Nathan - Kapitel 66

Valerie.

Die blondbraunen Haare und diese blauen Augen haben sich in der Sekunde in mein Hirn gebrannt, in der ich Valerie im Flur gesehen habe. Und jetzt stellt sich heraus, dass sie wohl von zu Hause abgehauen ist und hier wohnt, jedenfalls würde das die komische Fragerei ihrer Freunde eben erklären. Ich schliesse langsam die Türe hinter mir und befinde mich in meinem Zimmer, in dem ich mich etwas neben der Spur umschaue.

Ich habe gerade meine Halbschwester kennengelernt.

Ich muss zugeben, sie sieht Mom unglaublich ähnlich. Ich hätte wohl auch auf offener Straße erkannt, dass sie verwandt sein muss mit meiner Mutter. Ich lasse mich seufzend auf meinem grossen Bett nieder und starre dann an meine Decke, während ich mir den Kopf darüber zerbreche, wie unser Verhältnis wohl sein wird.

Ich kann nicht wirklich schnell eine Vertrauensbasis aufbauen, und lasse Leute nur sehr ungerne wirklich an mich ran. Ich weiss nicht, wer Valerie überhaupt ist, was sie so tut und ob man ihr vertrauen kann. Im Grunde weiss ich nur, dass sie meine Halbschwester ist und bisher bei ihrer Tante und deren Sohn gewohnt hat. Und dass sie mindestens zwei Freunde hat, denn der dritte Junge im Auto habe ich von Fotos als Joshua identifiziert.

Den Rotschopf, der die Fragen gestellt hat kenne ich nur flüchtig aus der Schule, und auch der Junge mit den schwarzen Haaren und diesem überaus auffälligen Piercing in der Augenbraue kommt mir nur flüchtig bekannt vor. Er geht in meine Parallelklasse und heisst Silas, der rothaarige ist unter „Sid" bekannt. Ich gehe davon aus, sein voller Name sollte Sidney oder so lauten.

Ich habe von vielen Leuten gehört, dass er ein ziemlicher Spaßvogel sein soll, und zwei Freunde von mir kennen ihn sogar etwas enger. Ich schmunzle als ich daran denke, wie Hunter den Rotschopf auf dem Flur angesprochen hat, nachdem Silas ihm am Abend zuvor in einer Bar geraten hat, Sid besser mal kennenzulernen. Nick kannte ihn schon etwas länger, wie lange weiss ich aber nicht genau.

Ich rapple mich ächzend wieder auf und drehe meinen Kopf langsam hin und her, um zu sehen, ob sich mein Zimmer immer noch etwas dreht, oder ob auch der Restalkohol meinen Körper verlassen hat. Die Party war wirklich der Hammer, bis es dann zwischen zwei aus meiner Stufe zu dramatisch wurde und ich mich verpisst habe.

Ich hasse Konflikte, Probleme, Liebesdramen – alles, was keinen Spaß macht eben. Und ich kann nicht gut mit Gefühlen umgehen, weshalb ich mich sowieso aus allem raushalte. Ich verspüre nicht wirklich viel, wenn ein Mädchen von ihrem Freund hintergangen wird oder umgekehrt. Es interessiert mich einfach nicht.

Ich habe nicht viele Freunde, und noch viel weniger kennen mich wirklich. Und eine meiner Freunde ist sozusagen meine F+. Sie ist nicht das einzige Mädchen, mit dem ich schlafe – aber das einzige, mit dem ich es wieder und immer wieder widerhole. Eigentlich können wir uns nicht wirklich ausstehen. Wir streiten nur, außer wir sind im Bett. Ich glaube, Aleyna sucht einfach Ablenkung, und das tue ich im Grunde genommen ja auch. Ich suche Ablenkung, um nicht ständig an meinen Dad erinnert zu werden.

Ich stehe langsam auf und streife mir mein Shirt über den Kopf, während ich mir eine Jogginghose von meinem Stuhl schnappe. Sofort fühle ich mich entspannter, als ich nicht mehr die Jeans, sondern meine heiß geliebte Jogginghose trage, und mit einem kleinen Lächeln lege ich mich wieder in mein Bett. Ich schaue nur kurz auf die Nachrichten meiner Freunde und seufze, als ich sehe, dass ich einen kleinen Spam von Aleyna erhalten habe.

Aleyna: Nathan Scott. Du kannst nicht einfach so abhauen, ich wollte noch mit dir reden, das weißt du!

Ja... ist mir aber egal.

Aleyna: Außerdem war das ziemlich mies, was du mit Liv gemacht hast. Du weißt, dass sie dachte, da wäre was zwischen euch.

Erneut verdrehe ich die Augen und seufze frustriert aus, als ich den Namen von Liv lese. Ich habe ihr von Anfang an klargemacht, dass es nur auf Sex hinauslaufen wird, mehr nicht. Ich bin kein Beziehungsmensch, und auf Dramen wie Eifersucht und so kann ich wirklich verzichten. Dass sie sich doch Hoffnungen macht, ist nun wirklich nicht meine Schuld.

Aleyna: Wir sprechen die nächsten Tage noch zusammen, das schwör ich dir.

...oder auch nicht...

Aleyna: Und ich meine wirklich sprechen ;)

Klar doch, ich auch. Ich überlege, ob ich Aleyna einfach ignorieren soll, will dann aber doch nicht so sein. Also fange ich müde an, eine Antwort zu verfassen.

Nate: Aly, ich kann sehr wohl einfach gehen, wenn ich will. Das ist mein gutes Recht, solltest du wo Jura studieren will doch wissen ;) Und das mit Liv interessiert mich nicht, was dich ja wirklich nicht überraschen sollte. Ich war so nett und habe sie schon am Anfang vorgewarnt, dass ich keine Beziehung führen werde und es nur eine Nacht ist. Ich kann nichts dafür, dass die Kleine ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat. Und jetzt lass mich schlafen, wir... sprechen uns ja noch ;)

Ich erhalte nur einen Emoji, der die Augen verdreht als Antwort und lege grinsend mein Handy weg. Aleyna weiss genauso gut wie ich, dass es sehr wohl mehr als nur sprechen sein wird. Müde suche ich eine bequeme Position, mache das Licht aus und schlafe augenblicklich ein.

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„Nathan Scott! Du holst jetzt sofort deine Wäsche."

Die Stimme meiner Mutter hallt in meinem Hirn wieder, und ich knurre frustriert, als ich langsam die Augen öffne. „Ich komm gleich" murre ich nur, und höre ein übertriebenes Seufzen, ehe sich meine Mutter wieder aus meinem Zimmer entfernt. Langsam richte ich mich auf und blinzle ein paar Mal, um eine klare Sicht zu erhalten.

Ein Blick auf die Uhr bringt mich dazu, kurz darüber nachzudenken, einfach wieder weiterzuschlafen und meine von Mom organisierte Hinrichtung zu riskieren, doch dann stehe ich müde auf. Es ist gerade mal viertel nach Zehn, aber wenn ich sowieso schon wach bin, kann ich mir ja auch gleich einen Eindruck von Valerie verschaffen.

Ich schnappe mir einen Pulli und ziehe ihn mir etwas schwankend über, ehe ich mir kurz durch die Haare fahre und dann mein Zimmer langsam verlasse. Valeries Zimmertüre ist etwas geöffnet, was darauf hindeutet, dass sie schon wach ist. Schulterzuckend gehe ich die Treppe runter und stelle fest, dass Valerie wirklich schon wach ist. Ziemlich verloren steht sie unten im Flur und betrachtet unsere Einrichtung so genau, dass ich ihr fast eine Lupe in die Hand gedrückt hätte.

„Suchst du was?" frage ich einfach, und scheine Valerie damit ziemlich zu erschrecken. Mit einem schockierten Gesichtsausdruck dreht sie sich schnell zu mir um und scheint kurz darüber nachzudenken, wer ich gleich nochmal bin. Dann räuspert sie sich und stellt sich etwas gerader hin. „Ja, ähm – de Küche" murmelt sie schüchtern, und ich nicke. „Geh weiter den Flur entlang, zweite Tür rechts" sage ich, und zeige in die Richtung unserer Küche.

Valerie nickt, bedankt sich und lächelt zaghaft, was ich mit einem Nicken quittiere, ehe ich die Türe zum Waschraum öffne. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Valerie mich eine Weile lang mustert, und schmunzle leicht. „Nate Jo neunzehn" sage ich dann, und ernte einen verwirrten Blick von Valerie. „Ist mein Instaname. Dachte, wenn du mich so anstarrst halten Fotos noch etwas länger, und dabei kommt sich keiner von uns komisch vor."

Val läuft rot an, und ihr Mundwinkel zuckt etwas. „Tut mir leid" sagt sie dann leise, und ich schüttle nur den Kopf. „Schon gut, und jetzt geh was essen. Ich höre deinen Magen bis hierher." Irgendwas auf Valeries Gesichtsausdruck ändert sich, als ich erwähne, dass sie was essen soll, doch ich kann es nicht deuten. Vielleicht frühstückt sie nicht gerne? Mit einem bloßen Nicken dreht Valerie sich um und verschwindet mit schnellen Schritten in der Küche.

Ich schaue ihr verwirrt nach, schüttle dann bloß den Kopf und betrete die Waschküche. Hier sieht es mehr oder weniger aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, und zwischen all der dreckigen Wäsche kann ich einen kleinen Stapel gefalteter Kleider ausmachen, die von mir stammen. Schnell schnappe ich mir den Stapel, mache das Licht aus und verschwinde wieder aus diesem Chaos.

Ich laufe wieder hoch in mein Zimmer um die Kleider auf meinem Stuhl zu platzieren, mit dem festen Vorsatz, sie später aufzuräumen. Gleich danach frage ich mich, wen ich hier eigentlich verarschen will – ich werde diese Kleider frühestens in fünf Tagen vielleicht mal aufräumen.

Mit einem lauten Magenknurren verlasse ich das Zimmer wieder und mache mich auf den Weg in unsere Küche. Dort entdecke ich Valerie, die vor dem Herd steht, und ziemlich offensichtlich Pancakes macht. Sie dreht sich leicht zu mir um als sie mich sieht, und ich ignoriere ihren fragenden Blick, während ich mich hinsetze. „Gut, da du wohl nicht der Beste darin bist, Gesichter zu lesen – willst du auch was?"

Mein Blick hebt sich wieder, und ich sehe eine amüsierte Valerie vor mir stehen. „Gerne" antworte ich nur knapp, und Val dreht sich wieder um. Warum eigentlich Val? Ist das überhaupt einer ihrer Spitznamen? „Du scheinst kein Morgenmensch zu sein" stellt Valerie mit einem kleinen Blick zu mir fest, und stapelt fünf Pancakes auf einen Teller, den sie mir dann reicht. „Ich bin nicht nur kein Morgenmensch", fange ich an, und bedanke mich kurz, „sondern auch sonst nicht der Gesprächigste. Ich hab's nicht so mit Gefühlen."

Valerie nickt nur und setzt sich dann gegenüber von mir hin. Auf ihrem Teller befinden sich nur zwei Pancakes, was ich mit einem Blick auf ihre ziemlich dünne Figur als ziemlich verwirrend empfinde. „Keinen Hunger?" Ich nicke auf Valeries Teller, und sie schüttelt den Kopf. „Ich habe nie sonderlichen Hunger" murmelt sie nur, und nimmt einen wirklich minimalen Biss ihres Pancakes.

„Wie lange schon?" frage ich einfach weiter, da mir gerade so einiges klar wird. „Was?" Valerie sieht mich verwirrt an, und ich seufze. „Mom war auch mal magersüchtig. Also, wie lange schon?" Valerie mustert mich mit grossen Augen und lässt ihre Gabel sinken.

„Ich bin..."

„... nicht magersüchtig?"

Valerie sieht mich lange an, dann schüttelt sie den Kopf. „So sollte der eigentliche Satz lauten, ja. Aber ich weiss es nicht." Ich nicke nur und nehme einen weiteren Bissen. „Dafür weiss ich es" sage ich leise, und ernte einen verwirrten Blick von Valerie. „Weißt du, ich mag nicht der Gesprächigste der Welt sein. Aber ich erkenne es, wenn jemand an etwas leidet. Da du das gleiche Muster wie Mom zeigst, was ich schon nach einem Morgen erkannt habe, ist mir ziemlich klar, dass du dich nur selbst belügst. Aber das ist nur meine Meinung. Ich werde dich nicht zu irgendwelchen Therapeuten und Kliniken zerren, nur damit du's weißt."

Eine Weile lang sieht Valerie mich erstaunt aus grossen Augen an, ehe sie langsam nickt. „Das weiss ich ziemlich zu schätzen" murmelt sie, und schluckt. „Danke."

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Sooo, na wer hätte ein Kapitel aus Nate's POV erwartet? ;)

Jetzt die grosse Ankündigung, von der ich schon letzte Woche gesprochen habe:

Ihr habt in diesem Kapitel zwei Leute kennengelernt. Einmal Nathan Scott (Oder auch einfach Nate); und einmal Aleyna Black. Zuerst wollte ich eigentlich nach dieser Geschichte eine komplett neue Story anfangen, aber irgendwie... jetzt nicht mehr ;)

Wie ihr bestimmt mitbekommen habt, hat auch Nate so einiges durchgemacht, und ich habe mich dazu entschieden, dass man daraus gutes Material finden kann für eine weitere Geschichte.

Also: Ja, ich werde nach diesem Buch ein neues Buch schreiben, in dem es sich um Aleyna und Nathan handelt :3 Ihr werdet die beiden genau kennenlernen und sie auf ihrem Weg begleiten, der alles andere als leicht ist. Glaubt mir, diese Geschichte wird schon heftig aber das... das wird alles toppen, was ich bisher geschrieben habe. Ein gewisses Grundgerüst habe ich in meinem Kopf nämlich schon, und ich komme selbst noch nicht so ganz darauf klar xD

Ich hoffe ihr freut euch, ich tue es jedenfalls extremst <3

- Xo, Zebisthoughts

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