Silas - Kapitel 54

„Leute es tut mir leid, aber unsere Eltern haben morgen ein wichtiges Essen mit wichtigen Leuten. Sie wollen, dass wir dabei sind."

Malik und Jay schauen uns verzweifelt an, und ich nicke. Sowohl Jays als auch Maliks Eltern sind ziemlich wichtige Leute, wodurch wir die beiden Jungs vorerst auch etwas verwirrt angeschaut haben, als sie sich mit normalen Leuten wie uns abgeben wollten. Noch schräger haben wir geschaut, als sie auf den Bikes daherkamen. Bis wir gecheckt haben, dass sie gar nicht so spießig sind wie ihre Eltern.

Ich klopfe Jay auf die Schulter und grinse. „Jungs, alles gut. Wir hatten ja alle keine Ahnung, dass sich unser Aufenthalt hier verlängern würde. Fahrt gut nach Hause, ihr wisst, die Rennen starten nach den Ferien wieder und da brauchen wir euch!" Jay und Malik grinsen breit und nicken. „Ihr könnt auf und zählen, wir machen euch noch die Spitzenpositionen streitig."

Malik zeigt auf Sid und mich, und Sid lacht. „Hättet ihr wohl gerne. Und jetzt haut schon ab und packt eure Sachen, ihr bekommt mein Auto." Malik sieht Sid mit großen Augen an. Sidneys Auto ist ihm hoch und heilig, bisher durften nur Josh und ich es einmal fahren. „Alter danke" ruft Jay, und sofort fangen die Jungs sich auf dem Weg in ihr Zimmer an darüber zu streiten, wer zuerst fahren darf.

Ich blicke ihnen nur kopfschüttelnd hinterher, dann schnappe ich mir meine Schlüssel. „Ich bin im Krankenhaus, will wer mit?" Nick, Sid und Josh heben die Hand. Hunter schüttelt den Kopf. „Sorry Jungs, aber ich treffe mich mit Celia." Ich hebe gespannt eine Augenbraue und lehne mich etwas vor.

„Celia also?" frage ich interessiert, und Hunter verdreht grinsend die Augen. „Ja, Celia. Wir wollen nochmal über alles sprechen." Sid klopft Hunter etwas zu fest auf den Rücken, und Hunter unterdrückt ein Husten. „Versaus nicht, noch ist Martin im Krankenhaus, aber er kommt auch mal wieder raus."

Hunter lacht und schlägt Sid auf die Hand, als er erneut klopfen will. Sid zieht sich beleidigt zurück und seufzt dann. „Wann kommen die Mädels eigentlich wieder?" Nick zuckt mit den Schultern und wirft einen schnellen Blick auf sein Handy. „Sie sind erst eine Stunde weg. Sie wollten noch was besorgen für Valy's Geburtstag."

Ich nicke und drehe mich dann. „Kommt ihr?"

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„Du siehst blass aus" murmelt Nick, als er Valerie sieht. Ich begrüße Martin mit einem Handschlag und setze mich dann auf einen Stuhl. „Ich habe nicht so gut geschlafen, mehr nicht. Mir geht es gut." Valy lächelt Nick an, der sie besorgt mustert. „Sicher?" hackt Sid nach, und Valerie nickt. „Sicher."

Mir entgeht nicht, dass Martin Valerie kurz verwirrt mustert, dann aber nichts sagt. Anscheinend lügt Valerie, und Martin weiß Bescheid. Sidney, Nick und Joshua fallen vielleicht auf Valerie rein, aber ich lasse mich nicht anlügen.

„Wieso seid ihr jetzt eigentlich in einem Zimmer?" Josh sieht Martin und Valerie an, die gerade dabei ist, sich aufzusetzen. „Ich bin nach den letzten Tagen nicht gerne alleine. Da ihr nicht hier übernachten dürft und ich nach so einem Erlebnis eher ungern mit einer fremden Person im gleichen Zimmer liege habe ich gefragt, ob Martin hier schlafen darf."

Ich nicke und schaue zu Martin, der den Blick auf sein Handy fokussiert hält. Anscheinend hat er gar nicht mitbekommen, was Valy gerade gesagt hat, denn er legt die Stirn in Falten und scheint eine etwas längere Nachricht zu lesen, jedenfalls scrollt er die ganze Zeit einen Text hoch.

„Silas?" ich drehe mich zu Valerie und merke, dass mich alle verwirrt ansehen. „Äh, ja?" „Was hältst du davon?" Ich runzle die Stirn. „Wovon?" Valerie schmunzelt und schaut Sid kurz an. „Wir wollen für Valeries Geburtstag eine ganz kleine Feier machen, da sie bis dahin vielleicht nicht ganz fit ist und nichts Großes will. Ich habe so an ungefähr fünfzehn Personen maximal gedacht, denkst du das bekommen wir hin?"

Ich nicke und grinse. „Wenn wir es hinbekommen eine ganze Villa mit Leuten zu füllen, ist sowas ein Kinderspiel." Sid hebt jubelnd die Hand, und wir schlagen alle ein. „Hey, vielleicht kann Martin ja auch kommen" schlägt Joshua plötzlich vor, und bei seinem Namen horcht Martin auf.

„Was ist mit mir?" fragt er, und ich zermartere mir aufs Neue das Hirn, was es sein mag, dass Martin so in seinen Bann zieht. „Denkst du du schaffst es nächste Woche an Valeries Geburtstag bei uns zu sein?" Martin sieht uns kurz etwas verwundert an, dann grinst er.

„Aber klar doch! Also natürlich nur, wenn ihr mich dabeihaben wollt." Martin sieht fragend in die Runde, und Valerie nickt wild. „Und ob. Außerdem ist es meine Feier, und ich lade dich hiermit herzlich ein." Martin lächelt und nickt dann.

„Ich werde da sein, versprochen."

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„Was verheimlicht ihr?"

Ich bin alleine mit Valerie und Martin, die anderen wollten unten was essen gehen. „Wie meinst du?" Valerie sieht mich fragend an, und ich sehe ihr an, dass sie nervös ist. „Wieso konntest du nicht schlafen? Ich glaube dir nicht, dass nichts war und du einfach so nicht einschlafen konntest. Nicht nach den letzten Tagen." Valy schluckt und seufzt. „Es ist aber so" murmelt sie, und wendet den Blick ab.

Das tut sie immer, wenn sie lügt.

„Valy du weißt dass du mir vertrauen kannst. Ich will doch nur für dich da sein, ich will dir helfen können aber das geht nicht wenn du mir nicht sagst was los ist. Ich kenne dich und ich sehe dir an, dass du lügst." Valerie schüttelt den Kopf und will zu einem Konter ansetzen, als Martin sich räuspert. „Sie hatte einen Alptraum."

Valerie sieht alarmiert zu Martin und will etwas sagen, als Martin die Hand hebt und sie so zum schweigen bringt. Dann spricht er weiter. „Deswegen bin ich auch hier und nicht mehr in meinem alten Zimmer. Ich habe sie schreien gehört und konnte sie davon abhalten, völlig durchzudrehen. Danach wollte ich sie nicht alleine lassen und habe nicht nachgegeben, bis die Ärzte mir ein Bett hingestellt haben."

Ich schlucke und schaue wieder zu Valerie, die mit ihren Fingern spielt. „Wieso wolltest du mir das nicht sagen?" frage ich leise, und lege meine Hände die von Valy. Sie schüttelt einfach nur den Kopf und sieht mich nicht an. „Ich weiß nicht. Ich schätze ich wollte alleine damit klarkommen oder so. Ich spreche nicht so gerne über meine Probleme aus Angst, andere damit zu nerven."

Ich seufze und drücke Valy einen Kuss auf den Kopf. „Hör auf so zu denken. Du hast das Recht dazu über deine Probleme zu sprechen, vor allem mit mir. Ich würde mich nie deswegen nerven, okay? Ich will schließlich für dich da sein. Und du kannst das hier nicht alleine verarbeiten. Du brauchst deine Freunde, vielleicht sogar professionelle Hilfe. Du bist nicht alleine und wirst es nie mehr sein, okay?"

Valerie nickt und lehnt ihren Kopf gegen meine Brust. „Danke" murmelt sie, und ich lächle. „Alles gut."

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„Ich versteh das nicht" murmelt Martin zum sicher fünften Mal, und starrt auf sein Handy.

Ich schaue ihn verwirrt an und hebe fragend eine Augenbraue. „Was denn?" Martin seufzt und hält mir sein Handy hin. „Celia trifft sich freiwillig mit Hunter" sagt er, während ich mir das Bild ansehe. Auf dem Bild sind klar und deutlich Celia und Hunter zu sehen, die lachend am Strand in die Kamera blicken. Ich lächle und gebe Martin sein Handy zurück.

„Ich denke, sie ist bereit Hunter eine weitere Chance zu geben. Er gibt sich wirklich Mühe und glaub mir, ich hatte anfangs auch so meine Zweifel. Aber Hunter ist ein guter Junge, er kümmert sich um das Wohl seiner Mitmenschen und versucht so gut er kann, ein guter und vor allem anderer Mensch zu sein. Ich glaube, er hat die Chance verdient."

Martin seufzt und lehnt sich im Bett zurück. „Ich weiß nicht. Immerhin hat er wirklich Mist gebaut damals, ich kann ihm das nicht einfach so verzeihen." Ich nicke und nehme einen Schluck von diesem grässlichen Automaten-Kaffee aus meinem Pappbecher.

„Ich kann dir nur Valy und Hunter als Beispiel geben. Er hat früher ihr Leben zerstört, und jetzt sind die beiden die besten Freunde. Sie hat ihm verziehen und ihm eine zweite Chance gegeben. Ich glaube, das solltest du auch tun. Ihr wart doch gute Freunde, oder?"

Martin nickt und seufzt. „Scheisse Alter du solltest anfangen Motivationsreden zu schreiben und dann zu verkaufen. Du hast echt Talent." Ich lache und zucke mit den Schultern. „Mal sehen, vielleicht mach ich's ja." Martin lacht ebenfalls, dann nickt er zu Valerie rüber, die tief und fest schläft.

„Du magst sie wirklich, hm?" Ich lächle und nicke. „Ja, das tue ich. Ich wüsste nicht wie ich die letzten Wochen ohne dieses verrückte Mädchen ausgehalten hätte." Martin lächelt und sieht mich wieder an. „Sie liebt dich, Silas. Ich sehe das. Und du liebst sie." Ich schmunzle und trinke einen weiteren Schluck, bei dem ich das Gesicht verziehe.

Wieso genau habe ich mir nochmal einen Kaffee aus dem Automaten geholt?

„Ja... ich liebe sie. Auch wenn sie es nicht weiß, sie hat irgendwie mein Leben etwas verändert. Ich habe jetzt neben meiner Schwester eine Person in meinem Leben für die es sich lohnt zu kämpfen und jeden Tag hinter mich zu bringen." Martin sieht mich ernst an. „Was ist denn passiert, dass du sowas ernstes von dir gibst?" Ich schlucke und fixiere ein Bild an der Wand.

„Ich habe vor ein paar Jahren meine Mutter verloren. Für Dad, Leona und mich war sie alles in unserem Leben. Sie war immer für alle da und hat uns zusammengehalten. Ich kam nie darauf klar, dass sie einfach weg sein sollte. So als wäre sie nie da gewesen. Sie ist die wunderbarste Frau die ich jemals kennengelernt habe und ich wüsste nicht, was ich jemals ohne sie getan hätte. Sie zu verlieren hat mein Leben so derartig verändert, dass jeder eine Weile die Hoffnung in mich aufgegeben hat. Ich war kalt, skrupellos, gemein. Ich habe Mädchen verletzt, Beziehungen zerstört und Menschen verachtet. Alle hatten Angst und Respekt vor mir. Sogar Sid hatte Mühe, an mich ranzukommen, und oft habe ich ihn mit Gewalt von mir gestoßen, so wie jeden anderen auch. Es hat mich ein ganzes Jahr gekostet, bis ich endlich an das Grab meiner Mutter bin. Zu wissen, dass sie nicht mehr lebt, dass sie unter der Erde liegt – es hat mir das Herz gebrochen."

Martin sieht mich nachdenklich an und nickt langsam. „Ich glaube ich kann dich ziemlich gut verstehen." Ich blinzle und lache bitter. „Niemand hat gemerkt wie es ihr wirklich ging. Dass sie abends leise geweint hat, hat keiner realisiert, nicht mal Dad. Ihr Lächeln schien immer so echt und überzeugend, es war ansteckend. Wenn sie scheinbar glücklich war, waren alle um sie herum es auch. Tagsüber war sie scheinbar immer so gut drauf. So als könnte nichts und niemand in der Welt sie verletzen. Wir dachten alle es ginge ihr gut und dass sie ein aufgestellter Mensch sei, während in ihrem Kopf das reinste Chaos herrschte und sie oftmals nicht mehr weiterwusste. Keiner wusste was davon, bis sie es uns allen gezeigt hat."

Martin sieht mich lange an, und ich kann förmlich sehen, wie er langsam alle Puzzleteile zusammensetzt. „Selbstmord?" fragt er dann mit leiser aber fester Stimme, und ich seufze. Ich nehme wieder einen Schluck und werfe den leeren Becher dann in den Müll. Frustriert lehne ich mich wieder an die Wand und schließe die Augen, während ich langsam nicke.

„Selbstmord."

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So, das ist glaube ich ein ziemlich grosses Stück von Silas' Vergangenheit, welches nie wirklich ausgesprochen wurde. Ich hoffe, es gefällt euch :)

- Xo, Zebisthoughts

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