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Deku
Inkos perlendes Lachen begleitete mich, als ich die Treppe hinunterhastete, um die Tür zu öffnen. Mein Herz pochte viel zu schnell in meiner Brust. Ich vermochte nicht zu sagen ob vor Angst oder vor Freude. Wahrscheinlich beidem. Doch egal was es nun war, es verschwand in dem Moment, als ich die Tür öffnete und statt Katsuki Ochako vor mir stand. Ihre Hände hatte sie in ihren okafarbenen Pulli gekrallt, der ihr bis zu den Oberschenkeln ging. Darunter trug sie flaschig weiße Overknees. Ich hatte mittlerweile gelernt, dass die zu langen Strümpfe, die Kacchan mir einmal gegeben hatten, Overkneesgewesen waren. Ständighatte ichdie Dinger bei meiner besten Freundingesehen und trotzdemnicht verstanden, dass es dasselbegewesen war. Im Gegensatz zu mir, standen ihr die Strümpfe allerdings auch außerordentlich gut und ließen sie um einiges jünger aussehen, als sie war. Man könnte meinen, dass ihr Kleidungsstil einfach so niedlich wäre wie sie im allgemeinen war, doch dem war nicht so. So wie jetzt zog sie sich nur an, wenn es ihr psychisch absolut grottig ging und sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Nur dann kam eine kindliche Seite in ihr hervor. Ein Schutzmechanismus ihres Gehirns. Es hatte mich Jahre gekostet, bis sie mir soweit vertraute mich auch in solchen Moment an ihrem Leben teilhaben zu lassen.
"Du bist es wirklich.", hauchte sie wie zu sich selbst und man müsste taub sein, um nicht zu hören, wie brüchig ihre Stimme klang. Mein Herz zog sich zusammen, als mir bewusst wurde, dass ich wahrscheinlich der Grund dafür war, dass es ihr so schlecht ging.
"Ich hab es nicht geglaubt, als Himiko mir gesagt hat, dass du wieder da bist. Aber hier bist du."
"Ochako.." brachte ich nur hervor. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Es schien ihr ähnlich zu gehen. Tränen standen in ihren Augen, doch ihre Hände zitterten vor angespannter Wut. "Möchtest du... reinkommen?", erkundigte ich mich vorsichtig.
Ein Nicken war die Antwort.
"Ochako. Schön, dass du vorbei gekommen bist. Setz dich doch. Ich mach euch einen Tee." Inko strahlte regelrecht. Sie musste es vermisst haben die Mutter sein zu können, die für ihre Kinder sorgte, weshalb ich mich nur brav bedankte und die Braunhaarige zu meiner Couch wies. Wir ließen uns davor auf den flauschigen Teppich sinken. Keiner von uns sagte ein Wort, bis zwei dampfende Tassen Jasmintee vor uns standen. Wenig später verschwand meine Mutter, um noch etwas zu besorgen. Wir alle wussten, dass sie uns bloß Raum lassen wollte. Ich bezweifelte auch, dass sie sich weiter als ein paar Meter vom Haus entfernen würde. Ich kannte sie lange genug, um zu wissen, welche Sorgen sie sich um mich machte. Unbegründet waren sie definitiv nicht.
"Wieso hast du dich nie gemeldet?", verlangte meine beste Freundin leise zu wissen. Es war eine berechtigte Frage, sogar mehr als das. Dennoch fehlten mir die Worte sie ihr zu beantworten.
"Ich wollte niemanden in Gefahr bringen."
"Wegen deinem Bruder? War sein Tod etwa kein Selbstmord?" Sie war viel zu klug, um sie wirklich im Ungewissen lassen zu können. Ich hatte das immer an ihr bewundert und mich gefragt wieso sie ihren schlauen Kopf nicht in einem anderen Beruf ausübte. Doch die Mode war ihr Element. Jetzt jedoch wünschte ich mir, dass sie nicht so intelligent wäre.
"Doch, es war Selbstmord. Und ja, es war wegen ihm. Aber bitte zwing mich nicht, dir mehr zu erzählen. Es ist gefährlich für dich. Bitte vertrau mir."
"Es tut mir leid Izu. Aber wie soll ich dir vertrauen, wenn du einfach so verschwindest? Nicht mal eine Nachricht, dass du noch lebst. Nein, ich muss aus dem Fernsehen erfahren, dass du sogar vor denen wegläufst, die dich voller Sorge suchen." Der Vorwurf war eindeutig.
"Ich habe nicht daran gedacht, wie sehr ich euch damit weh tue. Als ich es merkte, war es schon geschehen. Es tut mir wirklich leid, Ochako. Das Letzte, was ich wollte war euch zu verletzen."
Wieder kehrte Schweigen zwischen uns ein.
"Was ist mit dem Typen, der dich abgeschleppt hat? Habt ihr noch Kontakt? Wusste er, wo du bist? Wo warst du überhaupt?" Nun war es Eifersucht, die in ihrer Stimme mitschwang. Ich wollte ihr eine Hand auf die Schulter legen, traute mich jedoch nicht. Zu groß war die Angst vor der Ablehnung.
"Ich war in Osaka. Und die Sache mit Kacchan ist kompliziert.", presste ich hervor. Es war mir unglaublich unangenehm mit ihr darüber zu reden. Sie hatte ihn als den Kerl kennengelernt, der mich abgeschleppt hatte. Wie sollte ich ihr erklären, dass das eine Lüge war, wo sie mir doch schon so misstraute? Doch wenn ich es ihr nicht sagte, würde es alles nur später schlimmer machen. Aber wie sollte ich ihn dann erklären?
"Weil du abgehauen bist oder hast du ihn anderweitig vor den Kopf gestoßen?" Oh sie war ja sowas von angepisst. Und ich konnte sie so gut verstehen.
"Ja zu beidem. Ich glaube, er hasst mich jetzt." Zumindest konnte ich ihr was das anging die Wahrheit sagen. Ich brachte meine Mutter schon unglaublich in Gefahr, indem sie die ganze Geschichte kannte. Das konnte ich nicht auch noch Ochako zumuten. Sie war viel zu lieb und unschuldig, um die bösen Absichten von Menschen zu verstehen. Ich konnte sie nicht so in Gefahr bringen.
"Du hast es verdient.", urteilte sie. Sah mich dann aber zum ersten Mal heute richtig an. "Trotzdem tut es mir leid für dich. Du bist ein Idiot und hast alles kaputt gemacht, aber du sahst glücklich aus, irgendwie."
"Ja du hast recht. Ich war ein Arsch und bin es noch. Und es tut mir leid, dass ich dir nicht mal erklären kann, wieso ich mich so verhalte. Es ist einfach alles so kompliziert."
"Du hast deinen Bruder verloren. Das ist immer hart. Nur kein Grund einfach so zu verschwinden. Das passt nicht zu dir. Also worüber kannst du nicht reden? Oder willst du es nur nicht?"
"Ich... Ich kann nicht Ochako bitte. Du bist der klügste Mensch, den ich kenne. Aber bitte lass das auf sich beruhen."
"Du hast Angst. Du hattest die ganze Zeit Angst, seit Iumi wieder aufgetaucht ist. Wieso? Wurdest du in diese Verbrechergeschichte mit reingezogen? Hat man versucht dir etwas anzuhängen? Steckt dein neuer Freund da auch mit drin? Nichts gegen deinen Männergeschmack, er ist verdammt heiß. Aber vertrau mir, Izu, der Typ ist gefährlich." Es war schon süß, wie sehr sie versuchte auf mich aufzupassen, obwohl ich sie doch so verletzt hatte.
"Wem sagst du das.", dachte ich, wobei mir nicht bewusst war, dass ich es laut sagte.
"Izu?" Die Wut war aus dem Gesicht meiner besten Freundin verschwunden. Stattdessen war da nur noch Sorge.
"Okay Ochako hör zu. Ich steck da in was drin, was uns alle das Leben kosten könnte und ich will dich nicht mehr in Gefahr bringen, als ich es schon tue, nur weil ich hier bin. Je weniger du weißt, desto sicherer bist du. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber vertrau mir. Ich werde das schaffen. Nur muss ich das alleine tun." Noch nie in meinem Leben hatte ich so ernst mit ihr gesprochen und es tat weh. Es fühlte sich falsch an, sie so abzuweisen.
"Nein.", brachte die Braunhaarige genauso ernst hervor wie ich. Ihre Lippen zu einem schmalen Spalt zusammengepresst. "Du bist mein bester Freund, egal wie scheiße du dich verhalten hast. Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, wieso du mir so weh getan hast! Außerdem, wenn es stimmt, was du sagst, steck ich eh schon in der Scheiße mit drin und je weniger ich weiß, desto mehr Fehler könnte ich machen. Also fang endlich an zu reden."
Es war, als würde ein Schlag durch meinen Körper fahren. Meine kluge Freundin hatte recht. Dennoch wollte ich an dieser kleinen Hoffnung festhalten können. "Ich will dir das nicht antun.", murmelte ich leise.
"Dann frag ich Himiko. Sie wusste schließlich auch von einem Freund, dass du hier bist, dann weiß sie bestimmt auch noch mehr."
Überrascht hob ich meinen Blick vom Teppich. "Welcher Freund?"
Ochako zuckte mit den Schultern. "Ich hab ihn noch nie getroffen, aber sie nennt ihn Kiri. Kann nur nicht sein richtiger Name sein, weil sie sich immer diebisch freut, dass ihn das aufregt."
Der Name kam mir bekannt vor und mein Gehirn ratterte wie ein Uhrwerk, während ich versuchte herauszufinden, wo ich diesen Namen schon mal gehört hatte. Es wollte mir nicht einfallen.
Unsanft riss mich das Klingeln eines Handys aus den Gedanken. Es war ewig her, dass ich eines gebraucht hatte. Daher dauerte es etwas, bis ich den Ton zuordnen konnte. Als ich dann danach griff, blinkte eine Nummer auf, die ich nicht kannte. Unsicher ging ich ran.
"Midoriya, hallo?"
"Tsk. Du hast meine Nummer also nicht eingespeichert, ja?", grollte eine mir allzu bekannte Stimme. Ich erstarrte.
"Kacchan."
"Das gibt Ärger Nerd, klar? Sehr großen Ärger. Aber bis dahin, musst du was tun."
"O-okay?"
"Ich will, dass du eine Ausstellung gibst. Ich organisiere alles. Du musst nichts weiter tun, als deine Bilder für viel zu hohe Summen zu verkaufen. Kriegst du das hin?"
"Äh... j-ja?"
"Gut. Dann meld dich, wenn du genug Bilder zusammen hast oder wenn du was brauchst. Egal was. Klar?" Es fiel mir schwer seine Tonlage durch das Telefon einzuschätzen.
"Mach ich."
"Braver Junge. Wenn du weiter so lieb bist, fällt deine Bestrafung vielleicht weniger doll aus."
Ich schluckte mühsam den Kloß in meinem Hals hinunter. Seine Worte machten mir Angst. Die Pause, die auf sie folgte, allerdings noch viel mehr. Dann legte er einfach auf. Verstört starrte ich auf das Gerät in meiner Hand.
"Anscheinend hasst dich dein Lover doch nicht so sehr, wie du dachtest. Was wollte er?" Ochakos Stimme ließ mich aufschrecken.
"I-Ich... soll malen." Es klang mehr wie eine Frage als eine Feststellung.
"Wieso?"
"Er will, dass ich eine Ausstellung gebe."
Jetzt runzelten wir beide die Stirn.
"Wieso?"
"Keine Ahnung."
Wie ein Roboter erhob ich mich langsam. Die Braunhaarige tat es mir gleich. "Izu?", fragte sie vorsichtig, doch ich bekam davon kaum etwas mit.
Katsukis Stimme zu hören, hatte einen Wirbelstrum in meinem Kopf ausgelöst. Wie eine Schneelavine war es über mich hinweg gefegt und hatte nichts als Kälte und rauen Stein hinterlassen. Was sollte das? Was passierte hier? Warum war er nicht wütend? Also zumindest so rasend vor Wut, wie es sonst seine Art war? Ich verstand die Welt nicht mehr.
"Izu, du machst mir Angst. Was hast du?", versuchte meine beste Freundin erneut zu mir durchzudringen, umfasste sogar meinen Arm. Doch ich hörte sie nur wie durch Watte.
Langsam schritt ich die Treppe hinauf in mein Atelier. Handfeste Panik machte sich in meinem Körper breit. Ich hatte definitiv rein gar nichts zustande gebracht, bevor ich verschwunden war. Einige unfertige und teils zerstörte Leinwände standen noch bei Katsuki zu Hause. Doch hier hatte ich nur eine Hand voll Portraits und düsteren Horrorlandschaften. Es spiegelte so perfekt meine Gefühlswelt der letzten Monate, dass es selbst mir unheimlich vorkam. Frustriert fuhr ich mir durchs Haar. Wie sollte ich Kacchan so davon überzeugen, mich nicht zu hassen?
"Fuck, Izu...", murmelte meine beste Freundin, völlig in die Kulisse vor sich vertieft. Natürlich. Sie kannte mich so nicht.
"Ich habe versagt Ochako. Wie soll ich hiermit eine Ausstellung geben?", gab ich in der gleichen Lautstärke zurück. Es war, als würde eine unsichtbare Macht uns bedrohen, sollten wir lauter sprechen.
"Izu das ist furchtbar...-"
"Ich weiß. Was soll ich nur tun?"
"Nein. Ich meine... Was ist das hier? Das bist nicht du, das ist... Was hat er damit zu tun?" Ihre Tonlage wandelte sich von Fassungslosigkeit zu Wut in Sekunden, als sie ein Portrait von Kacchan anstarrte. Eine stumme Bitte verließ meine Lippen, doch ich hatte keine Kraft mehr.
"Yakuza.", verließ das Wort mich wie die Luft, die unausweichlich aus den Lungen entflieht.
Überrascht sah sie mich an.
"Ich gehörte ihm. Iumi ist deshalb tot und..." Die Tränen ließen mich nicht weiter sprechen.
"Ich liebe ihn trotzdem.", brachte ich kaum hörbar heraus. Es war wie Gift in meinen Venen.
Ohne Worte nahm Ochako mich in den Arm. Ich wusste nicht wie lange sie mich so hielt, bis ich mich endlich beruhigt hatte. "Wieso habe ich diese dumme Therapie überhaupt gemacht, wenn sie doch nichts gebracht hat?", murmelte ich mehr zu mir selbst, erhielt jedoch trotzdem eine Antwort.
"Es braucht vielleicht nur etwas mehr Zeit. Wir werden das schon schaffen."
Ich krallte mich an ihr fest. Bei meiner Mutter war es mir schon gelungen die Wahrheit zu sagen, doch noch immer war es viel zu schwer.
"Iumi... ist in eine Bande geraten, als er jung war. Anscheinend in die Yakuza. Oder er ist da später reingerutscht durch diesen Bandenkram, keine Ahnung... Er wollte wohl aufhören mit dem Scheiß aber naja... von sowas kommt man nicht weg schätze ich.", ich zuckte die Achseln, versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mir jedes Wort in der Kehle schmerzte. Ich wusste nicht mal, woher dieser Instinkt kam. Es gab doch gar keinen Grund, Ochako meine Gefühle nicht zu zeigen.
"Jetzt häng ich mit drin und... und Kacchan..."
"-Und du und Kacchan habt ne Beziehung angefangen. Weißt du eigentlich wie sehr das Enemies to Lovers schreit? Liebe wider der Umstände, es darf nicht sein und dennoch lieben sie sich... Wenn das alles nicht so ernst und gefährlich wäre, würde ich mir jetzt Popcorn holen." Ich stockte. Mein erster Impuls ihr zu sagen, dass wir nicht zusammen waren, dass meine Liebe einseitig war, verebbte durch ihren Vergleich. Mein Leben war ein spannendes Drama-Buch? Na klasse. Das wünschte sich ja jeder... nicht.
"Du brauchst gar nicht zu nölen. Ich habe gesehen, wie er dich ansieht. Er wird dir nichts tun. Und dir zu liebe wird er auch uns nichts tun. Vertrau meiner Menschenkenntnis." Sie zwinkerte mir verschmitzt zu.
"Du musst ihn mir trotzdem vorstellen. Ich will schließlich wissen, wie er ist, wenn ihr mich nicht gerade anlügt. Außerdem ist es ja wohl meine Aufgabe als Romantik-Expertin einzuschätzen, ob ich diese Beziehung gut heiße." Sie witzelte herum, doch ich wusste, wie ernst sie es meinte.
"Es tut mir so leid Ochako."
"Mach es einfach nie wieder, Idiot. Und dass du mir schön keine Scheiße baust. Also zumindest nicht noch mehr als dich mit der verdammten Mafia anzulegen."
2.366 Wörter
Sie brauchten einfach mehr Zeit als dieses Kapitel hergab... daher kriegt ihr jetzt eben auch hier einen "Bonus". Ich kann mich halt nicht kurz fassen...
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