücklich darüber ist, denn sie spricht mindestens zwei Oktaven höher als gedacht.
„Äh, ja. Die Nichte meiner neuen Stiefmutter. Also meine Stiefcousine." Kurz herrscht Stille, und ich kneife die Augen zusammen, da ich weiss, dass Stille bei Luna nie was Gutes bedeutet. Meistens bricht sie kurz nach ihrem Schweigen einen grossen Streit vom Zaun.
„Wie alt?" fragt sie mich, und ich denke kurz nach. Stimmt, wie alt ist Valy eigentlich? Sie geht in eine Klasse unter mir, vielleicht ist sie ja dann auch ein Jahr jünger als ich? „Ich schätze sie so auf siebzehn ein" sage ich also so ruhig wie möglich, doch natürlich hilft das nicht.
„Siebzehn? Sie ist Siebzehn?! Was macht sie überhaupt bei ihrer Tante? Hat sie keine eigenen Eltern?" Irgendwie regt mich die Art, wie Luna spricht, auf. Sie weiss nicht, was bei Valy alles passiert ist, genauso wenig wie ich, doch es gibt bestimmt Gründe, weshalb sie nicht bei ihren Eltern wohnt.
„Sie wohnt bei ihrer Tante, und ich nehme an Valy hat ihre Gründe dafür, die weder du noch ich beurteilen können." Luna schnaubt. „Valy? Ist das irgendein Spitzname? Wieso hast du einen Spitznamen für sie? Mich nennst du auch einfach Luna."
Ich fasse mir an die Stirn und seufze genervt aus. Ich hasse solche Gespräche wirklich, vor allem wenn es um Lunas Eifersucht geht. Klar finde ich es auch nicht toll, wenn ein Typ sie angafft oder sie mit jemandem in meinen Augen flirtet, aber das hier ist wirklich übertrieben. Weder Valy noch ich können etwas an der jetzigen Situation ändern.
„Jeder nennt sie Val, Vale oder Valy." Mehr sage ich dazu nicht.
„Ja, aber du bist nicht jeder! Du bist mein Freund!"
Luna wirkt langsam ziemlich hysterisch auf mich, und ich starre verzweifelt an die Decke. „Luna, ich habe einfach keinen Bock jedes Mal ihren vollen Namen auszusprechen, und Valy kommt einfach viel schneller über die Lippen. Das ist bei weitem kein Grund eifersüchtig zu sein. Weder Valy noch ich haben uns das hier ausgesucht oder können etwas ändern, und das weißt du. Außerdem steht sie schon auf jemanden anderen."
Ich höre Luna seufzen, und dann das leichte Quietschen ihres Betts, was bedeutet, dass sie sich hingesetzt hat. „Sicher, dass da nichts ist?" fragt sie dann, und ich nicke, ehe ich ihr antworte. „Ganz sicher. Sie ist für mich quasi eine Schwester und nicht ein Mädchen, welches ich ins Bett bekommen möchte. Ich liebe dich, nicht sie oder jemand anderes."
Eine Weile sagt keiner was, bis sich Luna räuspert. „Ich liebe dich auch" murrt sie, und ich grinse. „Wie war dein Tag?" frage ich sie, bevor Luna noch weiter auf dem Thema rumsitzen kann, und sie fängt an sich über ihre Nägel aufzuregen, da ihr heute gleich zwei abgebrochen sind.
Ich höre ihr geduldig dabei zu wie sie erzählt, dass sie ihrer Mutter heute tatsächlich im Haushalt helfen musste, weil ihre Haushälterin krank war, und wie sie sich davor geekelt hat, den Müll rauszubringen. Eigentlich alles Sachen, die ich hier jeden Tag mache, sie jedoch nicht kennt, weil ihre Eltern sich wirklich jeden Luxus erlauben können.
Abermals frage ich mich, wie Luna überhaupt auf jemanden wie mich aufmerksam geworden ist, aber ich denke mal, dass auf Grund ihrer Eltern das verbotene sie nahezu anzieht. Typen wie ich waren nämlich tabu für ihre Eltern, was Luna aber nicht interessiert.
Ich frage mich wie es wäre, wenn wir uns nicht kennengelernt hätten. Wahrscheinlich wäre ich wie Joshua geendet und hätte immer wieder kurze Liebschaften, die aber nie wirklich was bedeuteten. Oder vielleicht hätte ich tatsächlich jemanden kennengelernt, der wie ich war, und wäre jetzt in einer anderen, glücklichen Beziehung.
Ein Mädchen, dem es egal ist, dass sie den Müll rausbringen muss. Das sich gewöhnt ist, zu Hause zu helfen, das eine normale Schule besucht und abends normal mit Freunden feiern geht, so wie ich eben. Das alles tut Luna nicht. Sie darf nicht feiern gehen, sie besucht keine öffentliche Schule. Sie muss zu Hause keinen Finger krümmen. Ich glaube, in der Welt der normalen würde sie völlig untergehen.
„Silas?"
Ich schrecke aus meinen Gedanken und fokussiere mich wieder auf Luna. „Ja?"
„Hörst du mir überhaupt zu?" Ich seufze. „Sorry, ich bin ziemlich müde. Was hast du denn gesagt?" Luna seufzt genervt, und ich verdrehe die Augen. „Ich habe dich gefragt, ob du noch mehr Geschwister bekommen hast."
„Achso, ja. Marias Sohn, Joshua ist auch noch hier. Er geht in meine Klasse und gehört zu meinen engsten Freunden."
„Oh, okay. Willst du morgen mal wieder vorbeikommen? Meine Eltern haben dich zum Essen eingeladen." Nein, Luna. Will ich nicht.
„Klar doch, wann denn?" Ich wünsche mir gerade ehrlich, dass ich morgen mit Grippe im Bett liege.
„Um sieben. Bitte sei pünktlich, ja? Du weißt, wie sehr meine Eltern-"
„Unpünktlichkeit hassen. Ich weiss, Baby. Ich bin um sieben da, versprochen."
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Soo... das ist also unsere liebe Luna. Mal wieder.
Ich denke ihr versteht, wieso ich sie nicht so mag? xD
- Xo, Zebisthoughts
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