Silas - Kapitel 64
Ich setze mich frustriert auf mein Bett und schüttle immer wieder den Kopf. Diese Krankheit macht nicht nur Valy, sondern auch alle in ihrem Umfeld verrückt, und genau das ist das Problem, das Hinterhältige daran. Nicht nur du selbst leidest, sondern alle um dich rum leiden auch.
Ich starre auf das Foto von meiner Mom, Dad, Leona und mir, und seufze. „Ich komm ja schon" murre ich dann, und stehe auf, um mich fertig zu machen. Meine Freunde sitzen alle unten und versuchen sich mit Filmen, Snacks und viel Alkohol abzulenken, doch ich muss hier raus. Ich schnappe mir eine Flasche Alkohol, eine Flasche Eistee und einen der roten Becher, ehe ich mit einer dünnen Jacke bekleidet das Haus verlasse und auf meinen Wagen zusteuere.
Drinnen mache ich leise Musik an, damit ich wenigstens während der Fahrt etwas abgelenkt bin. Die Uhr meines Autos zeigt mir, dass es gegen halb zwölf abends sein sollte. Nach einer Ewigkeit komme ich endlich am Friedhof an und parkiere mein Auto einfach irgendwo, ehe ich mir die Getränke schnappe und aussteige.
Ich ignoriere die vielen Gräber wie immer, denn schon immer habe ich mich nur für das Grab meiner Mutter interessiert. Die anderen gehen mich nichts an, und ehrlich gesagt will ich auch nichts mit ihnen zu tun haben. Der Tod ist eine traurige Geschichte, und die meisten Menschen haben nur negative Dinge darüber zu berichten. Und ich kann nicht noch mehr Negativität gebrauchen.
Wie ferngesteuert gehe ich den Weg, den ich mittlerweile im Schlaf gehen könnte, zum Grab meiner Mutter und bleibe dann eine Weile still davor stehen, bevor ich mich im Schneidersitz auf den kalten Steinboden setze. „Hallo Mama" fange ich leise an, und öffne die Flaschen. „Ich versuche es diskret zu halten" sage ich leise, und lächle als ich mir vorstelle, wie Mom immer die Augen verdreht hat wenn Dad oder ich was getrunken haben.
„Du fragst dich sicherlich, was deinen Sohn dazu treibt, um halb zwölf mit Alkohol an deinem Grab aufzutauchen, nicht?" Ich schmunzle und trinke den ersten Schluck. „Es gibt viel zu bereden" sage ich leise, und schlucke. „Das Mädchen von dem ich dir neulich erzählt habe, Valerie. Sie ist jetzt meine Freundin. Luna und ich haben keinen Kontakt mehr, aber ich glaube das ist besser so. Sie hat jemanden verdient der das für sie fühlt, was ich für Valy fühle."
Ich lächle und nehme einen weiteren Schluck. „Bei ihr fühle ich mich frei und zuhause. Sie akzeptiert mich. Sie ist für mich da und lässt Gefühle in mir hochkommen von denen ich keine Ahnung hatte, dass es sie noch gibt oder überhaupt jemals gegeben hat." Ich starre lange auf die Blumen auf Moms Grab und trinke. „Sie ist es, Mom" flüstere ich dann leise, und senke den Blick etwas. „Sie ist die richtige."
Ich zupfe ein bisschen Unkraut zwischen den Steinplatten raus und schmunzle. „Du würdest sie mögen, da bin ich mir sicher. Sie ist mindestens so energisch wie du. Wäre Maria nicht da, hätte sie die ganze Familie im Griff, und Leo wäre ihre Assistentin." Bei dem Gedanken an Leo seufze ich und schüttle leicht den Kopf. „Leo wird immer noch von diesen Träumen verfolgt" sage ich leise, und schlucke.
„Nur ich kann sie beruhigen. Mom, es tut manchmal so weh sie so zu sehen und zu wissen, dass es noch lange so sein wird. Musste das wirklich einer mittlerweile zehnjährigen zugeteilt werden? Wieso habe nicht ich diese Träume?" Ich exe den Becher und mische mir ein neues Getränk. „Weißt du, ich bin mir sicher, dass Leo bald auch immer mal hier auftauchen wird. Sie vermisst dich wirklich sehr."
Ich lächle leicht und nehme wieder einen Schluck. Langsam spüre ich, wie ich mich etwas besser fühle, und atme erleichtert auf. „Man sieht heute die Sterne" stelle ich lächelnd fest, als ich in den Himmel schaue. Mom hat immer gerne die Sterne gesehen, und ich glaube ich kenne niemanden, der so viele Sternschnuppen wie sie entdeckt hat. „Jetzt siehst du sie immer" murmle ich, und versuche glücklich darüber zu sein, dass Mom jetzt wenigstens immer die Sterne sehen kann. Ich glaube, das gefällt ihr sehr.
Eine Weile schweige ich lange und lausche den nächtlichen Geräuschen von LA, ehe ich meinen Blick wieder auf den Grabstein lenke. „Sie ist magersüchtig" flüstere ich, und schließe kurz die Augen. „Valy ist magersüchtig, und das schon zum zweiten Mal, und ich kann nichts dagegen tun. Mom, sie ist das Mädchen das ich liebe... ich will und kann nicht einfach so dabei zusehen, wie sie sich selbst zerstört. Ich will nicht zwei Gräber besuchen."
Eine kleine Träne löst sich aus meinem Augenwinkel bei dem Gedanken daran, ein weiteres Mal jemanden der mir wichtig ist an den Tod zu verlieren. „Sie ist noch so jung und hat das ganze Leben vor sich" murmle ich leise, und wische mir übers Gesicht. „Wir haben uns deswegen gestritten" sage ich dann leise, und schüttle den Kopf. „Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr nicht mehr glauben kann, wenn sie behauptet, alles unter Kontrolle zu haben und dass es ihr gut geht. Weil ich sehe was Anderes."
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„Wo warst du?" Sid sieht mich erleichtert an, doch ich sehe an der Panik in seinen Augen, dass etwas passiert ist. „Ich war bei Mom, was ist los?" antworte ich deshalb, und gleichzeitig kommt Joshua aus der Türe gestürmt. „Valy ist weg." Ich runzle die Stirn und schaue die beiden verwirrt an. „Wie, weg?" Sid streckt die Arme von sich und sieht sich um. „Na, weg weg! Sie ist nirgends in diesem Haus und ihr Zimmer sieht aus als wäre eine Bombe drin hochgegangen."
Das tut es immer, Sid.
Ich schlucke und seufze dann. „Sie kommt bestimmt bald wieder, vielleicht ist sie einfach spazieren gegangen oder so." Mein Versuch, Sid und Josh zu beruhigen klappt nicht, denn Sid schüttelt nur den Kopf und geht wieder rein. „Sie geht nie abends spazieren" murmelt Joshua, und ich lasse die Schultern hängen. „Reagiert sie auf irgendwelche Versuche einer Kontaktaufnahme?" Joshua schüttelt den Kopf und zeigt mir sein Handy. „Sie hat mich blockiert."
Ich weite die Augen und ziehe sofort mein eigenes Handy hervor um zu sehen, ob ich auch blockiert bin. Als tatsächlich weder ein Profilbild, noch ein Status auf WhatsApp erscheinen, lasse ich mein Handy wieder sinken. „Gut, sie ist nicht einfach mal spazieren gegangen" sage ich leise, und laufe auf das Haus zu. „Was hast du vor?" Ich zucke mit den Schultern und seufze. „Ich suche in ihrem Zimmer nach Hinweisen darauf, wo sie sein könnte" sage ich monoton, und betrete das Haus.
Der Rest der Gruppe hat sich im Wohnzimmer versammelt und schaut deprimiert in die Runde, und ich schlucke. Was, wenn Valerie wieder was passiert ist? Ich drehe mich vom Wohnzimmer weg und steige die Treppen hoch ins erste Stockwerk, wo ich direkt auf Valeries sperrangelweit geöffnete Türe treffe. Ihr Zimmer ist tatsächlich noch chaotischer als sowieso schon, was mich ehrlich gesagt überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass das machbar ist.
Die Schranktüre ist weit geöffnet und einige Kleider hängen raus, während andere auf dem Boden verteilt liegen. So ziemlich alle Schubladen in diesem Zimmer sind geöffnet und fast auseinandergenommen worden, und es sieht alles ziemlich danach aus, dass Valerie Hals über Kopf abgehauen ist. Langsam gehe ich bis in die Mitte des Zimmers und blicke mich dann nach irgendetwas um, was mir helfen könnte um Valy zu finden. In ihrem Zustand kann so eine Aktion wirklich scheisse enden, das sollte sie auch wissen. Vor allem sie.
Auf den ersten Blick erkenne ich nichts, was mir helfen könnte, bis mein Blick plötzlich an einem Brief auf Valy's Schreibtisch hängen bleibt. Schnell laufe ich darauf zu und erkenne sofort, welcher Brief das ist. „Nein bitte nicht" murmle ich langsam, während ich zwischen all den Zeilen eine Adresse suche. Valerie hat den Brief ganz bestimmt nicht ohne Grund wieder hervorgenommen, sie hasst ihn. Ich schlucke als ich ganz unten in der Ecke tatsächlich einige Kontaktdaten ausfindig machen kann, wie zum Beispiel eine E-Mail, eine Adresse und eine Telefonnummer.
Ganz klasse.
Sofort tippe ich die Adresse in mein Navi ein und stelle fest, dass man genau eine Viertelstunde zu Fuß braucht. Noch ein Grund, wieso Valerie dorthin gegangen sein könnte, denn sie ist zu Fuß weg – ihr Auto steht nämlich noch in der Auffahrt. „Sid?" rufe ich quer durchs Haus, und wenig später kommt der rote Haarschopf ins Zimmer gelaufen. „Hast du was?" Ich halte den Brief hoch und höre deutlich, wie Sid die Luft einzieht. „Du meinst, sie ist zu ihren Eltern?"
Ich zucke mit den Schultern und gebe Sid den Brief. „Es ist gut möglich. Wo sollte sie sonst hin? All ihre Freunde sind hier, und bis zu der Adresse braucht sie gerade mal fünfzehn Minuten zu Fuß. Da ihr Auto noch hier ist, gehe ich schwer davon aus, dass sie zu Fuß gegangen ist. Außerdem würde sie den Brief nie ohne triftigen Grund hervorholen, nicht nach ihrer Reaktion gestern. Ich kenne meine Freundin langsam."
Sidney sagt eine Weile nichts und nickt dann langsam. „Ich glaube du könntest Recht haben" murmelt er, und seufzt. „Denkst du sie lässt sich umstimmen?" Ich zucke mit den Schultern und schaue meinen besten Kumpel etwas frustriert an. „Ich weiss es nicht, Sid. Ich denke nicht, dass sie gerade mit jemandem von uns sprechen will. Vor allem nicht mit Josh, Jessie oder mir."
Sid schüttelt den Kopf und legt ihn dann in den Nacken. „Ich glaube schon, dass sie mit dir sprechen will" sagt er dann leise, und ich lache auf. „Sid, ich glaube nicht, dass sie das will." Mit einer hochgezogenen Augenbraue sieht Sid mich an und seufzt dann. „Gut, fahr mich hin. Ich kenne dieses Mädchen seit sie sieben ist." Ich nicke langsam und nicke dann mit dem Kopf zum Ausgang. „Komm, wir fahren. Je nachdem was gerade mit Valy los ist, braucht sie uns vielleicht."
Sidney nickt nur, und wir verlassen den Raum wieder. Ich stecke den Brief in meine Hosentasche und ziehe gleichzeitig meinen Autoschlüssel raus. „Wo geht ihr hin?" Joshua steht vor der Haustüre und mustert uns verwirrt. „Ich glaube ich weiss, wo Valy ist" sage ich langsam, und Joshua sieht mich erstaunt an. „Und was macht ihr jetzt?"
Sid sieht zu mir und seufzt dann. „Komm mit, dann siehst du es. Aber bleib im Auto, ich denke nicht, dass Valerie gerade mit dir sprechen möchte." Joshua runzelt die Stirn und schnappt sich seine Jacke. „Und was ist mit Silas? Immerhin hatten die beiden ja auch Streit." Sid nickt und öffnet die Türe. „Ja, aber er ist der einzige der gerade weiss wo genau es hingeht, also fährt er." Joshua nickt nur, und wir verlassen das Haus.
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„Alter, das nenne ich mal ein Haus" murmelt Sid, als wir vor dem grossen Anwesen halten. Valeries Eltern wohnen im noch reicheren Teil unseres Viertels, was man auch klar und deutlich sehen kann. „Wer wohnt hier?" fragt Joshua verwirrt, und ich schlucke. „Valeries Eltern." Wäre da der Sitz nicht, hätte Joshua mich wohl jetzt angesprungen.
„Du willst mir also beibringen, dass Valerie bei ihren Eltern ist? Valerie, die einen Anfall bekommen hat, als sie diesen verdammten Brief bekommen hat? Valerie, die..."
„...gerade nicht sich selbst ist und alles versucht um Bestätigung darin zu finden, dass sie zu dick ist und deshalb sogar eine Familie wechseln würde um den täglichen Konfrontationen zu entgehen von den Leuten, die wissen was mit ihr los ist? Ja, genau die Valerie meine ich."
Joshua sagt nichts mehr, und Sid pustet die Luft aus seinen Lungen raus. „Jetzt beruhigt euch. Ich klingle mal." Ehe Joshua oder ich noch was sagen können, ist Sidney schon ausgestiegen und knallt die Türe zu. „Ich kann mir das wirklich nicht vorstellen" murmelt Joshua leise, und ich seufze.
„Ich auch nicht, aber als ich den Brief auf ihrem Schreibtisch und das Zimmer gesehen habe, war mir alles klar. Zu Fuß braucht Valy nur fünfzehn Minuten, bis sie hier ist. Ihr Auto steht noch bei uns. Den Brief würde sie nur hervornehmen, wenn wirklich etwas damit sein sollte. Und wieso sollte sie alle Sachen zu Hause lassen, die sie auf der Straße benötigen könnte? Richtig, weil sie bei einer neuen Familie einzieht."
Sid läuft die vielen Treppenstufen bis zur Klingel hoch, klingelt und geht dann wieder etwas auf Abstand. „Ich schwör dir ich fress 'nen Besen, wenn die da wohnt" flüstert Joshua, und gleichzeitig öffnet sich die Türe. Als ich Sidneys Gesichtsausdruck sehe, ist mir eigentlich alles klar, und mein Herz rutscht mir in die Hose, ehe ich mich räuspere und zu Josh umdrehe.
„Habt ihr zufällig gerade einen Besen zu Hause oder soll ich noch einen kaufen gehen?"
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Soo hier nochmal Kapitel 64, habe gemerkt dass es irgendwie gelöscht wurde..?
Aber eben, nochmal die Frage: hat hier jemand einen Besen für Joshua? xD
- Xo, Zebisthoughts
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