Mat
Es ist alles blau und grün, gelb und rot, pink und lila. Die Farben flackern durch den Raum und über meine tanzenden und saufenden Mitschüler- zumindest hoffe ich, das die Farben von irgendwo herkommen und nicht dem neuen Wunderzeug zu verdanken sind, welches Leigh Wests Dealer ihm vor dem Haus der jetzigen Party vertickert hat und dem ich es irgendwie geschafft habe auch etwas abzuschwatzen. Ich habe zwar meinen eigenen Vorrat an Wunderzeug dabei- und das in einer Menge die nicht mehr dem offiziellen Eigenbedarf entspricht-, doch ich war sowieso auf der Suche nach etwas Neuem. Und bei Gott- wenn dieses Zeug mich diese Farben sehen lässt, dann brauche ich unbedingt mehr davon.
„Jo Mattie, hast du Stoff für mich?", brüllt mich jemand an und ich nehme es erst gar nicht war, weil ich beschäftigt damit bin Glückshormone in meine Umwelt zu schütten und mich in Wellenbewegungen durch den Raum zu bewegen. So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr.
„Nenn mich noch mal Mattie und ich schieb dir den Stoff so tief in deinen Anus, dass du ihn schon wieder auf der Zunge schmecken kannst", erwidere ich grimmig, weil nie jemand etwas anderes on mir will. Ich brauche neuen Stoff hier, ich brauche neuen Stoff da. Nirgendwo hat man Ruhe vor diesen Süchtigen.
„Also das wäre doch n' Erfahrung wert", erwidert der Kerl und grinst mich an. Ich verziehe nur das Gesicht und versuche den Typen hinter all den Farben genauer zu erkennen. Er geht in meine Parallelklasse, so viel ist sicher. Sein Gesicht sagt mir auch irgendwas, aber es ist so langweilig, dass mir der dazugehörige Name partout nicht einfallen will.
„Sonst noch irgendwelche kranken Verhaltensweisen von dir, von denen ich wissen müsste, bevor ich dir den Stoff gebe?", frage ich, um meinem Gehirn Zeit zu geben, um doch noch auf den Namen meines Gegenübers zu kommen. Der komische dürre Kerl mit dem schwarz gefärbten Pferdeschwanz auf dem Rücken grinst nur.
„Keine die für die Übergabe von deinem Wunderzeug erheblich wären. Aber ich erzähle dir trotzdem gerne davon, wenn du unbedingt willst, Mattie", der Kerl grinst wieder so komisch, während in dem Lichtpunkt seiner dunklen Augen all die Farben aufblitzen, die um mich herum schwirren.
„Flirtest du gerade mit mir?", entgleitet es meinen Lippen bevor ich in der Lage bin es aufzuhalten. Fuck. Ich würde mir am Liebsten mitten ins Gesicht schlagen und im Erdboden versinken. Doch der Kerl, dessen Namen mir immer noch nicht einfallen will, grinst nur amüsiert weiter.
„Kann sein, für guten Stoff bin ich bereit einiges zu tun. Aber ich gebe zu, dass du verdammt süß aussiehst, wenn du stoned bist", der Typ grinst und zieht seinen Pferdeschwanz fester. Und der soll mir bisher nicht aufgefallen sein? Auf einmal wirkt er um Ellen interessanter als jeder andere in diesem Raum, dem ich bisher Stoff verkauft habe. Sogar interessanter als Cecil Holister, die letzte Woche am Boden zerstört auf mich zu kam- aber ich muss zugeben dass ich trotzdem sehr gespannt darauf bin, ob das unser letztes Zusammentreffen war.
„Lass uns raus gehen", erwidere ich nur, weil ich mit Flirten schon immer überfordert war. Ganz besonders unter riesigen Menschenmengen und den ganzen Farben, die mich plötzlich anstarren, als ob ich es dringend nötig hätte auf diesen Flirt einzugehen. Ich sehe erst das pinke Flackerlicht an, dann schaue ich über meinen Rücken und erblicke ihn sofort. Leigh West steht irgendwo an der Seite der Menschenmenge und bewegt sich ähnlich wellenartig wie ich gerade. Ich muss grinsen.
Und als ich es dann endlich schaffe meinen Blick von Leigh abzuwenden, greife ich nach dem Ärmel von der Lederjacke des Parallelklassen-Typen und ziehe ihn aus der Menge nach draußen. Wir bleiben letztendlich irgendwo in dem Vorgarten des Mädchens stehen, die diese Hausparty hier schmeißt. Ich kenne ehrlich gesagt auch ihren Namen nicht, aber was ich weiß ist, dass sie in einer Clique mit Cecil Holister ist und alleine das reicht schon.
„Was willst du?", frage ich etwas grimmig, weil ich jetzt wo ich nicht mehr unter den jubelnden und tanzenden Menschen bin, die Wellenbewegungen nicht mehr fühle. Auch die Farben verblassen nun und die kalte Luft draußen ist wie ein Schlag ins Gesicht.
„Ich will vieles, aber wir könnten damit anfangen, dass du mir etwas von deinem besten Stoff verkaufst", sagt mein Gegenüber und mir fällt auf wie komisch ich es finde, dass er dunkel gefärbte Haare hat und eine Lederjacke trägt. Vielleicht würde ich ihn ohne ja sogar erkennen.
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, dann hole ich ein kleines Päckchen aus meiner Hosentasche und wedele damit vor seinen Augen herum. „Fünfzig Piepen und das Wunderzeug gehört dir."
„Willst du mich verscheißern? Das letzte Mal habe ich fast die Hälfte davon gezahlt."
„Das ist mein Partypreis und glaub mir, ich habe es nicht nötig mir diese willst-du-mich-verarschen-Scheiße jedes Mal anzutun."
„Okay, okay. Alles cool, Mann", sagt Pferdeschwanz und hebt einen Arm zur Verteidigung, während er mit der anderen in seiner Hosentasche nach seinem Geldbeutel kramt. Es dauert nicht lange, da drückt er mir auch schon einen Schein in die Hand und wir tauschen Kröten gegen Wunderzeug.
„Willst du das jetzt nehmen?", frage ich Pferdeschwanz, der noch von seinem Alkoholpegel hin und wieder vor Kopfschmerzen das Gesicht verzieht. Ich würde nur ungern den Tod eines Mitschülers verschulden, dessen Namen mir nicht einmal bekannt ist. „Du weißt sicher, dass Alkohol und Wunderzeug zusammen nicht so gut harmonieren."
Pferdeschwanz lacht. „Harmonieren? Ich glaube ich habe noch nie jemanden unter fünfzig dieses Wort sagen hören. Aber lieb, dass du dir Sorgen machst." Und dann tritt er noch einen Schritt auf mich zu. Wir sind uns jetzt genauso nahe wie eben auf der Tanzfläche, nur mit dem Unterschied, dass er von sich selbst auf mich zukommt und nicht, weil die Menschenkonstruktion es so verlangt. „Ich finde wir könnten jetzt zu anderen Dingen übergehen, die ich will."
Ich schlucke. Das ist schneller ausgeartet, als ich erwartet habe. „Wir...du- was?", stelle ich mich dumm, bekomme so jedoch keinen einzigen Zentimeter Abstand mehr zwischen uns, weil Pferdeschwanz für jeden Schritt den ich nach hinten mache einen nach vorne macht.
„Du hast genau verstanden, was ich gesagt habe", knurrt mein Gegenüber, allerdings keines Weges aggressiv. Zumindest glaube ich, dass er es nicht ist, aber neben den Farben, die plötzlich wieder auftauchen, ist das schwer zu sagen.
Doch bevor ich noch irgendwas Unbeholfenes von mir geben kann, hat Pferdschwanz seine Lippen bereits auf meine gedrückt und beginnt sie etwas aus dem Takt darauf zu bewegen. Ich bin nicht sicher ob es daran liegt, dass er besoffen ist oder daran, dass er nicht sonderlich viel Erfahrung mit Kontakt dieser Art hat, doch ich erwidere den Kuss trotzdem. Es dauert eine Weile, bis unsere Lippen sich miteinander zurechtfinden, dann fühle ich wieder die Glückshormone und mir ist, als würden mir die Farben um mich herum zujubeln. Scheint so, als wären sie der Meinung, dass ich viel zu lange aus der Ferne beobachtet habe und jetzt auch mal ein bisschen Kontakt gebrauchen kann.
Pferdeschwanz legt seine Hände auf meine Hüfte und ich lege meine Hände auf seinen Rücken. Ich bin nicht sicher, wie lange wir in dieser Position verharren, doch ich weiß jetzt, dass jemanden zu Küssen einen positiven Effekt auf das Highsein hat. Vielleicht sollte ich öfters aus mir herauskommen und einen Unbekannten küssen. Trotzdem ist es mir zu viel, als Pferdeschwanz' Hände von meiner Taille abwärts wandern.
„Okay, das reicht", schnaufe ich, als ich mich aus unserem Kuss löse und Parallelklassen-Typ von mir schiebe. Er sieht mich verwirrt an, als wolle er ausmachen woran es liegt, dass ich einen Rückzieher mache. Doch so bin ich einfach; ich drücke mich vor allem. Veränderung macht mir Angst und ich kann damit nicht umgehen. Also laufe ich, ohne mich zu verabschieden, in die Dunkelheit davon, damit ich Pferdeschwanz keine unangenehmen Fragen beantworten muss. Er läuft mir nicht hinterher. Und das ist gut so.
Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und gehe auf Kontakte. Grimmig scrolle ich bis nach ganz unten, meinen vorletzten Kontakt. Sillieralsdu. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir Freunde sind. Wenn ich ehrlich bin weiß ich auch nicht, ob ich überhaupt Freunde habe, doch es dauert trotzdem kaum ein paar Sekunden, da habe ich schon auf den grünen Hörer gedrückt.
„Hallöle, wie du siehst niemand da. Aber du weißt hoffentlich wen du angerufen hast. Keine Ahnung was ich gerade treibe und wieso ich mein Handy nicht dabei habe- Himmel hoffentlich hat Mr. Link es nicht einkassiert; das würde ich ihm auf Ewig vorwerfen. Na ja, wie auch immer. Heul dich aus nach dem Pieeep."
„Scheiß Mailbox", entgleitet es mir und ich trete aufgebracht gegen das große Eingangstor, als ich das Grundstück verlasse. Es kommt nur sehr sehr sehr selten vor, dass Silvia ihr Handy mal nicht dabei hat. Ich werfe also einen Blick auf die Uhr. Kurz nach eins. Für mein Gefühl hat die Nacht gerade erst angefangen, aber ich habe keine Ahnung wie das bei Silvia so ist. Abends sehe ich sie eigentlich nie. Nur in der Schule oder bei schulischen Veranstaltungen.
Mathwalker: ejjjj hallo
Mathwalker: hallo
Mathwalker: ist da jemand?
Mathwalker: komm schon silly...
Mathwalker: also ich finde, dass kurz nach eins wohl eine noch ganz passable Uhrzeit ist um für einen Freund da zu sein
Mathwalker: hallo
Mathwalker: ErDe aN siLlY
Ich verlasse die Nachrichtenapp, als Silvia mir auch nach fünf Minuten immer noch nicht antwortet. Sie wird doch wohl nicht an einem verdammten Freitag schon so früh schlafen- oder? Ich schwanke dazwischen Silvia noch zehn Mal anzurufen, damit sie endlich drangeht und mein Handy frustriert irgendwo hinzuwerfen. Doch bevor ich mich entscheiden kann, trifft bereits eine neue Nachricht ein, dann die nächste.
Sillieralsdu: von wegen passabel. DU hast mich gewckt du depp!!
Sillieralsdu: und seit wann sind wir Freunde
Sillieralsdu: jetzt antworte
Sillieralsdu: ich will für dcih hoffen dass di mich nicht umsonst aus meinem schönhietssschlaf geweckt hats
Mathwalker: du schreibst ja besser als ich wenn ich high bin
Mathwalker: außerdem was für eine schönheit?
Sillieralsdu: hajhahsha
Sillieralsdu: fick dich
Mathwalker: ich weiß ich bin urkomisch. Ich komme jetzt bei dir vorbei
Sillieralsdu: du weißt nicht einmal wo ich wohne
Mathwalker: und wie. in der dritten klasse war ich mal auf deinem Geburtstag eingeladen
Sillieralsdu: echt?
Sillieralsdu: wow
Sillieralsdu: und ich daahcte schon ich habe endlich den beweiss dafür gefunden dass du n stalker bist
Sillieralsdu: beeil dich sonst friere ichmri drausen den arsch ab
Mathwalker: nicht in dem tin meine liebe
Sillieralsdu: weniger schreiben mehr laufen
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