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Deku
Mein Haus wirkte alt und verlassen. Die bunten Farben wirkten blasser als früher und gaben mir weder Energie noch Kraft. Es war so aufgeräumt und steril, als würde ich hier nicht mehr zu Hause sein. Alles in mir schien leer, kalt und verlassen. Was war es nur, dass ich mich so fühlte?
Der Tee in meiner Hand war das Einzige, was Wärme durch meinen Körper schickte. Denn trotz Pulli und Decke fror ich. Inko bemutterte mich so sehr wie sie es seit langem nicht mehr getan hatte, versuchte Ruhe und Kraft auszustrahlen. Doch ich sah die kleinen Tränen, die sie sich immer wieder aus den Augenwinkeln wischte.
"Es tut mir leid Mama.", murmelte ich zum wiederholten Male an diesem Abend. Und wie die Male zuvor, hielt die fast 60 Jährige mitten in der Bewegung inne, blieb einige Sekunden wie erstarrt ehe sie mir ein trauriges Lächeln schenkte und sagte: "Mein Schatz. Es ist nicht deine Schuld."
Sie hatte ohne mich den erneuten Tod ihres Sohnes verarbeiten müssen, während ihr anderer Sohn verschwunden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sehr sie gelitten haben musste und ich konnte nicht davon ab, dass es sehr wohl meine Schuld war. Bisher hatte sie nicht mal gefragt, was überhaupt passiert war. Vielleicht dachte sie sich aber auch ihren Teil.
Eine warme Schüssel Ramen landete vor meiner Nase und meine Mutter ließ sich erschöpft neben mir am Esstisch nieder. Sie wurde älter. Früher war sie die Stufe wesentlich schneller heruntergeklettert und hatte sich halb unter der Heizdecke verkrochen. Nun, zumindest den zweiten Teil tat sie noch immer genauso flink. Es war aber auch kalt in diesem Haus. Kein Wunder, wenn es den Winter bisher Zeit hatte, um sich auszukühlen. Die Fußbodenheizung lief seit Stunden, doch es würde noch eine Weile dauern ehe sie die Wärme in alle Räume getragen hatte.
Heißer Dampf legte sich um mein Gesicht, als ich mich über die Schüssel beugte. Es roch köstlich.
"Das sieht fantastisch aus, danke." Ich versuchte mich an einem Lächeln. Inko tat es mir gleich. Keines wirkte echt. Wir wussten beide, dass Instant-Nudeln das Einzige war, was 4 Monate Lagerzeit überstanden hatte. Mehr war in meinem Haus aktuell nicht zu finden.
Die Mahlzeit verlief schweigend und langsam tauchten rote Streifen am Himmel auf, die das Ende des Tages einläuteten. Dennoch schien die Stille mich zu erdrücken.
Zittrig erhob ich mich, schlang die grüne Kuscheldecke enger um mich und durchquerte den Wohnbereich.
"Bringst du mich zu Bett?", erkundigte ich mich wie ein kleines Kind. Die Müdigkeit der durchgestandenen Nacht lag schwer in meinen Knochen. Das Lächeln, welches meine Mutter mir nun schenkte, war echt -traurig zwar- aber echt.
"Immer, mein Schatz."
"Ich habe jemanden kennengelernt Mama.", begann ich zögernd. Das Licht war bereits gelöscht und Inko gerade dabei den Raum zu verlassen. Meine Stimme hielt sie auf.
"Du würdest ihn nicht mögen. Er ist arrogant, aggressiv, aufbrausend und ein Arsch. Er ist der Grund, vor dem ich weggelaufen bin und der Grund, warum ich wieder zurück gekommen bin. Er beschützt mich und gleichzeitig muss ich nur wegen ihm überhaupt beschützt werden. Es ist alles ein großes Chaos." Es war vielleicht nicht der beste Anfang, aber es war wie es war. Und ein Anfang ist ein Anfang.
Das Bett knarzte leicht, als sich meine Mutter auf der Kante nieder ließ.
"Izu, du bist verliebt, nicht wahr?" Ich nickte, die Tränen zurückhaltend.
"Iumi... Er ist gestorben, weil ich bei ihm war. Es ist meine Schuld, dass er Angst hatte und dass er sich umgebracht hat. Und ich hasse mich jede Sekunde meines Lebens dafür.", am Ende des Satzes brach meine Stimme. Heiße Tränen liefen nun doch meine Wangen hinab.
"Weißt du mein Schatz, Lieben ist schwer. Und es funktioniert auch nicht immer. Ich bin ein guter Beweis dafür." Meine Mutter kroch zu mir unter die Decken.
"Versuch einfach dein Bestes nicht verletzt zu werden, ja?" Erst jetzt viel mir auf, dass sie einfach hinnahm, dass es ein er und keine sie war.
"Es stört dich nicht?"
"Das Iumi tot ist? Ich war eine verdammt lange Zeit unglaublich sauer auf mich selbst. Du hast es kaum mitbekommen, aber Iumi war schon vor seinem Verschwinden sehr schwierig. Nichts wirklich gefährliches, aber ich habe mir trotzdem Sorgen gemacht. Er hatte die falschen Freunde und ist immer mehr abgedriftet. Wir haben uns viel gestritten und es fällt mir noch immer schwer mich selbst nicht für sein Verschwinden verantwortlich zu machen. Die Wahrheit ist aber, dass der, der in diesem Gefängnis gestorben ist, nicht mehr dein Bruder war. Es war ein psychopatischer, kranker Mörder und Verbrecher. Manchmal ist es besser, jemanden los zu lassen, mein Schatz."
Nur zu gern kuschelte ich mich in die Umarmung, in die Inko mich zog. Wie ein sanfter Regenschauer überkam es mich. Nicht genug, um das Feuer zu löschen, welches in mir brannte, aber ausreichend, damit es sich nicht weiter ausbreitete. "Ich will ihn nicht loslassen. Egal was er getan hat, er war mein Bruder."
"Dein Bruder hat uns schon vor sehr langer Zeit verlassen. Lass ihn endlich gehen."
"Wie?"
"Gib dir Zeit. Dann kommt das von ganz allein."
Iumi gehen lassen? Wie sollte ich diese Wunde, die sein Tod hinterlassen hatte, je schließen können? Ich wusste, es war schon mal passiert. Als wir akzeptiert hatten, dass er Tod war, weil er so lange verschwunden war. Im Augenblick schien es mir beinahe unmöglich überhaupt wieder Frieden mit mir selbst zu finden.
"Schlaf jetzt, mein Schatz. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus." Inko drückte mir einen Kuss auf die Stirn und schob mich dann sanft aus ihren Armen. Da fiel es mir wieder ein.
"Es stört dich nicht, dass es ein Mann ist?"
In der Dunkelheit hörte ich ihr leises Kichern.
"Nun. Es ist schade, dass ich wohl keine Enkelkinder von dir zu erwarten habe, aber liebe, wen du willst. Außerdem war mir das schon eine lange Zeit klar."
Mein Herz erwärmte sich bei der Gewissheit, dass es sie wirklich nicht störte. Meine Mutter log nicht.
"Was meinst du damit, es war dir klar?"
"Erinnerst du dich nicht? Du musst 17 oder 18 gewesen sein. Zum ersten Mal hast du für jemanden geschwärmt. Du wolltest mir partun nicht sagen, wer es ist, aber anhand deiner Reaktionen, war es nicht schwer zu ermitteln. Du hast für einen Freund von Iumi geschwärmt. Er sah auch wirklich gut aus. Ich weiß es noch ganz genau. Ein freundlicher junger Mann, nicht so verrückt wie die anderen seiner Freunde. Ein kleiner Gentleman aber diese Zähne... Ich werde es nie vergessen. Wie ein Hai. Schrecklich. Aber als Iumi verschwand, hatten wir andere Sorgen."
Es war schön zu beobachten, dass die Freude in die Stimme meiner Mutter zurückkehrte, während sie erzählte. Nur, dass es zu Lasten meiner Sexualität ging, wurmte mich etwas. Hatte denn jeder geahnt, dass ich schwul war, nur ich selbst nicht?
Die Scene mit Ochako und Toga kam mir wieder in den Kopf. Obwohl ich die Blonde kaum kannte, hatte sie es geahnt. Und es auch noch vor Kacchan breitgetreten. Das war sowas von peinlich gewesen, dass ich immer noch rot wurde bei dem Gedanken daran.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass das je passiert wäre.", grummelte ich leise und drehte mich weg.
Als Antwort erhielt ich nur ein Lachen.
"Außerdem glaube ich nicht daran, dass das zwischen mir und Kacchan etwas Festes werden kann." Wieso nur machte mich dieser Gedanke so traurig? Hatte ich mich nicht damit abgefunden, dass meine Gefühle einseitig waren?
"Wieso denn nicht? Wenn jemand einen sturen Hitzkopf mit Aggressionsproblemen unter Kontrolle kriegen kann, dann jawohl mein Sohn.", versuchte Inko mich aufzuheitern. Es klappte ein wenig.
"Danke. Ich glaube, wir sollten jetzt schlafen." Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken. Mir eine Zukunft mit dem Blonden zu wünschen, fühlte sich wie Verrat an Iumi an.
"Du hast recht. Gute Nacht mein Spatz."
"Gute Nacht."
Katsuki
Das konnte nicht wahr sein! Fassungslos starrte ich auf den Bildschirm. Ich konnte kaum etwas erkennen, da der Raum vollkommen im Dunkeln lag doch dafür umso besser hören, was mein süßer Deku da mit seiner Mutter besprach. Es passte einfach viel zu gut. Eijiro war damals mit Midoriya befreundet gewesen, auch wenn ich nie verstanden hatte wieso. Er war es gewesen, der sein Vertrauen gewonnen und ihn für meine Zwecke eingespannt hatte. Wie das manipulierende Arschloch, dass er manchmal sein konnte. Und Inko Midoriya war vollkommen auf ihn hereingefallen. Wie anscheinend auch mein Lockenkopf. Er war in ihn verknallt gewesen! Mein verfluchter bester Freund war die erste große Liebe meines...?! Was war er jetzt eigentlich? Mein Freund wohl kaum, ohne sein Einverständnis. Schwarm? Das war zu wenig, um das auszudrücken, was ich empfand. Ach scheiß drauf! Shitty Hair hatte nicht seine Jugendliebe zu sein und damit basta!
Die Eifersucht brannte wie Säure durch meine Adern und es gab nur ein Ventil dafür. Und genau dieses kam soeben die Treppe herauf.
"Ey Bakubro! Du hast nicht aufgemacht, also hab ich meinen Schlüssel genommen. Sag mir nicht, dass du schon schläfst?" Wie sehr mich diese Stimme gerade nervte.
"Keller! Sofort!", brüllte ich und stampfte an ihm vorbei, ohne mich umzusehen. Ich wusste, dass er mir folgen würde. Er war mir immer gefolgt.
"Was ist dir denn für ne Laus über die Leber gelaufen?" Jetzt war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze!
"Fresse! Zieh die Schuhe aus.", ordnete ich an und trat in die kleine Arena. Es war ein Haufen Trainingsmatten, die von einem ca. 5cm Holzzaun an Ort und Stelle gehalten wurden. Nichts wirklich besonderes. Ich hatte es einfach und praktisch halten wollen.
"Okay Boss. Aber wenn ich mich verprügeln lassen soll, wüsste ich doch trotzdem gern weswegen."
"Einen Scheiß! Kampfstellung." Ich würde ihm kein Wort verraten. Nicht eines! Es ging ihn nichts an!
Endlich gab der Rothaarige es auf und trat mir gegenüber.
Die Knie leicht gebeugt, die Arme dicht am Körper, die Hände erhoben umkreisten wir einander für einige Augenblicke. Dann explodierte die Anspannung in meinem Körper und entlud sich in ein paar kräftigen Schlägen. Ohne wirklich nachzudenken gab ich meine Deckung auf und ging in den Angriff über. Doch Eijiro war nicht umsonst mein liebster Trainingspartner. Er blockte meine Schläge in Richtung seiner Körpermitte gekonnt ab und als er eine Chance sah, boxte er mich direkt in den Magen. Keuchend wich ich ein paar Schritte zurück und gewann meine Sinnesschärfe zurück.
Knurrend begab ich mich wieder in die Ausgangsstellung. Als ich dieses Mal angriff, war ich vorsichtiger. Ein angetäuschter Schlag auf seine rechte Seite, danach ein Kinnharken. Direkt ein Tritt auf die Brust hinterher. Nun taumelte der Rothaarige und ich gab ihm Zeit sich wieder zu fangen.
So ging das eine ganze Weile. Der Schweiß rann uns die Körper hinab und mir schmerzte bereits jeder Muskel, doch es reichte nicht. Mein Verstand schrie nach einer Pause. Ich wollte sie ihm nicht geben. Ja ich war stur verdammt, aber das war etwas Gutes! Wenn ich jemanden liebte, dann war das was Ernstes verdammt! Wie konnte Deku nur so wenig Vertrauen in mich haben? Es war nur ein Moment der Unachtsamkeit gewesen, da packte mein Gegner meinen Nacken und riss mich mit einem Tritt von den Beinen. Unsanft fing ich mich auf der Matte ab. Der Rothaarige über mir.
"Alter. Ihr solltet dringend miteinander reden.", keuchte Eijiro und ich knurrte. Meine Muskeln zitterten bei dem Versuch mich zu befreien.
"Komm endlich runter, man! Wir machen das schon seit Stunden."
Ich biss die Zähne zusammen. Die Wut in meinem Inneren wollte einfach nicht weichen. Wieso musste es auch ausgerechnet mein bester Freund sein?! Es fühlte sich wie Verrat an.
"Er liebt dich, okay? Nur dich. Inko hat das falsch verstanden, Mi-"
"Wieso sprichst du seine Mutter so liger an?!" Das durfte doch alles nicht wahr sein!
"Hör mir doch zu du sturer Bock! Ein einziges Mal warst du mit damals. Und es hat ausgereicht! Iumi hat sich ständig darüber beschwert, dass sein großer Bruder so unglaublich kindisch sei und nerven würde, weil er ständig nach dir fragte. Noch Jahre später hat er immer wieder davon gesprochen, dass wir Midoriya einweihen könnten. Er war sich sicher, er würde nichts verraten, weil er für dich geschwärmt hat. Was glaubst du, wieso er ausgerechnet zu ihm gegangen ist, als er auspacken wollte?"
"Du wusstest es.", knurrte ich als Antwort. "Du hast dich die ganze Zeit an ihn erinnert."
"Nein habe ich nicht. Iumi war ein Freund, aber kein besonders enger, von dem man sich alles merkt. Er hat es im Gefängnis erwähnt, als wir da waren. Dass er nicht glauben könne, dass du seinem Bruder etwas tust. Schließlich würdest du es lieben, angehimmelt zu werden und Midoriya würde genau das tun."
Langsam kehrte eine Art Ruhe in meinem Körper ein. Wobei es sich eher wie die Ruhe vor dem Sturm anfühlte.
"Ich hab geredet während wir trainiert haben, oder?"
"Jep. Wie ein Wasserfall. Und jetzt komm, du brauchst Schlaf." Der Rothaarige ließ mich los, hielt mir anschließend grinsend seine Hand hin. Ich griff sie und ließ mich auf die Beine ziehen.
2.130 Wörter
Einen Perspektivwechsel innerhalb eines Kapitels, wollte ich zwar nie haben, aber es passte einfach zu gut. Ich hoffe, es stört nicht zu sehr.
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