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Deku
Nachdem Ochako endlich gegangen war, ließ ich mich schwer an meinem Esstisch nieder. Der Heizdecke gelang es nicht sonderlich mein Inneres zu wärmen. Die Kälte drohte mich von innen heraus zu erfrieren, doch ich konnte nichts dagegen tun.
Mein Bruder lebte und er war in Gefahr.
Wie oft hatte ich das jetzt schon in den letzten Stunden gedacht? Bestimmt tausend Mal und dennoch wollte es mir noch immer nicht ganz in den Kopf.
So lange hatte ich Iumi für Tod gehalten. Mutter hatte sogar einen Schrein für ihn daheim errichtet, da es ohne anerkannten Tod auch nie ein Grab geben durfte. Es war hart meinen Bruder zu verlieren. Um den Verlust zu überwinden, um Abstand zu all dem zu gewinnen, ging ich sogar 1 Jahr in Deutschland studieren. Doch ich merkte, wie meine Mutter daran zerbrach allein in diesem großen Haus zu sitzen, indem sie Mann und Kind verloren hatte, und so kehrte ich voller Schuldgefühle zurück. Nicht das meine Mutter mir das je zum Vorwurf gemacht hätte, dafür war sie zu herzensgut.
Irgendwann hatten wir aufgehört zu hoffen und unseren Schlussstrich gezogen. Rückwirkend fühlte ich mich, als hätten wir Iumi verraten. Wir hätten nie aufgeben und immer weiter suchen sollen. Vielleicht wäre das heute dann nicht passiert.
Doch es brachte nichts, in der Vergangenheit zu hängen und sich 'was wäre wenn' Fragen zu stellen, denn an der Gegenwart würde das auch nichts ändern.
Da ich mir sicher war, heute nichts zu Essen mehr runter zu bekommen, beschloss ich, nach einer kurzen Katzendusche ins Bett zu gehen. Es war zwar erst 10 Uhr doch da ich mir auch sicher war, kein Auge zuzubekommen, konnte es ja nicht schaden, mal auszuschlafen. Oder es zumindest zu versuchen.
Mit einem gemütlich weichen Pulli verkroch ich mich in die kalten Lacken und hoffte, sie würden schnell warm werden. Zur Unterstützung zog ich noch meine grüne Flanelldecke näher, welche sich kuschelig weich an mich legte. Ich versuchte so viel Wärme wie möglich um mich herum zu schaffen, in der Hoffnung es würde die Schatten an den Wänden vertreiben, doch das war nicht der Fall. Sie blieben und tatsächlich tat ich kaum ein Auge zu. Laut meinem Handy musste ich für 2 Stunden weg gewesen sein, denn ich bekam eine Nachricht von Toga, die sich stellvertretend für Ochako bereit erklärt hatte, alle Stunde auf meine Nachricht zu sehen. Da sie in einem Club an der Bar arbeitete, war sie Nachts eh oft wach, sodass es sie kaum störte.
Es wunderte mich immer wieder, wie die beiden Mitbewohnerinnen es überhaupt schafften etwas gemeinsam zu unternehmen, denn Ochako war den Großteil des Tages mit ihrer Mode beschäftigt und kam oft erst zurück, wenn Toga schon aus dem Haus war.
Als endlich die ersten Strahlen des Tages durch meine Jalousien lugten, beschloss ich, meine Qualen zu beenden und kroch aus den warmen Lacken. Es war gerade mal 8 Uhr, keine normale Aufstehzeit, doch ein Kaffee oder zwei würden es schon richten.
Nach einer kurzen Katzenwäsche trottete ich die Treppen hinab in den Wohnraum und konnte nicht anders, als so leise wie möglich dabei zu sein, um jeden Laut hören zu können.
Es war merkwürdig, was man alles hörte, wenn man darauf wartete, etwas zu hören. Noch nie in meinem Leben hatte ich das Surren meines Kühlschranks so laut gehört. Und auch andere Dinge, die ich nicht einordnen konnte, so leise waren sie. Gleichzeitig schien mir alles unverhältnismäßig laut. Ob das damit gemeint war, wenn Autoren in ihren Büchern von ohrenbetäubender Stille sprachen?
Nachdem ich, mit einem Handstaubsauger bewaffnet alle Ecken des kleinen Hauses nach Einbrechern abgesucht hatte, setzte ich eine ganze Kanne Schwarztee auf. Kaffee hatte ich mal wieder keinen im Haus, weil der so unverschämt teuer war, aber Tee würde es wohl auch tun müssen.
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe mir eine Tasse mit in mein Atelier zu nehmen, schließlich konnte ich auch genauso gut aus der Kanne trinken und eine gute Waffe war sie noch dazu.
Gegenüber von meinem Schlafzimmer befand sich mein kleines Atelier. Vorsichtshalber schloss ich die Tür hinter mir ab und öffnete auch nicht das Fenster. Auch wenn ich bezweifelte, dass jemand in den 1. Stock gelangen konnte, sicher war sicher.
Mit einer Schürze bekleidet, um meinen Pyjama-Pulli zu schützen, legte ich mir meine Farben zurecht und starrte auf das weiß der Leinwand. Mein Kopf war auf einmal wie leer gefegt, alle Gedanken verstummten und ließen nur ein unwohles Gefühl zurück.
Es kam nicht wirklich etwas Gutes heraus, denn am Ende des Tages hatte ich nur ein einziges Bild fertig gestellt. Ein Gesicht halb hinter einer Maske versteckt. Die Maske ein Mann, dahinter ein Kind. Ein Auge grün, eines schwarz. Eine Waffe und ein Zug im Hintergrund, eine Hand im Vordergrund. Offen und doch unscharf. Es sah Iumi viel zu ähnlich, doch wie hätte ich auch etwas anderes schaffen können, als meinen Bruder? Die Erkenntnis, dass er wirklich lebte, kam langsam aber sicher in meinem Gehirn an. Äquivalent wuchs allerdings auch meine Angst.
Am späten Nachmittag hielt ich es nicht mehr aus. Ich zog mir ein Shirt und eine Hose über und eilte hinab in den Hausflur. Irgendetwas musste ich doch unternehmen, irgendwie musste ich meinem kleinen Bruder doch helfen. Auch wenn ich nicht wusste wohin, griff ich nach meiner Jacke und den Schlüsseln und riss die Tür auf, nur um eine schwarze Mauer vor mir zu sehen.
Irritiert hob ich den Kopf und erblickte einen Blondschopf, der einige Zentimeter größer war, als ich selbst. Seine Haare standen wild und stachelig in alle Richtungen ab und unterstrichen so seine harten, kantigen Gesichtszüge. Seine roten Augen glühten stechend und seine Mundwinkel waren steif verkniffen. Er war breit gebaut und schien muskulös, doch nicht aufgepumpt, was durch seinen schwarzen Anzug noch betont wurde.
Neben ihm stand ein Mann, der vom Aussehen her, perfekt zu ihm passte. Er trug einen roten Anzug, war ebenfalls sehr muskulös und seine Haare standen rot wie Stacheln von seinem Kopf. Da schienen die beiden drauf zu stehen. Ansonsten war sein Gesicht genauso hart wie das des Blonden doch anstatt so auszusehen, als würde er mich gleich in Stücke reißen wollen, lächelte er mich freundlich an, was ihn gleich viel weicher wirken ließ.
Doch es änderte nichts an der Skepsis, die langsam meinen Rücken hinaufkroch, denn ich kannte keinen von den Beiden.
1.073 Wörter
Jetzt kommen wir endlich zur Sache. Nach knapp 3.000 Wörtern Auftakt wird es auch langsam Zeit.
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