22 - Nathan - Ethan Black

„Wieso sind die Typen aufgekreuzt?"

Caine läuft im Zimmer umher und sieht mich verwirrt an. „Na, weil wir immer noch etwas haben, was Javier will. Wir müssen viel besser aufpassen. Das hätte nicht passieren dürfen." Caine seufzt und setzt sich dann auf das Sofa. „Wir müssen Ethan miteinbeziehen" sagt er dann langsam, und ich hebe eine Augenbraue. „Ethan? Ist das nicht Aleyna's Zwilling?" Caine nickt und holt sein Handy hervor. „Die beiden stecken tiefer drin als dass uns oder Aleyna es bewusst ist. Nur Ethan weiss davon."

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und richte mich etwas auf. „Caine, sprich deutlicher. Wieso stecken die Black-Zwillinge tiefer drin als dass wir denken?" Caine lässt sein Handy wieder sinken, richtet sich etwas auf und sieht zu mir. „Du sagst das keinem, verstanden?" Ich nicke noch verwirrter und richte mich ebenfalls auf. „Der Vater der Beiden hieß Jonathan Black. Sagt dir das was?"

Tatsächlich schrillt irgendwo in meinem Kopf eine kleine Alarmglocke bei dem Namen, und meine Zahnräder im Hirn setzen sich in Bewegung. Ich komme immer auf die gleiche Antwort, aber das kann nicht sein. Deswegen schüttle ich den Kopf und schaue Caine an. „Das kann nicht sein" murmle ich, und schlucke.

„Jonathan Black, einer der größten Dealer von LA, Mitglied der Mafia in Seattle. Bester Kumpel meines Vaters und grosser Geschäftspartner." Ich schaue zu Caine, der bei jedem Wort etwas breiter grinst. „Ich glaube, das kann sehr wohl sein."

Meine Augen müssen für eine kurze Zeit auf Untertassengrösse gewachsen sein, denn Caine sieht mich belustigt an. „Er hat Ethan, seinen ältesten Sohn, als seinen Nachfolger auserkoren, bevor er gestorben ist. Momentan übernimmt die Mafia in Seattle seine Geschäfte, da Ethan noch nicht angenommen hat. Aber er weiss, wie alles funktioniert. Er hält sich einfach nur raus, aber dieser Junge könnte viel Macht an sich ziehen, wenn er anfängt, im illegalen Geschäft mitzumischen. Sehr viel sogar." Ich lasse mich fassungslos in den Sitz zurückfallen. „Weiss Aleyna das?" Caine schüttelt den Kopf.

„Nein, sie weiss nichts davon. Eigentlich bin ich damit beauftragt dafür zu sorgen, dass sie auch nichts erfährt, aber manchmal kommt es anders als gedacht. Ethan wird bald hier sein, wir müssen ihn einfach darum bitten uns zu unterstützen. Ich glaube nämlich, dass Ramírez' Angriffe etwas mit Jonathan zu tun haben, sonst wäre er nicht so fokussiert auf seine Tochter. Nicht wirklich überraschend hatten Javier und Jonathan nicht wirklich das beste Band, und ich glaube, dass das, was Javier will, bei Jonathan im Grab liegt."

Ich nicke nur überwältigt von all den Informationen und seufze. „Und du denkst er wird einfach so mitmachen, wenn er bisher alles was damit zu tun hat vermieden hat?" Caine zuckt mit den Schultern und kaut kurz auf seiner Lippe rum.

„Er wird wohl mitmachen, wenn-"

„Wenn was?"

Wir drehen uns gleichzeitig zu der Stimme um, und entdecken gleichzeitig niemand anderes als Ethan Black im Türrahmen. Dieser sieht uns auffordernd an, und ich nicke zu Caine. „Ja, wenn was?" Caine seufzt und fährt sich durch die Haare. „Wenn das Leben seiner Schwester auf dem Spiel steht."

--

„Ich könnte euch beide köpfen" murmelt Ethan, und spielt mit einem Kuli zwischen seinen Fingern. Ich zucke nur mit den Schultern und starre den Blauäugigen direkt an. „Dafür, dass ich sie vor einem sexuellen Übergriff geschützt habe?" Ethan sieht zu mir und hebt eine Augenbraue. „Nein, dafür, dass du sonst so ein Idiot bist."

Ich hebe kurz beide Augenbrauen und muss Ethan den Konter lassen. Irgendwie hat er ja Recht, nur habe ich nicht sonderlich viel zu der Situation beigetragen.

„Ich weiss was du denkst, Nate. Aber hättest du dem Typen das Geld entwendet und offen hingelegt, so dass seine Mitglieder es hätten sehen können bevor er verbrannt wurde, wäre das vielleicht nicht ganz so ausgeartet. Und hättet ihr beide Aleyna etwas mehr über alles aufgeklärt, wäre sie vielleicht auch etwas vorsichtiger gewesen und hätte die Typen erkannt. Ich musste ihr sagen, dass man euch nicht glauben kann, wenn du, Nate, nichts bestätigst. Ich. Nicht ihr. Und es ist auch nicht gerade förderlich, einen Außenseiter zu wählen, der Javier durchaus bekannt ist. Was dachtet ihr denn, dass er mit ihr machen wird? Walzer tanzen und zum Essen einladen? Jungs! Wo sind eure Hirnzellen geblieben?"

Ich seufze nur und schüttle den Kopf. „Sie hat das Geld gebraucht" sagt Caine nur, und ich gebe seine Hirnzellen gerade völlig auf. Das ist so ungefähr der schwächste Grund, den er bringen kann. „Ist das dein Ernst? Alles, was du dazu sagst ist, dass sie das Geld gebraucht hat? Caine Collins. Du kennst mich. Du weißt, dass ich locker an das Geld rangekommen wäre."

Caine verdreht nur beleidigt die Augen, und ich klopfe kurz auf meine Beine. „Ist ja gut. Ja, wir haben Scheisse gebaut. Trotzdem brauchen wir jetzt deine Hilfe, sonst wird die Scheisse noch grösser." Ethan nickt und lehnt sich etwas in seinem Sitz zurück. „Also, was genau braucht ihr?" Caine seufzt und beugt sich etwas vor. „Du hast doch Kontakte zu Keanen Salvatore" sagt er langsam, und Ethan hebt eine Augenbraue.

„Durchaus" antwortet er nur, und lässt den Kuli sinken. „Wir brauchen seine Unterstützung gegen Ramírez. Er ist mächtiger als wir dachten, und Aleyna braucht ihren Schutz. Alle Javier bekannten Angehörigen von uns brauchen Schutz, der Typ schreckt vor nichts zurück. Er hätte Aleyna locker vor dem Krankenhaus umgelegt." Ethan schluckt und nickt dann langsam. „Ich schaue, was sich da machen lässt. So wie ich Keanen kenne, erwartet er aber eine Gegenleistung."

War ja klar.

Caine nickt und seufzt. „Frag ihn was er will, und ich schaue, was sich machen lässt." Ethan nickt und seufzt dann. „Aleyna soll vorerst bitte nicht erfahren, dass ich was mit euch und Kea zu tun habe. Sie würde mir den Kopf abreißen." Caine nickt langsam, und ich zucke nur mit den Schultern. „Das ist deine Entscheidung, Ethan. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Mädchen schlau genug ist, um es irgendwann – und wahrscheinlich schon bald – selbst rauszufinden."

Ethan seufzt und sieht mich an. „Glaub mir Nate, das weiss ich. Ich kenne meinen Zwilling."

--

„Pass auf sie auf." Caine nickt zu Aleyna, die schon auf dem Beifahrersitz ist, und es sich dort bequem macht. „Werde ich" murmelt Ethan nur, und verabschiedet sich dann mit einem Handschlag von uns. Er steigt ebenfalls in den Wagen ein, und kurz darauf fährt er vom Platz. Eine Weile stehen wir nur draußen um, bis Caine sich verwirrt zu mir umdreht. „Wieso wusste er eigentlich, dass wir hier sind?" Ich schmunzle.

„Du sagst doch immer, er ist nicht so ahnungslos wie er scheint."

Mit diesen Worten betrete ich die Halle wieder und fange an, meine sieben Sachen zusammenzusuchen. „Ich gehe gleich nochmal zu Ray. Er hat einen Dank verdient." Caine, der mir gefolgt ist, nickt nur und hält mir meine Kippen hin. Ich greife danach und stecke sie in meine Hosentasche. „Melde dich wenn du zu Hause bist, nicht, dass Ramírez seine Finger nicht ruhig halten kann."

Ich verdrehe nur die Augen und schmunzle. „Du hörst dich an wie meine Mutter." Caine schmunzelt ebenfalls und zuckt dann mit den Schultern. „Du bist mein bester Kumpel." Ich verdrehe die Augen und klatsche mich mit Caine ab, ehe ich die Halle verlasse und in mein Auto steige. Dort schnappe ich mir kurz mein Handy, um Ray eine Nachricht zu schreiben.

Nathan: Ich komme gleich vorbei, also beende bitte was auch immer ich nicht sehen sollte.

Ray: Lustig wie du denkst, ich hätte noch sowas wie ein aufregendes Leben. Bau auf dem Weg keine Scheisse, ich kann euch nicht immer den Arsch retten.

Nathan: Vertrau mir, ich komme klar.

Ray: Das sehe ich zwar etwas anders, aber ich überlasse dich mal deinen Traumvorstellungen.

Nathan: Ich weiss, dass du mich liebst.

Ray: Achja? Tue ich das? :P

Nathan: Und wie, immerhin bin ich die beste Unterhaltung, die du momentan ergattern kannst. Also sei mal dankbar.

Ray: Ich weiss zwar noch nicht so ganz, inwiefern ein heulendes, kriminelles und drogen- sowie sexsüchtiges Wrack eine gute Unterhaltung darstellen soll, aber wenn du meinst...

Nathan: Klappe oder ich lasse dich spüren, wie es ist, ohne mich den ganzen Tag im Bett zu liegen.

Schmunzelnd lege ich mein Handy weg und starte den Motor. Langsam entferne ich mich ebenfalls von der Halle, und biege auf die fast leeren Straßen von LA ein. Obwohl es noch nicht sehr spät ist, scheinen die Leute gerade alle zu Hause was zu essen. Gut für mich, dann muss ich mich nicht immer über alle aufregen. Fast gut gelaunt suche ich nach guter Musik und drehe die Lautstärke hoch.

Obwohl der Tag echt scheisse war, bin ich gerade ziemlich neutral gestimmt, was mir etwas Sorgen macht. Meistens erlebe ich direkt danach die schlimmsten Stunden meines Lebens, und ich glaube eher weniger daran, dass sich heute etwas daran ändern wird. Mit einem lauten Seufzer fahre ich auf den Highway und überhole direkt ein paar einzelne Autos, die mir sonst noch im Weg sein könnten.

Bis zum Krankenhaus sind es nur einige Minuten mit dem Auto, weshalb ich Aleyna auch hingebracht habe. Es war die nächste Halle, die mir eingefallen ist, und ich musste sie schnell wegbringen. Ich trommle mit den Fingern auf dem Lenkrad rum, während sich das große Gebäude immer wie mehr nähert, und ich die Ausfahrt nehme.

Plötzlich nistet sich ein Gedanke in meinem Kopf ein, den ich gar nicht mag – und zwar, dass ich nie mehr Ray außerhalb des Krankenhauses besuchen werde. Die Anzahl der Besuche, die ich machen werde, wird von Mal zu Mal kleiner, aber nicht, weil Ray dann endlich raus darf. Nein, weil Ray dann nicht mehr da ist. Meine Brust zieht sich zusammen, und ich schlucke hart. Keiner kann genau sagen, wie lange Ray noch hat. Jede Woche wird zu einer Zeitbombe, jede Woche könnte es zu Ende sein.

Und was dann?

Was mache ich dann?

Wenn mein kleiner Bruder weg ist?

Den Menschen, den ich immer irgendwie beschützt habe?

Für den ich sofort mein Leben hergegeben hätte?

Mit dem ich so viel verbinde, dem ich so viel verdanke?

Der Mensch, der mich so gut wie sonst keiner kennt?

Ich umklammere mein Lenkrad und parkiere den Wagen schnell, bevor ich noch völlig durchdrehe und einen Unfall baue. Kurz schliesse ich die Augen und atme einige Male tief ein und aus, ehe ich mich zusammenreiße und langsam aussteige. Ich kann zu Hause wieder trauern, Ray lebt jetzt noch und erwartet mich in seinem Zimmer. Und ehrlich gesagt gibt es auch keinen Ort, an dem ich gerade lieber wäre.

--

Ohoo.. Ethan ist also ebenfalls nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt.. wer hätte damit gerechnet? ;)

- Xo, Zebisthoughts

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top