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Deku

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug und das Datum der Ausstellung rückte immer näher. Seit Kacchans Anruf verbrachte ich jede freie Minute damit zu malen. Es war schon merkwürdig, wie sich mein Leben wieder halbwegs eingependelt hatte. Ochako hatte mir verziehen und kam oft vorbei, um mich zu motivieren und heimlich über Katsuki auszufragen. Sie versuchte es so unauffällig zu tun, dass ich es nicht merkte, doch gelang ihr das schlecht. Ich hatte fast den Eindruck, dass sie sich mehr darauf freute dem Blonden bei der Ausstellung zu begegnen als ich. Wobei das vor allem auch daran liegen konnte, dass ich immer noch damit rechnete, dass er mir den Kopf abschlagen würde.

An dem Tag, an dem ich mich mit meiner besten Freundin aussprach, hatte er noch von einer Bestrafung gesprochen. Seid dem hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Zumindest nicht direkt. Am gleichen Tag noch, war ein Packet angekommen mit allen Mal- und Zeichenutensilien, die mir Kacchan vor meinem Verschwinden besorgt hatte und noch vielem mehr. Die meisten meiner Farben daheim waren eingetrocknet gewesen, weshalb ich froh war, direkt Neue erhalten zu haben. Und dann auch noch so Hochwertige. Mit denen machte das Zeichnen gleich noch mehr Spaß. Ochako beneidete mich für den Reichtum meines Freundes und schien überhaupt nicht mehr skeptisch zu sein, woher dieses Geld stammte. Meine Mutter war da schon kritischer. Fast hätte sie das Paket wieder zurückgeschickt. Doch da weder sie noch ich genau wussten, wo Kacchan lebte, war das unmöglich gewesen. Und die Diskussion um das Thema die Sachen einfach ungenutzt in einem Besenschrank verkommen zu lassen, hatte ich mit dem Argument gewonnen, dass, egal woher das Geld für die Geschenke stammte, es es nur schlimmer machte, wenn es dann nicht mal einen Sinn erfüllte.

Es war schwer sich auf das Zeichnen zu konzentrieren und wieder zurück zu meinem alten Stil zu finden. Es war einfach zu viel geschehen, als dass ich hätte dort ansetzen können, wo ich aufgehört hatte. Aber da ich mir nicht sicher war, was genau Kacchan erwartete und wie diese Ausstellung aufgebaut war, gab ich mein Bestes zumindest ab und an fröhliche, quirlige Bilder einzustreuen. Erst heute morgen war eine Karte im Briefkasten gewesen. Eine Einladung zu meiner eigenen Ausstellung von Katsuki Bakougou persönlich organisiert. Heute Abend sollte sie stattfinden und das Motto war "ein aufsteigender Stern, Schönheit und Schmerz". Ich persönlich fand es unglaublich kitschig und übertrieben. Bisher hatte sich aber auch Ochako immer um meine Titel gekümmert und die waren wohl auch nicht wirklich besser gewesen. Sowas plumpes wie "Ausstellung von Izuku Midoriya" war wahrscheinlich genauso bescheuert. Und da mir eh nichts besseres einfiel, beließ ich es dabei. Ich hätte wohl eh kein Mitspracherecht gehabt. 

Mittlerweile bereute ich es, dass ich Kacchan nicht geschrieben hatte, was ich noch alles brauchen könnte. Ich wollte Kontakt zu ihm haben, auch wenn ich mich im gleichen Maße davor fürchtete, aber dieses Schweigen war schlimmer. Ich vermisste ihn seit ich wieder zurück war nur noch mehr. Er war wieder in meiner Nähe, wie ein Schatten in meinem Rücken, zu dem ich mich jedoch nicht umdrehen konnte. Unglaublich frustierend. Allerdings hatte ich auch nicht gewusst, was ich ihm denn hätte schreiben sollen. Ohne mein Zutun hatte er schon alles besorgt, was ich mir jemals hätte träumen können. Meine Mutter kaufte ein und sorgte dafür, dass ich ausreichend und gesund aß und mir zumindest eine grobe Tagesstruktur mit Schlafen aufrecht erhielt. Außerdem machte sie den gesamten Haushalt und kümmerte sich parallel um die Suche nach einem neuen Job und organisierte den Verkauf ihres alten Hauses.

Ich hatte sie mal gefragt, warum es denn nicht vermietet werden könnte. Darauf hatte sie nur gesagt: "Es sind einfach zu viele schmerzhafte Erinnerungen damit verbunden. Ich hatte schon lange den Gedanken mich davon zu trennen, aber von alleine habe ich es einfach nicht geschafft. Du hast mir also quasi den Startschuss geliefert mich aufzuraffen." Es tat weh, wie fröhlich sie tat, obwohl wir beide wussten, wie schwer das alles für sie war. Sie trennte sich von dem Haus, in dem sie aufgewachsen war, wo sie mit ihrem Mann gelebt und ihre Kinder großgezogen hatte. Überschattet von dem Verschwinden von Mann und beiden Kindern und dem Tod ihres Jüngeren. Ich hatte nicht wirklich dazu beigetragen ihr Leben Sorgenfreier zu gestaltet und dafür fühlte ich mich ständig schuldig. Sie dann auch noch weiter zu belasten, indem sie sich um mich und meinen Haushalt kümmern musste, während sie selbst genug zu tun hatte, verschlimmerte das Ganze nur. Doch sie bestand darauf, dass es ihr half eine Aufgabe zu haben und dass ihr zu Hause nicht mehr so einsam war, obwohl ich doch nur in meiner Kammer hockte und zeichnete. 

Ich hatte mir fest vorgenommen ihr mehr zu helfen, sobald diese Veranstaltung gelaufen war. Hastig warf ich einen Blick auf die Uhr. Nur noch ein paar Stunden, dann war es soweit. Die meisten meiner Bilder waren bereits abgeholt worden, doch noch wollte ich dieses Werk zu Ende bringen. Erst heute Nacht war mir die Idee dazu gekommen und so hatte ich mich unter Inkos Protest an die Arbeit gemacht. Ohne dieses Bild würde sich die Ausstellung einfach nicht vollständig anfühlen, auch wenn das alles nur eine Farce war. 

Ich rief mich selbst zur Ruhe, denn Hektik hätte das gesamte Werk zerstört. Bedacht ließ ich den Pinsel über die Wand gleiten, sodass violette Spuren darauf zurückblieben. Ich hatte die Nacht gezeichnet. Nur 2 Sterne lugten durch eine dichte Wolkendecke hervor und trotzten dem anbrechenden Tag. Auf einem Hügel stand eine Person und blickte in die Nacht empor. Weiter unten waren die Umrisse einer weiteren Person erkennbar, welche trotz der wunderschönen Kulisse nur diesen Menschen anstarrte, der davon nichts mitbekam. Ich vermochte selbst nicht zu sagen, wen ich in diesen Menschen sah. Mich und Kacchan, wie ich die Gefahr nicht kommen sah, die er darstellte, weil ich zu naiv war, oder wie ich ihn nur anstarren konnte, obwohl er mich doch nicht liebte. Oder war es Iumi, der mir hinterher sah, mich jedoch nie erreichen konnte. Oder war ich es, der seinen Bruder zwar sah, ihm jedoch zu fern war, um ihm zu Hilfe zu eilen. Ich wusste es nicht. Doch das war genau das, was dieses Bild so perfekt machte. Jeder konnte selbst bestimmen, was er darin sah. 

"Es ist wunderschön.", murmelte Inko plötzlich hinter mir. Ich hatte nicht mitbekommen, wie sie ins Zimmer getreten war, doch hatte mich in den letzten Tagen so sehr an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass ich nicht mehr so schreckhaft reagierte. "Es ist noch nicht fertig.", gab ich nur zur Antwort und wollte schon wieder den Pinsel in die Farbe tauchen, als er mir aus der Hand genommen wurde. "Es ist perfekt so wie es ist. Was willst du daran noch verändern?" Ich mochte es nicht, wenn man mir in meine Kunst rein redete, dennoch nahm ich mir einen Moment mein Werk zu betrachten. Es stimmte, wenn man nicht wusste, was ich im Kopf hatte, konnte man denken, es wäre vollständig. "Gib mir einen Moment und du wirst es sehen." Ich grinste sie an und ergatterte mein Werkzeug zurück. Wenige Pinselstriche später sah ich sie siegessicher an. "Du hättest mir sagen können, dass du nur noch unterzeichnen wolltest.", brummte die Grünhaarige unzufrieden, konnte ihr lächeln jedoch nicht verbergen. "Wir sollten uns so langsam fertig machen."

"Wir? Ich weiß nicht, ob es eine so gute Idee ist wenn du-"
"-ich komme mit! Als ob ich dich alleine dort hingehen lassen würde! Außerdem darf Ochako auch mit." Ich kam nicht umhin sie mit einem bockigen Kleinkind zu vergleichen.
"Ochako kommt mit, weil sie bisher auf allen meinen Ausstellungen war. Es ist schon merkwürdig genug, dass diese nun nicht von ihr organisiert ist. Aber du musst dich dieser Gefahr nicht aussetzen."
"Wir gehen nur auf eine Ausstellung. Was denkst du, was da passieren wird?"
"Keine Ahnung. Aber ich will auf das Schlimmste vorbereitet sein."
"Dann solltest du mich erst recht mitgehen lassen." 
Ein stummes Blickduell -welches ich verlor- später, erhob ich mich mit ächtzenden Knochen. Über das stundenlange Sitzen zu früher Stunde waren sie kalt und steif geworden. Dass ich meinen Körper seit Tagen dieser Tortur aussetzte, machte die Muskelschmerzen nicht gerade besser. Doch dieses Bild war es wert gewesen. 
"Ich packe es ein. Und jetzt ab mit dir, du musst duschen.", wies meine Mutter an und ich tat ihr den Gefallen und fügte mich. Es war merkwürdig in meinem Alter wieder bemuttert und bevormundet zu werden und die Selbstbestimmtheit in mir wollte sich dagegen wehten. Doch ich verstand auch, dass Inko schlicht nicht anders konnte und es ihr half diese Scheiße durchzustehen. Ich wollte sie so gut ich konnte entlasten, schließlich war ich Schuld daran, dass sie diese Last nun zu tragen hatte.

Die Dusche tat mir gut und fast hätte ich mich entspannt, da hörte ich die Haustür klingeln. Nass und nur in ein Handtuch gehüllt lugte ich aus dem Bad, um mitzubekommen, wer da war.
Nur leise hörte ich die Stimme meiner Mutter, doch die des Besuchers war klarer.
"Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich erinnern, aber ja. Bitte entschuldigen Sie, ist Izuku Midoriya zu Hause?" Mir gefror das Blut in den Adern. Ich kannte diese Stimme. Und ich verband nichts Positives mit ihr.
"- es leider echt eilig."
Ich beeilte mich mich abzutrocknen, um Inko zu Hilfe zu eilen.
"Ich gebe es ihm!", hörte ich meine Mutter wütend. Scheiße. Ich musste mich beeilen, damit sie in ihrem Beschützermodus nicht etwas Dummes tat. Eilig, nur mit einer Boxershorts bekleidet, rannte ich die Treppe runter.
"Ich muss ihm noch eine Botschaft überbringen." So langsam klang der Mann genervt. Das war nicht gut.
"Sag sie mir." Nur noch ein paar Stufen...
"Das geht nicht. Bitte lassen Sie mich durch, ich möchte ungern Gewalt anwenden."
"Kiri-" Ich erstarrte augenblicklich, als ich ihn sah. Er war schicker gekleidet als das letzte Mal doch ich erinnerte mich mit einem Schlag wieder genau. Mein Magen drehte sich um. Katzukis Begleiter von damals... Der Freund von Himiko... das war oder nicht beides er, oder? Fuck, das war schlecht. Mehr als schlecht. Die Galle kam mir hoch und Tränen stiegen in meine Augen.
"Lange nicht gesehen. Was geht?", erkundigte sich der Rothaarige locker. So, als hätte ich nicht gerade eine halbe Panikattacke in seiner Gegenwart.

"Was willst du?", brachte ich dünn hervor.
"Katsuki will, dass du das hier trägst heute Abend. Und er will das ich dir was ausrichte." Er warf der aufgebrachten Frau neben sich einen Seitenblick zu.
"Mama? Lässt du uns kurz allein?"
"Nur über meine Leiche!", rief sie erbost.
"Ich denke nicht, dass Sie das hören wollen." Was war das für ein Grinsen in Kirishimas Gesicht?
"Doch das will ich sehr wohl!"
Oh...
"Mama bitte geh. Ich schaff das schon."
Dieses Mal gewann ich das Blickduel und sie verschwand lautstark ins obere Geschoss.
Mein Gegenüber war dieses dreckige Grinsen immer noch nicht losgeworden, als er mir den Karton in die Hände drückte, den er die ganze Zeit unter dem Arm gehabt hatte, und mir ins Ohr raunte: "Es sind in jedem Winkel dieses Hauses Kameras. Er weiß also immer was du tust. Alles. Und er kann es hören."
Wie auf ein Kommando lief ich bis ins Dekolleté tiefrot an und trat fassungslos einen Schritt zurück. Kirishima lachte darauf nur, zwinkerte mir zu und ging. Die Tür zog er leise hinter sich zu. Kaum, dass ich alleine war, scannte ich den gesamten Raum ab, auf der Suche nach diesen Überwachungsgeräten. Zwar konnte ich keine ausmachen, dennoch zweifelte ich keine Sekunde an den Worten des Anderen. Scharm, Wut und Enttäuschung kämpften bitter in mir um die Vorherrschaft. Kacchan wusste es. Er wusste, dass ich ihn liebte, dass ich mir wünschte ihn wieder zu sehen, aber auch Angst davor hatte und... er wusste wohl auch, was ich den einen Abend Nachts in meinem Bett gemacht hatte. Tränen traten mir in die Augen und mit einem Mut, der aus dem Gefühlschaos in mir geboren war, starrte ich in verschiedene Winkel der Decke.

"Wenn du das alles wirklich weißt, dann bist du ein noch größerer Arsch, als ich dachte! Du... du verdienst mich nicht! Ich will dich nie wieder sehen!", schrie ich durch den Raum und konnte meine Tränen nicht länger zurückhalten. Kirishimas Worte waren der Beweis dafür, dass er mich nur quälen wollte und meine Gefühle ein Witz für ihn waren. Wie viel Schmerz musste er mir noch zufügen, damit mein dummes Herz es verstand?

2.070 Wörter

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